Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Neuntes Bild

Ein kleines, ernst stimmungsvolles Zimmer, – wie ein Studierzimmer – im Hause des Hilarius. – (Zunächst Maria allein in Meditation; dann Astrid, Luna; der Hüter und Benedictus.)

Maria:
Ein Seelenstern, am Geistesufer dort, –
er nahet, – nahet mir in Geisteshelle,
mit meinem Selbste nahet er, – im Nahen –
gewinnt sein Licht an Kraft, – an Ruhe auch.
Du Stern in meinem Geisteskreise, was
erstrahlt dein Nahen meiner Seelenschau?
(Es erscheint Astrid.)

Astrid:
Erkenne, was ich dir verleihen darf;
dem Weltenkampf des Lichts mit Finsternissen
entwand ich deines Denkens Kraft; ich bring'
sie dir aus Weltenmitternachterwachen
in deine Erdenform getreu zurück.

Maria:
Du, meine Astrid, warst bisher mir stets
als leuchtend' Seelenschatten nur erschienen;
was schafft dich mir zum hellen Geistesstern?

Astrid:
Die Blitz- und Donnerkraft erhielt ich dir,
dass sie im Seelensein bewahrt dir blieb –
und du sie wissend jetzt erschauen kannst, –
erinnernd dir die Weltenmitternacht.

Maria:
Die Weltenmitternacht! – bevor die Hülle
zu diesem Erdeleben mir das Selbst
umschloss; – im Farbenlicht Saturns durchwacht!
Das Erdendenken hüllte mir bisher
dies Geisterlebnis in die Seelentrübnis; – –
es steigt empor zur Seelenhelle jetzt. –

Astrid:
Du sprachst im Weltenlichte selbst das Wort:
«O Zeitendauer, ich erflehe mir:
ergiesse dich in diese Seligkeit,
und lass den Führer, lass die andre Seele
mit mir in dir jetzt friedevoll verweilen.«

Maria:
Verweile du auch mir, O Augenblick,
der mir dies Geistgeschehn als Kraft des Selbst
erschaffen durfte. Rüste meine Seele,
dass du mir nicht, dem Traume gleich, entschwindest.
Im Licht, das Weltenmitternacht erleuchtet,
das Astrid mir aus Seelentrübnis schafft,
vereint mein Ich sich jenem Selbst, das mich
im Weltenwesen sich zum Dienst erschuf.
Doch wie erhalt' ich dich, du Augenblick,
dass ich dich nicht verliere, wenn die Sinne
um mich die Erdenhelle wieder fühlen?
Denn gross ist ihre Kraft; ertöten sie
das Geistgeschaute, – ist es oft auch tot,
wenn sich das Selbst im Geiste wiederfindet.

(Auf die letzten Worte hin erscheint, wie durch diese gerufen, Luna.)

Luna:
Bewahre dir, bevor das Sinnensein
dich wieder träumend macht, die Willenskraft,
die dieser Augenblick dir schaffen durfte.
Gedenk der Worte, die ich selber sprach,
als du zur Weltenmitternacht mich sahst.

Maria:
Du, meine Luna, hast die Willenskraft
mir aus der Weltenmitternacht hieher
als Stütze in das Erdesein gebracht.

Luna:
Es folgte meinem Wort des Hüters Mahnung:
»Du wirst jetzt anders vor dir selber stehn;
in ältrer Zeiten Bild dein Selbst erschauen.
Erkennen, wie zum Geisteshöhenflug
die Schwingen auch im Seelensturz erstarken;
es darf die Seele niemals stürzen wollen;
doch muss sie Weisheit aus dem Sturze holen.«

Maria:
Wohin entführt mich deines Wortes Kraft?
Ein Geistesstern am Seelenufer dort! –
Er leuchtet, – nahet sich – als Geistgestalt;
mit meinem Selbste – nahet er, – im Nahen
gewinnt das Licht an Dichte. – Formen, die
im Licht sich dunklen, wesenhaft sich gebend –!
Ein junger Myste, eine Opferflamme,
des höchsten Opferweisen streng' Gebot,
der Flamme Inhalt sinngemäss zu künden!
Der Mystenkreis, von Schrecken ganz verwirrt,
ob jenes jungen Mysten Selbstbekenntnis!

(Der Hüter der Schwelle erscheint während der letzten Sätze.)

Der Hüter:
Im Geistgehör ergründe dir auch noch
des höchsten Opferweisen streng' Gebot.

Maria:
«So lies, du Menschenseele, was die Flamme
im Weltenwort als Innres dir verkündet.«
Wer sprach das Wort, das mir mein eignes Denken
erinnernd aus den Seelenfluten trägt?

(Benedictus erscheint nach den ersten Sätzen.)

Benedictus:
Mit meinem Worte riefst du mich zu dir. –
Als ich dies Wort vor Zeiten dir gebot:
es fand dich nicht zum Folger mir bereit.
Es ruhte dann im Schoss des Weitgeschehens;
der Zeiten Länge hat ihm Kraft verliehn,
die ihr aus deiner Seele Leben floss;
so wirkte dir's in spätern Erdeleben
in deinen Seelentiefen unbewusst.
Es liess dich mich als Führer wiederfinden.
Es schafft sich jetzt bewusst gedankenhaft
in dir zum starken Lebensinhalt um.
»Was wir als mystisch Weihewerk vollbringen,
Bedeutung hat es doch nicht hier allein;
es geht des Weltgeschehens Schicksalsstrom
durch Wort und Tat des ernsten Opferdienstes.«

Maria:
Nicht du sprachst dieses Wort an jenem Orte;
der Opferweise sprach's, der dir Gefährte
in jenem alten Mystenbunde war.
Dass dieses Bundes Ende Schicksalsmacht
in jener Zeit schon vorgesehn, war ihm
bekannt. – Des schönen Scheines Morgenröte
erschaut' der Opferweise unbewusst,
die über Hellas eine neue Sonne
dem Geistesstrom der Erde vorverkündet'.
So unterdrückte er Gedankenmacht,
die er in meine Seele lenken sollte.
Er diente als des Weltengeistes Werkzeug
bei jenem Weihewerk, durch welches er
des Weltgeschehens Strömung raunen hörte.
Er sprach ein Wort aus tiefstem Seelengrunde:
»Ich lerne sie fürwahr hier tief erkennen:
die Einsamkeit am ernsten Geistesort.
Warum bin ich an diesem Ort allein? «

Benedictus:
In seiner Seele keimte so der Trieb
nach Einsamkeit; es reifte dieser Keim
im Zeitenschoss zur Seelenfrucht sich aus.
Capesius erlebt die Frucht als Myste;
sie trieb ihn, Felix' Vorbild nachzufolgen.

Maria:
Doch jene Frau, die in des Tempels Näh
sich hielt; ich schaue sie in alter Zeit,
doch dringt mein Blick in ihre Gegenwart
noch nicht; wie find' ich sie, wenn Sinnensein
mich wieder träumend macht?

Der Hüter:
Du wirst sie finden,
wenn du im Seelenreich das Wesen schaust,
das sie als Schatten unter Schatten ahnt.
Sie strebt nach ihm mit starker Seelenkraft.
Sie wird es aus dem Schattenreich erst lösen,
wenn sie durch dich in ihrer Gegenwart
ihr langvergangnes Erdensein erschaut.

(Der Hüter der Schwelle und Benedictus verschwinden.)

Maria:
Es schwebt als Seelenstern der ernste Hüter
nach meinem Seelenufer leuchtend hin –;
sein Leuchten breitet Ruhe weit im Weiten – –,
Erhabenheit entstrahlet ihm; – sein Ernst
durchkraftet mich im tiefsten Wesensgrunde;
ich will in diese Ruhe untertauchen – –;
ich fühl' es vor, ich werde mich durch sie
zum vollen Geisteswachen führen können.
Ich werde euch, ihr meine Seelenboten – – –
als Leuchtesterne mir im Sein erhalten – –.
Dich, Astrid, will ich rufen, wenn Gedanken
der Seelenhelle sich entwinden wollen. –
Und dich, O Luna, mög' mein Wort mir finden,
wenn Willensmacht in Seelentiefen schläft. –

(Der Vorhang fällt, während Maria, Astrid und Luna noch im Zimmer sind.)


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