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*

XIX.

Ein paar Momente standen in dem Salon die drei Personen schweigend, regungslos; dann trat Edward an Miß Flinch heran und sagte halblaut:

Bitte, lassen Sie uns allein!

Sie bleiben hier! sagte Lady Ballycastle in demselben Tone, ohne ihre Stellung zu verändern.

Bitte, gehen Sie! sagte Edward ebenso höflich wie das erste Mal.

Ich befehle Ihnen, zu bleiben! rief Lady Ballycastle laut und drohend.

Miß Flinch' kleine wasserhelle Augen zwinkerten unruhig zwischen Mutter und Sohn hin und her. Zu gehen, war gefährlich; zu bleiben schien gefährlicher. So bewegte sie sich denn schnell und leise durch das Gemach und verschwand hinter der Portiere, aus welcher sie vorhin herausgetreten, die Thür mit einigem Geräusch schließend, wie um Edward zu versichern, daß sie seinem Befehle pünktlich nachgekommen sei.

Ich bitte um Verzeihung, sagte Edward; aber es war unmöglich in Gegenwart jener Person.

Was war unmöglich?

Lady Ballycastle stand noch immer, mit über der Brust verschränkten Armen, abgewendet von ihrem Sohne, dessen schönes Gesicht sich finster umwölkte. Er kam langsam bis auf wenige Schritte heran und sagte leise nachdrücklich:

Es war unmöglich, Lady Ballycastle in Gegenwart ihrer Gouvernante an den Respekt zu erinnern, den sie sich selbst in der Person ihres einzigen Sohnes schuldig ist.

Die Seele eines Sohnes ist Gehorsam gegen seine Mutter, so sind Sie nie mein Sohn gewesen.

Dann wollen Sie in mir nur den Gentleman sehen.

Die Seele eines Gentleman ist Wahrhaftigkeit, Loyalität. Ein Gentleman geht gerade auf seine Ziele los, wie sie auch seien, aber nicht auf Schleichwegen; nicht, indem er mit niedrigen, gemeinen Personen sich in ein schändliches Komplott gegen eine Dame einläßt, die ihm allerdings mit solchen Waffen nicht begegnen kann. Ich habe Sie bis heute für einen Gentleman gehalten; Sie mögen es sich selbst zuschreiben, wenn ich es nicht mehr thue.

Mylady! –

Nun!

Sie hatte sich, die verschränkten Arme lösend, auf den Hacken umgedreht und zugleich einen Schritt vorwärts auf ihn zu gethan, ebenso wie er auf sie. Sie waren unversehens einander so nahe gekommen, daß sie deutlich sein tiefes, schweres Atmen, er ihr fliegendes, zorniges Keuchen vernahm; Auge in Auge blickend, Ringern gleich, die in dem Momente, bevor sie zum Kampfe übergehen, noch einmal ihre Kräfte gegeneinander abwägen. Es war das erste Mal, daß sie sich so gegenüberstanden, denn ihre früheren Konflikte waren brieflich ausgefochten worden oder doch in der Weise, daß man sich gegenseitig möglichst vermied und die Thatsachen für sich sprechen ließ. So hatte es Edward auch gehalten, als er vor sieben Jahren nach Indien ging, und seine Mutter hatte sich eingeredet, es wäre nimmer geschehen, hätte er ihr Gelegenheit gegeben, für ihre Sache mit der Macht ihrer Persönlichkeit einzutreten, und hatte es ihm als Feigheit ausgelegt, daß er es nicht gethan. Nun war hier diese Gelegenheit, und in einer Sache, die noch eine ganz andere entscheidende Bedeutung hatte, als jene Flucht, die sie anfänglich nur für eine Schrulle gehalten, welche bald vorübergehen werde. Dies würde nicht vorübergehen, dies war für immer – für den Rest ihres Lebens sicher; und – da stand er und sein Gesicht, das ihr nie so schön vorgekommen, war finster genug, aber ohne die leiseste Spur von Unruhe oder Angst: und wenn seine blauen Augen nicht geistvoller blickten wie sonst, so leuchtete aus ihnen ein ruhiges, stetiges Licht von einer sonderbaren, unheimlichen Gewalt, die mit jedem Momente zu wachsen schien. Und es leuchtete von oben her, so hoch, daß sie, die gewohnt war, auf die Menschen herabzusehen, zu ihm aufblicken mußte. Sie hatte immer von seiner Riesenstärke Wunderdinge gehört, an die sie nie geglaubt, weil sie nie eine Probe davon gesehen – jetzt auf einmal glaubte sie daran auch ohne Probe.

Ein Lächeln, das sie für gewinnend hielt, und das Edward unheimlicher erschien, als ihr Zorn, glitt durch ihre finsteren Züge.

Sie sind gekommen, sagte sie –

Und bin im Begriffe zu gehen, unterbrach er sie.

Bevor wir uns guten Tag gesagt und uns die Hände geschüttelt? – Nein, nein! Bleiben Sie! Sprechen Sie! Wir werden uns schon verstehen. Und vor allem, setzen wir uns.

Sie hatte ihm die Hand gereicht mit kräftigem Druck, den er kaum erwiderte, und schritt voran. Er zögerte noch einen Moment; dann, mechanisch seiner Ordnungsliebe folgend, hob er den umgefallenen Fauteuil auf, neben dem er stand, trug ihn – in einer Hand, leicht, wie einen Rohrstuhl – zu den übrigen am Sofa, wohin er ihm zu gehören schien.

So werde ich denn bleiben, sagte er traurig, aber es wird umsonst sein; wir werden heute einander so wenig verstehen, wie früher.

Er hatte vor ihr Platz genommen. Düster vor sich hinblickend, sah er das triumphierende Lächeln nicht, das blitzschnell in ihren Augen aufzuckte und unter den gesenkten Wimpern verschwand, als sie jetzt in einem fast demütigen Tone sagte:

Wir werden uns verstehen, mein lieber Sohn. Aber zuerst muß ich Sie um Verzeihung bitten wegen des sonderbaren Empfanges –

Lassen wir das, sagte Edward abwehrend.

Nein, ich muß, muß Sie um Verzeihung bitten, daß ich nur einen Augenblick Sie in Gemeinschaft bringen konnte mit jenen niedrigen Menschen. Es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Nicht wahr, Sie sind nur gekommen, um Ihre Mutter zu sehen? Man hat sie hierher gelockt unter dem Vorwande, daß ich hier krank liege, totkrank? und Sie sind Tag und Nacht gereist, um meinen Segen zu empfangen? Ist es nicht so?

Edward blickte mit großen erschrockenen Augen auf seine Mutter. War es ein boshaftes Spiel? Konnte sie das im Ernste annehmen? Aber wenn sie es im Ernste nahm, hatte sie dann noch ihre gesunden Sinne?

Beantworten Sie mir eine Frage, fuhr Lady Ballycastle fort. Wußten Sie, wer diese Person war, die da vorhin von mir ging und was sie bei mir gewollt hat?

Nein, sagte Edward, aber –

Ich war dessen sicher, unterbrach ihn seine Mutter; es ist ein Komplott, ein gemeines Komplott. Und ich konnte die Person eine halbe Stunde lang für eine Lady nehmen, wie eine Lady behandeln – die Kupplerin, die Zwischenträgerin –

Ich verstehe Sie nicht, sagte Edward.

Aber ich verstehe alles, alles! rief Lady Ballycastle mit blitzenden Augen. Allein ging es nicht; man mußte sich associieren; man versuchte es schon in Ballycastle mit dem alten, heuchlerischen Schuft von Pfaffen, der immer mein Verderben gewollt hat; und er hat auch jetzt wieder die Hände im Spiele – auf mein Wort und meine Ehre! – jetzt sehe ich es klar. Er ist mit ihr in Korrespondenz geblieben, wie sie schon in Ballycastle immer die Köpfe zusammengesteckt haben – ich versah mir schon damals von ihnen das Schlimmste. Und dann hat sie der Pfaffe an eine Person adressiert– sie haben ja dergleichen immer an der Hand – die sich ihre zweite Mutter nennt und der Himmel weiß was, und rührende Geschichten erzählt von einem Sohne, der sie hat heiraten wollen, und der nie existiert hat, so wenig wie das Weib eine Baronin ist, sondern eine gemeine Abenteurerin, die mit ihr in der Welt herumreist, um sie zuletzt an den zu verkuppeln, auf den es von Anfang an abgesehen war, und den man nur durch die lange Trennung, während der sie herrlich und in Freuden gelebt, hat zahm machen wollen. Und als Dritter im Bunde mit dem alten Pfaffen und der alten Kupplerin – der Wüstling, der Freidenker, der Lieblingsschüler des vermaledeiten Jesuiten und selbst ein Jesuit nach allem, was ich weiß, der dem armen ahnungslosen Edward von frühester Jugend als sein böser Genius, zur Seite gestanden und nun in Rom alle Schliche und Ränke bis auf die letzte Schändlichkeit gelernt und sich da mit ihnen vereinigt und den Plan verabredet hat, wie man den Fisch sicher ins Netz lockt – den Goldfisch! Sehr klug, sehr fein, fürwahr! so fein und klug, daß ich meiner Treu fast selbst ins Netz gegangen wäre und geglaubt hätte, es sei ein Werk des Zufalls, was doch nur teuflische Berechnung ist, bis die Kupplerin, sicher gemacht durch meine dumme Treuherzigkeit, den Namen des diabolischen Helfershelfers nannte. Da sprang denn freilich die Katze des Geheimnisses aus dem sicheren Schoße schändlichster Heuchelei.

Lady Ballycastle brach in ein rauhes Gelächter aus, während sie heftig vor ihrem erhitzten Gesichte mit dem Fächer auf und nieder wehte.

Guter Gott, ist es möglich! murmelte Edward.

Er saß schweigend vor sich niederblickend; dann hob er die stillen Augen und sagte mit leiser, aber fester Stimme:

Ich bin traurig, sehr traurig; aber Sie haben selbst gesagt, daß die Seele eines Gentleman Wahrhaftigkeit sei, und so hören Sie mich möglichst ruhig und geduldig an, wenn ich Ihnen die Wahrheit sage. Sie sind in der seltsamsten Täuschung befangen. Das Komplott, von dem Sie sprechen, existiert nirgends als in Ihrer aufgeregten Phantasie, Sie müßten denn ein Komplott nennen, was meine Freunde – zuerst freilich ohne mein Wissen und dann mit meinem Wissen und ganz gewiß meiner nachträglichen Zustimmung und herzlichen Dankbarkeit – gethan haben, um herbeizuführen, wovon, wie sie wußten, mein Leben und meine Seligkeit abhing. Ich sage: meine Freunde, und verstehe darunter in erster Linie Robert Swift, in zweiter und nebensächlicher Mr. Wicklow, der nur insofern betheiligt ist, als er unsern gemeinschaftlichen Freund von den Ereignissen in Ballycastle genauer unterrichtet und auch sonst, glaube ich, soweit er konnte, auf dem Laufenden erhalten hat. Ich verstehe darunter nicht jene Dame, der ich hier vorhin begegnet bin, und von der ich erst ahnte, wer es gewesen sein möchte, als ich bereits die Thür hinter ihr geschlossen hatte. Das sind Einzelheiten, deren Klarstellung ich den betreffenden Personen schuldig zu sein glaube. Die Hauptsache ist, daß mein höchster Wunsch in Erfüllung gegangen, daß ich Miß Angela wiedergesehen und – daß ich ihr Wort habe.

Es ist nicht wahr! schrie Lady Ballycastle.

Es ist wahr, sagte Edward, und Gott segne sie dafür.

Er wird sie nicht segnen! schrie Lady Ballycastle; er segnet die Lügner nicht.

Mylady!

Und noch einmal sage ich: Er segnet die Lügner nicht. Jenes Mädchen hat Sie nie geliebt; hätte sie's gethan, ich würde – nun ja, ich würde in Zorn und Wut geraten sein – ich bin ein Weib, und es ist kein Scherz, um seine liebsten Hoffnungen betrogen zu werden. Und doch würde ich ihr vergeben haben, denn ich bin Ihre Mutter. Aber daß ich ihr, wie sie schweigend vor mir stand, durch die stolzen hochmütigen Augen bis ins stolze hochmütige Herz sah und in dem Herzen keinen Funken Liebe für Edward Ballycastle – das hat mich rasend gemacht, und ich habe sie von mir getrieben, die nur zu gern ging. Und jetzt will sie Sie lieben? Jetzt? Was ist geschehen? Ist Edward Ballycastle schöner geworden? oder reicher? oder geistreicher? Denn, wenn Sie es doch wissen wollen, Herr, warum Sie diese Dame verschmäht hat: sie kann nur leben und atmen mit Menschen, die denselben hochmütigen Götzendienst des Genius treiben, wie sie selbst; sie stirbt in der Gesellschaft von Menschen, die sie langweilen; stirbt oder läuft davon. Ich weiß es, Herr, als ob ich es aus ihrem eigenen Munde hätte: stirbt oder läuft davon; und Sie, Herr, Sie – haben die Wahl.

Ich wußte, daß wir uns nicht verständigen würden, sagte Edward, sich erhebend.

Bleiben Sie! rief Lady Ballycastle, aufspringend; es ist Ihre Mutter, die Ihnen zu bleiben befiehlt; Ihre Mutter, die Sie liebt, trotzdem Sie ihr keine Gegenliebe gewähren, und Ihr Wohl will, trotzdem Sie es mit Füßen treten. Beantworten Sie mir diese Frage wahrhaft, so wahr Sie ein Gentleman sind: Hat die Dame, die Ihnen ihr Wort gegeben, auch ihre Zustimmung dazu gegeben, daß Sie zu Ihrer Mutter gingen, um deren Einwilligung zu erbitten? Hat sie das gethan?

Nein, sie hat es nicht gethan.

Und Sie, ein englischer Gentleman, schämen sich nicht, hinter dieser Ausländerin herzulaufen, hinter dieser Landstreicherin, der Tochter eines Trunkenboldes von Sergeanten! denn daß ihr Vater ein Edelmann und Offizier in der Armee war, ist ebenso erlogen, wie es sicher ist, daß ihrer Mutter Bruder in London mit Kämmen und Bürsten handelt und ihre Mutter auf Vorstadttheatern sang.

Zum letztenmale: Lassen Sie uns abbrechen. Wenn noch ein kleinster Rest von Billigkeit in Ihrer Seele ist, werden Sie einsehen, daß ich dies unmöglich länger anhören kann.

Er nahm seinen Hut, den er vorhin neben sich auf den Tisch gestellt. Lady Ballycastle strich sich über die Stirn.

Gut, gut! sagte sie in einem Tone, der sich bemühte, ruhig zu sein. Sprechen wir nicht mehr davon. Sprechen wir von Geschäften, denn um diese zu verhandeln, waren Sie doch wohl gekommen?

Ich war auch dazu gekommen; aber auch dazu ist es jetzt zu spät. Was nach dieser Seite zwischen uns zu sagen ist, muß durch den Mund anderer geschehen.

Sie drohen mir mit einem Skandalprozeß?

Ich werde vor den Gerichten unseres Landes versuchen, ob sich das Testament meines Großvaters Charles Gordon zu meinen Gunsten deuten läßt.

Ihres Großvaters – meiner Treu! Wissen Sie, daß ich mit einem Worte –

Sie brach jäh ab und ging mit großen Schritten, unverständliche Worte murmelnd, an dem Sofaplatze auf und nieder, so daß er nicht wohl an ihr vorbei zur Thür gelangen konnte. Dennoch versuchte er es; sie trat ihm in den Weg.

Und wenn sich Richter fänden, dumm oder unehrlich genug, sich für Sie zu entscheiden – ich glaube es nicht, aber wir wollen den Fall setzen – denken Sie, daß die erbärmliche Summe von fünfzigtausend Pfund den Ehrgeiz jener – Dame befriedigen wird?

Ich fürchte etwas ganz anderes: sie wird mir für die traurige Arbeit, der ich mich unterziehe, uns ein würdiges Heim zu gründen, keinen Dank wissen.

Und vorziehen, mit Ihnen in einer Hütte zu leben und trocken Brot zu essen! Und Sie, gute Seele, nehmen das auf Treu und Glauben hin! Sehen nicht, daß dies nur eine plumpe Schlinge ist, in der sich Ihre Großmut fangen soll und schon gefangen hat? Erst der Mann, um den uns nichts, und dann das Vermögen, um das uns alles zu thun ist! Eine klare Rechnung, in die ich ein Loch stoßen will, groß genug, daß Ihr für das, was bleibt, nicht den Pfaffen sollt bezahlen können, der euch zusammengibt!

Sie lachte und murmelte zwischendurch Unverständliches, indem sie abermals ihr unheimliches Hin- und Herrennen begann, um ihm wieder, als er sich der Thür nähern wollte, entgegenzutreten.

Mag sein, es ist ihr Ernst damit! Dann ist es wieder eine der wilden Phantasmen, auf denen sich ihre Seele wiegt und schaukelt, wie der Sturmvogel auf den Wellen. Ich kenne sie. Ich habe sie überhäuft mit Geld und Geldeswert; was sie nicht an ihre Verwandten gab, bekamen die Armen, für die sie demütig betteln konnte, während sie die Kostbarkeiten, die ich ihr bot, hochmütig zurückwies oder sie nur nahm, um sie nie anzurühren und in ihrem schwarzen, schmucklosen Kleide vor der Gesellschaft zu prunken. Sie ist all die Zeit nur einmal glücklich gewesen – in der Hütte auf der Insel Ulst, wo wir das Holz, an dem wir unsere Fische brieten, in Spähnen und Latten zertrümmerter Schiffe aus dem Seetang des Strandes auflesen mußten. Hochmut, nichts als Hochmut, der niemand etwas verdanken möchte, kaum Gott im Himmel die Luft, die man atmet! Und dieser teutonischen Bettler-Philosophie, die keinen Teil an dieser Erde haben will und haben kann, wolltest Du Dich zum schnöden Knecht verdingen, Du, in dessen Adern das Blut der Glenvilles rollt; Du, der Du erreichen kannst, um was sie mit den Plantagenets vergeblich rangen: die Königskrone! Hören Sie: die Königskrone! – von England vielleicht, die der grünen Erin gewiß, die Dir zu Füßen liegt, so Du das Banner der gerechtesten Revolution, welche die Erde gesehen hat, in Deine starke, kriegserprobte Hand nimmst. Und dann Tod und Verderben ihnen, die mich hinausgestoßen haben in Schmach und Schande! Oder laß sie leben, triumphieren, laß sie den Fuß auf meinen Nacken setzen, wie bisher; aber beuge mich nicht, demütige mich nicht vor ihr, der hochmütigen Teufelin, mit der ich gerungen habe sechs Jahre lang, wie ich heute Morgen mit ihr gerungen und heute Morgen besiegt worden bin, wie ich es noch immer wurde. Wenn Du Eveline Dungerran nicht lieben kannst, obgleich sie tausendmal schöner ist, als die Hexe, und Dir das halbe Ulster mitbringt, heirate die arme Mary May – Du hattest sie früher so gern – heirate, wen Du willst, – die letzte ärmste Pächterstochter, nur diese nicht! Du darfst mir diese Schmach nicht anthun, so wahr ich Deine Mutter bin, die bei Deiner Geburt fast gestorben wäre und auf der Stelle sterben will, wenn Du ihr Flehen erhörst!

Sie hatte sich, ehe er's hindern konnte, ihm zu Füßen geworfen, seine Kniee umklammernd, seine Hände festhaltend, hinter ihm her auf dem Teppich rutschend, als er sich von ihr loszuringen suchte, nur seiner übergewaltigen Kraft weichend, als er sie jetzt vom Boden hob. Der riesige Mann zitterte an allen Gliedern, nicht von der Anstrengung seiner Muskeln, sondern vor tief innerem Grausen, als ob er am jähen Rande eines schwarzen Abgrundes stände, und der Abgrund war seiner Mutter Seele. Ratlos dem Fürchterlichen gegenüber, keines Gedankens mächtig, stammelte er verwirrte, beschwichtigende Worte, wollte er sich ihr nähern; sie stieß seine ausgestreckte Hand mit Heftigkeit zurück.

Hinweg von mir, der Du das Mark des Löwen in den Knochen und in der Brust das Herz des Hasen hast! Aus meinen Augen, Weiberknecht, Feigling, Memme, Deines erbärmlichen, verräterischen Vaters echter Sohn! Ich habe keinen Sohn mehr, ich habe nie einen gehabt. Hinweg!

Er hatte ihren letzten wilden Ausbruch kaum gehört; er dachte auch nicht mehr an sich und Angela, sondern nur an das Grausige, das in dem Geschlechte der Glenvilles umgehen sollte. Jedes herbe Wort, das er gesprochen, that ihm weh; aber er konnte es nun nicht mehr ungesprochen machen, und jedes weitere würde ihre Aufregung nur noch steigern. So rang er sich aus dem schmerzhaften Brüten los, hob den Fächer auf, der ihr bei dem Ringen mit ihm entfallen war und jetzt zu seinen Füßen lag, trug ihn nach dem Tisch, kam wieder zu ihr zurück, die noch immer mit weit ausgestrecktem Arm auf die Thür deutete, und sagte ernst und traurig:

Ich gehe. Und möge Gott Sie in seinen Schutz nehmen.

Er neigte sich und verließ langsam, gesenkten Hauptes, das Gemach.


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