Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Viertes Bild

Die Landschaft des zweiten und dritten Bildes. (Der Büroschef mit Romanus sprechen, im Spaziergange stehenbleibend. Später: Johannes, sein Doppelgänger; der Geist von Johannes Jugend; der Hüter, Ahriman; Benedictus, Maria; Strader, die Seele der Theodora.)

Bürochef:
Ihr kennt die Mystenfreunde Gottgetreus,
und ich erkenn' in euch den klugen Mann,
der stets die Kraft zu sicherm Urteil hütet,
ob Lebenswerk, ob Mystenkunst es fordert.
Drum schärze ich die Meinung, die ihr hegt.
Doch wie soll ich verstehn, was ihr gesagt? – –
Daß Straders Freunde noch im Geistgebiet
sich halten und die Seherkräfte nicht
schon jetzt zum Sinnenschaffen wenden sollen,
erscheint euch richtig. Sollte sich für Strader
der gleiche Weg nicht gleich gefährlich zeigen?
Mir scheint durch seine Geistesart bewiesen,
daß ihn Naturdämonen stets verblenden,
wenn er mit starkem Wunsch – zu seinen Taten,
den Weg im äußern Lebenswerke sucht. –
Der kluge Myste weiß, daß er im Innern
sich erst die Kräfte tüchtig machen muß,
um diesen Feinden Widerstand zu bieten;
doch Strader scheint der Blick für solche Feinde
auf seinem Geistesweg noch nicht gereift.

Romanus:
Doch haben ihn die guten Geisteswesen
noch nicht verlassen, welche Menschen führen,
die noch ganz außerhalb des Geistes stehen.
Von Mysten streben diese Geister fort,
wenn diese ihren Bund mit Wesen schließen,
die ihrer Geistesstimmung dienstbar sind.
Ich kann in Straders Art ganz deutlich fühlen,
wie seinem Selbst Naturdämonen noch
die Früchte ihrer guten Kräfte schenken.

Bürochef:
Und nichts als nur Gefühle drängen euch,
in Strader gute Geister zu vermuten?
Ihr bietet wenig, und verlangt recht viel.
– – – – – – – – – – – – – – – –
Ich soll in Zukunft diese Geister fragen,
wenn ich an diesem Orte wirken will,
an dem ich lange Zeit dem Arbeitssinn
und jenem wahren Geiste dienen durfte,
mit dem der Vater Gottgetreus verbunden; –
und den ich noch aus seinem Grabe höre, – –
wenn auch der Sohn für ihn das Ohr nicht hat!
Was sagt wohl dieser Geist des wackren Mannes,
wenn er die wirren Geister jetzt erschaut,
die ihm der Sohn ins Haus zu schaffen sucht?
Ich kenn' ihn, diesen Geist, der neunzig Jahre
im Leibe sich gehalten. Er hat mir
der Arbeit echt' Geheimnis beigebracht,
in Zeiten noch, da er im Werke stand,
wenn sich der Sohn in Mystentempel schlich.

Romanus:
Mein Freund, ist euch an mir den unbekannt,
wie hoch ich diesen Geist zu schätzen weiß?
Ihm diente sicher jener alte Mann,
den ihr zum Vorbild euch mit Recht erwählt.
Und ihm zu dienen, war auch ich bestrebt,
von meiner Kindheit bis zu diesem Tag.
Doch schlich auch ich in Mystentempel mich.
Ich pflanzte, was sie mir gewähren wollen,
in meine Seelentiefen treulich ein.
Doch legte mein Versand die Tempelstimmung
am Tore ab, wenn er ins Leben trat.
Ich wußte, daß ich dieser Stimmung Kraft
am besten so ins Erdenleben trug.
Ich brachte doch die Seele aus dem Tempel
in dieses Wirken mit. – Für sie ist gut,
wenn sie der Erdverstand nicht stören will.

Bürochef:
Und findet ihr, daß Straders Geistesart
auch nur von fern der euren ähnlich sieht?
An eurer Seite wüßt' ich mich stets frei
von Geisteswesen, die mir Strader bringt.
Ich fühl' es wohl, wenn er auch irrend spricht,
wie Elementengeister, lebend regsam
bei ihm durch Wort und Wesen sich ergießen
und sinnlich Unfaßbares offenbaren.
Doch stößt mich eben dies von ihm zurück.

Romanus:
Dies Wort, mein Freund, es trifft mich tief im Herzen.
Ich mußte, seit ich Strader näher trat,
Gedanken, welche ich von ihm erfahre,
begabt mit ganz besondrer Kraft empfinden.
Wie meine eignen drangen sie in mich.
Und eines Tages sagt' ich mir: wenn du
nicht dir, wenn deine Seele ihm verdankte
die Kraft, die dich zum Manne reifen ließ!
Und dies Gefühl ward bald gefolgt vom zweiten:
Wenn ich für alles, was mich brauchbar macht
in Lebenswerken und im Menschendienst:
vom frühern Erdensein verschuldet wäre?

Bürochef:
Das ist's, was ich bei im erfühlen muß. –
Wenn man ihm näher tritt, so zieht der Geist,
der durch ihn wirkt, die Seele mächtig hin.
Konnt' eure starke Seele ihm verfallen,
wie soll ich denn die meine mir beschützen,
wenn ich mit ihm zur Arbeit mich vereine?

Romanus:
An euch nur wird es liegen, ob ihr findet,
wie ihr zu ihm euch richtig halten sollt.
Ich glaube, mir wird Straders Macht nicht schaden,
seit ich Gedanken mir gebildet habe,
wie er die Macht errungen haben mag.

Bürochef:
Errungen, – er selbst, – Macht, und über euch –
der Träumer – über euch –, den Lebenskünstler!

Romanus:
Wenn man es wagen dürfte, vorzustellen,
in Strader lebte jetzt ein Geist sich aus,
der sich in einem frühern Erdenleben
zu seltner Seelenhöhe bringen konnte; – –
der Vieles wußte, was die andern Menschen
in seiner Zeit noch nicht erahnen konnten; – –
dann wär' es möglich, daß von seinem Geiste
Gedanken ihren Ursprung einst genommen,
und dann den Weg ins allgemeine Leben
der Erdenmenschen habe finden können,
durch welche jetzt die Menschen meiner Art
die Tüchtigkeit sich anerzogen haben. –
Was ich in meiner Jugend an Gedanken
aus meinem Umkreis mir zu eigen machte,
es könnte doch von diesem Geiste stammen.

Bürochef:
Und scheint es euch denn auch erlaubt, Gedanken
die wohl als Lebenslehre wertvoll sind,
auf Strader im besondern hinzulenken?

Romanus:
Ich wär' ein Träumer, tät' ich, was ihr meint.
Ich spinne nicht den Traum der Lebenslehre
mit festverschloßnen Augen. In Gedanken,
die sich enthüllen, nur so hinzudämmern,
ist meine Lebensart noch nie gewesen. –
Ich seh' mit offnen Augen Strader an,
wie dieser Mann sich wesenhaft bezeugt,
mit allem, was an ihm, und wie er ist;
was fruchtlos selbst in ihm, – und mir ist klar,
daß ich mein Urteil über seine Gaben
zu bilden hatte, wie ich's eben gab.
Wie wenn vor vielen hundert Jahren schon
vor meinen Augen dieser Mann gestanden,
so fühle ich ihn jetzt vor mir im Geiste.
Und daß ich wachend bin, – ich weiß es wohl. –
Ich werde Gottgetreu zur Seite stehen;
es wird geschehen, was geschehen muß.
Bedenkt doch weiter seine Lebenspläne.

Bürochef:
Für mich ist jetzt von größerm Wert fürwahr,
bedenken, was ihr selbst mir anvertraut.

(Bürochef und Romanus gehen in der Landschaft weiter. Es kommt Johannes aus einer anderen Richtung, in Gedanken versunken, setzt sich auf einen Felsen. Johannes zunächst allein, dann der Doppelgänger, der Geist von Johannes' Jugend, zuletzt der Hüter der Schwelle.)

Johannes: (allein)
Erstaunt war ich, als mir Capesius
verriet, wie meiner Seele Innensein
in seiner Geistesschau sich offenbarte.
So konnte sich verfinstern, was mir lichtvoll
vor vielen Jahren sich doch schon gezeigt. – –
Daß alles, was in Menschenseelen lebt,
in Geistes-Außenreichen weiterwirkt:
ich weiß es lange schon, – ich konnt's vergessen. –
Als Benedictus mir die Wege wies
zur ersten Seherschaft, – da schaute ich
Capesius und Strader durch den Geist
in anderm Lebensalter bildhaft deutlich.
Ich sah, wie ihres Denkens Kraftgebilde
im Weltensein die Wellenkreise wirkten.
Dies alles weiß ich gut, – und wußt es nicht,
als ich es schaute durch Capesius.
Es schlief das Sein in mir, das wissend ist.
Wie ich im langvergangnen Erdenleben
Capesius eng verbunden war:
auch dieses wußte ich vor langer Zeit –,
in jenem Augenblicke wußt' ich's nicht.
Wie kann ich nur mein Wissen mir behüten?

(Eine Stimme aus der Ferne, diejenige von Johannes' Doppergänger.)
Verzaubertes Weben
Des eigenen Wesens.

Johannes:
Und wachendes Träumen
enthüllet den Seelen
verzaubertes Weben
des eigenen Wesens.

(Während Johannes diese Sätze spricht, kommt sein Doppelgänger an ihn heran. Johannes erkennt ihn nicht, sondern glaubt, die »andre Philia« komme zu ihm.)

Johannes:
Du bist es wieder, rätselvoller Geist,
du brachtest wahren Rat in meine Seele.

Der Doppelgänger:
Johannes, dein Erwachen bleibt ein Wahn,
bis du den Schatten selbst erlösen wirst,
dem deine Schuld verzaubert Leben schafft.

Johannes:
Zum zweiten Male sprichst du dieses Wort.
Ich will ihm folgen. – Weise mir den Weg.

Der Doppelgänger:
Johannes, laß im Schattenreiche leben,
was dir in deinem Selbst verloren ist.
Doch gib ihm Licht von deinem Geisteslicht,
so wird es Schmerzen nicht erleiden müssen.

Johannes:
Ich hab' das Schattenwesen wohl betäubt,
doch nicht besiegt, so wird es unter Schatten
verzaubert Schattenwesen bleiben müssen,
bis ich mit ihm mich wieder einen kann.

Der Doppelgänger:
So gib mir jetzt, was du dem Wesen schuldest;
die Kraft der Liebe, die zu ihm dich treibt,
des Herzens Hoffnung, die von ihm erzeugt,
das frische Leben, das in ihm verborgen,
die Früchte lang vergangner Erdenleben,
die dir mit seinem Sein verloren sind;
o gib sie mir, ich bring sie treulich ihm.

Johannes:
Du kennst den Weg zu ihm? O zeig' ihn mir.

Der Doppelgänger:
Ich konnt' im Schattenreiche zu ihm dringen,
wenn du in Geistessphären dich erhobest;
doch seit die Wunschesmächte dich verlockt,
und du den Sinn zu diesem Wesen wandtest,
erlischt mir stets die Kraft, wenn ich es suche.
Doch, wenn du meinem Rate folgen willst,
so wird die Kraft sich wieder schaffen dürfen.

Johannes:
Gelobet hab' ich's dir, zu folgen dir –.
Ich will es dir, o Rätselgeist, auf neue
mit meiner vollen Seelenkraft geloben.
Doch, wenn du so den Weg zu ihm kannst finden,
so zeig' ihn mir in dieser Schicksalsstunde.

Der Doppelgänger:
Ich find' ihn jetzt, doch kann ich dich nicht führen,
ich kann nur deinem Seelenauge zeigen,
das Wesen, welches deine Sehnsucht sucht.

(Es erscheint der Geist von Johannes' Jugend.)

Der Geist von Johannes' Jugend:
Ich will dem Geiste stets verbunden sein,
der dir das Seelenauge öffnen durfte,
daß du mich schauend wirst in Zukunft finden,
wenn ich mich dir nach Geistgeboten zeige.
Doch mußt du diesen Geist in Wahrheit kennen,
an dessen Seite du mich jetzt erschaust.

(Der Geist von Johannes' Jugend verschwindet; für Johannes wird erst jetzt der Doppelgänger erkennbar.)

Johannes:
Nicht jener Rätselgeist; – mein andres Selbst?

Der Doppelgänger:
Jetzt folge mir; – du hast es mir gelobt –;
zu meinem Herrscher muss ich dich jetzt führen.

(Der Hüter der Schwelle erscheint und stellt sich nehen den Doppelgänger.)

Der Hüter:
Johannes, wenn du diesen Geistesschatten
entreissen willst den Seelenzauberwelten,
so töte Wünsche, welche dich verführen.
Die Spur, auf der du suchst, entschwindet dir,
so lang du ihr mit Wünschen folgen willst.
sie führt an meiner Schwelle dich vorbei.
Doch hier verwirre ich die Seelenschau,
gehorchend hoher Wesen Willensmacht,
wenn Wünsche leben in den Geistesblicken
die mich hier treffen müssen, ehe sie
ins reine Licht der Wahrheit dringen dürfen.

(Ahriman tritt auf.)

Ich halt' in deinem Blick dich selber fest,
so lange du dich mir mit Wünschen nahst.
Auch mich erblickst du nur als Wahngebilde,
wenn Wunscheswahn dem Schauen sich verbündet
und Geistesfriedsamkeit als Seelenleib
sich deines Wesens nicht bemächtigt hat.
Erstarke Klaftesworte, die du kennst,
dass ihre Geistesmacht den Wahn besiegt.
Erkenne dann mich ohne deinen Wunsch;
so siehst du meines Wesens Wahrgestalt.
Und frei ins Geistgebiet den Blick zu wenden,
ich werde dir es nicht mehr wehren müssen.

Johannes:
Auch du enthüllst dich meinem Wahne nur...?
Auch du..., den ich vor andern Wesenheiten
im Geistesland doch wahrhaft schauen muss.
Wie soll ich Wahrheit wissen, find' ich doch
im Weiterschreiten Eine Wahrheit nur:
dass ich den Wahn stets dichter mir gestalte.

Ahriman:
So lass von ihm dich nicht noch ganz verwirren.
Er hütet treulich ja die Schwelle doch,
wenn er sich auch der Kleider jetzt bedient,
die du erst selbst aus alten Schauerstücken
in deinem Geist zusammen dir geflickt.
Als Künstler solltest du ihn allerdings
im schlechten Dramenstile nicht gestalten.
Das wirst du aber später besser machen.
Doch dient der Seele selbst das Zerrbild noch.
Es braucht auch nicht zu viel an Kräftedruck,
um dir zu weisen, was es jetzt noch ist.
Du solltest merken, wie der Hüter spricht:
elegisch ist sein Ton, zuviel an Pathos. –
Erlaub ihm dieses nicht, dann zeigt er dir,
von wem er heute noch zuviel entlehnt.

Johannes:
Auch seiner Worte Inhalt könnte trügen?

Der Doppelgänger:
Dies frag nicht Ahriman, der sich nur stets
an allen Widersprüchen freuen muss.

Johannes:
Wen soll ich fragen?

Der Doppelgänger:
Frag dich selber nur.
Ich will mit meiner Kraft dich tüchtig rüsten,
dass du in dir die Stelle wachend findest,
die schauen darf, wonach kein Wunsch dich brennt.
Erkrafte dich.

Johannes:
Verzaubertes Weben
des eigenen Wesens.
Verzaubert Weben meines eignen Wesens,
verkünde mir, wonach kein Wunsch mich brennt.

(Der Hüter verschwindet; an seiner Stelle erscheinen Benedictus und Maria. Ahriman verschwindet.)

Maria:
Auch mich erblickst du nur als Wahngebilde,
weil Wunscheswahn dem Schauen sich verbündet.

Benedictus:
Und Geistesfriedsamkeit als Seelenleib
sich deines Wesens nicht bemächtigt hat.

(Doppelgänger, Benedictos und Maria verschwinden.)

Johannes: (allein)
Benedictus, Maria, sie – der Hüter!
Wie können sie als Hüter mir erscheinen?
Ich bin zwar viele Jahre lang bei euch, – –
doch euch zu suchen, streng gebietet's mir
verzaubert Weben meines eignen Wesens. –

(Er geht nach der linken Seite der Landschaft ab.)

(Es kommen Strader, Benedictus und Maria von der rechten Seite der Landschaft.)

Strader:
Ihr gabt, in Geistgemeinsamkeit mit euch
an meines eignen Wesens tiefem Abgrund
die weisen Winke meiner Seelenschau,
die unverständlich mir zu dieser Zeit,
doch weiter wirkend mir im Seelensein
die Lebensrätsel sicher lösen werden,
die mich in meinem Streben hindern wollen.
Ich fühl' in mir die Kraft, die euer Wirken
dem Schüler auf dem Geistespfade gibt.
So werd' ich euch die Dienste, die ihr braucht,
zu leisten wohl vermögen an dem Werk,
das Gottgetreu der Menschheit widmen will.
Capesius zwar werden wir entbehren. –
Es wird der andern Rüstigkeit wohl nie
sein Teil an Wirksamkeit ersetzen können;
Doch wird geschehen, was geschehen soll.

Benedictus:
Es wird geschehen, was geschehen soll.
Dies Wort entspricht der Stufe eurer Reife.
Doch findet sich von ihm kein Widerklang
im Seelensein der andern Geistesfreunde.
Es ist Thomasius noch nicht gerüstet,
die Geisteskraft ins Sinnensein zu tragen.
So will auch er dem Werke sich entziehn.
Es zeigt an ihm sich uns ein Schicksalszeichen;
wir alle müssen andres jetzt noch suchen.

Strader:
Und ist Maria, seid denn ihr nicht da?

Benedictus:
Maria muss Johannes mit sich nehmen,
wenn sie vom Geistessein ins Sinnenreich
zurück den Weg in Wahrheit finden soll.
So will es jener ernste Hüter jetzt,
der beider Reiche Grenze streng bewacht.
Sie kann euch jetzt noch nicht zur Seite stehn.
Für euch soll dies als sichres Zeichen gelten,
dass ihr noch nicht den Weg ins Stoffgebiet
in dieser Zeit schon wirklich finden könnt.

Strader:
So bleib' ich denn allein mit meinen Zielen!
O Einsamkeit, warst du es, die mich suchte,
als ich an Felix Baldes Seite stand?

Benedictus:
Was jetzt in unsrem Kreise sich gezeigt,
es lehrte mich an eures Schicksals Lauf
zu lesen jetzt ein Wort im Geisteslicht,
das sich vorher mir stets entzogen hat.
Verbunden sah ich euch mit Wesensarten
die Böses wirken müssten, griffen sie
schon jetzt ins Menschenwalten schaffend ein;
doch leben sie ein keimhaft Sein in Seelen,
um künftig für die Erde reif zu sein.
In eurer Seele sah ich solche Keime.
Dass ihr sie nicht erkennt, ist euch zum Heil
sie werden sich durch euch erst selbst erkennen.
Doch jetzt ist ihnen noch der Weg verschlossen,
der sie ins Stoffgebiet hinüberführt.

Strader:
Was eure Worte sonst auch sagen mögen;
mir zeigen sie, dass Einsamkeit mich sucht.
Das Schwert wird sie mir wahrlich schmieden müssen. –
Maria sagt' es mir an meinem Abgrund.

(Benedictus und Maria ziehen sich etwas zurück; Strader bleibt allein, es erscheint die Seele der Theodora.)

Theodoras Seele:
Und Theodora wird in Lichteswelten
dir Wärme schaffen, dass dein Geistesschwert
die Seelenfeinde kräftig treffen kann.

(Sie verschwindet. Strader geht hinweg. Benedicnss und Maria kommen allein in den Vordergrund.)

Maria:
Mein weiser Lehrer, nie noch hört' ich euch
zu Schülern, die auf Straders Stufe stehn,
in solcher Art die Schicksalsworte sprechen.
Wird seiner Seele Lauf so schnell geschehn,
dass dieser Worte Kraft ihm heilsam ist?

Benedictus:
Das Schicksal wies es mir; so ist's geschehn.

Maria:
Und wenn die Kraft nicht heilsam sich erweist,
wird nicht auch euch die böse Wirkung treffen?

Benedictus:
Sie wird nicht böse sein; doch weiss ich nicht,
wie sie in ihm sich offenbaren wird.
Es dringt mein Schauen jetzt zu Reichen wohl,
wo solcher Rat in meine Seele leuchtet;
Doch seiner Wirkung Bild erblick' ich nicht.
Versuch' ich dies, erstirbt der Blick im Schauen.

Maria:
Erstirbt der Blick im Schauen? – Euch, mein Führer?
Wer tötet euch den sichern Seherblick?

Benedictus:
Johannes flieht mit ihm in Weltenfernen;
wir müssen folgen; – rufen hör' ich ihn.

Maria:
Er ruft, – – – aus Geistesweiten tönt sein Ruf;
es strahlt in diesem Tönen ferne Furcht.

Benedictus:
So tönt aus ewig leeren Eisgefilden
des Mystenfreundes Ruf in Weltenfernen.

Maria:
Des Eises Kälte brennt in meinem Selbst.
Es zündet Flammen mir in Seelentiefen;
die Flammen zehren mir das Denken auf.

Benedictus:
In deinen Seelentiefen flammt das Feuer,
das sich im Weltenfrost Johannes zündet.

Maria:
Die Flammen fliehn, – – sie fliehn mit meinem Denken;
und dort am fernen Welten-Seelen-Ufer
ein wilder Kampf, – es kämpft mein eignes Denken –
am Strom des Nichts – mit kaltem Geisteslicht. –
Es wankt mein Denken; – kaltes Licht, – es schlägt
aus meinem Denken heisse Finsternis. –
Was taucht jetzt aus der finstren Hitze auf? – –
In roten Flammen stürmt mein Selbst – ins Licht; –
ins kalte Licht – – der Welten-Eis-Gefilde. – –

(Vorhang.)


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