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Sechstes Kapitel.

Nelson kehrt nach Neapel zurück. – Zustand dieses Hofs und Königreichs. – General Mack. – Die Franzosen nähern sich Neapel. – Flucht der königlichen Familie. – Fortschritte der Alliirten in Italien. – Verhandlungen im Meerbusen von Neapel. – Vertreibung der Franzosen aus dem neapolitanischen und römischen Gebiete. – Nelson wird Herzog von Bronte. – Er verläßt das mittelländische Meer, und kehrt nach England zurück.

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Nelson's Gesundheit hatte während seines Aufenthalts auf dem Agamemnon sehr gelitten. »Ich habe das Gefühl,« sagte er, »als ob mir ein Gurt über die Brust geschnallt wäre, und bei Nacht ringe ich bange, ihn los zu bekommen.« Nach der Schlacht vom Cap St. Vincente drang sich ihm das Bedürfniß einiger Erholung so gebieterisch auf, daß er erklärte, wenn es nicht unumgänglich nöthig sey, so könne er nicht mehr länger dienen, als noch den folgenden Sommer; denn vier Jahre und neun Monate habe er nun an Körper und Geist keinen Augenblick Ruhe gehabt. Einige Monate Muße zwar war ihm zu Theil geworden, aber keine Ruhe, denn er hatte jene mit dem Verluste eines Glieds erkaufen müssen, und der größte Theil dieser Pause war für ihn eine Zeit beständiger Qual gewesen. Sobald seine angegriffene Gesundheit so weit hergestellt war, daß er wieder dienen konnte, wurde er auf einen Posten von größerer Wichtigkeit berufen, als ihm bisher je einer übertragen gewesen war, was natürlich neue, erhöhte Anstrengungen für ihn herbeiführte. Die ungewöhnliche Aufregung, worin er sich während seiner langen Verfolgung des Feindes befand, bekam durch dessen Niederlage mehr nur eine andere Richtung, als daß sie dadurch besänftigt worden wäre; und diese unaufhörliche geistige Spannung, verbunden mit den Nachwirkungen seiner Wunde und den Anstrengungen, deren sich ein so lebhafter und weitblickender Geist durchaus nicht enthalten konnte, kostete ihm beinahe das Leben. Auf seinem Rückwege nach Italien bekam er einen heftigen Fieberanfall. Achtzehn Stunden lang zweifelte man an seiner Rettung, und auch dann, als die Krankheit eine günstige Wendung nahm und er sich so weit erholt hatte, daß er wieder auf dem Verdecke erscheinen konnte, glaubte er noch sein Ende nahe; so groß war die Schwäche, zu welcher ihn sein Fieber und Husten herabgestimmt hatten. In einem Briefe, den er auf der Reise an Graf St. Vincent schrieb, hieß es: »Ich darf nicht hoffen, mein Theuerster, Ihr Angesicht noch einmal zu sehen. Es gefällt wohl Gott, durch diesen Anfall das Werk des Angstfiebers zu vollenden, das ich von der Mitte des Junius an ausgestanden habe; doch es gehe, wie es Ihm gefällt, ich unterwerfe mich Seinem Willen.«

In Neapel warteten Nelson's die zartesten Beweise der wärmsten Freundschaft. »Theurer Freund,« so äußerte sich Sir William Hamilton gegen ihn, »kommen Sie um Gotteswillen hieher, sobald es Ihnen der Dienst erlaubt. Ein angenehmes Zimmer ist für Sie in meinem Hause bereit, und Emma sieht sich für die paar müden Glieder, welche Sie sich übrig gelassen haben, nach den weichsten Pfühlen um!« Ein Glück wäre es für Nelson gewesen, wenn nur warme und sorgliche Freundschaft ihn dort erwartet hätte! Er selbst sah damals den Charakter des neapolitanischen Hofes in seinem wahren Lichte, und unterwegs erklärte er, daß er die Reise nach Neapel verfluche, und daß nur die Noth ihn habe dazu bringen können. Aber nie wurde ein Held bei seiner Rückkehr von einem Siege mit herzlicherer Freude bewillkommt. Vor der Schlacht von Abukir hatte der Hof zu Neapel für seine Existenz gezittert. Die Sprache, welche damals das Direktorium gegen ihn führte, wurde von Sir William Hamilton treffend als die eines Straßenräubers charakterisirt. Man sagte den Neapolitanern, wenn sie eine große, dem Direktorium genügende Summe bezahlten, so sollte ihr Gebiet durch Benevento vergrößert werden; wiesen sie aber diesen Vorschlag zurück, oder zögerten sie auch nur mit der Annahme desselben, so drohte man ihnen, ganz Italien aufzuwiegeln. Die Freude des Hofs über Nelson's Sieg stand daher im Verhältnisse zu der Furcht, wovon jener durch diesen befreit wurde Die Königin war eine Tochter Maria Theresia's und eine Schwester Marie Antoinetten's. Wäre sie auch die weiseste und edelste ihres Geschlechts gewesen, sie hätte Frankreich unmöglich ohne Haß und Schauder betrachten können, und die Fortschritte der revolutionären Ansichten erregten in ihr, während sie beständig an das Schicksal ihrer Schwester sie erinnerten, keine unbedeutenden Besorgnisse über ihr eigenes. Die Aufregung ihres von Natur leidenschaftlichen und an Zurückhaltung wenig gewöhnten Gemüths erreichte bei der Ankunft der Siegesnachricht den höchsten Gipfel. Lady Hamilton, ihr Liebling und ihre beständige Gesellschafterin, welche gerade bei ihr war, sagt: »Es ist nicht möglich, ihr Entzücken zu beschreiben; sie weinte, küßte ihren Gemahl und ihre Kinder, tobte durch das Zimmer, brach wieder in Thränen aus und küßte und umarmte Jedermann, der in ihrer Nähe war, indem sie rief: ›O wackerer Nelson! O Gott! segne und schütze unsern tapfern Befreier! O Nelson! Nelson! was verdanken wir dir nicht! O Sieger – Retter Italiens! O daß mein volles Herz ihm jezt sagen könnte, was wir ihm schuldig sind!‹

Sie schrieb dem neapolitanischen Gesandten in London bei dieser Gelegenheit in Ausdrücken, welche die Größe ihrer Freude und den Schwung der Hoffnungen, die in ihr rege wurden, beurkunden. »Könnte ich,« schrieb sie, »dem Ueberbringer dieser Nachrichten und zugleich den Versicherungen unseres innigsten Dankes Flügel geben! Die ganze Seeküste Italiens ist gerettet – einzig durch das Verdienst des hochherzigen Britten. Den Ausgang dieser Schlacht, oder, besser gesprochen, die völlige Niederlage des königsmörderischen Geschwaders verdanken wir der Tapferkeit des wackern Admirals und der Trefflichkeit seiner Flotte, welche der Schrecken ihrer Feinde ist. Der Sieg ist so vollständig, daß ich noch kaum daran glauben kann, und wäre er nicht der tapfern englischen Nation zu Theil geworden, welche gewohnt ist, zur See Wunder zu verrichten, so könnte ich mich von der Wirklichkeit desselben nicht überzeugen. Gesehen sollten Sie haben, wie alle meine Kinder, Knaben und Mädchen, an meinem Halse hingen und vor Freude über die frohe Botschaft aufschrieen! – Empfehlen Sie den Helden seinem Gebieter; er hat ganz Italien mit Bewunderung gegen die Engländer erfüllt. Zwar schöpfte man aus einigen Vortheilen, welche durch seine Tapferkeit gewonnen wurden, große Hoffnungen, aber an eine solche Vernichtung dachte keine Seele. Alles ist hier trunken vor Freude.«

Wenn die Stimmung der königlichen Familie dieser Art war, so kann man sich leicht denken, mit welchem Entzücken und welchen Ehrenbezeigungen Nelson empfangen wurde. In der Frühe des 22. September erschien der arme Schelm Vanguard, wie er sein zertrümmertes Schiff nannte, im Angesichte Neapels. Der Culloden und Alexander waren ihm einige Tage vorausgesegelt und hatten von seiner Ankunft Nachricht gegeben. Viele hundert Boote und Barken waren bereit, auszulaufen und ihm mit Musik und flatternden Wimpeln und allen Zeichen der Freude und des Triumphes entgegenzuziehen. Sir William und Lady Hamilton sezten sich in ihrer Staatsbarke an die Spitze des Zugs. Sie hatten Nelson vor vier Jahren nur wenige Tage gesehen, aber damals schon den Heldengeist in ihm erkannt, der jezt der Welt in seinem vollen Glanze offenbar wurde. Lady Emma Hamilton, welche von dieser Zeit an einen so großen Einfluß auf sein künftiges Leben ausübte, war eine Dame von eben so seltenen und bezaubernden körperlichen Reizen, als geistigen Vorzügen. Sie hing leidenschaftlich an der Königin, und durch ihren Einfluß hatte die brittische Flotte jene Unterstützung von Syrakus erhalten, ohne welche, wie Nelson stets versicherte, die Schlacht von Abukir nicht hätte geschlagen werden können. Während der langen Zeit, welche verfloß, ehe eine Nachricht von der Flotte einlief, war ihre Spannung kaum kleiner gewesen, als die Nelson's selbst, als er einen Feind verfolgte, über welchen er nichts erfahren konnte; und als die erste Kunde ihr von einem hastigen Freudenboten überbracht wurde, so war die Wirkung derselben so groß, daß sie betäubt zu Boden sank. Sie und Sir William waren vor Furcht und Hoffnung, und dann wieder vor Freude über ein Ereigniß, das so weit Alles übertraf, was sie zu erwarten gewagt hatten, im eigentlichen Sinne krank geworden. Ihre Bewunderung für den Helden erzeugte bei ihrer natürlichen Weise einen eben so hohen Grad von Dankbarkeit und Liebe, und als ihre Barke an der Seite des Vanguard angekommen war, sprang Lady Hamilton beim Anblicke Nelson's auf dessen Schiff und sank unter dem Ausrufe: »O Gott! ist es möglich!« in seine Arme – mehr todt, als lebendig, wie er selbst sich äußerte. Er beschrieb dieses Zusammentreffen als »fürchterlich ergreifend.« Kaum hatten die Freunde ihre Freudenthränen getrocknet, als der König, welcher Nelson in seiner Barke drei Stunden weit entgegengefahren war, an Bord kam und ihn bei der Hand ergriff, indem er ihn seinen Befreier und Beschützer nannte. Von allen Booten rings umher wurde er mit denselben Namen begrüßt; die Menge, welche ihn bei seiner Landung umringte, wiederholte die nämlichen enthusiastischen Ausrufe, und die Lazzaronis gaben ihm ihr Entzücken dadurch zu erkennen, daß sie Vögel in Käfigen in die Höhe hielten, und ihnen, als er vorbei ging, die Freiheit schenkten.

Sein Geburtstag, welcher eine Woche nach seiner Ankunft eintrat, wurde durch eines der glänzendsten Feste gefeiert, welche je in Neapel gesehen wurden. Aber trotz dem Glanze, der ihn umgab, und den schmeichelnden Ehrenbezeigungen, womit alle Stände ihm huldigten, hatte Nelson doch ein lebhaftes Gefühl von der Entartung und Schwäche derer, welche ihm solche Ehren erwiesen. »Welch kostbare Augenblicke,« sagte er, »verlieren die Höfe! Drei Monate würden Italien befreien; aber dieser Hof ist so entartet, daß der günstige Augenblick verloren gehen wird. Ich befinde mich sehr unwohl, und dieses erbärmliche Benehmen ist nicht geeignet, meine reizbare Stimmung zu beruhigen. Es ist ein Land von Fiedlern, Poeten und Schurken.« Dieses lebhafte Bewußtseyn ihrer verderblichen Schwäche behielt er stets, auch war er nie blind gegen die im neapolitanischen Ministerium sich begegnende Thorheit und Verrätherei, noch gegen die Masse von Ungerechtigkeiten, unter welchen das Land seufzte; aber allmählig bekam er unter dem Einflusse der Lady Hamilton eine Theilnahme für den Hof, dessen schlechter Regierung der bejammernswerthe Zustand des Landes in so hohem Grade zuzuschreiben war. Der Stand der Dinge in Neapel kann mit wenigen Worten dargestellt werden. Ferdinand war, gleich den übrigen seines Geschlechts, ein leidenschaftlicher Liebhaber der Jagd und ähnlicher Vergnügungen; um andere Dinge bekümmerte er sich nichts. Hatte seine Gemahlin nur ihre Unterhaltungen und der König seine Vergnügungen, so fragten sie nicht darnach, auf welche Weise die Einkünfte erhoben und verwaltet wurden. Daher bildete sich an diesem Hofe ein vollständiges System des Favoritismus, und in jedem Theile des Staats, in jedem Zweige der Verwaltung, vom höchsten bis zum niedersten, war die schmutzigste und schamloseste Bestechung an der Tagesordnung. Nur das Christenthum und die Nachbarschaft besser geordneter Staaten verhindern, daß Königreiche unter solchen Umständen nicht in muselmännische Barbarei versinken.

Durch Literatur und Verbindung mit glücklicheren Ländern wurde der Sinn für etwas Besseres in einem kleinen Theile der Neapolitaner lebendig erhalten. Diese richteten vom Anfange der Revolution ihre Augen natürlich auf Frankreich, und während all der Schrecken dieser Periode hegten sie noch immer die Hoffnung, daß sie durch Frankreichs Hülfe in den Stand gesezt werden könnten, eine neue Ordnung der Dinge in Neapel einzuführen. Sie täuschten sich schwer in der Meinung, daß die Grundsätze der Freiheit je von Frankreich unterstüzt werden würden; aber in der Ansicht täuschten sie sich nicht, daß keine Regierung schlechter seyn könne, als die ihrige, und daher galt in ihren Augen jede Veränderung für wünschenswerth. Hierin stimmten Leute von den verschiedensten Charakteren überein. Viele vom Adel, welche nicht in Gunst standen, wünschten eine Revolution, um die Gewalt zu erlangen, zu deren Ausübung sie sich berechtigt glaubten; Leute von verzweifelten Vermögensumständen begehrten das Nämliche, in der Hoffnung, sich zu bereichern; Schurken und Intriguanten verkauften sich an Frankreich, um die Sache zu befördern; und eine kleine Anzahl aufgeklärter und wahrhaft vaterlandsliebender Männer vereinigten sich aus den reinsten und edelsten Beweggründen mit eben diesen Wünschen. Alle diese wurden unter dem gemeinschaftlichen Namen der Jakobiner zusammengeworfen, und auf die Jakobiner des Festlandes warfen die Engländer den größten Haß. Sie wurden mit Philipp Egalité, Marat und Hebert in eine Klasse gesezt, während sie eher verdient hätten, wenn nicht mit Locke, Sidney und Russel, doch wenigstens mit Argyle, Monmouth und denen verglichen zu werden, welche den nämlichen Zweck, wie die ersten Urheber unserer Revolution, vor Augen hatten, aber mit ihrem unreifen Versuche verunglückten.

Keine Umstände konnten für die wichtigsten Interessen Europa's ungünstiger seyn, als diejenigen, welche England in enge Verbindung mit den Regierungen des Festlandes brachten. Die nach Freiheit sich sehnenden Unterthanen der lezteren wurden auf diese Weise Feinde Englands und mißbrauchte Werke Frankreichs. Ihr Blick haftete an ihren eigenen Beschwerden, so daß sie die Gefahr nicht sahen, womit die Vorrechte der Menschheit bedroht waren; England dagegen erkannte wohl die ganze Größe dieser Gefahr, war aber blind gegen jene Beschwerden, und fand sich zur Unterstützung von Systemen bewogen, welche vorher eben so sehr der Gegenstand seines Abscheus, als seiner Verachtung gewesen waren.

Auf diesem Standpunkte befand sich auch Nelson; er sah ein, daß es keinen Frieden für Europa geben könne, ehe der Stolz Frankreichs gedemüthigt und seine Kraft gebrochen sey, und daher betrachtete er alle Freunde Frankreichs als Verräther an der allgemeinen Sache sowohl, als an ihren einzelnen Souveränen. Es gibt Lagen, in welchen die entgegengeseztesten und feindlichsten Parteien gleich gut gesinnt seyn, und doch gleich verkehrt handeln können. Ohne daran zu denken, daß er durch die Fortsetzung des bisherigen Systems ein Verbrechen begehe, glaubte der Hof von Neapel durch die Erhaltung des alten Zustandes der Dinge auch seine alten Rechte sich erhalten, und das Volk vor Greueln, wie sie in Frankreich stattgefunden hatten, bewahren zu können. Die neapolitanischen Revolutionärs dagegen dachten, ohne eine völlige Veränderung des Systems sey keine Befreiung von den vorhandenen Uebeln zu hoffen, und hielten sich daher für berechtigt, diese Veränderung durch jedes Mittel zu Stande zu bringen. Beide Parteien wußten wohl, daß es die entschiedene Absicht Frankreichs sey, Neapel revolutionär zu machen. Die Freunde der Revolution aber meinten, es solle dieß geschehen, um eine freie Regierung einzuführen, während der Hof und alle Unparteiischen deutlich einsahen, daß der Feind keine andere Absicht, als die der Eroberung und Plünderung habe.

Die Nilschlacht erschütterte die Macht Frankreichs. Sein glücklichster General und sein schönstes Heer waren – wie es schien, ohne Hoffnung auf Rückkehr – in Aegypten abgeschnitten, und die Regierung befand sich in den Händen von Männern ohne Talent und Charakter, welche dazu noch unter sich selbst uneinig waren. Oesterreich, das Bonaparte zu einer Zeit, wo Standhaftigkeit von Seiten des ersteren wahrscheinlich den Untergang des lezteren herbeigeführt hätte, in einen Frieden hineingeschreckt hatte, benüzte die Krisis zur Erneuerung des Kriegs. Auch Rußland rüstete sich, mit ungeschwächter Kraft in's Feld zu rücken, mit einem Generale an der Spitze seiner Truppen, dessen außerordentliches militärisches Genie ihm eine ausgezeichnete Stelle in der Geschichte gesichert hätte, wenn es nicht durch die ganze Rohheit eines Barbaren besudelt worden wäre. Neapel, das seinen Untergang vor der Thüre sah, und, der Gefahr entgegen zu gehen, für das einzige Mittel, sie abzuwenden, hielt, beschloß endlich nach langem Schwanken, das die Besorgnisse, die Schwäche und Verrätherei seines Rathes zur Ursache hatte, mit 80,000 Mann sich an den neuen Bund anzuschließen. Nelson sagte dem Könige offen, daß er nur die Wahl habe, entweder auf Gott und seine gerechte Sache vertrauend vorzurücken, und sich bereit zu halten, mit dem Schwerte in der Hand zu sterben, oder ruhig in seinem Königreiche zu bleiben und dann aus demselben vertrieben zu werden; eines von beiden müsse geschehen. Der König antwortete, er werde im Vertrauen auf Gott und Nelson vorrücken, und dieser, welcher sonst nach Aegypten zurückgekehrt wäre, um die französischen Schiffe in Alexandrien zu zerstören, gab seine Absicht, auf den Wunsch des neapolitanischen Hofes hin, auf und entschloß sich, auf dieser Station zu bleiben, in der Hoffnung, die Bewegungen des Heeres unterstützen zu können. Auch vermuthete er mit Recht, daß das Verweilen seiner Flotte nicht minder deswegen so dringend nachgesucht würde, weil die königliche Familie für den Fall eines Unglücks ihre Personen unter der brittischen Flagge für gesicherter hielte, als unter ihrer eigenen.

Sein erster Plan war die Wiedereroberung Malta's, auf welche Insel der König von Neapel Ansprüche zu haben vorgab. Die Malteser, von den schändlichen Rittern ihres Namens an Frankreich verrathen, waren mit einer des höchsten Lobes würdigen Begeisterung und Einmüthigkeit aufgestanden, um mit den Waffen in der Hand die räuberischen Eindringlinge zurückzutreiben. Sie blokirten die französische Garnison zu Lande, und ein kleines Geschwader unter Kapitän Ball begann sie am 12. Oktober auch zur See einzuschließen. Zwölf Tage nachher kam Nelson an, und die kleine zu Malta gehörige Insel Gozzo, welche von den Franzosen ebenfalls besezt und mit einer Garnison versehen worden war, kapitulirte bald nach seiner Ankunft und wurde von den Britten im Namen seiner sicilischen Majestät in Besitz genommen, – einer Macht, welche freilich keinen gegründeteren Anspruch darauf hatte, als Frankreich. Nachdem Nelson dieß bewirkt und Kapitän Ball verstärkt hatte, so überließ er diesem tüchtigen Offizier das Uebrige und kehrte zurück, um die beabsichtigten Bewegungen der Neapolitaner zu unterstützen.

An der Spitze der neapolitanischen Truppen stand General Mack. Alles, was an diesem Manne jezt noch Zweifel erregt, ist das, ob er eine Memme oder ein Verräther war; damals aber wurde er für einen ausgezeichneten General ausgeschrieen, von welchem Europa seine Befreiung erwarten könne; und als er von dem Könige und der Königin bei dem brittischen Admirale eingeführt wurde, so sagte die leztere zu ihm: »Seyen Sie uns zu Land, General, was mein Held Nelson zur See gewesen ist!« Seinerseits ermangelte Mack nicht, die Truppen zu loben, deren Kommando ihm anvertraut worden war. »Es sey,« sagte er, »das schönste Heer in Europa.« Auch stimmte Nelson darin mit ihm überein, daß es keine schöneren Leute geben könne; aber als der General einst bei einer Revue die Operationen eines Scheingefechts so leitete, daß durch einen unseligen Verstoß statt der feindlichen Truppen seine eigenen umringt wurden, so wandte sich Nelson zu seinen Freunden und rief voll Bitterkeit, der Bursche verstehe sein Geschäft nicht. Ein anderer nicht minder charakteristischer Umstand befestigte Nelson in diesem Urtheile. »General Mack,« so schrieb er in einem seiner Briefe, »kann ohne fünf Wägen nicht von der Stelle! Ich glaube ihn jezt zu kennen. Möchte ich mich doch in meiner Ansicht täuschen!«

Während Mack an der Spitze von 32,000 Mann in das römische Gebiet marschirte, wurden 5000 Neapolitaner bei dem brittischen und portugiesischen Geschwader eingeschifft, um von Livorno Besitz zu nehmen. Dieß wurde ohne Widerstand ausgeführt, und der Großherzog von Toskana, dessen Neutralität von den Franzosen so gewaltsam verlezt worden war, sah diese Maßregel mit größerer Befriedigung, als ein Theil der Neapolitaner selbst. Der General der lezteren, Naselli, weigerte sich, der französischen Schiffe in Livorno sich zu bemächtigen, weil er und der Herzog di Sangro, Gesandter am toskanischen Hofe, behaupteten, der König von Neapel habe keinen Krieg mit Frankreich. »Was!« rief Nelson, »hat nicht der König die auf Gozzo eroberte republikanische Fahne als seine Beute angenommen? Flattert nicht seine Fahne dort und auf Malta, nicht blos auf seine Erlaubniß, sondern auf seinen Befehl? Schießen die Franzosen nicht täglich nach derselben, und werden ihre Schüsse nicht von Batterien erwiedert, über welchen sie weht? Sind nicht zwei Fregatten und eine Korvette unter meinen Befehl gestellt, um gegen die Franzosen zu fechten, und überall, wo es auch seyn mag, ihnen die Stirne zu bieten? Hat nicht der König öffentlich von Neapel aus Gewehre, Mörser u. s. w. nebst Offizieren und Artillerie gegen die Franzosen auf Malta abgeschickt? Wenn diese Thatsachen nicht eben so viel gelten, als ein beschriebenes Papier, so weiß ich nicht mehr, was Krieg ist.«

Diese Gründe waren jedoch von geringerem Erfolge, als eine auf die Furchtsamkeit des Generals berechnete Beweisführung. Nelson sagte ihm nämlich, wenn er die vielen hundert Franzosen, welche damals auf dem Damme sich befanden, ruhig zurückbleiben lasse, bis sie eine gute Gelegenheit fänden, in Thätigkeit zu treten, so werde ihnen, wenn auch alle andere Entwürfe fehlschlügen, ein sicheres Mittel zu Gebote stehen, nämlich ein Schiff in Feuer zu setzen; der Damm und wahrscheinlich auch die Stadt würde dann zerstört und der Hafen auf zwanzig Jahre hinaus zu Grunde gerichtet werden. Diese Vorstellung bewog Naselli zu der halben Maßregel, die Schiffe mit einem Embargo zu belegen. Unter diesen befanden sich viele französische Kaper, von denen einige von solcher Größe waren, daß sie unsern Handel mit dem empfindlichsten Schaden bedrohten, und gegen 70 der ligurischen Republik, wie Genua jezt genannt wurde, zugehörige Schiffe, welche mit Getreide befrachtet waren, und bereit lagen, nach Genua und Frankreich zu segeln, wo ihre Ankunft das Eindringen von weiteren französischen Truppen in Italien begünstigt hätte. »Der General,« sagte Nelson, »sah, glaube ich, eben so gut als ich ein, was daraus entstände, wenn er diese Schiffe absegeln ließe; aber der Unterschied zwischen uns ist der: Er wartet schlau und vorsichtig stets die Befehle seines Hofes ab, und nimmt keine Verantwortlichkeit auf sich; ich aber handle nach den Bedürfnissen des Augenblicks, wie ich glaube, daß es für die Sache, welcher ich diene, am vortheilhaftesten seyn werde, und nehme alle Verantwortlichkeit auf mich.« Es war vergeblich, von solchen Leuten, wie die waren, mit welchen Nelson es zu thun hatte, etwas Kräftiges und Männliches zu erwarten. Die Mannschaften der französischen Schiffe und der ihnen befreundeten Fahrzeuge erhielten den Befehl, innerhalb zwei Tagen abzuziehen. Vier Tage verflossen, und Niemand gehorchte; auch wurden, trotz den Vorstellungen des brittischen Gesandten, Mr. Wyndham, keine Zwangsmaßregeln ergriffen; – die ächte neapolitanische Ränkemacherei, wie Nelson es nannte, zeigte sich bei allen Gelegenheiten. Nach einer zehntägigen Abwesenheit kehrte der leztere nach Neapel zurück, und als er hier von Mr. Wyndham vernahm, daß die Kaper endlich entwaffnet, das Getreide ausgeschifft und die Mannschaften weggeschickt worden seyen, so drückte er seine Zufriedenheit damit in seiner eigenthümlichen Weise aus, indem er sagte: »Insoweit bin ich zufrieden. Der Feind wird in Noth kommen, und ich werde, Gott sey Dank, kein Geld erhalten. Ich weiß wohl, die Welt meint, das Geld sey unser Gott; jezt aber muß sie, was uns anbelangt, enttäuscht seyn. Nieder, nieder mit Frankreich! das ist mein beständiges Gebet.«

Oden, Sonnette und Gratulationsgedichte aller Art ergossen sich bei seiner Ankunft in Neapel über Nelson. Ein irischer Franziskaner, welcher einer der Poeten war, begnügte sich nicht mit einem Panegyrikus, sondern wagte es sogar, zu einer Weissagung sich aufzuschwingen, indem er prophezeite, Lord Nelson werde Rom mit seinen Schiffen nehmen. Vergeblich erinnerte Seine Lordschaft den Pater M'Cormick, daß die Tiber von seinen Schiffen nicht befahren werden könne; der Pater, welcher an diesen Umstand wahrscheinlich nicht gedacht hatte, antwortete mit kecker Stirne, er wisse, daß, was er geweissagt, dennoch geschehen werde. Erholungen dieser Art waren jedoch von kurzer Dauer. Der König von Neapel befand sich bei dem Heere, welches in Rom eingerückt war; aber das Kastell St. Angelo wurde von den Franzosen noch gehalten, und 13,000 Mann dieser Nation hatten in Castallana, auf römischem Gebiete, eine feste Stellung eingenommen. Mack war mit 20,000 Mann gegen sie marschirt. Nelson sah wohl, daß der Erfolg sehr zweifelhaft war, oder vielmehr, daß man nur sehr geringe Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang haben könne. Allein das Schicksal Neapels hing, wie er eben so gut einsah, unmittelbar von dem Ausgange dieser Expedition ab. »Wird Mack geschlagen,« sagte er, »so ist dieses Land in vierzehn Tagen verloren; denn der Kaiser hat sein Heer noch nicht in Bewegung gesezt, und Neapel ist nicht stark genug, dem Feinde widerstehen zu können. Es war keine Sache der Wahl, sondern der Nothwendigkeit, daß der König aus seinem Königreiche marschirte, und nicht wartete, bis die Franzosen eine hinreichende Truppenmacht gesammelt gehabt hätten, um ihn in einer Woche daraus zu vertreiben.« Er hatte kein Vertrauen zu den neapolitanischen Offizieren, welche sich nach seiner Beschreibung vor einem gezogenen Säbel oder einer geladenen Flinte fürchteten, und er sah die Folgen deutlich voraus, welche die trägen Bewegungen und die Politik der Oesterreicher über sich selbst und alle ihre Verbündete des Festlandes bringen mußten. »Die Verzögerung des Kriegs von Seiten des Kaisers,« schrieb er in einem Briefe an den brittischen Gesandten zu Wien, »wird dieser Monarchie Neapel und darum auch den neu erworbenen kaiserlichen Besitzungen in Italien verderblich seyn. Hätte man den Krieg im September oder Oktober begonnen, so wäre in diesem Augenblicke ganz Italien frei. Dieser Monat ist schon weit ungünstiger, als der vorige, der nächste wird den Kampf zweifelhaft machen, und in sechs Monaten, wenn die neapolitanische Republik organisirt, bewaffnet worden, und mit ihren zahlreichen Hülfsmitteln hervortreten wird, muß der Kaiser nicht blos in Italien geschlagen werden, sondern wird sogar auf seinem Throne zu Wien wanken. Nieder, nieder mit Frankreich! Dieß sollte im Rathszimmer jedes Landes der ganzen Welt geschrieben stehen, und gebe der allmächtige Gott jedem Souverän richtige Gedanken, das ist mein beständiges Gebet.« Seine klare Voraussicht der unmittelbar folgenden Ereignisse zeigte sich deutlich in diesem Briefe, wo er den Gesandten bat, die Kaiserin (welche eine neapolitanische Prinzessin war) zu versichern, daß er trotz den Beschlüssen, welche den Thron ihrer Eltern unterwühlten, dennoch hier bleiben werde, stets bereit, ihre Personen, so wie auch die Brüder und Schwestern der Kaiserin zu retten, und daß er auch zu Livorno Schiffe gelassen habe, um das Leben des Großherzogs und ihrer Schwester sicher zu stellen. »Denn handelt der Kaiser nicht schnell und kräftig,« fügte er bei, »so muß Alles eine Republik werden.«

Seine Besorgnisse gingen bald in Erfüllung. »Die neapolitatanischen Offiziere,« äußerte Nelson, »verloren nicht viel Ehre, denn, Gott weiß es, sie hatten nicht viel zu verlieren; aber sie verloren Alles, was sie hatten.« General St. Philipp befehligte den 19,000 Mann starken rechten Flügel. Er stieß mit einem feindlichen Korps von 3000 Mann zusammen, und, sobald er diesem nahe genug war, desertirte er zu ihm. Einer seiner Leute war brav genug, eine Muskete auf ihn abzudrücken, und schoß ihn durch den Arm; allein die Wunde war nicht so schwer, daß sie ihn abhielt, gemeinschaftlich mit den Franzosen seine eigenen Landsleute zu verfolgen. Kanonen, Zelte, Bagage und Munitionswägen wurden sämmtlich von den feigen Flüchtlingen verlassen, obgleich sie nur 40 Mann verloren. Denn nachdem die Franzosen sie in die Flucht gejagt und sich ihrer ganzen Habe bemächtigt hatten, verfolgten sie eine Armee nicht, welche ihnen an Zahl mehr als dreifach überlegen war. Nicht besser hielt sich das unter Mack stehende Hauptkorps der Neapolitaner. Der König kehrte nach Neapel zurück, wo jeder Tag die Nachricht von einem neuen Unfalle der Armee und die Entdeckung einer neuen Verrätherei im Herzen des Staats mit sich brachte, bis ihm vier Tage nach seiner Rückkehr der Obergeneral meldete, daß keine Aussicht vorhanden sey, das Vordringen des Feindes hemmen zu können, und daß die königliche Familie für ihre persönliche Sicherheit sorgen möge.

Die öffentliche Stimmung in Neapel war damals von der Art, daß weder der brittische Gesandte, noch der brittische Admiral es für gerathen hielten, am Hofe zu erscheinen. Man beobachtete sie scharf, und die Revolutionärs hatten sogar den Plan gemacht, sich ihrer zu bemächtigen und sie als Geißeln zu behalten, um einem Angriffe auf die Stadt vorzubeugen, wenn die Franzosen von ihr Besitz genommen hätten. Ein Brief, welchen Nelson um diese Zeit an den ersten Lord der Admiralität richtete, zeigt, von welchem Standpunkte aus er den möglichen Ausgang des Sturmes betrachtete. »Mein theurer Lord,« schrieb er, »wenn die Noth am größten, ist die Hülf' am nächsten – dieß ist ein altes Sprüchwort; nun kann man sich aber nicht wohl einen unglücklicheren Zustand der Dinge vorstellen, als wie er hier Statt findet. Aber, Gott sey Dank, mit meiner Gesundheit geht es besser, mein Geist war nie heller, und mein Herz ist in der rechten Stimmung, derjenigen mit Rath und That mich anzunehmen, welchen Beistand zu leisten meine Pflicht ist. Ich bitte Sie, mein Lord, unserem gnädigen Souverän die Versicherung zu geben, daß ich, so lange ich lebe, seinem Ruhme dienen werde, und daß, wenn ich falle, es auf eine Weise geschehen soll, wie es Eurer Lordschaft treuem, ergebenem Nelson geziemt. Mehr schreibe ich nicht. Jedes Wort kann einen Text für einen langen Brief abgeben.«

Mittlerweile bereitete Lady Hamilton Alles zur Abreise der königlichen Familie vor, was von ihr mit der größten Gewandtheit, und, ohne Verdacht zu erregen, geschah, da sie schon vorher in beständigem Verkehre mit der Königin gestanden war. Man wußte, daß die Abreise nicht ohne Gefahr werde bewerkstelligt werden können; denn der Pöbel, und besonders die Lazzaroni, hingen sehr am Könige, und da sie um diese Zeit ein natürliches Vertrauen auf ihre Anzahl und Stärke in sich fühlten, so bestanden sie darauf, daß er Neapel nicht verlassen solle. Mehrere Personen fielen als Opfer ihrer Wuth, unter andern auch ein Bote aus Wien, dessen Leichnam unter den Fenstern des Pallastes vor den Augen des Königs vorüber geschleift wurde. Dieser und die Königin sprachen zwar zu dem Pöbel und suchten ihn zu beruhigen; aber während er noch in diesem Zustande der Aufregung sich befand, wäre es nicht möglich gewesen, die Effekten der Königin öffentlich einzuschiffen. Lady Hamilton, der Heldin eines modernen Romanes ähnlich, machte mit nicht geringer Gefahr einen unterirdischen Gang ausfindig, der vom Pallaste an's Meer führte; durch diesen Gang wurde der königliche Schatz nebst den auserlesensten Maler- und Bildhauerwerken und anderem Eigenthum, im Betrage von 2½ Millionen, an die Küste transportirt und glücklich an Bord der englischen Schiffe gebracht. In der Nacht des 21sten, um halb neun Uhr, landete Nelson, schiffte die ganze königliche Familie auf drei Booten ein und brachte sie durch eine sehr stürmische See sicher auf den Vanguard. Hierauf wurden sogleich die englischen Kaufleute benachrichtigt, daß sie auf ein Schiff des Geschwaders aufgenommen werden würden. Ihr Eigenthum hatte man schon vorher auf Frachtschiffen in Sicherheit gebracht. Zwei Tage blieb man im Meerbusen, um Personen, welche eine Zufluchtsstätte suchten, an Bord zu nehmen, und erst in der Nacht des 23sten segelte die Flotte ab. Am nächsten Tage erhob sich ein heftigerer Sturm, als Nelson bisher je einen erlebt hatte. Am 25sten wurde der jüngste Prinz krank und starb in Lady Hamilton's Armen. Während dieser ganzen Prüfungsperiode diente die letztgenannte Dame der königlichen Familie mit der größten Ergebenheit und Aufopferung, zu einer Zeit, wo mit Ausnahme eines einzigen Mannes keine zum Hofe gehörige Person ihnen zur Seite stand.

Am Morgen des 26sten landete die königliche Familie zu Palermo. Es zeigte sich bald, daß ihre Flucht nicht voreilig gewesen war. Fürst Pignatelli, der mit dem Befehle, das Königreich bis auf den lezten Felsen Calabriens zu vertheidigen, als Generalvikar und Vicekönig zurückgelassen worden war, sandte in das französische Lager vor Capua Bevollmächtigte, welche, um die Hauptstadt zu retten, einen Waffenstillstand unterzeichneten, vermöge dessen der größte Theil des Königreichs dem Feinde Preis gegeben wurde, eine Abtretung, welche nothwendig zum Verluste des Ganzen führte. Dieß geschah am 10. Januar. Die Franzosen rückten gegen Neapel vor. Unter dem Vorwande, Schutz gegen die Wuth der Lazzaroni zu suchen, floh Mack zu dem französischen Generale Championet, der ihn mit einer Bedeckung nach Mailand schickte; da aber Frankreich von diesem elenden Verräther noch weitere Dienste hoffte, so hielt man es für zweckmäßig, ihn scheinbar als Kriegsgefangenen zu behandeln. Die neapolitanische Armee verschwand in wenigen Tagen. Ein Theil der Soldaten desertirte, dem Beispiele ihrer Offiziere folgend, zu dem Feinde; die Mehrzahl aber ergriff die Gelegenheit, um sich zu zerstreuen.

Aber ihrem Vaterlande getreu bewiesen sich die Lazzaroni. Sie griffen die feindlichen Vorposten an, trieben sie zurück und ließen sich durch das furchtbare Blutbad, welches das Hauptkorps unter ihnen anrichtete, nicht entmuthigen. In die Stadt fliehend verteidigten sie diese fortwährend, sogar auch dann noch, als die Franzosen ihre Artillerie in den Hauptstraßen aufgepflanzt hatten. Wäre ein Mann da gewesen, welcher der Aufgabe, ihren Enthusiasmus zu leiten, gewachsen gewesen wäre, oder hätte ihre Begeisterung in den höheren Ständen Anklang gefunden, – Neapel hätte Europa ein glorreiches Beispiel geben und das Grab jedes Franzosen, der es zu betreten wagte, werden können. Allein die Fehler der Regierung hatten jeden andern Patriotismus außer dem eines Pöbels vertilgt, der keine andere Tugend besaß, als jene Art von Anhänglichkeit an das Fürstenhaus, welche der Treue eines Hundes gegen seinen Herrn zu vergleichen ist. Dieser Treue wirkten die Franzosen und ihre Verbündeten durch die Benützung einer andern Art von Ergebenheit entgegen. Die Priester versicherten nämlich, der heilige Januarius habe sich zu Gunsten der Revolution erklärt; das Wunder mit seinem Blute wurde mit dem gewöhnlichen Glücke, und mit mehr als dem gewöhnlichen Erfolge gerade an dem Abende verrichtet, wo nach zwei Tagen verzweifelten Kampfes die Franzosen von Neapel Besitz nahmen. Eine französische Ehrenwache wurde an der Kirche des Heiligen aufgestellt; Championet gab »Ehrfurcht vor dem heiligen Januarius« der Armee zur Parole, und am folgenden Tage wurde in der Kathedralkirche von dem Erzbischofe ein Te deum gesungen, nachdem man vorher die Einwohner eingeladen hatte, der Ceremonie beizuwohnen, und Gott für den glorreichen Einzug der Franzosen zu danken, welche, wie man sagte, unter dem besondern Schutze der Vorsehung stehend, gekommen seyen, um Neapel wiederzugebären und in einen glücklicheren Zustand der Dinge zu versetzen.

Nelson scheint der Ansicht gewesen zu seyn, daß das österreichische Kabinet die Eroberung Neapels mit Wohlgefallen betrachte, und seine Maßregeln absichtlich so getroffen habe, daß Frankreich von der Ueberwältigung desselben nicht abgehalten würde. Es ist übrigens unwahrscheinlich, daß solches um diese Zeit, auf den Erfolg der neuen Coalition rechnend, seine bisherigen italienischen Besitzungen um ein Bedeutendes vergrößern zu können gewähnt, und daher die wenigen, noch übrigen Kräfte Italiens habe aufreiben lassen, weil es vielleicht dadurch seine eigenen Absichten zu begünstigen glaubte. Der König von Sardinien, welchem die Erpressungen Frankreichs und die Beschimpfungen des französischen Kommissärs in die Länge unerträglich wurden, begab sich nach Livorno, schiffte sich an Bord einer dänischen Fregatte ein, und segelte unter brittischem Schutze nach Sardinien, demjenigen Theile seiner Staaten, welchen Englands Obergewalt zur See zu einem sicheren Zufluchtsorte machte. Bei seiner Ankunft publicirte er eine Protestation gegen das Benehmen Frankreichs, indem er auf Treue und Glauben eines Königs betheuerte, daß er die Verträge, welche er mit der französischen Republik geschlossen, auch nicht im Geringsten verlezt habe.

Toskana wurde von den französischen Truppen bald besezt, ein Schicksal, welches vielleicht auch eine kühnere Politik nicht hätte abwenden können, das aber furchtsame Neutralität unvermeidlich machte. Nelson begann sogar für Sizilien zu fürchten. »O mein theurer Sir!« schrieb er an Commodore Duckworth, »tausend englische Soldaten würden Messina retten, aber ich besorge, General Stuart kann mir sie nicht geben!« Allein seine Vorstellungen gingen bei Sir Charles Stuart nicht verloren; dieser General eilte sogleich von Minorka mit 1000 Mann herbei, unterstüzte die getroffenen Vertheidigungsmaßregeln und kehrte nicht eher zurück, als bis er sich überzeugt hatte, daß, wenn Neapel von der Handhabung der Geschäfte ausgeschlossen, und die Stimmung des Landvolks gehörig geleitet würde, Sizilien gerettet sey. Vor seiner Ankunft hatte Nelson, für den Fall, daß keine Hülfstruppen einträfen, dem Könige sich erboten, Messina mit der Mannschaft eines englischen Kriegsschiffes zu vertheidigen.

Rußland hatte jezt auch seinerseits den Krieg eröffnet. Korfu ergab sich einer russischen und einer türkischen Flotte, welche damals zum ersten Male in seltsamer Vereinigung zusammenwirkten, jedoch gegen eine Macht, die gewiß der gemeinsame und schlimmste Feind beider war. Trowbridge übergab die Belagerung Alexandriens Sir Sidney Smith, und vereinigte sich mit Nelson, indem er ihm eine bedeutende Verstärkung, und, was jenem noch mehr galt, in sich selbst einen Mann zuführte, auf dessen Scharfsinn, unermüdlichen Eifer und unerschöpfliche Hülfsquellen Nelson sein volles Vertrauen setzen konnte. Trowbridge wurde der Beginn der Operationen gegen die Franzosen im Meerbusen von Neapel anvertraut, während unterdessen Cardinal Ruffo, ein Mann von zweifelhaftem Charakter, aber von einer für solche Zeiten geeigneten Gemüthsart, in Calabrien gelandet war, und eine von ihm sogenannte christliche Armee auf die Beine brachte, welche aus den besten und schlechtesten Stoffen, aus treuen Landleuten, fanatischen Priestern und Mönchen, Galeerensclaven, dem Kerker Entsprungenen und Banditen bestand.

Die Inseln im Meerbusen von Neapel wurden von den Einwohnern, welche in Folge der bejammernswerthen Revolution bereits an Hungersnoth litten, mit Freuden an Trowbridge übergeben. Dieser vertheilte seinen ganzen Mehlvorrath unter sie, und Nelson lag dem sizilischen Hofe unaufhörlich um Geldzuschüsse an, indem er ihm erklärte, daß 100,000 Pfund, auf Vorräthe verwendet, jezt ein Königreich erkaufen könnten. Allein Geld, erhielt er zur Antwort, habe man keines abzugeben, und Weisheit und Sittenreinheit, welche den Mangel, desselben hätten ersetzen können, waren nirgends zu finden. »Ich schlage nichts vor,« schreibt er, »womit man nicht, so weit es mit Befehlen gethan ist, unbedingt übereinstimmte; aber die Ausführung ist etwas Entsetzliches und macht mich fast rasend. Mein Muth, Ihren Majestäten treu, wie es meine Pflicht ist, zu dienen, ist von der Art gewesen, daß ich beinahe blind und lahm bin, so daß ich es in meiner gegenwärtigen Lage nicht mehr lange aushalten kann.«

Ehe eine Regierung mit Beistimmung des Volks gestürzt werden kann, muß sie selbst unerträglich hart, oder das Volk durchaus verdorben seyn. So schlecht auch die Regierung in Neapel gewesen war, so waren doch die Folgen davon dort weit weniger fühlbar geworden, als in Sizilien, und das Landvolk besaß jene Anhänglichkeit an den vaterländischen Boden, welche so viele der edelsten und süßesten Gefühle erzeugt. Auf allen Inseln wurde es beinahe wahnsinnig vor Freude, wenn es die neapolitanischen Farben aufpflanzen sah. Auf Procida konnte Trowbridge nicht einmal einen Lappen von der dreifarbigen Fahne bekommen, um ihn dem Könige zu Füßen zu legen; sie war von den Einwohnern in zehn tausend Stücke zerrissen und völlig vernichtet worden. »Die schreckliche Behandlung der Franzosen,« äußerte er, »hatte sie wahnsinnig gemacht.« Dieselbe steigerte noch die Wildheit eines Charakters, welchen weder die Gesetze, noch die Religion, unter welcher sie lebten, zu mildern geeignet waren. Der Gegenstand ihres Hasses waren besonders die neapolitanischen Revolutionärs, und einer Verabredung gemäß wählte sich jeder Fischer sein Opfer, das er mit seinem Stilette in die andere Welt schicken sollte, wenn der Tag der Rache erscheinen würde. Der Kopf eines dieser Revolutionärs wurde eines Morgens Trowbridge nebst einem Korbe voll Trauben zum Frühstücke und einer Zuschrift des Italieners zugesandt, welcher, wie er sich ausdrückte, die Ehre hatte, jenes Geschenk ihm zu Füßen zu legen, indem er bemerkte, er habe den Mann gerade, wie er im Begriff gewesen sey, zu entfliehen, getödtet, und indem er Seine Excellenz bat, den Kopf als einen Beweis von des Schreibers Anhänglichkeit an die Krone anzunehmen. Sobald die Wagschale des Hofes zu sinken anfing, begann das Werk der Bestrafung. Der Richter auf Ischia erklärte, man bedürfe eines Bischofs, der die verrätherischen Priester ihrer Würde entsetze, ehe er die Strafe an ihnen vollziehen könne, worauf Trowbridge ihm rieth, sie zuerst zu hängen und dann jenem zuzuschicken, wenn er die Entsetzung derselben nicht für hinreichend halte. Dieser Rath wurde mit der Derbheit eines Seemanns gegeben, der sich eben so wenig um das kanonische Gesetz bekümmerte, als er es kannte; aber als er merkte, daß der Richter beordert war, die Sache auf summarische Weise unter seiner Sanction abzumachen, so erklärte er ihm geradezu, das könne nicht seyn, da die Gefangenen keine brittischen Unterthanen wären, und wollte nichts mehr mit der Sache zu schaffen haben. Es befanden sich augenscheinlich Personen am Hofe, welche zwar nach Rache dürsteten, aber auf Mittel sannen, das Gehässige derselben auf die Engländer zu wälzen Sie wollten ein englisches Kriegsschiff dazu gebrauchen, um die Priester zu ihrer Entsetzung nach Palermo zu schaffen und von da zur Exekution wieder zurückzubringen; auch erbaten sie sich von Trowbridge einen Henker, was er mit Unwillen zurückwies. Die Lage, in welcher sich dieser Offizier damals befand, brach ihm beinahe das Herz. Auf das Versprechen der Königin vertrauend, hatte er den Insulanern Unterstützung zugesagt. Er hatte alle seine Privatvorräthe ausgetheilt, – in Palermo und dessen Umgebung war Ueberfluß an Getreide, und doch wurde ihm keines geschickt, der Feind fand auf den Inseln mehr Freunde, als der König, und der Brodmangel, von dem er Zeuge seyn mußte, war nach seiner Aeußerung so groß, daß er sogar einen Franzosen zum Mitleid bewegt haben würde.

In keiner angenehmeren Stimmung über die öffentlichen Angelegenheiten befand sich Nelson. »Die Politik,« schrieb er, »ist mir gegenwärtig abscheulich. Der Bruder des Kaisers ist jezt im Begriffe, mit Rußland sich zu vermählen, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß sich für ihn in Italien ein Königreich finden, und der König von Neapel dabei als Opfer fallen wird.« Hätte ein edler und männlicher Geist in den italienischen Staaten geweht, oder wäre das Benehmen Oesterreichs anders gewesen, so hätte sich keine günstigere Gelegenheit zur Wiederherstellung der Ordnung und des Friedens in Europa denken lassen, als die Mißgriffe des französischen Direktoriums damals darboten. Allein Nelson sah, wohin er blickte, nichts als Eigennutz und Schurkerei, und sogar die Freude, eine Sache, an welcher er so eifrig mitarbeitete, gelingen zu sehen, wurde ihm durch das Bewußtseyn von der Schlechtigkeit derer verbittert, mit denen er es dabei zu thun hatte. So standen die Dinge, als die Nachricht ankam, daß die französische Flotte, unter dem Schutze eines Nebels von Brest entwischt, von Lord Keith's Geschwader ungesehen Cadix passirt habe und in das mittelländische Meer eingelaufen sey. Es hieß, sie bestehe aus 24 Linienschiffen, 6 Fregatten und 3 Schaluppen. Die Absicht der Franzosen war, die spanische Flotte zu befreien, sie mit sich zu vereinigen, sodann gegen Minorka und Sizilien zu agiren und Englands Seemacht aus dem mittelländischen Meere durch allmählige Vernichtung der einzelnen Geschwader zu überwältigen. Als sie vor Carthagena ankamen, forderten jene die spanischen Schiffe auf, die Anker zu lichten und sich mit ihnen zu vereinigen; allein die Spanier antworteten, es fehle ihnen an Leuten, sie zu bemannen. Auf dieses wurde erwiedert, die Franzosen hätten hiezu Leute genug an Bord. Aber die Spanier scheinen sich gefürchtet zu haben, ihre Schiffe so ganz in die Gewalt solcher Verbündeten zu geben, und ertheilten wieder eine abschlägige Antwort. Die Cadixer Flotte dagegen, welche aus 17 bis 20 Linienschiffen bestand, lief unter Masarredo aus, einem Manne, welcher damals einen ehrenhaften Namen hatte, nachher aber durch Verrath an seinem Vaterlande ihn mit Schande belud. An der Küste von Oran überfiel sie ein heftiger Sturm, welcher viele ihrer Schiffe entmastete und sie dadurch unfähig machte, die beschlossene Vereinigung und einen so gut ausgedachten Operationsplan auszuführen.

Ehe dieses geschah, und während die Vereinigung eben so wahrscheinlich war, als sie furchtbar gewesen wäre, befand sich Nelson im peinlichsten Zustande. »In welcher Lage bin ich?« schrieb er an den Grafen St. Vincent. »Gehe ich, so setze ich Sizilien auf's Spiel, ja, aller Wahrscheinlichkeit nach, verliere ich es; denn wir wissen ja aus Erfahrung, daß mehr von der Meinung, als von Thatsachen selbst abhängt; bleibe ich aber, so bricht mein Herz.« Sein erstes Geschäft war, an Trowbridge den Befehl ergehen zu lassen, mit allen unter seinem Kommando befindlichen Linienschiffen, so wie mit einer Fregatte, wenn es ihm möglich sey, zu ihm zu stoßen. Als er hierauf hörte, daß die Franzosen in das mittelländische Meer eingelaufen seyen, und sie bei Palermo erwartete, wo er nur sein eigenes Schiff liegen hatte, so bereitete er sich mit diesem allein zu allem möglichen Widerstande vor. Nachdem Trowbridge sich mit ihm vereinigt hatte, so übergab er Kapitän E. I. Foote, den Befehlshaber »des Seepferdes,« das Kommando der kleineren Fahrzeuge im Meerbusen von Neapel und segelte mit 6 Schiffen ab, wovon eines ein portugiesisches nebst einer portugiesischen Korvette war, indem er gegen den Grafen St. Vincent äußerte, daß das Geschwader nie dem Feinde in die Hände fallen solle. »Und ehe wir unterliegen,« erklärte er, »werden ihnen, daran zweifle ich nicht, die Flügel so beschnitten seyn, daß sie leicht von unseren Brüdern eingeholt werden können.« Nelson hatte um diese Zeit den von Kapitän Hallowell zum Geschenke erhaltenen Sarg in seiner Kajüte aufstellen lassen. Dieß erregte natürlich bei seinen Leuten große Verwunderung, und einer seiner alten Seeleute auf dem Agamemnon sagte: »Wahrhaftig, wir werden einen harten Stand bekommen! Ihr seht, der Admiral will kämpfen, bis er getödtet wird, und in diesem da soll er begraben werden.« Der Sarg, der aufrecht gegen den Bretterverschlag seiner Kajüte hinter den Stuhl, auf dem er beim Mittagessen saß, stand, paßte damals zu seinem Gemüthszustande. Man sagt, er habe sich in dem Stiefsohne, welchen er früher so innig geliebt, und der ihm bei Teneriffa das Leben gerettet hatte, betrogen, und gewiß ist, daß sich in ihm jezt eine übermäßige Zuneigung zu Lady Hamilton gebildet hatte, welche seiner Gattin seine Liebe völlig entzog. Daß diese unglückliche Zuneigung weiter ging, dieß hat man keinen Grund zu glauben; aber jenes war schon schlimm genug und schloß die verdiente Strafe in sich. Nelson war mit sich selbst unzufrieden und daher des Lebens überdrüssig. Diese Stimmung äußerte er jezt häufig. »Es gibt kein wahres Glück in diesem Leben,« sagte er, »und in meinem gegenwärtigen Zustande könnte ich es lächelnd verlassen.« Und in einem Briefe an seinen alten Freund Davison schrieb er: »Glaube mir, mein einziger Wunsch ist, mit Ehren in's Grab zu sinken, und wenn das Gott gefallen sollte, so werde ich den Tod lächelnd empfangen; nicht, als ob ich unempfindlich gegen die Ehrenbezeigungen und Reichthümer wäre, womit mein König und mein Vaterland mich überhäuft haben, und zwar in so viel höherem Maße, als irgend ein Offizier verdienen kann; aber ich bin bereit, diese unruhvolle Welt zu verlassen, und beneide nur die, welche nicht mehr Raum, als sechs Fuß Länge und zwei Fuß Breite, nöthig haben.«

Gut wäre es für Nelson gewesen, wenn er dieser unglücklichen Neigung kein anderes Opfer gebracht hätte, als den Frieden seiner Seele; aber sie war es, welche den ersten Flecken auf seinen öffentlichen Charakter brachte. Während er nämlich von Palermo absegelte, in der Absicht, alle seine Kräfte zu vereinigen und vor Maretimo die offene See zu halten, entweder um daselbst Verstärkungen an sich zu ziehen, wenn die Franzosen ihre Richtung aufwärts nähmen, oder um nach Minorka zu eilen, wenn ihre Bestimmung dorthin ginge, – wurde Kapitän Foote auf dem Seepferd mit den neapolitanischen Fregatten und andern kleineren Fahrzeugen zurückgelassen, um mit einem aus wenigen regulären Truppen von vier verschiedenen Nationen bestehenden Landheere und dem bewaffneten Mischmasch, welchen Kardinal Ruffo die christliche Armee zu nennen beliebte, gemeinschaftlich zu operiren. Er hatte den Befehl, so viel als möglich in Uebereinstimmung mit den Royalisten zu agiren, an deren Spitze Ruffo stand. Weitere Instruktionen hatte er nicht. Ruffo, ohne allen Plan vorrückend, aber auf des Feindes Schwäche sich verlassend, welche denselben verhinderte, die Offensive zu ergreifen, und bereit, irgend einen günstigen Zufall zu benützen, näherte sich Neapel. Das Fort St. Elmo, das die Stadt beherrscht, hatte eine französische Garnison; die Kastelle Uovo und Nuovo, welche den Ankerplatz beherrschten, wurde hauptsächlich von neapolitanischen Revolutionärs vertheidigt, von denen die angesehensten hier Schutz gesucht hatten. Wurden diese Kastelle genommen, so war dadurch der Uebergabe des Forts St. Elmo bedeutend vorgearbeitet. Es waren sehr feste Plätze, und man hatte Grund, zu vermuthen, daß die französische Flotte zu ihrer Entsetzung erscheinen werde. Ruffo schlug der Garnison vor, unter der Bedingung zu kapituliren, daß ihnen Freiheit und Eigenthum sicher gestellt, und sie, nach ihrer eigenen Wahl, entweder nach Toulon gebracht würden, oder in Neapel zurückblieben, ohne hier irgend wie belästigt zu werden. Diese Kapitulation wurde angenommen, sie wurde unterzeichnet von dem Kardinal, von dem russischen und türkischen Befehlshaber, und endlich von Kapitän Foote, als Kommandeur der brittischen Flottille. 36 Stunden nachher erschien Nelson im Meerbusen mit einer Macht, welche er während seines Kreuzens gesammelt hatte, und die aus 17 Linienschiffen mit 1700 Mann an Bord und dem Kronprinzen von Neapel auf dem Admiralsschiffe bestand. Eine Waffenstillstandsflagge flatterte auf den Kastellen und an Bord des Seepferdes. Nelson gab ein Signal, das den Vertrag für nichtig erklärte, indem er bemerkte, daß er Rebellen keine andere Bedingungen gestatte, als die unbedingter Unterwerfung. Der Kardinal widersezte sich diesem, und alle Gegengründe Nelson's, Sir William's und Lady Hamilton's, welche an der Konferenz thätigen Antheil nahmen, vermochten ihn nicht zu überzeugen, daß ein so feierlich bestätigter Vertrag mit Ehren bei Seite gesezt werden könne. Endlich zog er sich zurück, durch Nelson's Autorität zum Stillschweigen gebracht, aber nicht überzeugt. Kapitän Foote ward aus dem Meerbusen weggesandt, und die Garnisonen wurden unter dem Vorwande, den Vertrag in Vollziehung zu bringen, aus den Kastellen gezogen und sodann als Rebellen der Rache des sizilischen Hofes überliefert. Eine beklagenswerthe That! Ein Flecken auf dem Andenken Nelson's und der Ehre Englands! Ihn zu bemänteln, wäre vergeblich, ihn zu rechtfertigen, verwerflich; für einen, der sich nicht zum Theilhaber der Schuld machen will, gibt es keinen Ausweg, als der entehrenden That mit Schmerz und Schaam zu gedenken.

Fürst Francesco Caraccioli, der jüngere Zweig einer der edelsten Familien Neapels, entfloh aus einem dieser Kastelle vor der Kapitulation. Er stand an der Spitze der Marine und war nahe an 70 Jahre alt, ein Mann, der sowohl wegen seines Standes, als wegen seiner persönlichen Verdienste in hohem Ansehen stand. Er hatte den Hof nach Sizilien begleitet; als aber die revolutionäre Regierung, oder die parthenopäische Republik, wie man sie nannte, ein Edikt erließ, worin alle abwesenden Neapolitaner, bei Strafe der Konfiskation ihres Eigenthums, zur Rückkehr aufgefordert wurden, so erbat und erhielt er von dem Könige die Erlaubniß zur lezteren, da seine Besitzungen sehr groß waren. Man sagt, der König habe ihn, als er ihm diese Erlaubniß ertheilte, gewarnt, sich nicht in die Politik zu mischen, und zugleich seine Ueberzeugung ausgesprochen, daß er wieder in den Besitz seines Königreichs kommen werde. Aber weder der König noch er selbst hätten sich einbilden sollen, daß in solchen Zeiten ein Mann von solchem Ansehen werde in Unthätigkeit bleiben können, und bald zeigte es sich, daß Caraccioli wieder an der Spitze der Seemacht stand und unter der Republik gegen seinen ehemaligen Souverän diente. Die Seeleute berichteten, daß er hiezu gezwungen werde, und dieß glaubte man, bis man sah, daß er die offensiven Operationen der Revolutionärs mit Geschicklichkeit leitete, und, wann sich ihm Gelegenheiten zur Flucht darboten, dieselben nicht benüzte. Als die Wiedereroberung Neapels augenscheinlich nahe war, bat er den Kardinal Ruffo und den Herzog von Calvirrano um ihre Fürsprache, indem er die Hoffnung ausdrückte, daß die wenigen Tage, während welcher er genöthigt gewesen sey, den Franzosen zu gehorchen, doch nicht 40 Jahre treuer Dienste aufwiegen werden; allein da er keine solche Versicherungen erhielt, wie er wünschte, und den Geist des sizilischen Hofes nur zu gut kannte, so suchte er sich zu verbergen, und ein Preis wurde auf seinen Kopf gesezt. Unglücklicher Weise für Andere, als für ihn selbst, wurde er in der Vermummung eines Landmanns entdeckt, lebendig eingebracht, und eines Morgens, die Hände auf den Rücken gebunden, auf Lord Nelson's Schiff transportirt.

Caraccioli war den brittischen Offizieren wohl bekannt, und war von Allen, die ihn kannten, stets hoch geschäzt worden. Kapitän Hardy ließ ihn sogleich losbinden und mit all der Aufmerksamkeit behandeln, welche man nach seiner Ansicht einem Manne schuldete, der, als er das lezte Mal an Bord des Foudroyant sich befand, als Admiral und Fürst behandelt worden war. Sir William und Lady Hamilton befanden sich auf dem Schiffe; allein Nelson sah, wie man versichert, während der folgenden Tragödie Niemand, außer seinen Offizieren. Sein Entschluß war gefaßt, und er erließ an den neapolitanischen Commodore, den Grafen Thurn, den Befehl, an Bord des brittischen Flaggenschiffes ein Kriegsgericht neapolitanischer Offiziere zu versammeln, sogleich zum Verhöre des Gefangenen zu schreiten, und ihm, wenn die Anklagen bewiesen würden, zu berichten, welche Strafe jener erleiden sollte. Alles dieß ging mit reißender Schnelligkeit vor sich. Caraccioli wurde um 9 Uhr Vormittags an Bord gebracht, und um 10 Uhr begann das Verhör. Dieses dauerte zwei Stunden; der Angeklagte versicherte bei seiner Vertheidigung, daß er zu seinem Benehmen gezwungen worden sey, indem er als gemeiner Soldat habe dienen müssen, bis er sich zum Kommando der Flotte hergegeben. Dieß, sagen die Vertheidiger Lord Nelson's, konnte er nicht beweisen. Aber sie vergessen dabei, daß ihm dieser Beweis nicht möglich gemacht wurde, denn er kam ja schon eine Stunde, nachdem er gesetzlich im Arreste war, in's Verhör, und wie hätte er in dieser Zeit seine Zeugen sammeln können? Er wurde schuldig erfunden und zum Tode verurtheilt, und Nelson befahl, den Spruch an demselben Abende um 5 Uhr an Bord der sizilischen Fregatte La Minerva zu vollziehen, indem, er an der Fockraa bis zum Sonnenuntergänge aufgehängt würde, wo der Leichnam herabgenommen und in die See geworfen werden sollte. Caraccioli bat den Lieutenant Parkinson, der ihn zu bewachen hatte, Lord Nelson um eine zweite Untersuchung anzugehen, unter Anderem, weil Graf Thurn, der bei dem Kriegsgerichte den Vorsitz geführt hatte, offenkundig sein persönlicher Feind sey. Nelson erwiederte, der Gefangene sey in aller Form von den Offizieren seines Vaterlandes verhört worden, und er könne nicht einschreiten; wobei er vergaß, daß, wenn er sich berechtigt glaubte, das Verhör und die Hinrichtung zu befehlen, kein Mensch je die Schicklichkeit seines Einschreitens zum Zwecke der Begnadigung bezweifelt haben würde. Caraccioli bat hierauf, daß er erschossen werden möchte. »Ich bin ein alter Mann, Sir;« sagte er, »ich hinterlasse keine Familie, die meinen Tod beklagt, und daher bin ich nicht sehr darum bekümmert, mein Leben zu verlängern; aber die Schande des Gehangenwerdens ist mir fürchterlich.« Als dieses Nelson hinterbracht wurde, sagte er nur mit großer Heftigkeit zu dem Lieutenant, er solle gehen und seine Pflicht thun. Das lezte Mittel ergreifend, fragte Caraccioli den Lezteren, ob er nicht denke, daß ein Angehen Lady Hamilton's ihm nützlich seyn könnte? Parkinson ging, sie zu suchen; allein sie war bei dieser Gelegenheit nicht zu sehen, obgleich sie bei der Hinrichtung gegenwärtig war. Sie war dem neapolitanischen Hofe mit ganzer Seele ergeben, und der Haß, den sie gegen diejenigen fühlte, welche sie für seine Feinde ansah, ließ sie damals vergessen, was sie sowohl ihrem Geschlechts als ihrem Vaterlande schuldig war. Auch über Nelson's Benehmen muß ein wahrheitsliebender Geschichtschreiber hier ein strenges und ungemildertes Verdammungsurtheil aussprechen. Hatte er die Vollmacht Seiner sizilischen Majestät zu dem Verfahren, das er beobachtete? War dieß der Fall, warum trat er mit dieser Vollmacht nicht hervor? War es aber nicht der Fall, warum wurden ohne dieselbe jene Vorgänge so übermäßig beschleunigt? Warum wurde das Verhör übereilt, so daß es dem Gefangenen, auch wenn er unschuldig gewesen, unmöglich war, die Zeugen herbeizuschaffen, welche ihn als solchen erwiesen hätten? Warum wurde eine zweite Untersuchung verweigert, da doch die bekannte Erbitterung des Präsidenten des Kriegsgerichts gegen den Gefangenen in Erwägung zu ziehen gewesen wäre? Warum wurde die Hinrichtung so beschleunigt, daß dadurch jede Appellation an Gnade abgeschnitten und das Vorrecht der Gnadenertheilung nutzlos gemacht wurde? Ohne Zweifel glaubte der brittische Admiral selbst, nach den Gesetzen strenger Gerechtigkeit zu verfahren; aber allen Andern war es klar, daß er durch eine unselige Neigung, eine verderbliche Leidenschaft geleitet wurde, welche sein häusliches Glück zerstörte und jezt zum zweiten Male seinen öffentlichen Charakter unauslöschlich befleckte. Der Leichnam wurde eine beträchtliche Strecke weit weggeführt und, mit drei, 250 Pfund wiegenden Stangenkugeln an den Beinen, im Meerbusen versenkt. Zwei bis drei Wochen nachher, als der König sich an Bord des Foudroyant befand, kam ein neapolitanischer Fischer auf das Schiff und betheuerte feierlich, daß Caraccioli aus dem Schooße des Meeres auferstanden sey und so schnell, als er könne, mit dem Leibe halb über das Wasser sich erhebend, Neapel zuschwimme. Dieser Bericht wurde für ein aus thörichter Leichtgläubigkeit entstandenes Mährchen angesehen. Da der Tag schön war, so stach Nelson dem Könige zu Gefallen in die See; allein man war noch nicht weit gekommen, als man deutlich einen Körper sah, der sich aufrecht im Wasser haltend ihnen entgegenschwamm. Bald erkannte man in der That in demselben den Leichnam Caraccioli's, welcher aufgetaucht war und aus dem Wasser trieb, während die an die Beine gehängten großen Gewichte ihm eine Haltung gleich der eines lebendigen Menschen gaben. Diese außerordentliche Erscheinung überraschte den König sehr und erregte in ihm vielleicht gewisse der Reue verwandte Gefühle abergläubischer Furcht. Er erlaubte, daß der Leichnam an's Ufer gebracht wurde und ein christliches Begräbnis; erhielt. Auch dieses brachte keine besseren Wirkungen hervor. Neapel bot schrecklichere Scenen dar, als es in den Tagen Massaniello's gesehen hatte. Nachdem der Pöbel seinen Durst nach Blut und Plünderung gesättigt hatte, wurden die Zügel der Regierung der Gerechtigkeit in die Hand gegeben, wenn nämlich das eine Gerechtigkeit genannt werden kann, welche ihre eigenen Verordnungen umstößt, ohne Beachtung der Beweggründe und Umstände nur auf die nackten Thatsachen sieht, und ohne Rücksicht auf Charakter, Kenntniß, Geschlecht und Jugend nicht zum Besten des öffentlichen Wohles, sondern zur Befriedigung gieriger Rachsucht ihre Opfer schlachtet.

Die Castelle St. Elmo, Gaieta und Capua waren immer noch in den Händen des Feindes. Auf der Landseite war keine Gefahr vorhanden, daß die Franzosen in diesen Garnisonen entsetzt würden, denn Souwarow begann jezt den Feind vor sich herzutreiben; aber Nelson hielt seine Gegenwart im Meerbusen von Neapel für nothwendig, und als Lord Keith auf die Nachricht, daß die französische und spanische Flotte sich vereinigt habe, und nach Carthagena segle, ihm befahl, mit seiner ganzen Macht oder dem größten Theile derselben nach Minorca sich zu verfügen, so schickte er nur Admiral Duckworth mit einem kleinen Theile dahin. Dies war eine Verlegenheit, welche er vorausgesehen hatte. »Sollte ein solcher Befehl, in diesem Augenblicke kommen,« äußerte er in einem Briefe, den er schon vorher an die Admiralität schrieb, »so würde es sich fragen, ob Minorca oder die zwei Königreiche Neapel und Sicilien auf's Spiel zu setzen wären. Ich glaube, ich würde mich eher dahin entschieden, das erstere zu thun.« Und nachdem er nach dieser Ansicht gehandelt hatte, schrieb er an den Herzog von Clarence, dessen strenge Begriffe von Gehorsam er kannte: »Ich bin mir wohl der Folgen davon bewußt, daß ich den an mich ergangenen Befehlen nicht gehorcht habe; allein wie ich früher oft mein Leben. für die gute Sache wagte, so that ich auch diesmal mit Freudigkeit meine Pflicht; denn obgleich ein Kriegsgericht mich für schuldig erklären kann, so' wird doch die Welt mein Benehmen billigen und ich sehe nicht auf meine eigene Sicherheit, wenn die Ehre meines Königs auf dem Spiele steht.«

Nelson hatte richtig geurtheilt: auf Minorca wurde kein Angriff gemacht, und von der Vertreibung der Franzosen aus Neapel kann eher gesagt werden, daß sie durch die unter Trowbridge an der Küste agirenden englischen und portugiesischen Schiffe der verbündeten Flotte bewirkt, als beschleunigt worden sey. Der französische Kommandant von St. Elmo hatte, auf die Festigkeit des Platzes und die Beschaffenheit der angreifenden Truppen vertrauend, Kapitän Foote in den derbsten Ausdrücken verhöhnt; aber Bürger Mejan lernte bald bessere Sitten, als Trowbridge trotz allen Hindernissen das Fort aus fünf Batterien zu beschießen begann. Man bedeutete ihm, daß kein Brief mit den übermüthigen gedruckten Worten an der Spitze: Freiheit, Gleichheit, Krieg den Tyrannen u. s. w., künftig mehr von ihm angenommen werden würde; wolle er aber als Soldat und als ein gebildeter Mensch schreiben, so solle er in demselben Style Antwort erhalten. Der Franzose begann hierauf seinem Gegner über seine Gutthätigkeit und Menschenfreundlichkeit Schmeicheleien zu sagen, welches doch die geringsten der mancherlei Tugenden waren, durch die sich Monsieur Trowbridge auszeichnete. Dessen Gutthätigkeit bestand damals darin, daß er darüber nachsann, wie er das Fort unterminiren wollte. »Wenn uns das gelingt,« äußerte er, »so schicke ich sie, Geißeln und Alle, dem Teufel zu und überrasche diesen mit einer Truppe Adel und Republikaner. Indessen,« sezt er bei, »gewährt es mir einige Befriedigung, zu vernehmen, daß die Bomben gut fallen und ihnen ein Paar Füße abgeschlagen haben.« Endlich, um das Bild seines Charakters zu vollenden, erbot sich Mejan, um 150,000 Ducaten das Fort zu übergeben. Diese Art von Artillerie, welche Frankreich zur Unterjochung des Festlandes so zweckmäßig fand, hat Großbritannien vielleicht zu wenig benüzt; allein Trowbridge hatte den Vogel in der Hand, und im Laufe weniger Tage brachte seine lezte Batterie »nach vielem Tumult und Gewäsche,« wie er sich ausdrückte, »die Vagabunden zum Verstande.«

Trowbridge legte bei dieser Belagerung der Charakter der Neapolitaner, welche ihn dabei unterstützten, mehr Hindernisse in den Weg, als sogar die Festigkeit des Platzes und die Geschicklichkeit der Franzosen. »Solche verdammten Schurken und Bösewichte,« erklärte er, »habe er noch nie gesehen.« Die Leute auf den Vorposten standen nach seinem Ausdrucke in einem »verteufelt guten Vernehmen« mit dem Feinde, und die Arbeitsleute wurden manchmal scheu und rissen aus. »Ich benütze,« berichtete er, »das elende Pack, mit dem ich es zu thun habe, so gut ich kann; den ganzen Vorrath von Gewehren, Munition, die Pionniers u. s. w. mit allen Materialien müssen sie liefern. Durch schöne Versprechungen und die Drohung augenblicklichen Todes, wenn ich einen auf falschem Wege ertappe, habe ich ihnen einen kleinen Sporn gegeben.« Nelson sagte bei dieser Gelegenheit mit Recht von ihm, daß er ein General ersten Ranges sey. »Ich finde, Sir,« schrieb er nachher in einem Briefe an den Herzog von Clarence, »daß General Köhler solch unregelmäßiges Verfahren nicht billigt, daß Seeoffiziere Festungen angreifen und vertheidigen. Allerdings konnte bloß ein Seemann, nur 180 Ellen von dem Castelle Elmo entfernt, eine Batterie aufpflanzen; ein Soldat müßte kunstgemäß verfahren und den [unleserliches Wort. Re] Weg gegangen seyn. Mein braver Trowbridge ging gerade aus, denn wir hatten keine Zeit zu verlieren.«

Trowbridge rückte hierauf gegen Capua vor und übernahm das Kommando des buntscheckigen Belagerungskorps. 1000 der besten Leute der Flotte wurden ihm zu seiner Unterstützung zugeschickt. Gerade um diese Zeit erhielt Nelson von Lord Keith den entschiedenen Befehl, mit seiner ganzen Macht zum Schutze Minorca's herbeizueilen, oder wenigstens nicht mehr zurückzubehalten, als für Sicilien unumgänglich nöthig sey. »Ihr werdet meine Lage leicht begreifen,« schrieb der Erstere, als er dies dem Grafen St. Vincent mittheilte, »aber ich war, wie Eure Lordschaft weiß, auf diesen Befehl vollkommen vorbereitet und habe jezt mehr, als je, meinen Entschluß gefaßt. Mit keinem einzigen Schiffe werde ich in diesem Augenblicke absegeln, da ich dieses nicht thun könnte, ohne, bei der gegenwärtigen Belagerung Capua's, 120 Mann aus jedem Schiffe zu ziehen. Ich bin mir der That, welche ich mir erlaube, vollkommen bewußt; aber ich bin auch auf jedes Schicksal gefaßt, das mein Ungehorsam mir zuziehen kann. Capua und Gaieta werden bald fallen, und sobald die Schurken von Franzosen aus diesem Königreiche vertrieben sind, werde ich 8 bis 9 Linienschiffe nach Minorca schicken. Ich habe gethan, was ich für recht hielt. Andere mögen anders denken, aber das wird mein Trost seyn, daß ich ein Königreich gerettet, einem treuen Bundesgenossen Seiner Majestät seinen Thron zurückgegeben und gesichert, und Millionen das verlorne Glück wieder geschenkt habe.«

Vor Capua stieß Trowbridge auf dieselben Hindernisse, wie vor St. Elmo, und da er weiter von Neapel und der Flotte entfernt war, so war hier der Sieg noch schwieriger für ihn. Das Pulver war so schlecht, daß er Verrätherei argwöhnte, und als er Nelson bat, ihm 40 Tonnen von den Schiffen zu senden, so bemerkte er dabei, es werde nöthig seyn, daß einige Engländer den Transport begleiten, sonst werde ihm die eine Hälfte gestohlen und die andere ausgetauscht. »Alle, welche Sie sehen,« schrieb er, »hohen und niederen Standes, sind ausgemachte Schurken, so daß es ein Elend ist, mit ihnen umgehen zu müssen.« Dennoch fiel Capua bald. Unmittelbar darauf ergab sich auch Gaieta dem Kapitän Louis, Kommandanten des Minotaurus. Hier benahm sich, wie dieser sich ausdrückte, der kommandirende Offizier einem Franzosen unähnlicher, als er es je bei irgend einem dieses Volkes gefunden hatte, d. h. er benahm sich wie ein Mann von Ehre. Jedoch verlangte er, daß die Garnison ihre Pferde und anderes geraubtes Besitzthum mit sich fortnehmen dürfe, worauf Nelson erwiederte, daß kein Besitzthum, das sie nicht mit sich in das Land gebracht hätten, ihr Eigenthum seyn könne, und daß die größte Sorge getragen werden solle, um sie an der Wegführung desselben zu verhindern. – »Ich bedaure,« sagte er zu Kapitän Louis, »daß Sie sich nur in eine Verhandlung darüber eingelassen haben. Es gibt keine andere Art, mit einem Franzosen auszukommen, als ihn zu Boden zu treten; höflich kann man als Feinde gegen sie blos seyn, wenn man von ihnen ausgelacht werden will.«

So war das ganze Königreich Neapel durch Nelson von den Franzosen gereinigt. Die Admiralität jedoch hielt es für nöthig, ihm einen Verweis dafür zu geben, daß er Lord Keiths Befehlen nicht gehorcht und dadurch Minorca ohne einen, wie es ihnen scheine, triftigen Grund auf's Spiel gesezt, so wie auch dafür, daß er Seeleute zur Belagerung Capua's an's Land gesezt habe, um sie zu einer Armee stoßen zu lassen, welche in einer Entfernung von der Küste operirte, die sie im Falle einer Niederlage an der Rückkehr auf ihre Schiffe verhindert hätte: und man schärfte ihm ein, »die Seeleute künftig nicht mehr auf ähnliche Weise zu gebrauchen.« Dieser Verweis wurde erlassen, noch ehe der Erfolg bekannt war, obgleich freilich dieser dem Grundsatze, aus welchem jener hervorging, keinen Eintrag hätte thun können. Als Nelson die Nachricht von seinem vollständigen Siege mittheilte, sagte er in seinem offiziellen Schreiben, »daß derselbe deßhalb um nichts weniger erwünscht seyn werde, weil er hauptsächlich durch brittische Seeleute zu Stande gebracht worden sey.« Seine Art, diese zu verwenden, war durch den Erfolg gerechtfertigt, und seine Freude wurde augenscheinlich durch die Befriedigung eines seiner Stellung und seinen Verdiensten entsprechenden Stolzes erhöht. An den ersten Lord schrieb er zu derselben Zeit: »Da ich nur noch die linke Hand habe, so kann ich nicht in Einzelnheiten eingehen, welche die Beweggründe erklären würden, die mein Benehmen leiteten. Mein Grundsatz ist, dazu mitzuwirken, daß die Franzosen zum Teufel gejagt, und Friede und Glück der Menschheit zurückgebracht werden. Ich fühle, daß ich geschickter bin, die That zu verrichten, als zu beschreiben.« Er fügte hierauf noch bei, daß er für Minorca Sorge tragen wolle.

Bei der Vertreibung der Franzosen aus Neapel hatte Nelson mit dem ihm eigenthümlichen Eifer und Geschicke seine Aufgabe gelöst; aber wenn er meinte, daß er Ferdinand seinen Thron gesichert und Millionen das verlorne Glück zurückgegeben habe, so täuschte er sich. Dieß hätte er vollbringen mögen, wenn es ihm möglich gewesen wäre, einen verblendeten Hof mit Weisheit zu beseelen; und wenn nicht seine eigenen Augen durch den Zauber jener unseligen Leidenschaft, welche sich seiner jezt völlig bemeistert hatte, gehalten gewesen wären, so würde er die Dinge gesehen haben, wie sie waren, und hätte den sicilischen Hof vielleicht zum Bewußtseyn seines Interesses, wenn nicht seiner Pflicht, bringen können. Dieser Hof drehte sich in einem Kreise von Thorheiten und Festivitäten herum, während die Gefängnisse Neapels von Seufzern wiedertönten, und die Schaffotte in Blut sich badeten. Der heilige Januarius wurde feierlich seines Ranges als Schutzpatron des Königreichs entsezt, weil er des Jakobinismus überwiesen worden war, und der heilige Antonius rückte in seine Stelle vor. Der König, anstatt in Neapel durch seine Gegenwart die Ordnung wiederherzustellen, kehrte eilig nach Palermo zurück, um seinen Lieblingsvergnügungen nachzuhängen. Nelson und die Familie des englischen Gesandten begleitete den Hof; Trowbridge aber blieb zurück, grollend über die Schlechtigkeit und Nichtswürdigkeit derer, mit welchen er es zu thun hatte. Ein Theil der Offiziere bat ihn um die Erlaubniß zu einer Reise nach Palermo, um die Prozession der heiligen Rosalia mit anzusehen; er aber empfahl ihnen, ihre Truppen zu üben und sich nicht wie Kinder zu benehmen. Schon das ärgerte ihn genug, daß der Hof in solche Thorheiten versunken war und Nelson mit hineinzog. »Mir graut, mein Lord,« schrieb er an diesen, »vor all diesen Festen etc. in Palermo. Ich bin gewiß, Ihre Gesundheit leidet dabei Schaden. Geschieht das, so werden alle ihre Heiligen von der Flotte verflucht werden. Dem Könige würde es besser anstehen, eine gute Regierung anzuordnen. Alles muß ihren Vergnügungen weichen. Das Geld, das in Palermo verschleudert wird, erregt hier Unzufriedenheit; 50,000 Menschen sind ohne Beschäftigung, der Handel liegt darnieder, die Fabriken stehen stille. Freilich ist es das Interesse Vieler hier, den König entfernt zu halten: sie Alle fürchten sich vor einer Reform; ihre Schurkereien haben so tief Wurzel gefaßt, daß, wenn nicht Maßregeln ergriffen werden, sie auszujäten, diese Regierung nicht dabei bestehen kann. Von 20 Millionen Dukaten, welche als königliche Revenuen eingezogen werden, erreichen nur 13 Millionen den Schatz, und der König zahlt vier Dukaten, wo er nur Eine zahlen sollte. Er ist von Dieben umgeben, und Keiner hat Ehre genug im Leibe, ihm den wirklichen und wahren Zustand der Dinge zu entdecken.« In einem anderen Schreiben entwarf er ein Bild von dem unglücklichen Zustande Neapels, »Ueber 40,000 Familien,« schrieb er, »haben Verwandte im Gefängnisse. Wird nicht ein Amnestiedekret erlassen, so nimmt die Verfolgung kein Ende; denn das Volk dieses Landes hat keinen Gedanken an etwas Anderes, als an Rache, und um eine Nadelspitze zu gewinnen, schwört es zehntausend Meineide. Beständig bemüht man sich, Leute in Verhaft zu bekommen, um sie zu plündern. Das konfiscirte Eigenthum gelangte nicht in des Königs Schatz. – Lauter Diebe! Man verkauft es für nichts. Seine eigenen, von ihm angestellten Leute kaufen es auf und stecken ein. Es sollte mich nicht wundern, wenn ich hörte, daß sie ihm noch eine Rechnung für den Verkauf vorlegten.«

Indessen wußte der sicilische Hof damals die Dienste, welche ihm von der brittischen Flotte geleistet worden waren, gebührend zu schätzen, und äußerte seine Dankbarkeit gegen Nelson mit fürstlicher Freigebigkeit. Man schenkte ihm das Herzogthum und die Domäne von Bronte, womit ein jährliches Einkommen von ungefähr 3000 Pfund verbunden war. Es dauerte jedoch einige Tage, ehe er zur Annahme desselben überredet werden konnte; der Grund, der endlich bei ihm siegte, soll von der Königin vorgebracht und auf ihre Bitte von Lady Hamilton kniefällig unterstüzt worden seyn. »Er schlage seine eigene Ehre zu hoch an,« sagte sie, »wenn er beharrlich verweigere, was der König und die Königin für unumgänglich nöthig zur Erhaltung der ihrigen erachten.« Der König selbst soll ihn mit folgenden Worten angeredet haben: – »Lord Nelson, wünschen Sie, daß nur Ihr Name mit Ehren auf die Nachwelt übergehen, daß aber ich, Ferdinand Bourbon, undankbar erscheinen soll?« Auch schenkte er ihm, als er das Herzogthum annahm, einen Säbel mit einem Diamantgriffe, den ihm sein Vater, Karl III. von Spanien, bei seiner Besteigung des Thrones beider Sicilien gegeben hatte. Nelson äusserte, »seine Belohnung sey glänzend und eines Königs würdig, und er sey entschlossen, die Einwohner seines Herzogthums zu den glücklichsten in allen Staaten Seiner sicilischen Majestät zu machen. – Doch,« sagte er in Beziehung auf diese und andere Geschenke, welche ihm für seine Dienste, gemacht worden waren, »so reich auch diese Gaben sind, sie machen mich nicht stolz. Mein Ruhm ist, daß zu Konstantinopel von dem Großherrn an bis zum geringsten Türken der Name Nelson jeder Zunge bekannt ist, und in diesem Lande bin ich Alles, was ein dankbarer Monarch und ein dankbares Volk mich nennen kann.« Indessen hatte Nelson einen verzeihlichen Stolz auf die äußeren und sichtbaren Zeichen der Ehre, welche er auf eine so schöne Weise sich erworben hatte; er war in seinen sicilischen Titel verliebt, der Name vielleicht gefiel ihm so wohl. »Herzog vom Donner,« das war ein Name nach eines Seemanns Geschmack und paßte gewiß für keinen Anderen besser. Aber eine Gabe, die er nicht lange nachher von der Insel Zante erhielt, erregte in ihm ein tieferes und edleres Gefühl. Die Griechen dieses kleinen Staates schickten ihm nämlich einen Säbel mit goldenem Griffe und einen Kommandostab, auf dem alle Diamanten, welche die Insel aufbringen konnte, in Einer Reihe angebracht waren. Die dankten ihm, »daß er durch seinen Sieg diesen Theil Griechenlands vor den Schrecken der Anarchie bewahrt habe,« und drückten den sehnlichen Wunsch aus, »daß seine Kriegsthaten die Ankunft des Tages beschleunigen möchten, wo beim Glanze und der Sicherheit der Throne das Elend des menschlichen Geschlechtes aufhören werde.« Dieser unerwartete Tribut rührte Nelson tief. »Kein Offizier,« sagte er, »hat je von einem Lande eine höhere Anerkennung seiner Dienste erhalten.«

Noch hielten die Franzosen die römischen Staaten besezt, in welchen sie ihrem eigenen Geständnisse gemäß Juwelen, Silbergeschirr, Bilder und Dinge jeder Art bis zu dem ungeheuren Betrage von 8 Millionen Pfund Sterling erpreßt hatten. Jedoch gaben sie sich das Ansehen, als seyen sie erschienen, um das Volk zu befreien, das sie so grausam plünderten, und vertheilten Porträts von Bonaparte mit der gotteslästerlichen Inschrift: »Dieß ist das wahre Abbild des heiligen Erlösers der Welt!« Die Gottlosigkeit dieser treulosen Räuber verabscheuend und unter ihren Erpressungen seufzend, war das Volk bereit, sich einer regulären Truppenmacht in die Arme zu werfen, wenn ihm eine solche zu Hülfe kommen würde; aber vor Kardinal Ruffo's Haufen fürchteten sie sich und erklärten, sie würden ihm als einer Räuberbande, welche nur die Absicht des Plünderns herführte, sich widersetzen. Nelson sah ein, daß für die Ruhe Neapels jezt nichts so wichtig war, als die Wiedereroberung Roms, welche bei dem gegenwärtigen Zustande der Dinge, wo Souwarow die Franzosen vor sich hertrieb, die Befreiung Italiens vollenden würde. Er bat daher Sir James St. Clair Erskine, welcher in Abwesenheit des Generals Fox auf Minorca kommandirte, ihn bei diesem wichtigen Vorhaben mit 1200 Mann zu unterstützen. »Das Feld des Ruhmes,« schrieb er an ihn, »ist weit und stand nie Einem mehr offen, als in diesem Augenblicke Ihnen. Rom würde seine Thore öffnen und Sie als seinen Befreier empfangen, und der Papst würde seine Wiedereinsetzung gerne einem Ketzer verdanken.« Allein Sir James Erskine faßte nur die Schwierigkeiten des Unternehmens in's Auge. »1200 Mann, denke er, wäre eine zu geringe Truppenzahl für ein solches Unternehmen; denn Civita Vecchia sey eine regelmäßige Festung; auch die örtliche Lage und das Klima seyen von der Art, daß es sogar in dem Falle, wenn jene Truppenzahl hinreichend wäre, räthlich seyn würde, die Expedition bis zum Oktober zu verschieben. Zudem werde General Fox bald erwartet, und während seiner Abwesenheit und unter den bestehenden Umständen könne er sich nicht für berechtigt halten, ein solches Detachement wegzusenden.«

Was dieser General zu versuchen für unklug hielt, führten Nelson und Trowbridge ohne seine Hülfe mit einem kleinen Detachement von der Flotte aus. Trowbridge sandte zuerst Kapitän Hallowell nach Civita Vecchia, um der dort und auf dem Castelle St. Angelo sich befindenden Garnison dieselben Bedingungen anzubieten, welche Gaieta bewilligt worden waren. Hallowell merkte an der überströmenden Höflichkeit der Offiziere, welche zu ihm herauskamen, und an den Komplimenten, die sie der englischen Nation machten, daß sie ihre Schwäche und Unfähigkeit, einen kräftigen Widerstand zu leisten, fühlten; allein die Franzosen wissen, daß, so lange sie sich im Dienste ihrer Regierung befinden, sie auf jede mögliche Unterstützung von ihr rechnen können, und dieses Bewußtseyn gibt ihnen Hoffnung und Vertrauen bis auf's Aeußerste. Auf Hallowells Bericht sandte Trowbridge, welcher jezt wegen seiner Dienste zum Sir Thomas erhoben war, den Kapitän Louis mit einem Geschwader, um die Bedingungen, welche er angeboten hatte, zu erzwingen, und sobald er Neapel verlassen konnte, folgte er selbst. Die Franzosen, welche nun keine weitere Hoffnung auf die Entscheidung der Waffen sezten, verließen sich jezt auf ihre Geschicklichkeit im Unterhandeln und schlugen Trowbridge mit jener Frechheit Bedingungen vor, welche ihre öffentlichen Prozeduren charakterisirt, aber oft ebenso erfolgreich, als unverschämt ist. Allein dießmal hatten sie einen Mann vom rechten Schlage vor sich. Ihr Gesandter zu Rom begann mit der Bemerkung, daß das römische Gebiet durch das Recht, der Eroberung das Eigenthum der Franzosen sey. Aber der brittische Kommodore beseitigte diesen Punkt durch die Erwiederung: »So ist es mein durch Wiedereroberung.« Bald wurde eine Kapitulation für alle römischen Staaten unterzeichnet, und Kapitän Louis ruderte auf seiner Barke die Tiber hinauf, ließ vom Kapitol die englischen Fahnen wehen, und benahm sich vorläufig als Gouverneur von Rom. So war die Prophezeiung des irischen Poeten erfüllt, und der Pater erndtete die Früchte davon; denn Nelson, überrascht von der Seltsamkeit des Umstandes und nicht wenig erfreut darüber, wirkte ihm bei dem Könige von Sicilien eine Pfründe aus und empfahl ihn dem Papste.

Nachdem so sein Werk auf dem Festlande Italiens vollendet war, richtete sich Nelson's ganze Aufmerksamkeit auf Malta, wo Kapitän Ball mit höchst unzureichenden Mitteln die französische Besatzung belagerte. Nie befand sich ein Offizier auf einem ängstlicheren und peinlicheren Posten: die geringste Verstärkung aus Frankreich hätte in jedem Augenblicke das Blatt gegen ihn gewendet, und ohne seine ausgezeichnete Geschicklichkeit und die Liebe und Verehrung, womit die Malteser ihn betrachteten, hätte Malta in den Händen des Feindes bleiben müssen. Leute, Geld, Lebensmittel – Alles fehlte ihm. Die Garnison bestand aus 5000 Mann, das Belagerungskorps aus 500 englischen und portugiesischen Seesoldaten und ungefähr 1500 bewaffneten Landleuten. Lange und wiederholt suchte Nelson um Truppen nach, um die Eroberung dieses wichtigen Platzes zu bewerkstelligen. »Der Fehler liegt nicht an der Flotte,« schrieb er, »daß Malta nicht zu Lande angegriffen worden ist, sondern wir haben weder selbst die Mittel dazu, noch Einfluß auf die, welche sie besitzen.« Die Ursachen der Zögerung waren hier dieselben, welche die brittischen Truppen abhielten, zu der Vertreibung der Franzosen aus Rom mitzuwirken. Sir James Erskine wartete auf General Fox, er konnte nicht ohne Ordres handeln, und da er nicht gleich Nelson jene lebendige Quelle der Hoffnung in sich trug, welche mit der Natur des Glaubens Aehnlichkeit genug hat, um Wunder im Kriege zu verrichten, so hielt er es für »klar, daß ohne eine bedeutende Landmacht von hinreichender Anzahl, um die Belagerung einer solchen Garnison auf einem der festesten Plätze Europa's, der mit Artillerie und Vorräthen genügend versehen war, zu unternehmen, keine vernünftige Hoffnung zu dessen Eroberung gehegt werden könne.«

Nelson klagte schwer über diesen Geist übervernünftiger Vorsicht und unvernünftigen Gehorsams. »Mein Herz,« schrieb er, »bricht beinahe. Wenn der Feind Verstärkung bekömmt, so dürfen wir Malta Lebewohl sagen. Alle Truppen, welche wir zusammenbringen, sind dann von geringem Nutzen gegen den festesten Platz in Europa. – Daß ein Offizier nie und zu keinem Zwecke von seinen Instruktionen abweichen dürfe, eine solche Behauptung kann ich nicht begreifen. Die Umstände dieses Krieges wechseln so oft, daß ein Offizier beinahe jeden Augenblick zu erwägen hat, was seine Vorgesezten anordnen würden, wenn sie wüßten, was vor seinen Augen vorgeht. – Aber, Sir,« äußerte er in einem Briefe an den Herzog von Clarence, »ich finde, daß Wenige so denken, wie ich. Den Ordres zu gehorchen, gilt für das Höchste. Meinem Könige aber zu dienen und die Franzosen zu vernichten, betrachte ich als die größte Ordre von allen, aus welcher die kleineren hervorgehen; und wenn nun eine der lezteren jener widerstreitet (denn wer kann in der Entfernung für das Gegentheil stehen?), so gehe ich zurück und gehorche der großen Ordre, welche lautet: Nieder, nieder mit den verdammten französischen Schurken! – Mein Blut kocht bei dem Namen eines Franzosen!«

Endlich kam General Fox auf Minorca an und erlaubte zulezt Oberst Graham, sich nach Malta zu begeben, aber mit jämmerlich beschränkten Mitteln. Wirklich wurde die Expedition durch Mangel an Geld aufgehalten, als Trowbridge, wie er in Messina ankam, um dieselbe zu unterstützen, und dieses neue Hinderniß vorfand, sogleich Alles darbot, worüber er selbst gebieten konnte. »Ich gab ihm, mein Lord,« schrieb er an Nelson, »15,000 meiner Piaster; jeder Heller und jede Faser von mir soll der Sache, der ich diene, geweiht seyn.« – »Was soll das bedeuten? schrieb Nelson, als er vernahm, daß Oberst Graham die Instruktion habe, keine Ausgaben für irgend etwas außer dem nöthigsten Proviante zu machen; »man kann doch die Sache nicht aus Mangel an ein wenig Geld still stehen lassen. Wenn Niemand es darreicht, so werde ich Bronte und des Kaisers von Rußland Dose verkaufen.« Wirklich verpfändete er Bronte für 6600 Pfund, auf den Fall, daß es Schwierigkeiten geben sollte, die Rechnungen zu bezahlen. So ging die lange verzögerte Expedition endlich ab; aber Trowbridge ahnte nicht, in welche Scene des Elends er verwickelt werden sollte. Er hoffte von Sicilien aus mit Proviant versehen zu werden, denn es war das Interesse sowohl als die Pflicht der sicilischen Regierung, auf jede mögliche Weise ihm solchen zu verschaffen; auch befanden sich Nelson und der brittische Gesandte an Ort und Stelle, um jener die Nothwendigkeit davon einleuchtend zu machen. Allein obgleich Nelson wohl sah, mit welch einer nichtswürdigen Rotte der sicilische Hof umgeben war, so war er doch gegen die Fehler des Hofes selbst blind, und sich ganz Lady Hamiltons Einflusse hingebend, argwohnte er nicht einmal die Schlangenpolitik, welche derselbe auf eine unbarmherzige Weise verfolgte.

Die Malteser und die Britten auf Malta empfanden dieses schwer. Trowbridge, welcher die aufrichtigste Zuneigung zu Nelson hegte, kannte seine Verblendung und fürchtete, sie möchte sowohl für seinen Charakter nachtheilig als für eine Unternehmung verderblich werden, welche so gut begonnen und so geduldig fortgesezt worden war. »Mein Lord,« schrieb er von dem Orte der Belagerung aus an ihn, »wir sterben vor Mangel. Ich höre, daß Sir William Hamilton sage, Fürst Luzzi habe vor einiger Zeit Getreide verweigert, und daß der Erstere es nicht für der Mühe werth halte, ihn zum zweitenmal darum zu bitten. Ist das der Fall, so wünsche ich nur, daß er statt meiner in dieser Scene des Jammers das Kommando zu führen hätte. Puglia hat eine überaus reiche Erndte gehabt; gegen 30 Segel verließen vor mir Messina, um Getreide zu laden. Werden sie uns etwas davon zukommen lassen? Wo nicht, so wird ein kurzer Zeitraum die Sache entscheiden. Das deutsche Interesse hat die Oberhand. Ich wünschte, ich wäre eine Stunde bei Eurer Lordschaft. – Alles, Alles wird auf Sie geschoben werden! – Ich werde den Schlag, so viel in meiner Macht steht, pariren: ich sehe ein schweres Unheil herannahen. – Gott segne Eure Lordschaft! Ich bin elend, ich kann Ihre Operationen nicht mehr unterstützen. Möge Ihnen dieser Tag noch oft glücklich wiederkehren (es war der Neujahrstag)! ich habe ihn noch nie so jämmerlich zugebracht. Ich bin nicht sehr weichherzig, aber wahrhaftig, das Elend hier würde selbst einen Neapolitaner rühren.« Bald darauf schrieb er: »Heute habe ich 30,000 Leute vom Hungertode gerettet, aber mit diesem Tage sind meine Kräfte erschöpft. Da die Regierung uns verhungern lassen will, so sehe ich kein anderes Mittel, als diese armen, unglücklichen Leute umkommen zu lassen, ohne Zeuge ihres Jammers zu seyn. Verflucht sey jeder Tag, an dem ich der neapolitanischen Regierung gedient habe! – Wir haben eine Ehre zu verlieren, mein Lord; dieses Volk hat keine. Dulden Sie nicht, daß die Schande ihres Benehmens auf uns falle. Unser Vaterland ist gerecht, aber strenge. So heftig ist in diesem Augenblicke das Fieber meines Gehirns, daß ich Sie bei meiner Ehre versichere: wenn die Verräther von Palermo hier wären, so würde ich zuerst sie und dann mich selbst erschießen. Girgenti ist voll von Getreide; das Geld liegt bereit, es zu bezahlen; wir verlangen es nicht als Geschenk. O, könnten Sie das gräßliche Elend sehen, von dem ich täglich Zeuge bin, es würde etwas geschehen. – Ein Werkzeug ist gegen uns in Neapel thätig, und ich glaube, ich errathe die Person. Wenn Sie sich beschweren, so wird diese sogleich vorgeschoben werden, ganz nach neapolitanischer Weise. Alles, was ich Ihnen schreibe, weiß man bei der Königin. – Was mich betrifft, so betrachte ich die Neapolitaner als die arglistigsten Feinde: jede Stunde zeigt sich mir ihre Ehrlosigkeit und Zweizüngigkeit. Ich bitte Eure Lordschaft, vorsichtig zu seyn: mit Ihrer edlen, offenen Handlungsweise wird Mißbrauch getrieben werden. – Wenn ich Sie sehe und von ihren schändlichen Ränken Ihnen erzähle, so werden Sie sich ebenso sehr darüber wundern, als ich. Das Ganze wird auf Sie zurückfallen.«

Gegen das Elend, welches ihm sein Freund so ernstlich vorstellte, war Nelson nicht gleichgültig und konnte es nicht seyn. Er bettelte nach seiner Aeußerung beinahe kniefällig um kleine Zuschüsse von Geld und Getreide, damit die Malteser vom Hungertode gerettet würden. Und als der Hof eine kleine Unterstützung zusagte, indem er seine Armuth vorschüzte, so glaubte er diesen Versicherungen und beruhigte sich dabei, anstatt darauf zu bestehen, daß die Beschränkungen der Getreideausfuhr aufgehoben werden sollten. Die Angst jedoch, welche er ausstand, griff ihn so an, daß er sagte, sie habe seinen Geist für immer gebrochen. Glücklicherweise traf Alles das, was Trowbridge mit so vielem Grunde befürchtete, nicht ein. Denn Kapitän Ball wagte mit mehr Entschlossenheit, als Nelson selbst damals und bei dieser Gelegenheit gezeigt haben würde, eine entschiedene Maßregel, wofür allein schon sein Name von den Maltesern stets verehrt zu werden verdiente, wenn er auch keine anderen Ansprüche auf die Liebe und Ehrfurcht eines dankbaren Volkes sich erworben hätte. Da er nämlich sah, daß es vergeblich sey, länger auf Hülfe oder auch nur auf allgemeine menschliche Theilnahme von der arglistigen und verblendeten sicilischen Regierung zu hoffen, welche darauf beharrte, in drohenden Edikten die Ausfuhr von Getreide zu verbieten, so schickte er auf seine eigene Gefahr hin seinen ersten Lieutenant in den Hafen von Messina mit dem Befehle, der Schiffe, welche dort mit Korn beladen vor Anker lagen, und von deren Anzahl er genaue Nachricht erhalten hatte, sich zu bemächtigen und sie nach Malta zu bringen. Dieser Befehl wurde zum großen Ergötzen und Vortheile der Schiffsherren und Eigenthümer vollzogen; die Nothwendigkeit, die Belagerung aufzuheben, war entfernt, und Kapitän Ball erwartete in Ruhe die Folgen, welche die Sache für ihn selbst herbeiführen würde. »Allein,« sagt Mr. Coleridge (welcher hoffentlich dem Andenken dieses großen Mannes so volle Gerechtigkeit wiederfahren lassen wird, als es in seiner Macht liegt), »keine Klage, kein Murren ließ der neapolitanische Hof vernehmen. Die einzige Folge war, daß der Gouverneur von Malta ein besonderer Gegenstand seines Respektes wurde.« Am Anfange des Februars segelte Nelson selbst nach dieser Insel. Unterwegs stieß er auf ein französisches Geschwader, das zum Entsatze derselben bestimmt war und aus dem Genereux vom 74 Kanonen, drei Fregatten und einer Corvette bestand. Eine Fregatte und das Linienschiff wurden genommen; die andern Fahrzeuge entkamen, verfehlten aber ihren Zweck, La Valette zu erreichen. Diese glückliche That war Nelson aus mehreren Gründen besonders angenehm. Seit einigen Monaten hatte er die Rolle des Oberbefehlshabers auf dem mittelländischen Meere gespielt, während Lord Keith in England sich befand. Der Letztere war jetzt wieder zurückgekehrt, und Nelson hatte ihn nach seinem eigenen Plane und auf seine Gefahr hin verlassen, um nach Malta zu segeln, »wofür ich,« schrieb er, »wenn mir meine Sache nicht gelungen wäre, wohl hätte gestürzt werden können; hätte ich aber nicht so gehandelt, so wäre der Genereux nie genommen worden.« Dieses Schiff war eines derjenigen, welche bei Abukir entkommen waren. Zwei Fregatten und der Guillaume Tell von 86 Kanonen waren Alles, was jezt von der Flotte, welche Bonaparte nach Aegypten geführt hatte, noch übrig war. Der Guillaume Tell wurde im Hafen von La Valette scharf bewacht und bald darauf bei einem Versuche zur Flucht nach einem Gefechte erobert, wobei die brittischen Schiffe eine Geschicklichkeit und die Franzosen eine Tapferkeit entwickelten, wie von beiden nie eine größere an den Tag gelegt wurde. Er wurde von dem Foudroyant, dem Lion und der Fregatte Penelope genommen. Hoch erfreut über diese glorreiche Vernichtung der ganzen französischen Flotte auf dem mittelländischen Meere, drückte Nelson auch darüber sein Vergnügen aus, daß er nicht dabei gewesen sey und so den braven Leuten kein Reis ihres Lorbeers entrissen habe. »Es sind,« äußerte er, »und ich rühme mich dessen, meine Kinder: sie haben in meiner Schule gedient, sowie wiederum wir Alle unseren Diensteifer von dem großen und trefflichen Grafen St. Vincent ererbt haben. Welch' eine Freude, welch' ein Glück, daß die ganze Nilflotte unter meinen Befehlen und Anordnungen genommen worden ist!« Noch waren die zwei Fregatten in La Valette; vor dessen Uebergabe wollten sie sich davon stehlen, aber die eine wurde bei diesem Versuche genommen, die andere war das einzige Schiff der ganzen Flotte, das der Gefangenschaft oder Vernichtung entging.

An Bord des Guillaume Tell fanden sich Briefe, woraus erhellte, daß die Franzosen jetzt keine Hoffnung mehr hatten, die Eroberung, welche sie auf eine so schändliche Weise gemacht, festzuhalten. Trowbridge und seine Mitoffiziere waren darauf bedacht, die Ehre der Unterzeichnung der Kapitulation auf Nelson überzutragen. Sie sagten ihm, daß sie durchaus, soweit es ihnen erlaubt wäre, darauf beständen, daß er so lange verweilte, um dieses zu thun; allein ihre ernsten und dringenden Bitten waren vergeblich. Sir William Hamilton war gerade seines Dienstes entsezt worden; Nelson liebte Lord Keith nicht, und dem Gedanken sich hingebend, daß nach Graf St. Vincent Niemand so gute Ansprüche auf das Kommando im mittelländischen Meere hätte, als er selbst, bat er um die Erlaubniß, nach England zurückkehren zu dürfen, indem er dem ersten Lord der Admiralität erklärte, daß sein Geist sich nicht geduldig unterwerfen könne, und daß sein Herz gebrochen sey. Seit seiner Rückkehr aus Aegypten nämlich hatte er neben allen Ehrenbezeigungen, womit er überschüttet wurde, doch auch manche Kränkungen, erlitten. Sir Sidney Smith war nach Aegypten gesandt worden mit dem Befehle, das Geschwader, welches Nelson dort gelassen, unter sein Kommando zu nehmen. Sir Sidney scheint dabei vorausgesetzt zu haben, daß dieses Kommando unabhängig von Nelson sey, und da dieser selbst der nämlichen Meinung war, so beschloß er, zurückzukehren, indem er an Graf St. Vincent schrieb: »Ich fühle es, denn ich bin ein Mensch, daß es mir unmöglich ist, in diesen Gewässern neben einem jüngern Offizier zu dienen.« Graf St. Vincent scheint ihm von seinem Vorsatze abgerathen zu haben; doch blieb eine Hefe von Mißvergnügen in seiner Seele zurück, und einige unvorsichtige Aeußerungen Sir Sidney's wurden von ihm mit Zeichen augenscheinlichen Unwillens angehört. Allein dies dauerte nicht lange, und Niemand zollte der bewundernswürdigen Vertheidigung von Acre ein willigeres Lob, als Nelson.

Er war mit Sir Sidney verschiedener Meinung in Beziehung auf die Politik, welche gegen die Franzosen in Frankreich beobachtet werden sollte, und befahl ihm aufs strengste und in den stärksten Ausdrücken, unter keinem Vorwande zu dulden, daß auch nur Ein Franzose das Land verließe; indem er bemerkte, daß er es für Wahnsinn achte, diese Diebsbande wieder nach Europa zurückkehren zu lassen. »Nein,« sagte er, »aus freiem Willen kamen sie nach Aegypten, und da sollen sie auch bleiben, so lange Nelson dies Geschwader befehligt; denn nie, nie wird er einem ihrer Schiffe oder ihrer Leute die Rückkehr erlauben. Mögen sie in Aegypten zu Grunde gehen, und damit der Welt eine eindringliche Lektion über die Gerechtigkeit des Allmächtigen lesen.« Hätte Nelson nicht schon vorher den Charakter des Feindes, dem er gegenüberstand, genau gekannt, so wäre er ihm durch dessen Benehmen in Aegypten klar geworden. Nach der Nilschlacht hatte er alle seine Gefangene an's Land gesetzt, in Folge eines zwischen Trowbridge und Kapitän Barré geschlossenen feierlichen Vertrags, daß keiner derselben vor seiner förmlichen Auslösung dienen sollte. Aber kaum waren sie am Ufer, als ein Theil von ihnen in die verschiedenen Regimenter eingereiht und die Uebrigen zu einem Korps, die Seelegion genannt, vereinigt wurden. Dies veranlaßte Kapitän Hallowell zu der Aeußerung, daß die Franzosen sich bei uns alles Anspruchs auf Achtung verlustig gemacht haben. »Der Armee Bonaparte's,« sagte er, »fehlt es gänzlich an jedem Grundsatze der Ehre: sie haben sich stets wie freche Diebe benommen.« Bonaparte's Entkommen wurde von Nelson um so mehr bedauert, weil es, wenn er hinreichende Streitkräfte gehabt hätte, nach seiner Ansicht sicher verhindert worden wäre. Er hatte Schiffe auf der Wache zu haben gewünscht, welche Alles, was von Aegypten gekommen wäre, hätten auffangen sollen; allein die Admiralität rechnete auf den Beistand der russischen Flotte, die nicht erschien, als sie am meisten nöthig war. Die Schiffe, welche hätten dazu verwendet werden sollen, wurden damals zu dringenderen Diensten erfordert, und so gelang es dem blutigen Korsen, sicher Europa zu erreichen, um hier das schuldige Werkzeug einer sich weiter verbreitenden Zerstörung zu werden, als je vorher die Welt mit einer heimgesucht worden war.

Auch noch andere Ursachen zum Mißvergnügen hatte Nelson. Graf St. Vincent, gegen den er eine so tiefe Ehrfurcht fühlte, und welcher von Sir John Orde zum Zweikampfe gefordert worden war, weil er statt des Letzteren Nelson zum Kommandanten des Nilgeschwaders ernannt hatte, machte als Oberbefehlshaber, nachdem er die Station verlassen hatte, Anspruch auf Beutegeld. Der Punkt wurde bestritten und gegen ihn entschieden. Dies verletzte Nelson vielleicht um so mehr, weil seine eigene Ansicht in Beziehung auf das Geld eine so ganz andere war. Dr. Lawrence hatte ein Gutachten gestellt, das die jüngeren Flaggenoffiziere vom Antheile an dem Beutegelde ausgeschlossen hätte. Als ihm dies zu Ohren kam, war seine Antwort: »Trotz Dr. Lawrence's Gutachten halte ich mich nicht für berechtigt, die jüngern Flaggenoffiziere auszuschließen, und wäre ich es auch, so wünsche ich doch, daß keine solche Anforderung gemacht werden möge, – nein, nicht, wenn es sechzigmal so viel wäre, – und so arm ich bin, ich ertrüge es nie, Beutegeld zu sehen.«

Da kein Schiff entbehrt werden konnte, um ihn nach England zu führen, so reiste er über Deutschland nach Hamburg, in Gesellschaft seiner unzertrennlichen Freunde, Sir William und Lady Hamilton. Die Königin von Neapel reiste mit ihnen bis Wien. Als sie in Livorno waren, und hier die Nachricht von der Annäherung der Franzosen einlief (denn durch die Fehler der Kabinette hatten sie ihre Gewalt in Italien wieder erlangt), erhob sich das Volk stürmisch und hätte Nelson gerne überredet, es gegen den Feind zu führen. Oeffentliche Ehrenbezeigungen und andere noch wohlthuendere Beweise allgemeiner Bewunderung erwarteten Nelson überall, wohin er kam. Der Fürst Esterhazy bewirthete ihn mit ungarischer Pracht: 100 sechs Fuß hohe Grenadiere waren beständig bei der Tafel aufgestellt. In Magdeburg ersann der Besitzer des Hotels, worin er wohnte, ein Mittel, ihn für Geld zu zeigen, indem er die Neugierigen auf eine Leiter steigen und durch ein kleines Fenster zu ihm hineinsehen ließ.

Ein Weinhändler zu Hamburg, ein über 70 Jahre alter Greis, erbat sich eine Audienz bei Lady Hamilton und sagte ihr, er habe einigen Rheinwein vom Jahre 1625, der bereits über ein halbes Jahrhundert in seinem Besitze sey; er habe ihn für eine außerordentliche Gelegenheit aufbewahrt, das aber, was jetzt geschehen sey, übertreffe weit Alles, was er je habe erwarten können. Seine Bitte sey, daß die Lady Lord Nelson bewegen möchte, sechs Dutzend Flaschen seines unvergleichlichen Weines anzunehmen; ein Theil davon würde dann die Ehre haben, in das Herzblut dieses unsterblichen Helden überzugehen, und dieser Gedanke würde ihn für den ganzen Rest seines Lebens glücklich machen. Als Nelson von dieser ungewöhnlichen Bitte hörte, kam er in das Zimmer, und den würdigen alten Mann gütig bei der Hand nehmend, willigte er ein, sechs Flaschen anzunehmen, unter der Bedingung, daß der Geber am folgenden Tage mit ihm speisen würde. Es wurden zwölf geschickt, und die Hoffnung äußernd, noch ein halbes Dutzend größere Siege zu gewinnen, versprach Nelson, sechs Flaschen von dem Weine seines Hamburger Freundes aufzubewahren, und nach jedem eine zu trinken. Ein deutscher zwischen siebenzig und achtzig Jahre alter Pfarrer reiste mit der Bibel seiner Pfarrkirche vierzig Meilen weit, um Nelson zu bitten, daß er seinen Namen auf das erste Blatt derselben schriebe. Er nannte ihn den Retter der christlichen Welt. Der alte Mann täuschte sich in seiner Hoffnung. Es war kein Nelson mehr an der Küste zu finden, sonst wäre Europa gerettet worden; aber bei seinem Hinausblicke auf die Schrecken, womit ganz Deutschland und die ganze Christenheit von Frankreich bedroht wurden, konnte der Pfarrer unmöglich mehr befürchten, als wirklich eintraf.


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