Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Zweites Bild

Gebirgslandschaft; im Hintergrund das Haus Hilarius', das in der Nähe des Werkes gedacht ist. Doch wird das Werk nicht gesehen. Ein Wasserfall auf der rechten Seite. (Johannes auf einem Felsensitz; für ihn nicht sichtbar Capesius; Benedictus, Maria; Lucifer; Geistwesen, Seelenkräfte; die Seele der Theodora; der Geist von Thomasius' Jugend.)

Johannes:
Der hingetürmten Formen schweigsam Sein,
es füllt den Raum, gestaltend weite Rätsel;
es tötet nicht mit Fragepein die Seele,
die nicht erkennen, die nur lebend selig
des Daseins Offenbarung schauen will.
Um diese Felsen dieses Lichtesweben,
der kahlen Flächen stummes Dasein dort,
die Wälder, grün in blau verdämmernd hier;
dies ist die Welt, in der Johannes' Seele
sich Zukunftbilder webend, weilen will.
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Johannes' Seele soll in sich erfühlen
die Tiefen und die Weiten dieser Welt.
Und Schöpfermächte sollen dieser Seele
die Kraft entbinden, die den Weltenzauber
als kunstverklärten Schein den Herzen kündet.
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Doch nie vermöcht' Johannes dies, wenn nicht
Marie seiner Seele Kräfte liebend
durch ihre milde Seelenwärme weckte.
Des Schicksals weise Führung muß ich preisen,
das diesem Menschen mich so nah gebracht.
Wie kurz ist doch die Zeit erst, seit ich sie
an meiner Seite weiß; wie innig banden
die wenig Wochen meiner Seele
mir ihrer Seele schon zur Lebenseinheit.
Sie lebt als Geist in mir, auch wenn sie fern;
Sse denkt in meinem Denken, wenn ich mir
des Wollen Ziele vor die Seele rufe.
(Maria erscheint wie ein Gedanke des Johannes.)

Johannes: (fortfahrend)
Maria hier vor mir? Und wie ist sie – ?
Sie darf nicht so vor mir sich offenbaren;
dies geistig strenge Antlitz – diese Würde,
die irdisch Fühlen frösteln macht – es will –
es kann – Johannes so Maria nicht
in seiner Nahe schauen – dies kann nicht
Maria sein, die weise Mächte mir
in milder Schicksalsfügung zugeführt.
(Maria verschwindet aus Johannes' Schauen.)
Wo ist Maria, die Johannes liebte,
als sie noch nicht die Seele ihm verwandelt
und sie in kalte Geisteshöhn geführt?
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Doch auch Johannes, der Maria liebte,
wo ist er jetzt – ? er war noch eben hier-.
Ich schau nicht mehr Johannes, der mich mir
so selig wiedergab – es kann, es soll
mir nicht Vergangenheit uhn frausam rauben!
(Maria wird für Johannes' Scheuen wieder sichtbar.)

Maria:
Maria, so wie du sie schauen willst,
ist sie in Welten nicht, wo Wahrheit leuchtet.
In Truges Reichen webt Johannes' Geist
vom Seelenwahn verführt – befreie dich
von Wunschesmächten, welche dich verlocken.
Ich fühle deinen Seelensturm in mir;
er raubt die Ruhe mir, der ich bedarf.
Es ist Johannes nicht, der solchen Sturm
in meine Seele lenkt, ein Wesen ist's,
das er in sich vor Zeiten schon besiegt.
Als Wahn durcheilt es jetzt die Geistesweiten –;
erkenn' es und es wird als Nichts verstieben.

Johannes:
Das ist Maria, wie sie wahrhaft ist,
und von Johannes redet sie, wie er
in dieser Zeit auch wirklich sich erscheint.
Der hat sich längst zu anderm Sein erhoben,
als mir des Traumes Gauckelspiel jetzt malt,
weil ich in träger Ruhe meine Seele
in sich behaglich dämmern lassen will.
Doch noch besitzt dies Sein mein Wesen nicht.
Ich kann ihm noch entflieht – und will es jetzt –;
es ruft mich oft zu sich, es will mich dann
mit seinen Kräften ganz für sich gewinnen – –;
doch treibt es mich, von ihm mich zu befreien.
Es hat seit Jahren schon mit Geistessein
in meiner Seele Tiefen mich erfüllt;
und doch – ich will in mir es jetzt nicht wissen.
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Du fremdes Wesen in Johannes' Seele
verlaß mich, – gib mich mir, wie ich einst war,
als du noch nicht in mir dich wirksam wiesest.
Ich will Johannes schauen ohne dich. – –
(Benedictus erscheint an Marias Seite, ebenfalls als Gedanke des Johannes.)

Benedictus:
Johannes, höre deiner Seele Mahnung;
Der Mensch, der geistig dich erfüllend, dir
als deines Wesens Urgewalt erstanden,
er muß an deiner Seite treulich walten,
und von dir fordern, deines Wesens Kräfte
in deinem Wollen menschlich zu erschaffen.
Er muß verborgen in dir selber wirken,
daß du einst werden magst, was du als Ziel
des eignen Wesens fern in Zukunft weißt.
Du sollst die eignen Sorgen fest verschlossen
im Seeleninnern mit durchs Leben tragen.
Du selbst gewinnst dich nur, wenn du von ihm
dich mutig willst stets mehr besitzen lassen.

Maria: (als Gedanke von Johannes geschaut)
Mein heilig ernst Gelöbnis strahlet Kraft,
der dir erhalten soll, was du errungen
Du findest mich in kalten Eisgefilden,
wo Geister sich das Licht erschaffen müssen,
wenn Finsternisse Lebenskräfte lähmen. – – –
In Weltengründen suche mich, wo Seelen
das Götterfühlen sich erkämpfen müssen
durch Siege, die vom Nichts das Sein ertrotzen.
Doch nimmer suche mich im Schattenreich,
wo abgelebtes Seelenleben sich
aus Wahneswesen flüchtig Sein erlistet
und Traumesgauckelspiel den Geist umspinnt,
weil er genießend sich vergessen will,
und Ernst ihm unbehaglich scheinen kann.
(Benedictus und Maria verschwinden.)

Johannes:
Sie spricht von Wahn – – – – – – –
– – – – doch schön ist dieser Wahn.
Er lebt, Johannes fühlt in ihm sich selbst,
er fühlt Marias Nähe auch in ihm. – –
Johannes will nicht wissen, wie der Geist
in dunklen Seelentiefen Rätsel löst.
Doch schaffen will er, will als Künstler wirken.
So bleibe ihm verborgen, was in ihm
bewußt nur Weltenhöhen schauen möchte.
– – – – – – – – – –
– – – – – – – – – –
(Er versinkt in weiteres Sinnen.)
(Capesius erhebt sich von seinem Sitze, rüttelt sich wie aus riefem Sinnen auf.)

Capesius:
Erlebt' ich nicht in eigner Seele klar,
was in Johannes, der so träumend sinnt,
als Bilder seiner Sehnsucht sich erschafft?
Gedanken flammten mit im Innern auf,
die nicht aus mit – die er nur wirken konnte.
Es lebte seiner Seele Sein in meiner. –-
Verjüngt erblickt' ich ihn, wie er sich selbst
durch Geisteswahn erschat, und frevelhaft
die reifen Früchte seines Geistes schalt. – –
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Doch wie ! – warum erlebe ich dies jetzt?
Nur selten darf der Geistesforscher doch
Der andern Seelen Sein in sich erschauen! –
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Ich konnte oft von Benedictus hören,
daß dies nur der vermag – für kurze Zeit, –
der gnädig ausersehn vom Schicksal ist,
um eine Stufe auf dem Geistespfad
erhöht zu werden. – – Darf ich so mit deuten,
was mich in diesem Augenblicke trifft?
Was selten – wahrlich nur geschehen darf;
denn furchtbar wär's, könnt' jederzeit der
Seher
belauschen andrer Seelen Innensein.
– – – – – – – – – –
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– – – – – – – – – –
Ob ich die Wahrheit schaute – – ob ein Wahn
von anderm Seelensein mich träumen ließ?
Ich muß es von Johannes selbst erfahren.
(Capesius nähert sich Johannes und wird jetzt von diesem bemerkt.)

Johannes:
Capesius – ich dacht' euch fern von hier!

Capesius:
Doch meine Seele fühlte sich euch nahe.

Johannes:
Mir nah – in diesem Augenblick – doch nicht!

Capesius:
Warum doch schaudert euch bei diesem Wort?

Johannes:
O nein, mir schaudert nicht – – –

(In diesem Augenblick tritt Maria hinzu; dieses macht möglich, daß sowohl Johannes seine nächsten Worte, wie auch Capesius die seinigen, für sich sprechen können.)

Johannes: (für sich)
– – – sein Blick, er trifft
in meiner Seelen Tiefen wahrhaft mich.

Capesius: (für sich)
Sein Schaudern zeigt mir, daß ich wahr geschaut.
(Capesius wendet sich nun an Maria)
Maria, ihr erscheint zur rechten Zeit.
Es bringt vielleicht mir euer Wort die Lösung
des ernsten Rätsels, das mich schwer bedrückt!

Maria:
Nicht euch – ich dacht' Johannes hier zu finden.
Die Ahnung ließ des Rätsels Last bei ihm
mich suchen; euch jedoch wähnt' ich befriedigt,
dem schönen Wirkensziele hingegeben,
das uns Hilarius erschließen will.

Capesius:
Dieses Ziel – was soll es mir – es stört mich jetzt. –

Maria:
Es stört euch? – zeigtet ihr euch nicht beglückt,
seit eurem Hoffen solcher Inhalt ward?

Capesius:
Was ich erlebt in dieser Schicksalsstunde,
es ändert meiner Seele Richtung ganz/
es müßte jede Erdenwirksamkeit
erwachter Seherkräfte mich berauben.

Maria:
Wer Geistespfade hat beschreiten dürfen,
erlebt so mancher Schicksalszeichen Winke. –
Es wird auf Seelenwegen ihnen folgen,
doch könnten sie nicht recht gedeutet sein,
wenn sie die wahren Erdenpflichten stören.
(Capesius setzt sich: verfällt in tiefes Sinnen, währenddessen Maria die Erscheinung Lucifers hat.)

Lucifer:
Dein Mühen wird dir wenig Früchte bringen.
In seinem Herzen regen Kräfte sich,
die mir die Tore seiner Seele öffnen.
Maria, – richte deine Seherkraft
In seiner Seele Tiefen; – schaue dort,
wie er mit Geistesschwingen sich erlöst
von eurem liebewarmen Erdenwerke.

(Lucifer bleibt in der Landschaft.)

(Maria wendet sich etwas deutlicher zu Capesius, ihn aus seinem Sinnen zu erwecken, aus dem er aber zugleich auch wie von selbst sich rüttelt.)

Maria:
Wenn sich Johannes auf dem Geistespfade
gestört durch seiner Pflichten Art erfühlte,
berechtigt wär es nicht, – doch schien's begreiflich:
er wird im äußern Dienste schaffen müssen.
Doch ihr sollt Geisteswissen andern künden,
und tretet so aus eurem Seelenkreise nicht.

Capesius:
Weit mehr, als wenn sie äußre Werke schafft,
verliert die Geisteskraft im Worte sich.
Es zwingt das Wort Geschautes zu begreifen,
doch sind Begriffe Seherkräften feindlich.
Ein solches Geisterlebnis durft' ich schauen,
das meinem Blicke sich nur zeigen konnte,
weil jene Seele, die sich mir erschloß,
zwar meinem Erdenmenschen nahe steht,
doch nie von diesem ganz begriffen ward. –
Ist mein Erlebnis wahr, so wird mich nichts
an dieses Erdenwerk jetzt binden können.
Denn fühlen muß ich dann, wie hohe Kräfte
Jetzt andre Ziele meiner Seele weisen,
als sie Hilarius ihr vorgezeichnet. –
(Er stellt sich vor Johannes hin.)

Capesius:
Johannes, sagt mir frei, erfühltet ihr
vorhin nicht abgelebte Seelenwünsche
wie euer gegenwärtig Selbst in euch,
als ihr in Sinnen ganz verloren wart?

Johannes:
So kann sich meines Geistes Wirrnis wirksam
In fremder Seele als Erlebnis schaffen?
Und Schauen macht den Irrtum stark, daß er
den Weg ins Weltenwerden finden kann?

(Johannes verfällt wieder in ein Sinnen.)

(Maria wendet den Blick zu Lucifer und hört ihn sprechen.)

Lucifer:
Auch hier find ich die Seelentore offen.
Nicht säumen will ich und die Lage nutzen.
Wenn auch in dieser Seele – Geisteswunsch
Sich schafft, so muß das Liebewerk verfallen,
das mir durch Gottgetreu gefährlich winkt.
Ich kann in ihm Marias Macht zerstören:
dann fällt, was sie vermag, an meine Kraft.
(Lucifer ab. Capesius richtet sich in diesem Augenblick selbstbewußt auf und gewinnt innerhalb der folgenden Worte immer sicherere Stimmung.)

Capesius:
Der Zweifel flieht – ich habe wahr geschaut:
Johannes lebte, was ich sehen durfte.
So ist auch klar, daß seine Welt sich mir
nur öffnen konnte, weil die meine sich
begreifend nie der seinen nahen wollte.
Der Geistesweg verlangt nach Einsamkeit; –
zusammenwirken können Menschen nur,
die sich begreifend gegenüberstehen.
Von Menschenwesen fern erreicht die Seele,
der Lichteswelten weite Daseinskreise.
– – – – – – – – – –
– – – – – – – – – –
Als Vorbild zeigt sich Vater Felix mir,
er sucht auf Wegen, die den Andern fremd,
in stolzer Einsamkeit das Geisteslicht.
Und seinem Suchen ward Erfolg, – weil er
begreiflich Wesen sich stets ferne hielt.
Ihm streb ich ferner nach: und euer Werk,
das Seherkraft mit Erdensein belastet,
es wird Capesius nicht mehr verführen.
(Er geht fort.)

Maria:
So ist's mit Menschen, wenn das bessre Selbst
in Schlaf versinkt, und Wunschesmächte
sein Wesen nähren, bis Erwachen wieder
mit Licht erhellt die wahre Geistnatur.
So ist der Schlaf, den alle Menschen schlafen,
bevor die Seherkräfte sie geweckt.
Sie wissen nichts von diesem wachend Schlafen;
sie scheinen wachend – weil sie immer schlafen.
Der Seher schläft, wenn er zu diesem Wachen
aus seinem wahren Sein heraus sich drängt. –
Capesius wird uns sich jetzt entziehn.
Es zieht nicht flüchtig Wollen nur; es zieht
Sein Zustand ihn von unsern Zielen ab.
Nicht er bewirkt, daß er von uns sich wendet.
Man sieht der Schicksalsmächte strenge Zeichen. –
So müssen wohl wir andren unsre Kräfte
in höhrem Maße unserm Werke widmen.

Johannes:
Maria, fordre von Johannes nicht,
daß er in dieser Zeit zu neuen Zielen
die Seele rüste, welche gleich der andern
des Geistesschlafs bedarf, daß sie die Kräfte,
die keimenden, zur Reife pflegen kann.
Ich weiß, ich werde einst für Geisteswelten
zu wirken mich erkühnen, – doch nicht jetzt
verlange, daß ich tätig sei – nicht jetzt.
Bedenk', daß ich Capesius vertrieb. – – –
Wär ich zum Werke reif – er wär' es auch.

Maria:
Capesius vertrieben? – Du – du träumst.

Johannes:
Ich träumte wissend ... ja, ich wachte träumend.
Was Schein vor Weltenmächten, – hat vor mir
als Sinnbild meiner Reife sich bezeugt.
Ich weiß recht gut, mein Wünschen war ich selbst;
und nur das Denken war ein andres Selbst.
So stand Johannes vor der Seele mir,
wie er einst war, bevor der Geist ihn faßte
und ihn erfüllte mit dem zweiten Selbst.
Er ist nicht tot; Johannes' – Wunschesleben,
Es schafft ihn zum Genossen meiner Seele.
Ich hab ihn wohl betäubt, doch nicht besiegt
Des eignen Daseins Rechte fordert er,
wenn jenes Selbst – in Schlaf versinken muß.
Und immer wachen – das vermag es nicht.
So schlief es auch zu jener Zeit, in der
Capesius in sich erleben konnte,
wie mich der andre aus mir selbst gerissen.
So ward mein Träumen ihm zum Schicksalswink.
So wirkt in mir und nicht in ihm die Kraft,
die ihn vertrieben hat, – die uns verbietet
den Geist zum Erdenwirken hin zu lenken.

Maria:
Die Geisteskräfte kommen – rufe sie. –
In Geistesweltengründen lenk' den Blick,
und warte, bis die Kräfte in den Tiefen
empfinden, was in deinem eignen Selbst
mit ihrem Wesen wahlverwandt sich regt.
Sie zaubern dir vor deine Seheraugen,
was sie und dich zur Einheit werden läßt.
Verbanne eignen Sinnes störend Sprechen,
so spricht der Geist in dir mit Geisteswesen;
und diesem Geistersprechen höre zu.
Es trägt dich zu den Lichtessphären hin,
und bindet dich an Geisteswesenheit.
Was dir aus abgelebten Zeiten dämmert,
erscheint dir dann im Weltenlichte deutlich;
und zwingt dich nicht, weil du es lenken kannst.
Vergleich' es mit der Elemente Wesen,
mit Schatten und mit Schemen alle Art,
und stell' es neben mancherlei Dämonen,
und so erfahre, was es wirklich gilt.
Doch dich ergründe in der Geister Reich,
die Urbeginn verbindenärenLichtesspLihin


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