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Elftes Kapitel

Ein frischer Wind strich das Tal hinab, als Niki Samt mit seinen Rossen dahinfuhr und nun mit einem ungeheuren Peitschenknall am Hause der Dorothea stillhielt. Sie trat mit Dori reisefertig heraus. Sie wußte ja wohl, daß der Vetter seinen Wagen nicht verlassen und ins Haus eintreten konnte. Gleich nach der ersten Begrüßung sagte Dorothea, die zwei kräftigen Tiere betrachtend, die vor dem Wagen standen: »Aber Vetter, warum kommst du denn mit zwei Rossen, eines von diesen hätte uns ja so leicht hinaufgezogen!«

»Pah«, erwiderte Niki Sami auflachend, »wißt ihr nicht, wie es heißt:

Wer's vermag.
Spannt ein Roß an sein Rad;
Wer vermag mehr.
Fährt mit zweien daher.

»Ich will rückwärts sitzen, so kannst du bequemer kutschieren«, sagte Dori, sich auf den Vordersitz schwingend.

»Ja, so ist's recht, so kann ich auch etwas sehen, das mir gefällt«; Niki Sami mußte laut auflachen über die Anspielung, die er eben ausgesprochen.

»Du kannst heute deine Augen hindrehen, wohin du willst, so siehst du etwas, was dir gefallen muß«, sagte Dori rasch, »das ist der schönste Tag, den wir noch hier erlebt haben. Seht doch die Goldröschen hier an der indem er mit Wohlgefallen zuschaute, wie rasch und gewandt Dori eine schön geordnete Tafel herrichtete.

»Es steht jedem jungen Mädchen gut an, die Dinge des Hauswesens zu kennen und alles, was dazu gehört, geschickt in die Hände zu nehmen«, entgegnete Dorothea schnell. »Aber sagt mir, Vetter, gibt es denn auch noch einige von den überaus schönen Nelkenstöcken, welche die selige Base immer vor den Fenstern hatte und so gut zu pflegen verstand?«

.

»Davon weiß ich nichts, und du, denk' ich, noch weniger, Niki Sami«, gab der Vetter zurück. »Man muß die Ursel fragen, wenn sie wieder hereinkommt.«

»Und die wilden Rosen, die vielen wilden Rosen beim alten Turm, von denen die Nonna sagte?« fiel Dori ein, »die wirst du mir denn doch auch zeigen, Niki Sami, und bald?« Dieser nickte schlau, so als wollte er sagen: Du wirst dann schon hören, wie's ist.

Aber der Pate sagte gelassen: »Nur zahm, nur zahm, und eins nach dem andern. Zuerst müssen wir nun zu Tisch sitzen und ein paarmal anstoßen, was dann nachher kommt, wird sich zeigen.« So wurde denn nach seiner Anordnung begonnen, und über dem vielen Essen und dem wiederholten Anstoßen auf die alte Verwandtschaft und die neu angeknüpfte Bekanntschaft und dann noch auf eine bleibende Freundschaft, was alles der Pate Niklaus vorschlug, war der Abend herangekommen, und immer noch saß die Gesellschaft am Tisch. Dori hatte schon mehrmals versucht, aufzustehen, aber sie konnte es nicht durchführen, immer wieder mußte sie sitzen bleiben, die Vettern wollten von keinem Aufbruch wissen, der alte war noch hartnäckiger als der junge. Dorothea hatte auch der Tochter mehrmals Zeichen gemacht, daß es sich nicht schicke, daß sie immer danach strebe, fortzukommen.

Endlich konnte Dori nicht mehr schweigen; sie wandte sich an ihren Nachbar und sagte mit Lebhaftigkeit: »Vetter Niklaus, ich will gar niemand stören, aber das erlaubt Ihr mir gewiß, daß ich nun zu dem Turm hinaufgehe und zu den Rosen, ich finde den Weg schon ganz gut allein.«

»Ja, zu den Rosen, das wollte ich auch gerne sehen, wie du zu den Rosen kämest«, fiel Niki Sami ein. »Nicht eine ist noch offen dort droben; das war weit und breit die erste offene, die ich dir heut brachte und die ist nicht von dort oben, lang nicht.«

»Bleib du nur gern noch ein wenig bei uns sitzen, junge Base«, sagte der Vetter Niklaus in aller Ruhe, »Rosen kannst du noch immer holen. Jetzt mußt du mich auch Pate nennen, in der Verwandtschaft heiß ich einmal so, und zu der gehörst du ja auch und wirst immer mehr dazu gehören. Daraufhin wollen wir nun auch noch anstoßen.« Der Pate erhob sein Glas und Dori mußte Bescheid tun und sich wieder neben ihn niedersetzen, so wollte er es haben. »Und was hast du denn für einen Turm im Auge?« wollte er jetzt noch wissen.

»Sie meint die Ruine von Steinsberg droben«, erläuterte Niki Sami, »jetzt wär's auch zu spät, noch dort oben hinaufzuklettern.«

»Das ist nun ein Grund, daß die Base Dorothea uns bald wieder mit der Tochter besuche«, sagte der Pate, »das muß dann sein, bevor die Rosen vorüber sind. Dann kann die junge Base dort hinaufsteigen und die Rosen holen und sich an dem alten Gemäuer erfreuen. Heut aber wollen wir nun noch ein wenig fröhlich zusammen bleiben.«

Schon begann es dunkel zu werden; die Gesellschaft saß immer noch am Tisch. Nun fing Dorothea zu drängen an, Niki Sami möchte einspannen, wenn er dabei bliebe, sie heimzuführen. Dabei wollte er durchaus bleiben, aber das Einspannen schob er immer noch hinaus, bis er sah, daß es der Base Dorothea ganz ernst war damit, daß sie nun aufbrechen wollte, sei es im Wagen oder sei es zu Fuß. Der Pate kam diesmal bis zum Wagen hinaus und ermunterte Dori beim Abschied, der Mutter in Erinnerung zu bringen, daß die Rosen nicht zu lange blühen, daß man sie schnell holen müsse, wenn sie einmal offen seien. Als Niki Sami nach einigen Stunden zurückkehrte, saß der Pate noch mit ganz offenen Augen in der Stube und blies lebhafter als gewöhnlich den Rauch aus seiner Pfeife. Sobald der Neffe sich hingesetzt hatte, sich verwundernd, daß der Pate noch nicht zur Ruhe gegangen sei, sagte dieser: »Ich habe noch etwas mit dir zu reden: sag jetzt heraus, denkst du daran, oder denkst du nicht daran?«

»Woran?« fragte der Neffe ein wenig störrig.

»Mach's kurz, du weißt wohl, was ich meine«, sagte der Pate wieder.

»Meint Ihr ans Heiraten, Pate?«

»Ich meine ans Heiraten, Niki Sami.«

»Freilich denk ich daran.«

»So mach, daß du vorwärts kommst, damit jemand anders auch daran denke. Sei jetzt keine Schlafmütze, wie du gewöhnlich bist, sondern mach vorwärts, gleich!«

»Warum pressiert ihr denn so, Pate? Sie ist noch nicht veraltet.«

»Du Öllicht du!« rief der Pate ergrimmt aus, »merkst du denn auch gar nichts! Du mußt drauf los, bevor noch ein anderer sie kennt hier, und so lang sie noch so jung ist, daß sie selbst an keinen andern denkt. Darum tu du lieber morgen als übermorgen, was du zu tun hast!«

»Ich will ja schon«, sagte Niki Sami, in seinem störrigen Ton fortfahrend, »aber sie könnte einem auch zeigen, daß sie versteht, was man meint, und daß sie will.«

»Sie ist keine von denen, die anfangen, und du mußt dich noch recht zusammennehmen, wenn du nicht willst, daß sie dir antworte, wie du's nicht gerne hörst«, sagte mit Nachdruck, der Pate.

»Ja, auch noch«, rief Niki Sami laut auflachend; »komm ich denn mit leeren Händen? Wo ist denn eine, die einem Sitz und Haus und Hof, wie wir sie haben, den Rücken kehrt?«

»So mach vorwärts, sag' ich, Besseres kannst du nichts tun«, wiederholte der Pate, »du wirst dich doch zu fragen getrauen?«

»Getrauen! Getrauen!« wiederholte Niki Sami mit Hohn. »Wenn ich mich nicht zu fragen getraute, so möchte ich nur den sehen, der es täte. Morgen schon geh ich nach Schuls hinunter und die Antwort könnt Ihr noch vor Sonnenuntergang hören.«

»Gut, recht so, stell es so an, daß man sie gern hört!« damit stand der Pate auf, um sich in sein Schlafgemach zurückzuziehen.


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