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Neuntes Kapitel.

Sir Robert Calder trifft mit den vereinigten feindlichen Flotten zusammen. – Diese ziehen das Ferrolgeschwader an sich und segeln nach Cadix. – Das Kommando wird wieder Nelson übergeben. – Schlacht von Trafalgar, Sieg und Nelson's Tod.

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Zu Portsmouth fand Nelson endlich Nachrichten über die vereinigten feindlichen Flotten vor. Sir Robert Calder, welcher abgeschickt worden war, um ihnen den Rückweg abzuschneiden, war am 22. Julius, 60 Leagues westlich vom Cap Finisterre, mit ihnen zusammengetroffen. Ihre vereinigte Macht bestand aus 20 Linienschiffen, 3 Schiffen von 50 Kanonen, 5 Fregatten und 2 Briggs, die seinige aus 15 Linienschiffen, 2 Fregatten, 1 Kutter und 1 Lugger. Nach einer vierstündigen Schlacht hatte er ein Schiff von 84 und eines von 74 Kanonen erobert und hielt es nun für nöthig, das Geschwader beizudrehen, um seine Prisen zu sichern. Die beiden Flotten blieben einander im Angesichte bis zum 26sten, wo die feindliche sich entfernte. Die Wegnahme zweier Schiffe aus der Mitte einer so überlegenen Flotte würde einige Jahre früher für keinen unbedeutenden Sieg betrachtet worden seyn; aber Nelson hatte in der Geschichte unserer Marine ein neues Zeitalter eröffnet, und die Nation empfand in Beziehung auf die Schlacht dasselbe, was er bei einer ähnlichen Gelegenheit empfunden hatte. Sie bedauerte nämlich, daß Nelson mit seinen 11 Schiffen nicht an Sir Robert Calders Stelle gewesen war, und äußerte ihre Unzufriedenheit allgemein und laut.

So sehr auch Nelson in seinen Hoffnungen getäuscht worden war, so ward ihm doch die hohe Befriedigung, zu erfahren, daß sein Urtheil nie lauter gebilligt worden war, und daß er seinem Vaterlande einen wesentlichen Dienst geleistet, indem er den Feind von den Inseln vertrieben hatte, in deren Nähe derselbe keine Macht finden zu können meinte, die sich ihm zu widersetzen vermöchte. Die westindischen Kaufleute in London, deren Interesse er unmittelbarer gefördert hatte, schickten eine Deputation an ihn ab, um ihm ihren Dank für seine großen umsichtsvollen Bemühungen auszudrücken. Er hatte jezt die Absicht, eine Zeit lang von seinem Dienste auszuruhen und sich nach allen seinen Anstrengungen und Sorgen im Umgange mit denen, welche er liebte, zu erholen. Alle seine Effekten wurden aus der Victory an's Land gebracht, und er fand in seinem Hause zu Merton das Vergnügen, auf das er gehofft hatte.

Noch waren nicht viele Tage vergangen, als Kapitän Blackwood, der mit Depeschen auf dem Wege nach London war, ihn um 5 Uhr Morgens besuchte. Nelson, welcher bereits angekleidet war, rief, sobald er ihn sah, aus: »Sicher bringen Sie mir Nachrichten von der französisch-spanischen Flotte! Ich denke, ich werde sie noch zu schlagen bekommen!« Sie hatte nach der unentschiedenen Schlacht mit Sir Robert Calder in Vigo ihre Schiffe wieder ausgebessert, segelte hierauf nach Ferrol, zog das dortige Geschwader an sich und erreichte mit diesem wohlbehalten Cadix. »Verlassen Sie sich darauf, Blackwood,« sagte Nelson wiederholt, »ich werde dem Herrn Villeneuve jetzt einen Puff geben!« Als aber Blackwood ihn verlassen hatte, fehlte es ihm an Entschlossenheit, seine Wünsche Lady Hamilton und seinen Schwestern zu erklären, und er suchte sich den Gedanken aus dem Sinn zu schlagen. »Lasset den es versuchen,« sagte er, »der sein Budget verloren hat!« Aber seine Miene strafte seine Zunge Lügen, und, als er auf einem Spaziergangs im Garten, den er das halbe Verdeck zu nennen pflegte, auf und ab schritt, trat Lady Hamilton zu ihm und sagte, sie sehe, daß er sich unbehaglich fühle. Er lächelte und erwiederte: »Nein, er sey so glücklich, als es nur möglich sey; er sey von seiner Familie umgeben, seine Gesundheit sey besser, seit er auf dem Lande sey, und er würde keinen Sixpence darum geben, wenn er den König seinen Oheim nennen dürfte.« Hierauf antwortete sie, daß sie ihm nicht glaube, – daß sie wohl wisse, wie er darnach verlange, gegen die vereinigten Flotten auszuziehen, wie er dieselben als sein Eigenthum betrachte, wie unglücklich er wäre, wenn ein Anderer das Geschäft verrichten würde, und wie er es verdiene, sie als den Preis und Lohn seiner zweijährigen Wache und seiner beschwerlichen Jagd zu bekommen. »Nelson,« sagte sie, »obgleich wir Ihre Abwesenheit beklagen werden, bieten Sie Ihre Dienste an; sie werden angenommen werden, und Sie werden sich dadurch Ruhe des Gemüths verschaffen: Sie werden einen glorreichen Sieg erringen und dann können Sie hieher zurückkehren und glücklich seyn.« Er sah sie mit Thränen in den Augen an und rief: »Hochherzige Emma! gute Emma! gäbe es mehr Emma's, es würde mehr Nelson's geben.«

Seine Dienste wurden ebenso willig angenommen, als sie angeboten wurden, und Lord Barham übergab ihm die Marineliste und bat ihn, sich seine Offiziere zu wählen. »Wählen Sie selbst, mein Lord,« war seine Antwort, »derselbige Geist weht in der ganzen Flotte: Sie können nicht fehlgreifen.« Lord Barham ersuchte ihn hierauf, zu bestimmen, welche Schiffe und wie viele er zur Verstärkung der Flotte, deren Kommando er zu übernehmen im Begriffe stand, zu haben wünsche, und sagte, dieselben sollten ihm folgen, sobald jedes gerüstet wäre. Keine Ernennung stand je in größerem Einklange mit den Gefühlen und dem Urtheile der ganzen Nation. Diese war, wie Lady Hamilton, der Meinung, daß die Besiegung der vereinigten Flotten Nelson überlassen werden sollte, und daß dem, welcher

»Halb um die meerumfloss'ne Welt
Dem feigen Franzmann nachgestellt,« Trafalgarlieder.

auch die Spolien des Wildes, das er so lange bewacht und so beharrlich verfolgt hatte, gebühren.

Unermüdlich arbeitete man daran, die von Nelson gewählten Schiffe auszurüsten und besonders die Victory auszubessern, welche noch einmal seine Flagge tragen sollte. Ehe er London verließ, sprach er im Hause seines Möbelhändlers ein, wo der Sarg, den Kapitän Hallowell ihm zum Geschenk gemacht hatte, aufbewahrt wurde, und drückte den Wunsch aus, daß die Geschichte desselben auf den Deckel eingravirt werden möchte, da er ihn höchst wahrscheinlich bei seiner Rückkehr brauchen werde. Es scheint in der That, er habe ein Vorgefühl gehabt, daß er in der Schlacht fallen sollte. In einem Briefe an seinen Bruder, den er sogleich nach seiner Rückkehr schrieb, hatte er gesagt: »Wir dürfen nichts über Sir Robert Calders Schlacht sagen, ich hätte mit meiner kleinen Flotte vielleicht nicht so viel ausgerichtet. Wäre ich mit ihnen zusammengetroffen, so würdest Du wahrscheinlich bälder Lord geworden seyn, als ich es gewünscht hätte; denn ich weiß, daß sie im Sinne hatten, auf der Victory ein tüchtiges Blutbad anzurichten.« Einst hatte Nelson die Aussicht auf den Tod mit schwermüthiger Zufriedenheit betrachtet: es war dieß damals, als er sich vor den Vorwürfen seiner Gemahlin und dem Mißfallen seines ehrwürdigen Vaters fürchtete. Seine nunmehrige Stimmung aber erhellt aus folgender Stelle seines Privattagebuches: »Am Freitage Nachts (13 Sept.) um halb eilf Uhr reiste ich von dem lieben, lieben Merton ab, wo ich Alles, was mir in dieser Welt theuer ist, verließ, um meinem Könige und Vaterlande zu dienen. Möge der große Gott, den ich verehre, mich in den Stand setzen, die Erwartungen meines Vaterlandes zu erfüllen! und wenn es ihm gefällt, mich wieder zurückzuführen, so werden meine Dankgebete nie aufhören, zu dem Throne seiner Gnade emporzusteigen. Ist es aber sein heiliger Wille, meinem Leben auf Erden bald ein Ende zu machen, so unterwerfe ich mich ihm in demüthiger Ergebung, in der Zuversicht, daß er sich der mir so theuren Wesen, welche ich hinterlasse, annehmen wird! Sein Wille geschehe! Amen! Amen! Amen!«

In der Frühe des folgenden Morgens erreichte er Portsmouth, und, nachdem er seine Angelegenheiten an der Küste in's Reine gebracht hatte, suchte er dem Volke zu entgehen, indem er einen Seitenpfad nach dem Strande einschlug; aber auch hier sammelten sich dichte Massen, welche sich vorwärts drängten um sein Angesicht zu sehen. Viele waren in Thränen, und Andere knieten vor ihm nieder und segneten ihn, als er vorüberging. England hat viele Helden gehabt, aber keinen, der so ganz die Liebe seiner Landsleute besaß, wie Nelson. Jedermann wußte, daß sein Herz ebenso menschenfreundlich, als furchtlos war, daß sein Wesen nicht den geringsten Zusatz von Selbstsucht und Eigennutz hatte, sondern daß er in vollkommener Hingebung seinem Vaterlands mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele und mit allen seinen Kräften diente; und deswegen liebte man ihn ebenso warm und herzlich, als er England liebte. Die Leute drängten sich auf die Brustwehr, um ihm nachzublicken, als sein Boot abfuhr, und er erwiederte ihre Liebesbezeugungen, indem er den Hut schwenkte. Die Schildwachen, die sie von dieser Stelle zurückzuhalten suchten, wurden unter der Menge eingekeilt, und ein Offizier, welcher den bei einer solchen Gelegenheit nicht sehr klugen Befehl gab, das Volk mit den Bajonetten zurückzutreiben, mußte sich schleunigst zurückziehen; denn die Leute ließen sich durchaus nicht nehmen, bis zum lezten Augenblicke dem Lieblingshelden, Englands, nachzusehen.

Am 29. September, seinem Geburtstage, kam er vor Cadix an. Aus Besorgniß, der Feind möchte, wenn er seine Stärke erführe, sich nicht auf die hohe See wagen, hielt er sich außerhalb des Gesichtskreises des Landes, bat Collingwood, weder durch Salven noch durch Flaggen aufziehen ihn zu salutiren, und schrieb nach Gibraltar, man möchte die Stärke der Flotte dort nicht in die Zeitung einrücken. Sein Empfang bei der mittelländischen Flotte war ebenso schmeichelhaft, als der Abschied von seinen Landsleuten zu Portsmouth: die Offiziere, welche an Bord kamen, um ihn zu bewillkommen, vergaßen über der Freude, ihn wieder zu sehen, seinen Rang als Oberbefehlshaber. Am Tage seiner Ankunft erhielt Villeneuve den Befehl, bei der ersten Gelegenheit in die See zu stechen. Dieser zögerte jedoch, als er hörte, daß Nelson wieder das Kommando übernommen habe. Er berief einen Kriegsrath zusammen, dessen Gutachten dahin ausfiel, daß es nicht räthlich seyn würde, Cadix zu verlassen, wenn sie nicht Grund hätten, zu glauben, daß sie um ein Dritttheil stärker wären, als die brittische Flotte. Bei den öffentlichen Maßregeln Englands ist Geheimhaltung selten ausführbar und wird selten versucht; damals jedoch wurde der Feind durch die Vorsicht Nelson's und die weisen Maßregeln der Admiralität einmal in Unwissenheit erhalten; denn da die zur Verstärkung der mittelländischen Flotte bestimmten Schiffe einzeln, jedes, sobald es in Stand gesetzt war, abgingen, so wurde ihre Gesammtzahl in den Zeitungen nicht angegeben und ihre Ankunft dem Feinde nicht bekannt. Dagegen erfuhr dieser, daß Admiral Louis mit sechs Segeln nach Gibraltar abgeschickt worden war, um Mundvorräthe und Wasser einzunehmen. Auch trug ein Zufall dazu bei, den französischen Admiral zweifeln zu machen, ob wirklich Nelson selbst das Kommando übernommen habe. Ein kürzlich von England angekommener Amerikaner nämlich behauptete, es sey unmöglich; denn er habe ihn noch vor wenigen Tagen in London gesehen, und damals habe nichts davon verlautet, daß er wieder auf die See gehen werde. Die Station, welche Nelson gewählt hatte, war etliche und 50 oder 60 Meilen westlich von Cadix, in der Nähe des Caps St. Mary, gelegen. In dieser Entfernung hoffte er den Feind herauszulocken, während er sich vor der Gefahr hütete, von einem Westwinde in die Nähe von Cadix geführt und in die Meerenge hineingetrieben zu werden. Der Hafen wurde von nun an auf's strengste blokirt, in der Hoffnung, daß die vereinigte Flotte sich durch Mangel genöthigt sehen werde, in die See zu stechen. Die dänischen Fahrzeuge daher, welche aus den französischen Häfen unter dem Namen dänischen Eigenthums in alle die kleinen spanischen Häfen von Ayamonte bis Algeziras Vorräthe brachten, welche von dort aus in Küstenbooten nach Cadix abgingen, wurden weggenommen. Ohne dieses scharfe Verfahren wäre die Blokade wegen des Vortheils, den der Feind so aus der neutralen Flagge zog, nutzlos gewesen. Auf diese Weise aber wurden nun die Zufuhren aus Frankreich wirklich abgeschnitten. Nach Allem mußte jezt der Feind im Sinne haben, sich bald heraus zu wagen, und daher waren Offiziere und Gemeine in der höchsten Aufregung bei der Aussicht, demselben einen entscheidenden Schlag versetzen zu können, der allem weiteren Streite auf dem Meere ein Ende machen würde. Alle Abende wurde auf den meisten Schiffen Theater gespielt und mit dem Absingen des God save the King die Belustigung beschlossen. »Ich glaube wahrhaftig,« schrieb Nelson in einem Briefe vom 6. Oktober, »daß das Vaterland sich zu einigen Ausgaben veranlaßt sehen wird, entweder zur Errichtung eines Monuments oder zur Ertheilung neuer Pensionen und Ehrenstellen; denn ich zweifle nicht im Geringsten, daß sehr wenige Tage, beinahe Stunden, uns zur Schlacht führen werden. Den Erfolg kann freilich Niemand gewiß wissen, aber daß wir uns mit ihnen schlagen werden, sobald wir an sie kommen können, dafür bürge ich. Je bälder, desto besser: ich liebe es nicht, solche Dinge auf dem Herzen zu haben.«

Es fehlte ihm um diese Zeit nicht an Ursache zur Besorgniß: er hatte nämlich Mangel an Fregatten, den Augen der Flotte, wie er sie stets nannte; ein Mangel, dem der Feind vor Kurzem sein Entwischen und Bonaparte seine Ankunft in Aegypten verdankt hatte. Er hatte nur 23 Schiffe: andere waren zwar unterwegs, aber sie konnten zu spät kommen, und obgleich Nelson nie am Siege zweifelte, so war es doch nicht bloßer Sieg, was ihm im Sinne lag, sondern er wünschte die feindliche Flotte zu vernichten. Einerseits konnte das Geschwader vor Karthagena sich mit dieser Flotte vereinigen, und andererseits war zu erwarten, daß die Franzosen einen ähnlichen Versuch von Brest aus machen würden; eine in jedem Falle höchst besorgliche Sache für die Belagerungsflotte. Das Geschwader von Rochefort lichtete die Anker und hätte den Agamemnon und Aimable, auf deren Wege, den brittischen Admiral zu verstärken, beinahe weggenommen. Doch schwächte Nelson um diese Zeit selbst seine Flotte. Es ward ihm das unangenehme Geschäft, Sir Robert Calder nach Hause zu senden, dessen Verfahren in Folge der allgemeinen Unzufriedenheit, welche über seinen unvollständigen Sieg empfunden und geäußert worden war, zum Gegenstande einer kriegsgerichtlichen Untersuchung gemacht werden sollte. Sir Robert Calder und Sir John Orde hielt Nelson für die zwei einzigen Feinde, welche er je unter Standesgenossen gehabt habe, und in Folge des feinen Zartgefühles, das ihn auszeichnete, machte ihn dieß um so ängstlicher besorgt, Sir Robert jeden möglichen Beweis von Achtung und Wohlwollen zu geben. Er wünschte ihn bis nach der erwarteten Schlacht bei sich zu behalten, wo dann die Dienste, welche er leisten könnte, und die triumphirende Freude, die der Sieg erregen würde, von einer Untersuchung seiner früheren Dienstleistungen nichts zu besorgen übrig ließe. Sir Robert dagegen, dessen Lage sehr peinlich war, wollte eine Untersuchung nicht länger aufgeschoben wissen, von deren Ergebnissen er zuversichtlich eine vollkommene Rechtfertigung erwartete, und anstatt ihn in einer Fregatte nach Hause zu schicken, bestand Nelson darauf, daß er in seinem eigenen Schiffe von 90 Kanonen zurückkehren solle, so schwer man auch ein solches Schiff damals entbehren konnte. Nichts konnte ehrenwerther seyn, als das Gefühl, wodurch Nelson sich hiebei leiten ließ; aber in einer solchen Krisis hätte er demselben nicht nachgeben sollen.

Am 9ten schickte Nelson Collingwood, was er in seinem Tagbuche den Nelson'sstrich nannte. »Ich sende Ihnen,« schrieb er, »meinen Angriffsplan, soweit man es wagen darf, die sehr ungewisse Stellung zu muthmaßen, worin der Feind gefunden werden mag; aber es geschieht, um Sie in Betreff meiner Absichten völlig in's Klare zu setzen und Ihrem Urtheile volle Freiheit zu lassen, wie dieselben zu erreichen sind. Unter uns, mein lieber Coll, dürfen keine kleinlichen Eifersüchteleien bestehen. Nur Ein großer Zweck steht uns vor Augen, der, unsere Feinde zu vernichten und unserem Vaterlande einen rühmlichen Frieden zu verschaffen. Niemand hat mehr Zutrauen zu einem Andern, als ich zu Ihnen, und Niemand wird Ihren Diensten vollkommenere Gerechtigkeit widerfahren lassen, als Ihr sehr alter Freund, Nelson und Bronte.« Die Ordnung des Segelns sollte zugleich die Schlachtordnung seyn: die Flotte sollte sich nämlich mit einer Avantgarde von acht der am schnellsten segelnden Zweidecker in zwei Linien bewegen. Der zweite im Kommando, dem die ganze Leitung seiner Linie überlassen war, sollte etwa beim zwölften Schiffe des feindlichen Hintertreffens einbrechen und durch das Centrum dringen, während die Avantgarde vorn vom Centrum drei bis vier Schiffe abschneiden würde. Dieser Plan war nach der Stärke des Feindes eingerichtet, so daß sie denen, welche sie abschnitten, stets um ein Viertheil überlegen seyn sollten. Nelson äußerte, »seine Admiräle und Kapitäns können so, wenn sie wissen, daß eine ernste und entscheidende Schlacht seine bestimmte Absicht sey, einen etwaigen Mangel an Signalen ersetzen und sich darnach richten. Für den Fall, daß Signale nicht gesehen oder deutlich verstanden werden könnten, könne kein Kapitän fehlgreifen, wenn er sein Schiff mit einem feindlichen Seite an Seite lege.« Einer der letzten Befehle dieses bewundernswürdigen Mannes war, daß der Name und die Familie eines jeden Offiziers, Matrosen und Seesoldaten, der in der Schlacht verwundet oder getödtet würde, ihm sobald als möglich berichtet werden sollte, damit davon dem Präsidenten des patriotischen Fonds Mittheilung gemacht und der Fall zum Besten des Leidenden oder seiner Familie in Betracht gezogen werden könnte.

Am 19ten Morgens um halb zehn Uhr wiederholte der Mars, welcher der Flottenabtheilung, von der die Kommunicationslinie mit den Fregatten an der Küste gebildet wurde, am nächsten lag, das Signal, daß der Feind aus dem Hafen herauskomme. Der Wind war gerade sehr leicht, mit theilweisen Kühlten, meistens von Süd-Süd-West her. Nelson ließ das Signal zu einer Jagd in Südost geben. Um 2 Uhr wurde gemeldet, daß der Feind auf der See sey. Die ganze Nacht blieb die brittische Flotte gegen Südost steuernd unter Segel. Mit Tagesanbruch befand sie sich am Eingange der Meerenge, aber vom Feinde war nichts zu sehen. Um 7 Uhr gab eine Fregatte das Signal, daß der Feind sich gegen Norden wende. Kurz darauf segelte Nelson gegen Norden. Nachmittags blies der Wind frisch von Südwest, und die Engländer begannen zu besorgen, der Feind möchte zur Rückkehr in den Hafen genöthigt werden. Vor Sonnenuntergang meldete jedoch Blackwood, Befehlshaber des Euryalus, durch den Telegraphen, daß derselbe entschlossen zu seyn scheine, sich westlich zu wenden; – »und das,« schrieb der Admiral in seinem Tagbuche, sollen sie nicht thun, wenn es in der Macht von Nelson und Bronte steht, »sie daran zu hindern.« Nelson hatte Blackwood bemerklich gemacht, daß er sich auf ihn verlasse, er werde den Feind im Gesichte behalten. Dieser wurde so sorgfältig beobachtet, daß alle seine Bewegungen dem brittischen Admirale gemeldet wurden, und da er zweimal vor dem Winde umwendete, so schloß dieser daraus, er habe im Sinne, sich den Hafen von Cadix offen zu erhalten, und würde sich dahin zurückziehen, sobald er die brittische Flotte erblickte; daher nahm sich Nelson sehr in Acht, sich nicht so weit zu nähern, daß er während der Nacht von ihm gesehen werden konnte. Als der Tag anbrach, erblickte man die vereinten Flotten deutlich von dem Verdecke der Victory aus, wie sie etwa 12 Meilen leewärts in geschlossener Schlachtlinie und den Engländern die Steuerbordseite zukehrend gegen Süden steuerten. Unsere Flotte bestand aus 27 Linienschiffen und 4 Fregatten, die feindliche aus 33 Linienschiffen und 7 großen Fregatten. Noch bedeutender, als in Betreff der Zahl, war die letztere in Beziehung auf die Größe der Schiffe und die Schwere ihrer Bewaffnung. Sie hatte 4000 Mann an Bord, und die besten Scharfschützen, welche man nur bekommen konnte, viele Tyroler unter ihnen, waren auf den Schiffen vertheilt. Wenig ahnten an diesem Tage die Tyroler und wenig die Spanier, welche Gräuel der Tyrann, dem sie dienten, für ihr Vaterland zubereitete!

Bald nach Tagesanbruch kam Nelson auf das Verdeck. Der 21. Oktober war ein Fest für seine Familie, weil an diesem Tage sein Oheim, Kapitän Suckling, Befehlshaber des Dreadnought, mit zwei andern Linienschiffen ein französisches Geschwader von vier Linienschiffen und drei Fregatten geschlagen hatte. Nelson hatte, in jener Art von Aberglauben befangen, von der wenige Menschen völlig frei sind, mehr als einmal die Ueberzeugung ausgesprochen, daß dieß auch sein Schlachttag seyn werde, und es freute ihn, als er sah, daß seine Vorhersagung ihrer Erfüllung nahe war. Der Wind kam jezt von Westen, – leichte Kühlten mit einer bangen schweren Deining. Es wurde das Signal gegeben, in zwei Linien gegen den Feind hinabzusegeln, und die Flotte setzte alle Segel bei. Collingwood führte auf dem Royal Sovereign die Leelinie von 13 Schiffen an, und die Victory die Luvlinie von 14. Als Nelson sah, daß Alles war, wie es seyn sollte, zog er sich in seine Kajüte zurück und schrieb folgendes Gebet nieder:

 

»Möge der große Gott, welchen ich anbete, meinem Vaterlande, und zum Besten Europas überhaupt, einen großen glorreichen Sieg gewähren; möge kein Vergehen in irgend einer Beziehung ihn trüben, und möge Menschlichkeit nach dem Siege der hervorstechendste Zug der brittischen Flotte seyn! Was mich selbst anbelangt, so übergebe ich mein Leben Dem, der mich geschaffen hat, und möge Sein Segen auf meinen Bestrebungen, meinem Vaterlande treu zu dienen, ruhen! Ihm stelle ich meine Person und die gerechte Sache anheim, deren Vertheidigung mir anvertraut ist. Amen, Amen, Amen.«

Nachdem er sich so seiner religiösen Pflichten entledigt hatte, fügte er in demselben Tagbuche folgendes merkwürdige Schreiben bei:

 

»21ster Okt. 1805. Im Angesichte der 10 Meilen weit entfernten vereinigten Flotten Frankreichs und Spaniens.

Die ausgezeichneten Dienste Emma Hamiltons, der Wittwe des sehr ehrenwerthen Sir William Hamilton, sind für meinen König und mein Vaterland von der größten Wichtigkeit gewesen, ohne meines Wissens weder von unserem Könige noch vom Vaterlande je irgendwie belohnt worden zu seyn.

Fürs erste wußte sie sich den Brief des Königs von Spanien an seinen Bruder, den König von Neapel, vom Jahre 1796 zu verschaffen, worin der erstere seine Absicht ausdrückt, England den Krieg zu erklären, und auf welchen Brief hin das Ministerium an den damaligen Sir John Jervis den Befehl abfertigte, gegen die Arsenale oder Flotten Spaniens einen Schlag auszuführen, sobald sich Gelegenheit dazu darböte. Daß nichts hievon geschah, ist nicht der Fehler Lady Hamiltons; Gelegenheit hätte sich dazu darbieten mögen.

Fürs zweite hätte die brittische Flotte unter meinem Kommando nie zum zweiten Male nach Aegypten zurückkehren können, wären nicht durch Lady Hamilton's Einfluß auf die Königin von Neapel Briefe an den Gouverneur von Syrakus veranlaßt worden, worin diesem die Sorge dafür anempfohlen wurde, daß die Flotte in jedem sicilischen Hafen mit allem Nöthigen versehen werden sollte. Wir kamen nach Syrakus und erhielten alle möglichen Vorräthe, segelten nach Aegypten und schlugen die französische Flotte.

Hätte ich diese Dienste belohnen können, so würde ich jezt nicht mein Vaterland dazu aufrufen; aber da es nicht in meiner Macht gestanden ist, so hinterlasse ich Emma Lady Hamilton meinem Könige und Vaterlande als Vermächtniß, damit sie dieselbe reichlich genug mit Mitteln versorgen mögen, ihre Stellung im Leben zu behaupten.«

»Auch empfehle ich der Wohlthätigkeit meines Vaterlandes meine Adoptivtochter Horatia Nelson Thompson, und wünsche, daß sie in Zukunft den Namen Nelson allein führe.

Dieß sind die einzigen Gunstbezeugungen, welche ich von meinem Könige und Vaterlande mir erbitte, in dem Augenblicke, wo ich hingehe, um ihre Schlacht zu schlagen. Segne Gott meinen König und mein Vaterland und Alle, die mir theuer sind! Meine Verwandten brauche ich nicht zu erwähnen: für sie wird ohnedieß reichlich gesorgt werden.

Nelson und Bronte.«
Henry Blackwood,
T. M. Hardy
(Zeugen)

 

Das Kind, dessen dieses Schreiben gedenkt, wurde für seine wirkliche Tochter gehalten, und so nannte er es auch wirklich in der lezten Zeit, in der er seinen Namen aussprach. Es war damals etwa fünf Jahre alt und lebte unter Lady Hamilton's Pflege zu Merton. Die lezten Minuten, welche Nelson in Merton zubrachte, verwandte er dazu, daß er über diesem Kinde, das schlafend vor ihm lag, betete. Ein Porträt von Lady Hamilton hing in seiner Kajüte, und kein Katholik betrachtete je das Bild seines Schutzheiligen mit tieferer Ehrfurcht. Die unverhehlte und romantische Leidenschaft, womit er es ansah, stieg fast bis zum Aberglauben; und als das Porträt, wie man das Schiff zur Schlacht klar machte, herabgenommen wurde, so bat er die Leute, die es entfernten, »seinen Schutzengel in Acht zu nehmen.« Er sprach oft so von diesem Bilde, als ob er glaubte, es liege eine besondere Kraft in demselben. Auch trug er ein Miniaturgemälde von ihr auf dem Herzen.

Gegen 6 Uhr kam Blackwood an Bord der Victory. Er fand den Admiral in guter, aber sehr ruhiger Stimmung, nicht in dem Zustande der Heiterkeit, welche ihn vor der Schlacht bei Kopenhagen und Abukir beseelt hatte: Nelson wußte, daß es besonders auf sein eigenes Leben abgesehen seyn werde, und scheint mit beinahe eben so sicherer Erwartung dem Tode entgegengesehen zu haben, als dem Siege. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den Feind gerichtet. Dieser wendete nordwärts durch den Wind und formirte seine Linie, so daß er den Unsrigen die Backbordseite zukehrte, indem er auf diese Weise die Untiefen von Trafalgar und St. Pedro unter das Lee der Britten brachte, sich selbst aber den Hafen von Cadix offen erhielt. Dieß war gut ausgedacht, und alle Vortheile, die es dem Feinde verschaffte, überschauend, gab Nelson das Signal, die Zurüstungen zum Ankern zu treffen.

Villeneuve war ein geschickter Seemann, würdig, einem bessern Herrn und einer besseren Sache zu dienen. Sein Vertheidigungsplan war ebenso gut ausgesonnen und originell, als der Entwurf zum Angriffe. Er stellte seine Flotte in einer doppelten Linie so auf, daß je das eine Schiff etwa eine Taulänge luvwärts von dem andern, vorn und hinten, lag. Nelson, eines siegreichen Ausgangs des Tags gewiß, fragte Blackwood, was er für einen Sieg halten würde. Dieser Offizier antwortete, daß in Betracht der geschickten Weise, auf welche der Feind sich zur Schlacht anschicke, seiner augenscheinlichen Entschlossenheit, einen schönen Beweis seiner Stärke abzulegen, und der Lage des Landes er es für einen rühmlichen Ausgang hielte, wenn vierzehn Schiffe genommen würden. Nelson erwiederte: »Ich werde mit weniger, als zwanzig, nicht zufrieden seyn.« Bald darauf fragte er den Kapitän, ob er nicht ein Signal für nöthig erachtete. Blackwood antwortete, er sey der Meinung, daß die ganze Flotte sehr klar einzusehen scheine, was sie zu thun im Begriffe sey. Kaum waren diese Worte gesprochen, als das Signal aufgezogen wurde, das ebenso lange im Gedächtniß bleiben wird, als die Sprache oder auch nur das Andenken Englands fortdauern wird – Nelson's letztes Signal: » England erwartet von jedem, daß er seine Pflicht thue!« Es wurde von der ganzen Flotte mit einem Beifallsgeschrei beantwortet, das durch den Geist, aus dem es hervorgieng, und die Gefühle, die es ausdrückte, eine höhere Weihe bekam. »Jetzt,« sagte Lord Nelson, »kann ich nichts weiter thun. Wir müssen nun auf den großen Lenker aller Ereignisse und die Gerechtigkeit unserer Sache vertrauen. Ich danke Gott für diese wichtige Gelegenheit, meine Pflicht zu thun.«

Er trug an diesem Tage wie gewöhnlich seinen Admiralsrock, und auf seiner linken Brust prangten vier Sterne, Zeichen verschiedener Orden, deren Mitglied er war. Diese Verzierungen, durch welche er dem Feinde so sehr in die Augen fallen mußte, wurden von seinen Offizieren mit ahnungsvollen Besorgnissen betrachtet. Es war bekannt, daß sich an Bord der französischen Schiffe Scharfschützen befanden, und es unterlag keinem Zweifel, daß es auf sein Leben besonders abgesehen seyn werde. Sie theilten ihre Befürchtungen einander mit, und der Wundarzt Mr. Beatty Zu diesem Theile meines Werks habe ich besonders der Beschreibung dieses Herrn von Lord Nelson's Tode viel zu verdanken, – einem eben so interessanten als authentischen Dokumente. sprach mit dem Kaplan, Dr. Scott, und dem Sekretär Mr. Scott, und äußerte gegen diese den Wunsch, daß ihn Jemand bitten möchte, seine Kleidung zu ändern oder die Sterne zu bedecken; aber sie wußten, daß eine solche Bitte ihm höchlich mißfallen würde. »In Ehren habe ich sie bekommen,« hatte er gesagt, als er früher um dergleichen angegangen wurde, »und in Ehren will ich mit ihnen sterben.« Mr. Beatty jedoch hätte sich durch keine Besorgnis, sein Mißfallen zu erregen, abhalten lassen, selbst mit ihm über eine Sache zu sprechen, bei welcher das Heil Englands sowohl als das Leben Nelson's betheiligt war, allein er wurde von dem Verdecke abberufen, ehe er eine Gelegenheit dazu finden konnte. Es war dieß ein Punkt, wovon seine Offiziere wohl wußten, daß es hoffnungslos sey, mit ihm darüber zu rechten; dagegen stellten Blackwood und sein eigener Kapitän ihm vor, wie vortheilhaft es für die Flotte wäre, wenn er sich so lange als möglich außerhalb der Schlacht hielt, und er willigte ein, daß dem Leviathan und Temeraire, welche der Victory zur Seite waren, der Befehl zum Voransegeln gegeben würde. Doch auch so mußte der lezten Schwachheit dieses edeln Geistes nachgegeben werden, denn jene Schiffe konnten nicht vorankommen, so lange die Victory alle ihre Segel beibehielt, und anstatt eines einzuziehen, machte es vielmehr Nelson offenbar Freude, den Lauf seines Schiffes auf alle Weise zu beschleunigen und es so den beiden andern unmöglich zu machen, seinen Befehlen zu gehorchen. Eine lange Deining zog sich nach dem Meerbusen von Cadix, und mit vollen Segeln fahrend bewegten sich unsere Schiffe, bei leichten Winden von Südwest, in majestätischem Zuge gegen denselben. Die Sonne schien auf die Segel des Feindes, und seine gut formirte Linie mit den zahlreichen Dreideckern gewährte einen Anblick, den alle andern Angreifer für furchtbar gehalten hätten; aber die brittischen Seeleute bewunderten nur die Schönheit und den Glanz des Schauspiels, und in voller Zuversicht, das zu erobern, was sie sahen, bemerkten sie gegen einander, wie schön sich jene Schiffe in Spithead ausnehmen würden!

Der französische Admiral betrachtete vom Bucentaurus aus die neue Art und Weise, auf welche sein Feind anrückte, indem Nelson und Collingwood jeder seine Linie anführte, und seine Offiziere darauf aufmerksam machend, soll er ausgerufen haben, daß eine solche Führung nothwendig von Erfolg seyn müsse. Doch auch Villeneuve hatte seine Anordnungen mit der größten Kunst getroffen, und die unter seinem Kommando stehenden Flotten sahen mit vollkommener Kaltblütigkeit dem Angriffe entgegen. Zehn Minuten vor zwölf Uhr eröffnten sie ihr Feuer. Acht bis neun gerade vor der Victory und gegenüber von ihren Bugseiten liegenden Schiffe feuerten einzelne Schüsse nach ihr ab, um zu sehen, ob sie jezt in ihrer Schußweite angekommen sey. Sobald Nelson bemerkte, daß ihre Schüsse über ihn weggingen, ersuchte er Blackwood und Kapitän Prowse, Befehlshaber des Sirius, auf ihre Fregatten zurückzukehren und unterwegs allen Kapitäns der Linienschiffe zu sagen, daß er sich auf ihre Leistungen verlasse, und daß, wenn sie es bei der vorgeschriebenen Angriffsweise unausführbar fänden, sogleich in die Schlacht zu kommen, sie denjenigen Weg einschlagen könnten, welchen sie für den besten hielten, wenn er sie nur schnell und nahe an die Seite eines Feindes brächte. Sie standen gerade auf dem Spatium der Puppe, und Blackwood nahm Nelson bei der Hand indem er sagte, er hoffe bald zurückzukehren und ihn im Besitze von zwanzig Prisen zu finden, worauf dieser erwiederte: »Gott behüte Sie, Blackwood, ich werde Sie nie wieder sehen.«

Nelson's Schlachtcolonne war etwa um zwei Punkte nördlicher gesteuert, als die Collingwood's, um dem Feinde die Rückkehr nach Cadix abzuschneiden; daher kam die Leelinie zuerst in's Gefecht. »Siehe da,« rief Nelson, auf den Royal Sovereign hindeutend, als dieser gerade auf das Centrum der feindlichen Linie zusteuerte, am Spiegel des Dreideckers Santa Anna sie durchbrach und diesen mit der Mündung seiner Kanonen auf der Steuerbordseite begrüßte; »siehe da, wie der wackere Junge Collingwood sein Schiff in's Treffen führt!« Collingwood, erfreut darüber, daß er der erste in der Hitze der Schlacht war, und die Gefühle seines Kommandeurs und alten Freundes kennend, wandte sich gegen seinen Kapitän und rief aus: »Rotherham, was würde Nelson dafür geben, wenn er hier wäre!« Diese beiden braven Offiziere dachten vielleicht in diesem Augenblicke mit besonderer Dankbarkeit an Nelson, wegen eines Vorfalls, der sich am vorhergehenden Tage ereignet hatte. Als nämlich Admiral Collingwood mit einigen Kapitäns an Bord der Victory kam, um Instruktionen zu empfangen, fragte ihn Nelson, wo sein Kapitän sey, und erhielt zur Antwort, daß sie nicht auf gutem Fuße mit einander ständen. »Fuße,« rief Nelson, »nicht auf gutem Fuße mit einander stehen!« Sogleich schickte er ein Boot nach Kapitän Rotherham, führte ihn, sobald er ankam, zu Collingwood und sagte: »Sehen Sie, dort steht der Feind! ich bitte, geben Sie sich als Engländer die Hand.«

Der Feind fuhr fort, hie und da eine Kanone auf die Victory abzufeuern, bis er sah, daß ein Schuß durch ihr großes Bramsegel gegangen war; auf dieses entlud er seine Breitseiten, indem er besonders auf ihr Takelwerk zielte, in der Hoffnung, sie kampfunfähig zu machen, ehe sie mit ihm zusammenträfe. Nelson hatte, wie gewöhnlich, mehrere Flaggen aufgezogen, damit nie eine fehlte, wenn eine weggeschossen würde; der Feind dagegen ließ gar keine sehen bis gegen das Ende der Schlacht, wo er die Nothwendigkeit einzusehen begann, daß er Flaggen haben müsse, um sie zu streichen. Aus diesem Grunde war die Santissima Trinidad, Nelson's alte Bekannte, wie er sie zu nennen pflegte, nur an ihren vier Decken zu erkennen, und auf den Bug dieser Gegnerin ließ er die Victory lossteuern. Indessen war auf diese ein unaufhörliches verheerendes Feuer gerichtet. Der Secretär des Admirals war einer der ersten, welche fielen; er wurde durch einen Kanonenschuß getödtet, während er sich mit Hardy unterhielt. Der Kapitän Adair von dem Seetruppenkorps suchte mit Hülfe eines Matrosen den Leichnam Nelson aus dem Gesichte zu bringen, der eine große Zuneigung zu Mr. Scott gehabt hatte, allein derselbe fragte ängstlich: »Ist es der arme Scott, der dahingegangen ist?« Und als dieß bejaht wurde, rief er aus: »Der arme Junge!« Im nächsten Augenblicke fuhr eine Stangenkugel unter eine Abtheilung Seesoldaten hinein, welche auf der Puppe aufgestellt waren, und tödtete acht von ihnen, worauf Nelson sogleich Kapitän Adair ersuchte, seine Leute auf dem Schiffe zu vertheilen, damit sie nicht durch ihr Beisammenseyn so viel litten. Wenige Minuten darauf zerriß eine Kugel die Fockbrassenbätingshölzer auf dem halben Verdecke und fuhr zwischen Nelson und Hardy durch, indem ein Splitter davon eine von Hardy's Schuhschnallen wegriß und seinen Fuß quetschte. Beide blieben stehen und blickten einander besorgt an, indem jeder befürchtete, der Andere möchte verwundet worden seyn. Nelson lächelte hierauf und sagte: »Es geht zu heiß her, Hardy, als daß es lange dauern könnte.«

Noch hatte die Victory keinen einzigen Schuß zurückgegeben; dagegen waren fünfzig ihrer Leute indessen getödtet oder verwundet, und ihre großen Marsstengeln nebst allen ihren Leesegeln und Spieren weggeschossen worden. Nelson erklärte, daß er in allen seinen Schlachten nichts gesehen habe, was die Kaltblütigkeit seiner Mannschaft bei dieser Gelegenheit übertroffen hätte. Vier Minuten nach zwölf Uhr eröffnete die Victory ihr Feuer von beiden Seiten ihres Verdecks. Es war nicht möglich, die feindliche Linie zu durchbrechen, ohne einem ihrer Schiffe an Bord zu treiben; Hardy meldete dieß Nelson und fragte ihn, welches er vorzöge, worauf dieser erwiederte: »Wählen Sie, Hardy, es macht nicht viel aus.« Hierauf wurde der Master beordert, das Steuer hartlinks zu wenden, und die Victory legte sich an Bord des Redoutable, gerade als ihre Steuerreepe weggeschossen wurden. Das französische Schiff empfing sie mit einer Breitseite, ließ aber hierauf sogleich seine Unterdeckschießluken herunter, aus Besorgniß, durch diese geentert zu werden, und feuerte während der ganzen Schlacht keine Kanone mehr ab. Dagegen waren ihre Marse gleich denen aller feindlichen Schiffe mit Scharfschützen angefüllt. Nelson stellte nie Musketiere auf seinen Marsen auf: er hatte einen heftigen Widerwillen dagegen, nicht blos, weil dadurch die Segel leicht in Feuer gerathen können, sondern auch, weil es eine mörderische Art, Krieg zu führen, ist, wodurch Einzelne umkommen mögen und hie und da ein Kommandant weggeschossen, nie aber der Ausgang einer Schlacht im Großen entschieden werden kann.

Kapitän Harvey auf dem Temeraire legte sich dem Redoutable auf der andern Seite an Bord, eben so lag ein anderer Feind an Bord des Temeraire, so daß diese vier Schiffe, deren Vordertheile alle in derselben Richtung lagen, eine so dichte Reihe bildeten, als ob sie mit einander vor Anker gelegen wären. Als die Lieutenants der Victory dieß sahen, richteten sie ihre Kanonen auf dem Mittel- und Unterdeck niederer und feuerten kleinere Ladungen ab, damit die Schüsse nicht durchgehen und den Temeraire verletzen möchten. Und weil zu befürchten war, der Redoutable möchte von den Unterdeckkanonen Feuer fangen, deren Mündungen seine Seite berührten, wenn sie in die Stückpforten geschoben wurden, so stand der Spritzenmann jeder Kanone mit einem Wassereimer bereit, den er, sobald das Geschütz entladen war, in die durch den Schuß gemachte Oeffnung schüttete. Ein unaufhörliches Feuer wurde von beiden Seiten der Victory unterhalten, indem ihre Backbordkanonen gegen den Bucentaurus und die ungeheure Santissima Trinidad spielten.

Es war ein Theil von Nelson's Gebet gewesen, daß die brittische Flotte bei dem Siege, den sie erwartete, durch Menschlichkeit sich auszeichnen möchte. Mit seinem eigenen Beispiele vorangehend, befahl er zweimal, das Feuer gegen den Redoutable einzustellen, in der Meinung, er habe sich ergeben, weil sein grobes Geschütz schwieg; denn, da derselbe keine Flagge führte, so gab es kein Mittel, sich der Sache sogleich zu vergewissern. Von diesem Schiffe, dessen er so zweimal geschont hatte, empfing er den Tod. Eine von seinem Besanmarse abgefeuerte Kugel, welcher bei der damaligen Lage beider Schiffe nicht über 45 Fuß von dem Theile des Verdecks entfernt war, wo Nelson stand, zerriß die Epaulette auf seiner linken Schulter, – um ein Viertel auf zwei Uhr, gerade als die Schlacht am heftigsten wüthete. Er fiel auf das Gesicht an der Stelle, welche mit dem Blute seines armen Sekretärs bedeckt war. Hardy, der ein paar Schritte von ihm entfernt stand, kehrte sich um und sah, wie drei Leute ihn aufhoben. »Sie haben mir den Rest gegeben, Hardy,« sagte Nelson. »Ich hoffe nicht!« rief Hardy. »Ja,« erwiederte jener, »mein Rückgrath ist durchgeschossen.« Doch auch noch jezt keinen Augenblick seine Geistesgegenwart verlierend, bemerkte er, als sie ihn die Treppe hinabtrugen, daß die Steuerreepe, welche weggeschossen worden waren, noch nicht ersezt seyen, und befahl, daß sogleich neue herbeigeschafft werden sollten; – hierauf nahm er, um von der Mannschaft nicht erkannt zu werden, sein Sacktuch heraus, und bedeckte damit sein Gesicht und seine Orden. Hätte er nur diese Ehrenzeichen vor dem Feinde verborgen, so hätte England vielleicht nicht Ursache gehabt, die Nachricht von der Schlacht bei Trafalgar mit Schmerzen zu empfangen. Das Schlachtverband war mit Verwundeten und Sterbenden bedeckt, über deren Leiber er mit einiger Schwierigkeit gebracht und auf eine Pritsche in der Kadettenkajüte gelegt wurde. Eine Untersuchung lehrte bald, daß die Wunde tödtlich war. Dieß wurde jedoch gegen Alle mit Ausnahme Kapitän Hardy's, des Kaplans und der ärztlichen Gehülfen geheim gehalten. Er selbst, durch das Gefühl in seinem Rücken und die Blutwallung, die er jeden Augenblick in seiner Brust fühlte, fest überzeugt, daß keine menschliche Hülfe ihn zu retten vermöge, bestand darauf, daß der Wundarzt ihn verlassen und denen zu Hülfe eilen sollte, welchen er noch nützlich seyn könnte; »denn, sagte er, »für mich können Sie nichts mehr thun.« Alles, was geschehen konnte, war, ihm mit Papier Kühlung zuzufächeln und ihm häufig Limonade zu reichen, um seinen glühenden Durst zu lindern. Er befand sich in einer peinlichen Lage und äußerte große Besorgnisse wegen des Ausgangs der Schlacht, die sich nun zu entscheiden begann. So oft ein Schiff die Flagge strich, verkündigte es die Mannschaft der Victory mit einem Hurrahgeschrei, und bei jedem Hurrah zeigte sich ein sichtbarer Ausdruck der Freude in den Augen und auf dem Gesichte des sterbenden Helden. Aber er verlangte sehr, Kapitän Hardy zu sehen, und da dieser Offizier, obgleich oft nach ihm geschickt wurde, das Verdeck nicht verlassen konnte, so befürchtete Nelson, eine traurige Ursache halte ihn zurück, und rief wiederholt: »Will Niemand mir Hardy bringen? Er muß getödtet seyn! er ist sicher todt!« Erst eine Stunde und zehn Minuten, nachdem Nelson seine Wunde erhalten hatte, konnte Hardy zu ihm kommen. Sie drückten einander schweigend die Hand, und Hardy kämpfte vergebens, die Gefühle dieses so schmerzlichen und doch zugleich so erhabenen Augenblickes in seine Brust zurückzudrängen. »Nun, Hardy,« sagte Nelson, »wie steht die Schlacht?« – »Sehr gut,« erwiederte Hardy, »10 Schiffe haben die Flagge gestrichen, aber fünf vom feindlichen Vordertreffen haben durch den Wind gewendet und legen die Absicht an den Tag, auf die Victory loszugehen. Ich habe 2 bis 3 frische Schiffe herbeigerufen und zweifle nicht, ihnen einen Schlag beizubringen.« – »Ich hoffe,« sagte Nelson, »daß keines unserer Schiffe die Flagge gestrichen hat?« Hardy antwortete, »das sey nicht zu befürchten.« Hierauf, und nicht bälder, sprach Nelson von sich selbst. »Ich bin ein todter Mann, Hardy,« sagte er, »es geht schnell; bald wird Alles mit mir vorbei seyn. Treten Sie näher herzu. Sorgen Sie dafür, daß meine liebe Lady Hamilton mein Haar und alles mir Zugehörige bekomme.« Hardy äußerte, daß er hoffe, Mr. Beatty könne ihnen noch Aussicht auf seine Rettung gewähren. »O nein!« erwiederte er, »es ist unmöglich. Mein Rückgrath ist durchgeschossen. Beatty wird Ihnen das Nämliche sagen.« Hierauf drückte ihm Kapitän Hardy noch einmal die Hand und eilte mit einem beinahe brechenden Herzen auf das Verdeck zurück.

Um diese Zeit hatte Nelson alles Gefühl unter der Brust verloren, und nachdem er den Wundarzt sich davon hatte überzeugen lassen, sagte er zu ihm: »Sie sehen, es ist mit mir zu Ende. Ich weiß es. Ich fühle etwas in meiner Brust aufsteigen,« – und dabei hielt er die Hand an seine linke Seite, – »das es mir sagt.« Und auf Beatty's Frage, ob seine Schmerzen sehr groß seyen? antwortete er, »so groß, daß er wünsche, todt zu seyn. Doch,« sagte er mit leiserer Stimme, »man möchte gerne auch noch ein wenig länger leben!« Und nach wenigen Minuten setzte er in demselben Tone hinzu:« »Was würde aus der armen Lady Hamilton werden, wenn sie von meiner Lage wüßte!« Nächst seinem Vaterlande beschäftigte sie seine Gedanken. Kapitän Hardy kehrte etliche und fünfzig Minuten, nachdem er das Schlachtverband verlassen hatte, zurück, und wieder die Hand seines sterbenden Freundes und Befehlhabers ergreifend, wünschte er ihm Glück, daß er einen vollständigen Sieg gewonnen habe. Wie viele feindliche Schiffe gewonnen seyen, wisse er nicht, da man das unmöglich wahrnehmen könne; aber vierzehn bis fünfzehn seyen es wenigstens. »Das ist gut,« rief Nelson; »aber ich rechnete auf zwanzig.« Und hierauf sagte er mit stärkerer Stimme: »Vor Anker, Hardy, vor Anker!« Hardy erwiederte darauf: »Admiral Collingwood werde die Leitung des Ganzen übernehmen.« »So lange ich lebe, nicht, Hardy!« entgegnete der sterbende Nelson, indem er einen vergeblichen Versuch machte, sich von seinem Lager zu erheben; »legen Sie vor sich Anker!« Sein früherer Befehl, sich zum Ankerwerfen fertig zu halten, zeigte, wie deutlich er die Nothwendigkeit davon vorausgesehen hatte. Sogleich Hardy zurück rufend sagte »er zu ihm mit leiser Stimme: »Werfen Sie mich nicht über Bord!« und sprach den Wunsch gegen ihn aus, daß er bei seinen Eltern begraben werden möchte, wenn es nicht dem Könige gefiele, eine andere Anordnung zu treffen. Hierauf zu anderen Gedanken übergehend lispelte er: »Sorgen Sie für meine liebe Lady Hamilton, Hardy; sorgen Sie für die arme Lady Hamilton!« – »Küssen Sie mich, Hardy!« sagte er dann. Hardy kniete nieder und küßte ihn auf die Wange; und Nelson sagte: »Jetzt bin ich zufrieden. Gott sey Dank, ich habe meine Pflicht gethan.« Hardy stand einen oder zwei Augenblicke schweigend neben ihm; dann kniete er wieder nieder, und küßte seine Stirne. »Wer ist das?« fragte Nelson, und als man es ihm sagte, sprach er: »Gott segne Sie, Hardy!« Und Hardy verließ ihn hierauf – für immer.

Nelson wünschte jetzt auf die Seite gelegt zu werden und sagte: »Hätte ich lieber das Verdeck nicht verlassen; denn es wird bald aus mit mir seyn.« Der Tod nahte in der That mit raschen Schritten. Er sagte zu dem Kaplan: »Doctor, ich bin kein großer Sünder gewesen,« und nach einer kleinen Pause: »Vergessen Sie nicht, daß ich Lady Hamilton und meine Tochter Horatia meinem Vaterlande als Vermächtniß hinterlasse.« Seine Sprache wurde jezt schwerfällig und undeutlich, aber vernehmlich sagte er: »Gott sey Dank, ich habe meine Pflicht gethan!« Diese Worte hatte er schon mehreremal ausgesprochen, und es waren die lezten, welche über seine Lippen gingen. Er verschied um halb fünf Uhr, 3¼ Stunden, nachdem er seine Wunde empfangen hatte.

In der auf Nelson's Verwundung folgenden Viertelstunde fielen über 50 Leute der Victory durch das Musketenfeuer des Feindes. Doch war sie ihrerseits nicht müßig, und es dauerte nicht lange, so waren auf dem Besanmarse des Redoutable nur noch zwei Franzosen am Leben. Einer von diesen war derjenige, welcher die verhängnisvolle Kugel abgeschickt hatte: er blieb nicht am Leben, um sich seiner That rühmen zu können. Ein alter Schiemann hatte ihn feuern sehen und erkannte ihn leicht wieder, weil er einen blanken Lederhut und einen weißen Kittel trug. Dieser Schiemann und zwei Seekadetten, Mr. Collingwood und Mr. Pollard, waren die einzigen Personen, welche auf der Puppe der Victory noch lebten; die zwei Kadetten feuerten nach dem Marse, Einer der Franzosen versuchte, das Takelwerk hinab zu fliehen, wurde aber von Pollard getroffen und stürzte auf der Puppe, und jener versorgte sie mit Patronen. Aber wie der alte Schiemann rief: »Der ist's, der ist's!« und auf den andern zielte, welcher vortrat, um wieder zu feuern, erhielt er einen Schuß in den Mund und sank todt nieder. Hierauf feuerten beide Kadetten zugleich, und der, welcher Nelson getödtet hatte, fiel auf dem Marse. Als sie von der Prise Besitz nahmen, gingen sie auf das Besanmars und fanden ihn todt: eine Kugel war ihm durch den Kopf und eine andere durch die Brust gedrungen.

Zwanzig Minuten, nachdem der verhängnisvolle Schuß von ihm abgefeuert worden war, strich der Red outable die Flagge. Während dieser Zeit war er zweimal in Feuer gerathen, in seinen Vorderputtingen und auf seinem Vordercastelle. Die Franzosen gebrauchen, wie sie es in andern Schlachten gethan hatten, auch in dieser Granaten und andere Brennstoffe, – Zerstörungsmittel, welche andere Nationen aus einem Gefühle der Ehre und Menschlichkeit bei Seite gelassen haben; welche die Leiden der Verwundeten vermehren, ohne den Ausgang der Schlacht zu entscheiden; welche nur von einem Grausamen angewendet werden und gegen den Tapferen nie von Erfolg seyn können. Einmal gelang es ihnen, vom Redoutable aus einige Taue und Segeltücher an den Spieren der Victory in Brand zu setzen. Der Feuerlärm lief durch das ganze Schiff und kam bis an das Schlachtverband, aber selbst dieser furchtbare Ruf brachte keine Verwirrung hervor: die Leute entwickelten jene vollkommene Selbstbeherrschung in der Gefahr, wodurch der englische Seemann sich auszeichnet: sie löschten zuerst die Flammen an Bord ihres Schiffes, und dann eilten sie, dieselben auf dem feindlichen zu dämpfen, indem sie dieses von den Laufplanken aus mit Wassereimern begossen. Als der Redoutable die Flagge gestrichen hatte, war es nicht möglich, ihn von der Victory aus zu borden, denn obgleich die zwei Schiffe einander berührten, so standen die Obenwerke beider so, daß ein großer Zwischenraum zwischen ihren Fallreepstreppen war, und von dem unteren oder mittleren Verdecke aus konnte er nicht gebordet werden, weil die Stückpforten derselben geschlossen waren. Einige unserer Leute kamen zu Lieutenant Quilliam und erboten sich, unter die Bugseiten des feindlichen Schiffes zu schwimmen um von dort den Bord desselben zu gewinnen; aber es wurde für unnöthig gehalten, das Leben braver Männer so auf's Spiel zu setzen.

Was unsere Leute aus Tapferkeit gethan haben würden, thaten einige von der Mannschaft der Santissima Trinidad, um sich zu retten. Unfähig, das furchtbare Feuer der Victory auszuhalten, deren Backbordkanonen gegen diesen großen Vierdecker spielten, und nicht wissend, wie sie sonst ihnen entfliehen, oder wo anders sie sich nach Schutz umsehen könnten, sprangen Viele über Bord, schwammen auf die Victory zu, und wirklich wurde ihnen während der Schlacht von den Engländern heraufgeholfen. Die Spanier begannen die Schlacht zwar mit geringerer Lebhaftigkeit, als ihre unwürdigen Verbündeten, aber sie sezten dieselbe mit größerer Standhaftigkeit fort. Die Schiffe Argonouta und Bahama wurden vertheidigt, bis jedes ungefähr 400 Mann verloren hatte; der St. Juan Nepomuceno verlor 350. So oft auch die Ueberlegenheit des brittische Muthes gegen Frankreich auf der See an den Tag gelegt worden war, so zeigte sie sich doch nie deutlicher als in diesem entscheidenden Kampfe. Fünf unserer Schiffe waren Mündung an Mündung mit fünf französischen im Gefechte. Auf allen fünf ließen die Franzosen ihre Unterdeckschießluken herunter und verließen ihre Kanonen, während unsere Leute entschlossen fortfuhren, zu laden und zu feuern, bis sie sich den Sieg gesichert hatten.

Unter seinen Leiden hatte Nelson einmal den Wunsch ausgesprochen, daß er todt seyn möchte; aber gleich darauf hatte der Geist die Todesschmerzen überwunden, und er wünschte, noch etwas länger zu leben, – ohne Zweifel, um die Vollendung des Sieges zu vernehmen, den er hatte so glorreich beginnen sehen. Dieser Trost, diese Freude, dieser Triumph ward ihm. Er lebte so lange, um noch zu erfahren, daß der Sieg entscheidend sey, und die letzten Kanonenschüsse, welche dem fliehenden Feinde nachgeschickt wurden, ertönten eine oder zwei Minuten, ehe er verschied. Die Schiffe, welche so flohen, waren 4 von dem Vordertreffen des Feindes, lauter französische unter dem Contreadmiral Dumanoir. Sie hatten keinen Theil an der Schlacht genommen, und jezt, als sie ihr Heil in der Flucht suchten, feuerten sie im Vorübersegeln nicht blos nach der Victory und dem Royal Sovereign, sondern entluden ihre Breitseiten auch in die eroberten spanischen Schiffe, und man sah, wie sie ihre Marssegel auf den Mast braßten, um mit größerer Sicherheit feuern zu können. Der Unwille der Spanier über diese abscheuliche Grausamkeit von Seiten ihrer Verbündeten, für welche sie so tapfer gefochten und ihr Blut so reichlich vergossen hatten, läßt sich denken. Er war so heftig, daß, als zwei Tage nach der Schlacht 7 der Schiffe, welche nach Cadix entflohen waren, herauskamen, in der Hoffnung, einige der reedelosen Prisen wieder zu gewinnen, die Gefangenen aus dem Argonauta dem brittischen Prisenmaster einstimmig ihre Dienste zur Bemannung der Kanonen gegen eines der französischen Schiffe anboten, indem sie erklärten, daß, wenn ein spanisches Schiff an ihre Seite käme, sie sich ruhig in den untern Raum begeben würden, aber baten, daß es ihnen erlaubt werden möchte, zur Rache für das mörderische Verfahren, das sie von den Franzosen erduldet hätten, gegen diese zu kämpfen. So groß war ihr Eifer hiezu und so unbedingt das Vertrauen, das auf die spanische Ehre gesezt werden konnte, daß das Anerbieten angenommen und sie wirklich bei den Unterdeckkanonen aufgestellt wurden. Dumanoir war mit seinem Geschwader nicht glücklicher, als die Flotte, deren Loose er sich durch die Flucht entziehen wollte: er stieß auf Sir Richard Strachan, der gegen das Rochefortgeschwader kreuzte, und alle seine Schiffe wurden genommen. In den besseren Tagen Frankreichs wäre ein solches Verbrechen wenn es damals hätte begangen werden können, von der französischen Regierung exemplarisch bestraft worden; unter Bonaparte war es sicher, unbestraft zu bleiben, und konnte vielleicht für belohnenswerth gehalten werden. Aber wenn der spanische Hof unabhängig gewesen wäre, so hätte es sich für uns geziemt, Dumanoir und seine Kapitäne Spanien auszuliefern, damit sie vor Gericht gestellt und im Angesichte der Ueberbleibsel der spanischen Flotte hätten aufgehängt werden können.

Der brittische Totalverlust in der Schlacht von Trafalgar belief sich auf 1587 Mann. Zwanzig feindliche Schiffe strichen die Flagge; aber unglücklicherweise legte sich die Flotte nicht vor Anker, wie Nelson beinahe mit seinem letzten Hauche befohlen hatte. Von Südwest erhob sich ein steifer Wind, und einige der Prisen trieben fort, einige kamen an die Küste, eine bewerkstelligte ihre Flucht nach Cadix, andere wurden zerstört, bloß vier aber wurden gerettet, und diese nur durch die größten Anstrengungen. Die verwundeten Spanier wurden an die Küste gesandt, gegen die Versicherung, daß sie nicht mehr dienen sollten, bis sie förmlich ausgewechselt wären; und mit einem Edelmuthe, der sich vielleicht bei keinem andern Volke gefunden hätte, boten die Spanier die Benützung ihrer Spitäler für unsere Verwundeten an, indem sie die Ehre Spaniens zur Bürgin stellten, daß dieselben dort sorgfältig behandelt werden sollten. Als der Sturm nach der Schlacht einige unserer Prisen an die Küste trieb, erklärten sie, daß die Engländer, welche so in ihre Hände gefallen waren, nicht als Kriegsgefangene betrachtet werden sollten; und die spanischen Soldaten gaben ihre eigenen Betten für ihre schiffbrüchigen Feinde her. Der spanische Viceadmiral Alava starb an seinen Wunden. Villeneuve wurde nach England geschickt und erhielt die Erlaubniß, nach Frankreich zurückzukehren. Die französische Regierung behauptet zwar, er habe sich auf dem Wege nach Paris aus Furcht vor dem Spruche eines Kriegsgerichts selbst entleibt; aber man hat allen Grund zu glauben, daß der Tyrann, welcher den Verlust der Schlacht von Trafalgar nie anerkennen wollte, die vielen Opfer seiner mörderischen Politik durch Villeneuve vermehrte.

Es ist beinahe überflüssig, beizufügen, daß alle Ehrenbezeugungen, welche einem dankbaren Vaterlande zu Gebote stehen, auf das Andenken Nelson's gehäuft wurden. Sein Bruder wurde mit einer jährlichen Rente von 6,000 Pfund in den Grafenstand erhoben; 10,000 Pfund wurde für jede seiner Schwestern und 100,000 Pfund zum Ankauf eines Besitzthums votirt. Ein öffentliches Leichenbegängniß wurde angeordnet, und die Errichtung eines öffentlichen Monuments beschlossen. Auch wurden von den meisten unserer bedeutendsten Städte Statuen, und Monumente gesezt. Der bleierne Sarg, worin man ihn nach Hause brachte, ward in Stücke zerschlagen, welche, wie der Constabel der Victory sie nannte, als Reliquien des heiligen Nelson vertheilt wurden; und als bei seiner Beerdigung seine Flagge in das Grab gesenkt werden sollte, so zerrissen sie die Matrosen, welche der Feierlichkeit anwohnten, in Stücke, damit jeder ein solches, so lange er lebte, aufbewahren könnte.

Der Tod Nelson's wurde in England noch als etwas mehr als ein öffentliches Unglück empfunden; die Leute schraken bei der Nachricht zusammen und erbleichten, als ob sie den Verlust eines theuren Freundes vernommen hätten. Ein Gegenstand unserer Bewunderung und Liebe, unseres Stolzes und unserer Hoffnungen war plötzlich von uns genommen, und es schien, als ob wir indessen nicht gewußt hätten, wie innig wir ihn liebten und verehrten. Was das Vaterland an seinem großen Seehelden, dem größten unserer und aller früheren Zeiten, verloren hatte, wurde bei unserem Schmerze kaum in Berechnung gebracht. Wirklich hatte er sein Werk so vollständig vollbracht, daß der Seekrieg nach der Schlacht von Trafalgar für beendigt angesehen wurde; die feindlichen Flotten waren nicht blos geschlagen, sondern zerstört: neue mußten gebaut und ein neues Geschlecht von Seeleuten für sie herangezogen werden, ehe die Möglichkeit eines Angriffs auf unsere Küsten wieder in Betracht kommen konnte. Es war daher nicht eine eigennützige Erwägung der Größe unseres Verlustes, die uns zur Trauer stimmte: der allgemeine Schmerz war höherer Art. Das englische Volk beklagte, daß Leichenfeierlichkeiten, öffentliche Denkmäler und Zeichen der Dankbarkeit gegen seine Hinterbliebenen Alles waren, womit man jezt noch dem lohnen konnte, welchen zu ehren, dem Könige, dem Parlamente und der Nation gleich große Freude gemacht, welchen jede Zunge gesegnet, dessen Erscheinung in jedem Dorfe, durch das er gekommen wäre, die Kirchenglocken erweckt, der Jugend einen Festtag geschenkt, Kinder von ihren Spielen weggelockt hätte, um ihn zu betrachten, und alte Leute von dem Winkel ihres Kamins, um Nelson zu sehen, ehe sie stürben. Zwar wurde der Sieg von Trafalgar durch die gewöhnlichen Lustbarkeiten gefeiert, aber sie waren freudenlos; denn so hoch war bereits durch Nelson's gewaltigen Geist der Ruhm der brittischen Marine gestiegen, daß er durch den glänzendsten Sieg, der je auf der See erfochten wurde, kaum einen Zuwachs zu erhalten schien, und die Vernichtung jener mächtigen Flotte, wodurch alle Seeplane Frankreichs völlig vereitelt waren, schien unsere Sicherheit und Macht beinahe nicht zu vergrößern; denn so lange Nelson lebte, um die vereinigten Geschwader des Feindes zu bewachen, fühlten wir uns eben so sicher als jezt, wo sie nicht mehr existirten.

Nach den Ergebnissen der Oeffnung seines Leichnams war zu vermuthen, daß Nelson nach dem Laufe der Natur, wie sein Vater, ein hohes Alter hätte erreichen können. Doch kann von einem, dessen Werk gethan ist, nicht gesagt werden, daß er vor der Zeit hinweggerafft worden sey, noch kann einer zu beklagen seyn, der so mit Ehre gekrönt und auf dem Gipfel menschlichen Ruhmes starb. Der triumphirendste Tod ist der des Märtyrers, der erhabenste der des Märtyrers für's Vaterland, der glänzendste der des Helden in der Siegesstunde, und wenn der Feuerwagen sammt den feurigen Pferden Nelson zu seinem Uebergange zu Gebote gestanden wären, er hätte kaum in einer strahlenderen Ruhmesflamme scheiden können. Er hat uns zwar keinen Mantel der Begeisterung, wohl aber einen Namen und ein Vorbild hinterlassen, welche bis zu dieser Stunde Hunderte der Jünglinge Englands begeistern; einen Namen, der unser Stolz ist, und ein Vorbild, das unser Schild und unsere Stärke bleiben wird. Also geschiehet es, daß die Geister der Großen und Weisen auch noch nach ihrem Tode fortfahren zu leben und zu wirken, und in diesem Sinne die Worte des alten Dichters in Erfüllung bringen:

Τοι μεν δαιμονες εισι, Διοσ μεγαλον δια βονλας
Εσθροι, έπιχθονιοι, φνλακες θνητων αωθρωπων.

 

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