Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Erstes Bild

Das Comptoir Gottgetreus. In nicht allzu neuem Stil eingerichtet. Man kann sich denken, daß Gottgetreu Besitzer eines Werkes ist, in dem Holzsägearbeit gemacht wird. (Bürochef und Sekretär im Gespräch; dann Hilarius und später Strader.)

Sekretär:
Und auch die Freunde im Georgenheim
erklären, daß sie unzufrieden sind.

Bürochef:
Auch diese schon; es ist doch jammervoll.
und stets die gleichen Gründe; man ersieht,
wie schmerzlich diese Freunde es empfinden,
daß sie von Gottgetreu sich lösen müssen.

Sekretär:
Daß wir an Pünktlichkeit es fehlen lassen,
daß unsere Arbeit nicht die Wage hält
der Leistung andrer Werke dieser Art,
so schreibt man uns; ein gleiches muß ich jetzt
auf meinen Reisen immer wieder hören.
Der gute Ruf des Hauses schwindet hin,
der noch von Gottgetreus Altvordern sich
auf uns vererbt, und den wir mehren durften.
Die Meinung bildet sich, das Gottgetreu
betört von Träumern und Phantasten ist,
und daß die Schwärmerei, die ihn ergriffen,
der Sorgfalt ihn beraube, die vorher
so deutlich jeder Leistung seines Hauses
die weltberühmte Eigenart verlieh.
So reich an Zahl die Lober einstens waren,
sind jetzt gewiß die Tadler unsrer Arbeit.

Bürochef:
Man hat es längst bemerkt, wie Gottgetreu
von Leuten sich in Irrtum jagen läßt,
die nach besondern Geistesgaben streben.
Er neigte stets zu solchen Seelentrieben;
doch wußte er vorher sie fern zu halten
von jeder Arbet, die dem Tage dient.
(Hilarius Gottgetreu betritt den Raum.)

Bürochef: (zum Sekretär)
Es scheint mir nötig, eine kurze Weile
allein mit unserm Arbeitsherrn zu sprechen.
(Der Sekretär geht aus dem Zimmer.)

Bürochef:
Die Sorge ist's, die mich Gelegenheit
zu ernster Unterhaltung suchen läßt.

Hilarius:
Was ist's, das meinem Rater Sorge macht?

Bürochef:
Es zeigt mir mancher Vorfall jetzt ganz deutlich,
daß unsre Arbeit mehr und mehr verfällt,
und daß wir nicht mehr leisten, was wir sollen.
Es mehren sich die Stimmen, die beklagen,
wie unsre Leistung sich an Wert vermindert,
und andre Häuser uns den Rang bestreiten.
Auch unsre altbekannte Pünktlichkeit,
sie wird von vielen schon mit Recht vermißt.
Es werden sich recht bald die besten Freunde
durch Gottgetreu nicht mehr befriedigt finden.

Hilarius:
Gar wohl bewußt seit lange ist mir dies;
Doch läßt es mich, fürwahr, ganz unbesorgt.
Jedoch mit euch die Lage zu beraten
ist mir Bedürfnis, denn ihr halfet mir
als Diener meines Hauses nicht allein;
ihr standet mir als treuer Freund stets nahe.
Deshalb sollt ihr jetzt deutlich von mir hören,
worauf ich euch schon öfter hingewiesen.
Wer Neues schaffen will, der muß gelassen
des Alten Untergang erleben können.
Ich will in Zukunft so das Werk nicht führen,
wie es bisher den Weg genommen hat.
Erwerb, der nur im engsten Kreise lebt,
und bloß gedankenlos die Arbeitsleistung
dem Markt des Erdenlebens überliefert,
ganz ohne Sorge, was aus ihr dann wird,
erscheint mit würdelos, seit mit bekannt,
welch edle Form die Arbeit finden kann,
wenn Geistesmenschen ihr die Prägung geben.
Es soll fortan Thomasius als Künstler
die Arbeitsstätte leiten, die ich ihm
in unsrer Nachbarschaft erbauen will.
So wird, was wir mechanisch leisten können,
von seinem Geiste künstlerisch gestaltet,
und zu der Menschen Taggebrauch dann liefern,
was nützlich ist und edle Schönheit trägt.
Gewerbe soll mit Kunst zur Einheit werden,
alltäglich Leben mit Geschmack durchdringen.
Ich füge so zum toten Sinnesleib,
als welche unsre Arbeit mir erscheint,
die Seele, die ihr erst den Sinn verleiht.

Bürochef: (nach einer längeren Besinnung)
Der Plan zu solcher Wunderschöpfung ist
dem Geiste unsrer Zeit nicht angemessen.
Es muß doch heute jede Leistung streng
im engsten Kreise nach Vollendung streben.
Die Mächte, die im Leben unpersönlich
den Teil ins Ganze wirksam strömen lassen,
sie geben jedem Glied gedankenlos
den Wert, den Weisheit ihm nicht schenken kann.
Und stünde euch auch dieses nicht im Wege,
so wäre dennoch eure Absicht eitel.
Daß ihr den Menschen finden könnt, der euch
den Plan verwirklicht, den ihr schön erdacht,
daran zu glauben – das vermag ich nicht.

Hilarius:
Mein Freund, ihr wißt, daß ich nicht Träumen folge.
Wie sollt' ich mir so hohe Ziele setzen,
hätt' nicht ein gut Geschick mir zugeführt
den Mann, der leisten wird, was ich erstrebe,
und wundern muß ich mich, daß euer Blick
in Strader diesen Mann nicht schauen kann.
Wer dieses Geistes wahres Wesen kennt
und Sinn füf höchste Menschenpflichten hat,
den sollte man selbst dann nicht Träumer nennen,
wenn er als solche Pflicht empfinden muß
ein Feld der Arbeit diesem Mann zu schaffen.

Bürochef: (nachdem er einiges Erstaunen gezeigt hat)
In Strader soll ich diesen Geist erblicken!
Hat sich an ihm denn nicht so klar gezeigt,
wie Menschengeist zu blenden sich vermag,
wenn ihm der Sinn für Wirklichkeiten fehlt.
Dem Geisteslichte dankt sein Mechanismus
den Ursprung –: das kann nicht bezweifelt werden.
Und wenn er einst verwirklicht werden kann,
wird alles Heil aus ihm gewiß erfließen,
das Straders schon so nahe glauben konnte.
Doch wird er lange noch Modell verbleiben,
weil jetzt die Kräfte noch verborgen sind,
die ihm die Wirklichkeit erst schaffen können.
Es macht mich traurig, daß ihr denken könnt,
es wirke Gutes, wenn ihr euer Werk
dem Manne anvertraut, der Schiffbrich litt
mit seiner eignen kühn erdachten Schöpfung.
Sie führte seinen Geist auf Höhen zwar,
die stets die Menschenseele locken werden,
die sie jedoch erst dann erklimmen soll,
wenn ihr die rechten Kräfte eigen sind.

Hilarius:
Wie ihr den Geist des Mannes preisen müßt,
da ihr nach Gründen sucht, ihn zu verwerfen,
bezeugt doch ganz besonders seinen Wert.
Es lag, nach euren Worten, nicht an ihm,
daß seinem Schaffen nicht Erfolg beschieden.
So ist er sicher doch in unserm Kreise
am rechten Ort, es wird sich seinem Geiste
nichts Äußres jetzt entgegenwenden können.

Bürochef:
Und wenn ich auch für alles schon Gesprochne
mit innerm Widerstreben jetzt versuchte,
in eure Denkungsart mich zu vesetzen:
es zwingt noch andres mich zum Widerspruch.
Wer soll in Zukunft eure Leistung schätzen
und wer Verständnis euch so weit bezeugen,
daß er Gebrauch von eurer Arbeit macht?
Was ihr besitzt, es wird verschlungen sein,
wenn euer Werk den Anfang erst genommen.
Es wird sich dann nicht weiter führen lassen.

Hilarius:
Es leuchtet mir wohl ein, daß meine Pläne
als unvollkommen sich erweisen müßten,
wenn nicht Verständnis erst geschaffen würde
für diese neue Art und Arbeitsweise.
Was Strader, was Thomasius vollbringen,
es muß vollendet werden in der Stätte,
die ich dem Geisteswissen will begründen.
Was Benedictus, was Capesius,
und was Maria dort verkünden werden,
es soll dem Menschengeist die Wege weisen,
daß ihm Bedürfnis werde, Sinnensein
mit Geistesoffenbarung zu durchdringen.

Bürochef:
So werdet ihr den kleinen Kreis beglücken,
der fern von Weltensein für sich nur lebt.
Ihr schließt euch ab vom wahren Menschenleben.
In diesem wollt ihr zwar den Selbstsinn tilgen,
doch werdet ihr an eurem Ort ihn pflegen.

Hilarius:
Ihr scheint von mit zu denken, daß ich träumend
Erfahrungen, die das Leben mir gewährt,
gedankenlos verleugne. So verhielt'
ich mich, wenn ich für einen Augenblick
Erfolg in eurem Sinne sollt' verstehen.
Es mag mißlingen, was mir wertvoll scheint;
doch selbst, wenn alle Welt es nur verachtet,
und es deshalb in sich zerfallen muß,
so war es doch einmal vor Menschenseelen
als Vorbild auf die Erde hingestellt.
Es wird im Leben geistig weiter wirken,
selbst wenn es sich im Sinnessein nicht hält.
Es wird ein Teil der Kraft in ihm geschaffen,
die endlich zur Vermählung führen muß
von Geisteszielen und von Sinnestaten.
So kündet es die Geisteswissenschaft.

Bürochef:
Als Diener eures Werkes, pflichtgemäß,
wollt' ich besprechen, was mir nötig schien.
Doch gibt mir eure Haltung auch das Recht,
als Freund dem Freunde mich zu offenbaren.
An eurer Seite wirkend, fühlt' ich mich
seit Jahren schon gedrängt, Erkenntnis
zu suchen jener Dinge, welchen ihr
ergeben seid und viele Kräfte opfert.
Ich konnt' in Schrifften nur Belehrung finden,
die Geisteswissen offenbaren wollen. –
Obgleich die Welten mir verschlossen sind,
auf die ich da verwiesen mich gesehn,
vermag ich ahnend doch mir vorzustellen,
wie Menschen sich gestimmt wohl fühlen müssen,
die solcher Geistesart sich gläubig widmen.
Berechtigt fand ich durch mein eignes Grübeln,
was mancher Kenner dieser Forschungsrichtung
als Eigenart der Seelen deutlich schildert,
die sich im Geistgebiete heimisch finden.
Bedeutsam scheint vor allem mir zu sein,
daß solche Seelen Wahn und Wirklichkeit
trotz aller Vorsicht nicht zu trennen wissen,
wenn sie aus Geisteshöhn ins Erdensein
naturgemäß sich finden sollen. – –
Der Geisteswelt, in der sie sich erleben,
entsteigen dann Gebilde, die der Seele
den rechten Blick ins Sinnensein verwehren,
und ihr mit Trug die Urteilskraft verwirren,
die Menschen für das Erdenleben brauchen.

Hilarius:
Was ihr als Einwand mir erwidern wollt,
bestärkt mich nur, bezeugt es mir doch klar,
daß ich in euch mir einen Menschen mehr
für meine Forschung künftig nahe weiß.
Wie sollte ich bisher auch nur vermuten,
daß euch die Art der Seelen wohlbekannt,
die sich mit mir zum Werke einen wollen.
Ihr kennt Gefahren, welche sie bedrohen:
so werden ihre Taten euch auch zeigen,
daß sie die Wege wissen, die sie schützen.
Die Lage wird euch bald vertraut wohl sein;
und finden werde ich in euch auch künftig
den Rater, den ich nicht entbehren kann.

Bürochef:
Ich kann nicht meine Kraft an Taten wenden,
die ich in ihrer Wirkensart nicht kenne.
Es scheinen mir die Menschen, welchen ihr
euch anvertraut, fürwahr dem Wahn verfallen,
von dem ich sprach. Und solcher Wahn verführt
die andern auch, die auf sie hören wollen.
Er übertönt das zielbewußte Denken.
Ihr könnt für alle Zeiten euch beratend
an eurer Seit' mich finden, wenn der Sinn
euch steht nach solchem Wirken, das sich baut
auf Gründen, die im Erdenleben stützen.
Doch eure neue Art ist nichts für mich.

Hilarius:
Durch eure Weigerung gefährdet ihr
das Werk, das Geisteszielen dienen soll.
Denn ohne euren Rat bin ich gelähmt.
Bedenket doch, daß ernste Pflicht erwächst,
wenn uns das Schicksal solche Winke gibt,
wie sie durch dieser Menschen Gegenwart
ganz deutlich sich für mich erkennen lassen.

Bürochef:
Je weiter ihr in dieser Art mir sprecht,
bezeugt sich mir nur klarer, wie ihr schon
dem Irrtum unbewußt verfallen seid.
Ihr denkt, der Menschheit Dienste zu erweisen;
in Wahrheit dient ihr nur dem Kreise jetzt,
der seinem Geistestraum, durch euch gestützt,
für kurze Zeit sich weiter widmen kann.
Ein Treiben wird sich hier recht bald entfalten,
das diesen Seelen wohl der Geist gebietet,
sich uns jedoch als Luftgebilde zeigen
und unsre Arbeitsfrucht verzehren muß.

Hilarius:
Wenn ihr mit jetzt die Hand nicht bieten wollt,
steht trübe mir die Zukunft vor der Seele.
(Von der rechten Seite tritt Dr. Strader ein.)

Hilarius:
Ich hab' euch schon erwartet, lieber Strader;
Ergeben hat sich eben, daß es gut,
wenn wir Bedeutungsvolles jetzt beraten
und erst zu spätrer Zeit den Ausgang machen. –
Mein alter Freund hat eben mir vertraut,
daß ihm nicht heilsam dünkt, was wir beginnen.
Es sei dem Manne jetzt das Wort gegeben,
der unsrer Arbeit seinen Geist verspricht.
Es hängt nun viel daran, wie Menschen sich
in diesem Augenblicke seelisch finden,
die wie verschiedne Welten sich begegnen,
und die doch, einig, Großes schaffen sollen.

Strader:
So will der treue Helfer Gottgetreus
sich nicht dem hoffnunsvollen Werke widmen,
das uns des Freundes Weisheit möglich macht?
Es kann der Plan uns doch nur dann gelingen,
wenn altbewährte Lebenskunst den Bund
mit Zukunftzielen weise schließen mag.

Bürochef:
Nicht mich nur fernzuhalten ist mein Wille;
auch meinem lieben Freunde möchte ich
die Aussichtslosigkeit der Tat beweisen.

Strader:
Es überrascht mich nicht, daß euch verfehlt
ein Plan erscheint, mit dem sich Strader trägt.
Ein größres Werk mußt ich verfallen sehen,
weil unsrer Zeit die Kräfte noch verborgen,
die gut Erdachtes stofflich wirksam machen.
Man weiß, daß ich der Geist-Erleuchtung danke,
was sich bewährte zwar, doch nicht belebte.
Es zeugt dies gegen meine Urteilskraft
und tötet auch den Glauben, daß der Geist
die Quellen wahrer Erdenschöpfung birgt.
– – – – – – – –
– – – – – – – –
Und schwer nur wird es sich erweisen lassen,
daß solch Erlebnis mir die Kräfte gibt,
im zweiten Fall dem Irrtum zu entfliehen.
Dort mußt' ich irren, daß der Wahrheit Klippen
diesmal mit Sicherheit vermieden seien . . .
– – – – – – – –
– – – – – – – –
Doch ist begreiflich, daß man dies bezweifelt.
Besonders eure Geistesart muß finden,
daß unsre Weise wenig nur verheißt.
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– – – – – – – –
Man rühmt an euch besonders, wie feinsinnig
an allem Geistesleben ihr beteiligt,
und ihm auch fördernd Zeit und Kräfte widmet.
Doch sagt man auch, daß ihr die Lebensarbeit
im strengsten Sinn geschieden wissen wollt
vom Geistesstreben, das aus eignen Kräften
im Seelenleben schaffend wirken will.
Ihr möchtet dies als Inhalt nur beachten
der Zeiten, die von Arbeit unerfüllt.
Zu binden, was der Geist dem Geiste wirkt,
an Werke, die im Sinnensein erstehn,
ist jener Geistesströmung Ziel, die mir
des Lebens Werdegang recht klar gewiesen.

Bürochef:
Solang der Geist allein dem Geiste opfert,
was er im freien Schaffen leisten kann,
erhebt er Seelen zu der Menschenwürde,
die ihnen Sinn um Erdendasein gibt.
Doch wenn er auch das Sein in sich erleben
und gar noch andres Sein beherrschen will,
so nähert er Gebieten sich, wo Wahn
der Wahrheit oft gefährlich werden kann.
Daß solche Kenntnis mir, durch mein Bemühn
in Geistesdingen sich eröffnet hat,
bestimmt zu meiner Haltung heute mich;
und nicht, was ihr als meine Herzensneigung,
durch meinen Ruf geleitet, angesehn.

Strader:
So stellt in euch ein Geisteswissens-Irrtum
sich gegen meine Ansicht feindlich hin.
Dann werden sich die Schwierigkeiten mehren.
Es wird wohl leicht dem Geistesforscher glücken,
mit Menschen sich zur Arbeit zu verbinden,
die aus Natur und Leben sich vorher
vom Sinn des Daseins unterweisen ließen.
Doch wenn Gedanken, die aus Geistesquellen
geschöpft sein wollen, sich mit Widerstreben
mit andern gleichen Ursprungs einen sollen,
ist Harmonie nur selten zu erhoffen.
– – – – – – – –
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(Nach einigem stillen Sinnen.)
Doch wird geschehen, was geschehen muß.
Es wird erneute Prüfung meiner Pläne – – –
vielleicht die Ansicht wandeln, die ihr euch
beim ersten Überdenken bilden mußtet.

(Es fällt der Vorhang, während alle drei Personen im Nachdenken verharren.)


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