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Achtes Kapitel.

Sir Hyde Parker wird zurückberufen und Nelson zum Oberbefehlshaber ernannt. – Er segelt nach Reval. – Bereinigung der baltischen Angelegenheiten. – Verunglückter Angriff auf die Flotille vor Boulogne. – Der Friede von Amiens. – Nelson übernimmt bei der Erneuerung des Kriegs das Kommando auf dem mittelländischen Meere. – Flucht der Touloner Flotte. – Nelson jagt sie nach Westindien und wieder zurück, gibt sein Geschwader an Admiral Cornwallis ab und landet in England.

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Als Nelson dem Grafen St. Vincent die Abschließung des Waffenstillstands meldete, äußerte er zugleich gegen ihn ohne Rückhalt sein Mißvergnügen über das zögernde und unentschiedene Verfahren, das er mit ansehen müsse und nicht ändern könne. »Nur die,« schrieb er, »welche an Ort und Stelle sind, können wissen, was ich durchgemacht habe und noch leide. Ich behaupte ohne Bedenken, daß ich schon vor vierzehn Tagen in Reval gewesen, daß ohne diesen Waffenstillstand die Flotte nie dahin abgegangen wäre, ausgenommen in Folge eines besondern Befehls der Admiralität, und auch unter den jetzigen Umständen werden wir sicher diese Woche noch nicht absegeln. Ich bat Sir Hyde, wenigstens mich gehen und vor Carlscrona kreuzen zu lassen, damit die Schiffe zu Reval nicht in diese Stadt eindrängen. Ich sezte bei, daß ich nicht nach Reval segeln würde, um einen der Lorbeeren wegzunehmen, welchen er dort sicher gewänne. Helfen Sie mir, mein theurer Lord, und wenn ich gut gedient habe, so lassen Sie mich zurückkehren, wenn aber übel, so setzen Sie mich um des Himmels Willen ab, denn ich kann es in dieser Lage nicht mehr aushalten.«

Anstrengung, fortwährender Verdruß und ein Klima, das sich für eine empfindliche Konstitution wenig eignete, welche seit vielen Jahren an höhere Breiten gewöhnt war, machten, daß er um diese Zeit ernstlich an die Rückkehr nach Hause dachte. »Wenn die nordische Sache nicht bereinigt wäre,« äußerte er, »so müßten sie mehr Admiräle senden; denn die scharfe Luft des Nordens sey ihm bis zum Herzen durchgedrungen.« Aber noch schärfer fühlte er den Mangel an Thätigkeit und Entschlossenheit an dem Admirale, und dieß griff seinen Geist und daher auch seine Gesundheit mehr an, als die Unfreundlichkeit der Ostsee. Bald nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes wandte sich Sir Hyde mit solchen Schiffen, welche zum Dienste fähig waren, gegen Osten, mit den leicht beschädigten sollte Nelson folgen, sobald sie wieder hergestellt wären, die andern aber sollten nach England geschickt werden. Bei der Durchfahrt zwischen den Inseln Amak und Saltholm liefen die meisten Schiffe auf den Grund, und einige derselben blieben eine Zeitlang fest sitzen; jedoch erfuhr keines eine bedeutende Beschädigung. Sir Hyde hatte im Sinne, zuerst gegen die Russen zu agiren, ehe der Eisgang sie in den Stand setzen würde, Reval zu verlassen; aber als er unterwegs erfuhr, daß die Schweden in die See gestochen seyen, um eine Vereinigung mit ihnen zu bewerkstelligen, so änderte er seine Richtung, in der Hoffnung, diesen Theil der feindlichen Streitkräfte aufzufangen.

Nelson hatte jezt seine Schiffe zur Nothdurft wieder ausgebessert und schickte sich am 18ten an, der Flotte zu folgen. Der St. George ging zu tief im Wasser, als daß er, ohne erleichtert zu werden, den Kanal zwischen den Inseln hätte passiren können; daher wurden die Kanonen herausgenommen und an Bord eines amerikanischen Fahrzeuges gebracht. Jedoch hinderte Nelson ein widriger Wind am Ankerlichten, als an demselben Abende, wo er so aufgehalten wurde, die Nachricht von der Stellung der schwedischen und brittischen Flotte und der Wahrscheinlichkeit einer Schlacht ankam. Nahe an 10 Leagues war die Flotte entfernt, und Wind und Strömung war ihm entgegen; aber unter solchen Umständen war es Nelson unmöglich, auf günstige Witterung zu warten. Er rief sogleich nach seinem Boote und bestieg es. Die Nacht brach herein, eine der kalten Frühlingsnächte des Nordens, – und man entdeckte bald nach Verlassung des Schiffes, daß man in der Eile vergessen hatte, einen Bootmantel für Nelson mitzunehmen. Er duldete es jedoch nicht, daß man deßwegen zurückkehrte, und, als einer seiner Gefährten ihm seinen eigenen darbot und in ihn drang, sich desselben zu bedienen, so erwiederte er: »Ich danke Ihnen sehr, aber, um die Wahrheit zu sagen, meine Unruhe hält mich warm genug.«

»Denken Sie,« sagte er gleich darauf, »daß unsere Flotte Bornholm wohl verlassen hat? Ist das der Fall, so müssen wir ihr nach Carlscrona folgen.« Um Mitternacht erreichte er sie und stieg wieder an Bord des Elephanten. Am folgenden Morgen wurden die Schweden sichtbar, aber sobald sie die Engländer sich nähern sahen, zogen sie sich zurück und suchten in Carlscrona hinter den Batterien der Insel, am Eingange des Hafens, Schutz. Sir Hyde sandte ihnen eine Waffenstillstandsflagge mit der Bemerkung zu, daß Dänemark einen Waffenstillstand geschlossen habe, und verlangte eine unumwundene Erklärung von dem schwedischen Hofe, ob derselbe die feindseligen Maßregeln, welche er gegen die Rechte und Interessen Großbrittanniens ergriffen habe, beibehalten oder aufgeben wolle? Der Befehlshaber, Viceadmiral Cronstadt, entgegnete, daß er eine Frage, welche außerhalb des besonderen Bereiches seines Dienstes liege, nicht beantworten könne, daß aber der König gegenwärtig in Malmö sich befinde und in Kurzem nach Carlscrona kommen werde.« Gustav langte bald darauf an, und Sir Hyde bekam eine Antwort des Inhalts: daß Seine schwedische Majestät keinen Augenblick ermangeln würde, die gegen Ihre Verbündete eingegangenen Verpflichtungen treu und redlich zu erfüllen; doch würde Sie sich nicht weigern, angemessene Vorschläge von Abgesandten anzuhören, welche der König von Großbrittannien mit angemessener Vollmacht für die vereinigten nordischen Mächte versehen hätte. Mit dieser Antwort und der Stimmung des schwedischen Hofes zufrieden, segelte Sir Hyde nach dem finnischen Meerbusen, aber er war noch nicht weit gekommen, als ein Boot von dem russischen Gesandten zu Kopenhagen ankam, das die Nachricht von dem Tode des Kaisers Paul brachte, so wie die, daß dessen Nachfolger, Alexander, das von England seinem Vater gemachte Anerbieten, den Streit durch eine Uebereinkunft zu endigen, angenommen habe. Der brittische Admiral wurde daher ersucht, von allen weiteren Feindseligkeiten abzustehen.

Es war Nelsons Grundsatz, daß zu einer wirksamen Unterhandlung schlagfertige Streitkräfte zur Hand seyn müssen. Von England aus wieder verstärkt, belief sich die Flotte auf achtzehn Linienschiffe, und ein günstiger Wind wehte gegen Reval hin. Er rieth daher, sogleich dahin abzusegeln, um zwischen dieser Division der russischen Flotte und dem Geschwader bei Cronstadt für den Fall, daß das Benehmen des Feindes sich als unredlich erweisen würde, eine angemessene Stellung einzunehmen. Sir Hyde dagegen meinte, der Tod Pauls habe Alles bewirkt, was nothwendig gewesen sey. Freilich zeigte die Art seines Todes augenscheinlich, daß in dem Kabinette von Petersburg ein Wechsel der Politik stattfinden würde; aber Nelson überließ nie etwas dem ungewissen Werke der Zeit, was möglicherweise durch Schnelligkeit oder Entschlossenheit sicher gestellt werden konnte. Daher sah er nicht ohne großen Aerger den Oberadmiral nach der Küste von Seeland zurückkehren und in der Kiöge Bai Anker werfen, um daselbst geduldig zu warten, was geschehen würde. Hier blieb die Flotte, bis am 5. Mai Depeschen aus der Heimath ankamen, welche Sir Hyde zurückberiefen und Nelson zum Oberadmiral ernannten.

Nelson hatte, als er schon vorher davon hörte, dem Grafen St. Vincent geschrieben, er sey nicht im Stande, diesen ehrenvollen Posten auszufüllen. Auch Admiral Graves befand sich so übel, daß er das Bett hüten mußte, und der erstere bat daher, daß ein anderer kommen und das Kommando übernehmen möchte. »Ich will,« schrieb er, »mich bemühen, mein Möglichstes zu thun, während ich noch hier bleibe; aber, mein theurer Lord, ich werde entweder bald in den Himmel gehen, hoffe ich, oder ich muß eine Zeit lang Ruhe haben. Wäre Sir Hyde fort, so würde ich jetzt unter Segel seyn.« An demselben Tage, wo er dieses schrieb, erhielt er die Nachricht von seiner wirklichen Ernennung. Jetzt wurde kein Augenblick verloren. Sein erstes Signal als Oberadmiral war, die Vorbereitungen zum Ankerlichten zu treffen, und am 7ten segelte er von Kiöge ab. Einen Theil seiner Flotte ließ er bei Bornholm zur Bewachung der Schweden, von denen er die Zusicherung verlangte und erhielt, daß der brittische Handel in dem Kattegat und der Ostsee nicht gestört werden sollte. Zugleich bemerkte er zwar, wie unangenehm es ihm wäre, wenn sich etwas ereignete, was das wiederkehrende gute Vernehmen zwischen Schweden und Großbrittannien auf einen Augenblick stören könnte, erklärte aber dabei, daß er nicht beauftragt sey, sich der Feindseligkeiten zu enthalten, wenn er mit der schwedischen Flotte auf der See zusammenträfe. Mittlerweile segelte er selbst mit zehn Linienschiffen, zwei Fregatten, einer Brigg und einem Schooner nach dem finnischen Meerbusen. Paul hatte in einer seiner tyrannischen Launen alles brittische Eigenthum in Rußland confisciren lassen, sogar brittische Unterthanen als seine Gefangenen behandelt. »Ich will alle englischen Schiffe und Effekten herausbekommen,« äußerte Nelson; »aber ich will es nicht mit Gewalt thun; ich mag weder mein Vaterland blosstellen, noch werde ich dulden, daß Rußland durch die Vorenthaltung unserer Schiffe sich in die Angelegenheiten Dänemarks und Schwedens mische.« Der Wind war gut und brachte ihn in vier Tagen auf die Rhede von Reval. Aber das Eis war am 29. April, während die Engländer müßig vor Kiöge lagen, in dem Meerbusen gebrochen. Die Russen hatten hierauf das sechs Fuß dicke Eis innerhalb des Dammes durchstochen, und ihr ganzes Geschwader war am 3. Mai nach Cronstadt abgesegelt. Bis dahin war es ganz der Gnade der Engländer anheimgestellt gewesen. »Nichts hätte,« schrieb Nelson, »wenn es recht gewesen wäre, einen Angriff darauf zu machen, zwei Stunden nach unserem Eindringen in den Meerbusen auch nur ein einziges Schiff dieses Geschwaders zu retten vermögen.«

In Betracht dieser hier von Nelson angedeuteten Rücksicht hatte man auch keine Ursache, die verlorene Gelegenheit zu bedauern, und Nelson stellte sogleich die Absichten Rußlands auf die Probe. Er sandte an's Ufer und ließ sagen, daß er im Frieden komme und einen Schiffsgruß zu erwiedern bereit sey. Aber von russischer Seite ließ sich kein solcher vernehmen, bis Nelson nach dem Grunde fragen ließ, worauf der Offizier, dessen Nachlässigkeit die Zögerung veranlaßt hatte, in Arrest gebracht wurde. Nelson schrieb an den Kaiser und erbot sich, ihm persönlich aufzuwarten und zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen; zugleich drang er auf ungesäumte Befreiung der brittischen Unterthanen und Zurückgabe des brittischen Eigenthums.

Die Antwort kam am 16ten an. Nelson hatte indessen mit dem Gouverneur Besuche gewechselt, und der freundlichste Verkehr war zwischen den Schiffen und der Küste eingetreten. Die Minister Alexanders drückten in der Antwort ihr Erstaunen über das Erscheinen einer brittischen Flotte in einem russischen Hafen und den Wunsch aus, daß dieselbe zurückkehre; zugleich erklärten sie, daß Rußland die freundlichsten Gesinnungen gegen Großbrittannien hege, lehnten aber den persönlichen Besuch Lord Nelson's ab, außer wenn er mit einem einzigen Schiff käme. Dadurch wurde ein Verdacht geäußert, der Nelson verlezte, und er bemerkte, die russischen Minister hätten nie so geschrieben, wenn ihre Flotte noch vor Reval gelegen wäre. Er schrieb sogleich einen Gegenbrief, worin er seine Empfindung ausdrückte und dem Hofe von Petersburg erklärte, »daß das Wort eines brittischen Admirals eben so heilig sey, als das eines europäischen Souveräns.« Und er wiederholte, »daß es unter anderen Umständen sein sehnlicher Wunsch gewesen wäre, dem Kaiser persönlich seine Achtung zu bezeugen und mit eigener Hand den Vertrag, der das freundschaftliche Verhältniß zwischen den beiden Ländern herstelle, zu unterzeichnen.« Nach Abfertigung dieses Schreibens stach er ohne Verzug in die See, indem er eine Brigg zurückließ, welche die Vorräthe, über die er unterhandelt hatte, einzunehmen und die Rechnungen in's Reine zu bringen beauftragt war. »Ich hoffe, es wird Alles recht seyn,« schrieb er an den englischen Gesandten in Berlin; »aber Seeleute sind nur schlechte Unterhändler, denn wir machen in fünf Minuten ab, wozu Diplomaten fünf Monate brauchen.«

Auf seinem Wege die Ostsee hinab traf Nelson den russischen Admiral Tschitschagoff, den der Kaiser auf Sir Hyde's Eröffnungen hin abgesandt hatte, um mit dem brittischen Oberadmirale persönlich sich zu verständigen. Die Antwort war so, wie man sie gewünscht und erwartet hatte, und nach Seemannsart gerade auf ihr Ziel losgehend, versicherten diese Unterhändler einander von den freundschaftlichen Gesinnungen ihrer Regierungen. Nelson legte sich hierauf bei Rostock vor Anker, und hier erhielt er auf seine lezte Depesche, die er von Reval aus abgeschickt hatte, eine Antwort, worin der russische Hof sein Bedauern ausdrückte, wenn ein Mißverständniß zwischen ihnen vorgefallen seyn sollte, ihn benachrichtigte, daß die brittischen Fahrzeuge, auf welche Paul Beschlag gelegt hatte, in Freiheit gesetzt seyen, und ihn einlud, nach Petersburg zu kommen, auf welche Weise es ihm am angenehmsten seyn möchte. Und noch andere Ehren warteten seiner: der Herzog von Mecklenburg-Strelitz, der Bruder der Königin, kam an Bord seines Schiffes, um ihn zu besuchen, und aus dem Innern Mecklenburgs schickten Städte Deputationen mit ihren öffentlichen Gedenkbüchern, um den Namen Nelsons, von seiner eigenen Hand geschrieben, in dieselben zu bekommen.

Von Rostock kehrte die Flotte nach der Kiöge Bai zurück. Nelson sah, daß die Stimmung der Dänen gegen England von der Art war, wie es nach der Züchtigung, die sie erst vor so Kurzem erhalten hatten, nicht anders zu erwarten war. »In dieser Nation,« äußerte er, »wird man es uns nicht vergeben, daß wir die Oberhand über sie haben; ich danke nur Gott, daß wir sie haben, sonst würden sie versuchen, uns in den Staub zu treten.« Auch erkannte er, daß das dänische Kabinet völlig im Dienste Frankreichs stand: ein französischer Offizier war damals der Begleiter und Rathgeber des Kronprinzen, und der Waffenstillstand wurde so ungescheut verlezt, daß Nelson der Ansicht war, bald werde eine zweite Züchtigung nöthig seyn. Er schrieb an die Admiralität und begehrte eine klare und unumwundene Antwort auf die Frage, ob es dem Oberbefehlshaber gestattet sey, die einem brittischen Admirale geziemende Sprache zu führen? »was höchst wahrscheinlich,« sezte er bei, »wenn ich noch hier bin, dem Waffenstillstande ein Ende machen und Kopenhagen in Flammen sezen wird. – Alles, was niedrig und verächtlich heißt, sehe ich vorgehen. Schiffe sind bemastet, Kanonen an Bord gebracht, schwimmende Batterien zugerüstet, und mit Ausnahme völliger Auftackelung ihrer Fahrzeuge ist Alles zur Verhöhnung des Vertrags gethan worden. Das Herz dreht sich mir im Leibe um, wenn ich das Wort eines unserem guten Könige nahe verwandten Prinzen so gebrochen sehe; aber sein Benehmen ist von der Art, daß er sein Königreich verlieren wird, wenn er so fortfährt; denn die Jakobiner herrschen in Dänemark. Doch habe ich bis jetzt noch keine Vorstellungen gemacht, da dieß nutzlos wäre, so lange ich die Vollmacht zur Züchtigung nicht in den Händen habe. Alles, um was ich im Namen des künftigen Oberadmirals bitte, ist, daß entschiedene Ordres gegeben werden möchten; denn es ist genug geschehen, um, wenn es nöthig wäre, zwanzig Verträge zu brechen und den Kronprinzen gegenüber dem brittischen Edelmuthe schamroth zu machen.«

Nelson täuschte sich in seinem Urtheile über das dänische Kabinet nicht, aber die Schlacht von Kopenhagen hatte dessen Macht gelähmt. Durch den Tod des Czars Paul war die Conföderation zerrissen worden, und dieses Kabinet sah sich daher genöthigt, die Aeußerung seiner feindseligen Gesinnungen gegen Großbrittannien auf eine günstigere Zeit zu verschieben. Bald nachher erschien der Admiral Sir Charles Maurice Pole, um das Kommando zu übernehmen. Die dänische Sache war damals in militärischer und politischer Beziehung soweit bereinigt, daß die Gegenwart der brittischen Flotte bald nicht mehr nöthig wurde. Sir Charles machte jedoch die kurze Zeit seines Kommando's dadurch merkwürdig, daß er den großen Belt zum ersten Male mit Linienschiffen durchsegelte, indem er sich im Kampfe mit widrigen Winden durch den Kanal Bahn brach. Als Nelson die Flotte verließ, war diese schnelle Beendigung der Expedition, obgleich man sie zuversichtlich erwartete, doch noch nicht gewiß, und, um die brittischen Streitkräfte nicht zu schwächen, kam er auf den Gedanken, blos mit seinem Boote auf dem Kanale Jütland bis Tönningen an der Eider zu durchschneiden und von da nach Hause zurückzukehren. Dieser Plan kam nun zwar nicht zur Ausführung; aber doch kehrte er nur in einer Brigg zurück, indem er es ablehnte, eine Fregatte anzunehmen, was wenige Admiräle gethan haben würden, besonders wenn sie, wie er, in einem kleinen Fahrzeuge an der Seekrankheit gelitten hätten. Bei seiner Ankunft zu Yarmouth war sein Erstes, das Spital zu besuchen und nach den Leuten zu sehen, welche in der lezten Schlacht verwundet worden waren – bei jenem Siege, der den Namen Nelsons mit neuem Ruhme gekrönt hatte und für die Ehre, Macht und Sicherheit Englands sogar noch wichtiger als die Nilschlacht war.

Er befand sich erst wenige Wochen wieder im Vaterlande, als er zu einem Dienste berufen wurde, zu dem kein Nelson nöthig war. Bonaparte, der jezt erster Consul und der That nach Alleinherrscher von Frankreich war, machte große Rüstungen zu einem Angriffe auf England; allein seine Plane auf der Ostsee waren vereitelt worden; Flotten konnten nicht geschaffen werden, wie man sie brauchte, und seine Armee sollte daher auf Kanonenbooten und solchen kleinen Fahrzeugen, welche schnell erbaut oder zusammengebracht werden könnten, übergesezt werden. Bei den früheren Regierungen Frankreichs waren solche Drohungen nur aus Hohn oder Politik hervorgegangen; Bonaparte aber waren sie ernst: denn, berauscht von seinem Glücke, begann sich dieser Abenteurer bereits einzubilden, daß seiner Willkühr Alles zu Gebote stehe. Wir hatten damals noch nicht die Ueberlegenheit unserer Krieger über die Franzosen erprobt, und die gedankenlose Menge war nicht zu überzeugen, daß ein Angriff auf England nur mit zahlreichen und mächtigen Flotten bewerkstelligt werden könnte. Daher entstand ein allgemeiner Allarm, und dieser unwürdigen Aengstlichkeit zu Gefallen wurde Nelson ein von Orfordneß bis Beachey Head auf beide Küsten sich erstreckendes Kommando übergeben; eine Art von Dienst, für die er, wie er sich äußerte, keine andere Fähigkeit in sich fühlte, als seinen Willen, zu dienen.

Doch übernahm er diesen Posten mit seinem gewohnten Eifer, und nachdem er seine Flagge auf der Fregatte Medusa aufgepflanzt hatte, stach er in die See, um Boulogne zu recognosciren, den Punkt, von dem aus der große Angriff erwartet wurde, und welchen die Franzosen aus Furcht, selbst angegriffen zu werden, mit aller Sorgfalt befestigten. Er kam nahe genug, um zwei ihrer schwimmenden Batterien zu versenken und einige Kanonenboote zu zerstören, außerhalb des Hafendammes; welcher Schaden innerhalb des letztern angerichtet wurde, konnte nicht sicher erfahren werden. »Boulogne« sagte er, »war diesen Morgen gewiß kein besonders angenehmer Ort; allein,« sezte er hinzu, »es ist nicht meine Absicht, den armen Einwohnern Leid zuzufügen, und die Stadt wird so sehr geschont, als die Natur des Dienstes es nur zuläßt.« Hiemit war genug geschehen, um dem Feinde zu zeigen, daß er seine Häfen nicht ungestraft verlassen könne. Nelson überzeugte sich durch das, was er sah, daß sie im Sinne hätten, von diesem Orte aus einen Angriff zu machen, aber, daß dieß unausführbar sey; denn erhob sich der schwächste West-Nord-West-Wind, so waren sie verloren. Bessere Punkte waren die Häfen von Bliessingen und in Flandern: hier konnten wir nicht Augenzeugen davon seyn, welche Transportmittel zugerichtet wurden. Sollte daher die Expedition überhaupt zu Stande kommen, so mußte sie von dort ausgehen. »Und was für ein vergebliches Unternehmen ist es,« äußerte Nelson, »wenn man die ungünstige Zeit etc. bedenkt. Den Weg mit Rudern zurückzulegen, ist eine Unmöglichkeit. Es ist vollkommen gut, gegen eine wahnsinnige Regierung gerüstet zu seyn, aber bei den aktiven Streitkräften, welche mir übergeben worden sind, kann ich ihren Plan beinahe unausführbar nennen.«

Diese Streitkräfte waren mit einer Schnelligkeit zusammengebracht worden, welche selten ihres gleichen gefunden hat. Am 28. Juli legten wir, nach Nelson's eigenem Ausdrucke, den Grund zu unserem Vertheidigungssysteme, und zwölf Tage nachher lagen wir schon so gerüstet an der feindlichen Küste, daß jener glaubte, die Franzosen werden sich nicht drei Meilen weit aus ihren Häfen herauswagen. An unsere Küste zurückkehrend, legte sich die Medusa auf dem rollenden Grunde bei Harwich vor Anker, und als sich Nelson auf derselben nach dem Nore begeben wollte, machte der Wind es unmöglich, auf dem gewöhnlichen Kanale dahin zu schiffen. Von dem Wunsche getrieben, auf dem Nore zu seyn, sich dabei erinnernd, daß er in seinen jüngeren Jahren ein erträglicher Lootse an der Mündung der Themse gewesen sey, und es für nöthig haltend, Alles zu wissen, was von der Schifffahrt erlernt werden könnte, bat er den Küstenaufseher Mr. Spence, ihn auf irgend einem Kanale nach dem Swin zu bringen; denn weder die Lootsen, welche er an Bord hatte, noch die in Harwich wollten sich für das Schiff verantwortlich machen. Kein Fahrzeug, das über vierzehn Fuß tief im Wasser ging, hatte sich je zuvor über den Naze gewagt. Mr. Spence jedoch, der den Kanal genau untersucht hatte, führte es glücklich hindurch. Seitdem ist der leztere der Nelsonskanal genannt worden, obgleich dieser selbst ihn nach der Medusa genannt wissen wollte: sein Name bedurfte keines neuen Denkmals.

Nelson's Auge war auf Vliessingen gerichtet. »Die Eroberung dieses Platzes,« sagte er, »wäre für 4000 bis 5000 Mann das Werk einer Woche.« Allein dazu war eine Berathung mit der Admiralität nöthig, und damit indessen etwas gethan würde, beschloß er, die Flotille am Eingange des Boulogner Hafens anzugreifen, wobei er jedoch gestand, daß dieser Bootkrieg mit seinem Geschmacke nicht ganz übereinstimme. Gegen Helvoetsluys oder Vliessingen würde er mit Vergnügen segeln, wenn die Regierung ihre Gedanken dahin richtete. »So lange ich diene,« sagte er, »will ich es mit Eifer und nach meinen besten Kräften thun. Ich brauche Nahrung wie ein Kind,« sezte er hinzu, »mein Geist führt mich über meine Kraft hinaus und wird mich zu Grunde richten; aber so ist einmal meine Natur.«

Der Angriff wurde von den Booten des Geschwaders in fünf Abtheilungen unter den Kapitäns Somerville, Parker, Cotgrave, Jones und Conn gemacht. Der frühere Versuch hatte den Franzosen die schwachen Seiten ihrer Stellung gezeigt, und sie hatten kein Mittel zur Befestigung derselben und zur Vorbereitung auf den Angriff versäumt. Die Boote sezten sich etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht in Bewegung; aber in Folge der Dunkelheit, und weil an der Küste die Fluth mehrere Stunden bälder eintritt, als auf der hohen See, was nächtliche Unternehmungen an den Küsten des Kanals stets so unsicher machen muß, verloren die Abtheilungen einander. Eine konnte ihr Ziel gar nicht erreichen, eine andere erst kurz vor Tagesanbruch, die übrigen bewerkstelligten den Angriff mit Muth und Tapferkeit; aber der Feind war völlig vorbereitet: von den Seiten jedes Fahrzeuges sprangen lange mit eisernen Spitzen versehene Stangen hervor; an ihre unteren Raa's waren starke Seile gebunden; sie lagen mit dem Kiele an der Küste und eines an das andere gekettet vor Anker; auch waren sie stark mit Soldaten bemannt und durch Landbatterien gedeckt, und das Ufer war mit Truppen besezt. Viele wurden erobert, und obgleich sie nicht hätten weggebracht werden können, so wären sie doch verbrannt worden, hätten nicht die Franzosen zu einem Vertheidigungsmittel ihre Zuflucht genommen, das sie oft angewandt haben, zu dessen Gebrauche aber kein anderes Volk je schändlich genug gewesen ist. Sobald nämlich das Feuer an Bord eines ihrer Fahrzeuge aufhörte, feuerten sie, völlig unbekümmert um das Schicksal ihrer eigenen Leute, von der Küste aus auf dasselbe.

Der Kommandant einer französischen Abtheilung handelte als edelmüthiger Feind. Er rief die Boote, wie sie sich näherten, durch das Sprachrohr an, und sagte in englischer Sprache: »Laßt mich euch rathen, brave Engländer, in eurer Entfernung zu bleiben: ihr könnet hier nichts ausrichten, und einen Angriff versuchen, heißt nur das Blut tapferer Männer nutzlos vergießen.« Der französische offizielle Bericht rühmte sich des Sieges. »Der Kampf,« hieß es, »fand im Angesichte beider Länder statt; es war der erste dieser Art, und der Geschichtschreiber wird Ursache haben, diese Bemerkung nicht zu übergehen.« Sie gaben unsern Verlust zu 400 bis 500 Leuten an; – er betrug 172. In seinen Privatbriefen an die Admiralität versicherte Nelson, daß, wären alle unsere Boote an den ihnen angewiesenen Posten angelangt, alle Ketten in Frankreich unsere Leute nicht hätten verhindern können, die ganze Masse der französischen Fahrzeuge los zu bekommen. Kein Irrthum war dem Beschlusse des Angriffes zu Grunde gelegen, und nie entfalteten Engländer eine größere Tapferkeit. Hierüber war Nelson auch vollkommen beruhigt; aber er sagte, er werde es nie mehr über sich bringen können, einen Angriff zu gestatten, an dem er nicht persönlichen Antheil nähme, und er leide mehr, als wenn ihm bei der Affaire ein Bein abgeschossen worden wäre. Er bekümmerte sich besonders wegen des Kapitäns Parker, eines ausgezeichneten Offiziers, den er sehr liebte, und welcher einen alten Vater hatte, der sich auf seine Unterstützung verließ. Ein Schenkel wurde ihm in der Schlacht zerschmettert, und nach einigen Wochen des Leidens und männlicher Ergebung erwies sich die Wunde als tödtlich. Während dieses Zwischenraums war Nelson's Bangigkeit sehr groß. »Der liebe Parker ist mein Kind,« sagte er, »denn ich fand ihn in Noth.« Und als er die Nachricht von seinem Tode erhielt, erwiederte er: »Sie können meine Gefühle ermessen, aber Gottes Wille geschehe! Ich bitte, daß man sein Haar abschneide und mir gebe; es soll mit mir begraben werden. Der arme Mr. Parker, was für einen Sohn hat er verloren! Wenn ich sagen wollte, ich sey beruhigt, so würde ich lügen; aber ich werde mich bemühen, mit allem Muthe, der in meiner Macht steht, mich zu unterwerfen. Sein Verlust hat meinem Herzen eine Wunde geschlagen, welche die Zeit schwerlich heilen wird.«

Er wünschte nun, von seinem Posten abgelöst zu werden. Das Vaterland, sagte er, habe seinem Namen ein Vertrauen geschenkt, welchem er sich gefügt, und in Rücksicht auf das er den Posten freudig übernommen habe; aber dieser Bootdienst könne, obgleich er ein Theil eines großen Angriffsplanes seyn möge, nie der einzige seyn, und er glaube nicht, daß er ein Kommando für einen Viceadmiral sey. Nicht als ob er eine einträglichere Stelle gesucht hätte, denn ernstlich unpäßlich und niedergeschlagen, wie er war, dachte er nicht daran, daß er, wenn das mittelländische Meer vakant würde, im Stande seyn könnte, diesen Posten auszufüllen. Gerade um diese Zeit wurde der Friede von Amiens unterzeichnet. Nelson freute sich darüber, daß der Versuch gemacht war, wußte aber wohl, daß es nur ein Versuch sey: er sah, wie er es nannte, das Elend des Friedens, das sich nothwendig ergeben mußte, wenn nicht die äußerste Wachsamkeit und Klugheit beobachtet wurde, und er drückte in bitteren Ausdrücken seinen besonderen Unwillen über die Art und Weise aus, wie der Londoner Pöbel den französischen General, der die Ratification überbrachte, bewillkommte, indem er sagte, daß sie ihn hätten über sein Vaterland erröthen machen.«

Er hatte zu Merton in der Grafschaft Surrey ein Haus und Gut gekauft, in der Absicht, hier seine Tage in der Gesellschaft Sir Williams und Lady Hamiltons zuzubringen. Diesen Ort hatte er nie vorher gesehen, bis er jezt von den Freunden, an denen er so leidenschaftlich hing, und welche ihrerseits ihm nicht weniger aufrichtig ergeben waren, daselbst empfangen wurde. Der Ort selbst und Alles, was Lady Hamilton zur Verschönerung desselben gethan hatte, machte ihm große Freude; und er erklärte, daß, wer von ihnen am längsten leben würde, Alles haben sollte. Die Niedergeschlagenheit, deren Beute er lange gewesen war, war aus der Unruhe entstanden, welche diese Verbindung über ihn gebracht hatte, die sein Vater unmöglich ohne Sorge und Mißvergnügen betrachten konnte. Mr. Nelson überzeugte sich jedoch bald, daß die Vorliebe, welche Lady Nelson mit natürlicher Eifersucht und Empfindlichkeit betrachtet hatte, die Grenzen glühender romantischer Bewunderung in der That nicht überschreite; eine Leidenschaft, welche das Benehmen und die Schönheit Lady Hamiltons, so bezaubernd auch beide waren, doch nicht hätten erregen können, wären sie nicht von noch ungewöhnlicheren Geistesgaben und einem Charakter begleitet gewesen, der in seiner Stärke und seiner Schwäche seinem eigenen so ähnlich war. Es waren daher nicht viele Erklärungen nöthig, um den Vater mit seinem Sohne zu versöhnen; ein für Nelson's Ruhe um so wesentlicheres Ereigniß, weil wenige Monate nachher der gute Alte in einem Alter von 79 Jahren starb.

Bald nach dem Abschlusse des Friedens kamen Nachrichten von der siegreichen Beendigung des ägyptischen Feldzuges an, wofür der Stadtrath der Armee und Marine seinen Dank darbrachte. Als Nelson nach der Schlacht von St. Vincent zu einem von der Stadt gegebenen Feste eingeladen worden war, hatte er gegen den Lordmayor bemerkt, »daß, wenn die Stadt mit ihrer Freigebigkeit so fortfahre, die Marine sie zu Grunde richten würde,« worauf der Lordmayor seine Hand auf die Schulter des Admirals legend erwiederte; »Finden Sie Siege, so werden wir Belohnungen finden!« Nelson hatte, wie er sich äußerte, sein Wort gehalten, – ja er hatte sein Versprechen doppelt erfüllt – aber kein Dank ward ihm für die Schlacht von Kopenhagen, und in dem Bewußtseyn, daß er und seine Theilhaber am Ruhme jenes Tages einen guten und ehrenvollen Anspruch auf diese Belohnung hätten, ergriff er die damalige Gelegenheit, an den Lordmayor einen Brief zu richten, worin er sich über die Ungerechtigkeit dieser Vernachlässigung beklagte. »Die kleinsten Dienste,« schrieb er, »welche die Armee oder Marine dem Vaterlande geleistet hat, sind von der großen Stadt London stets anerkannt worden, mit einer einzigen Ausnahme, – der des glorreichen zweiten Aprils, eines Tages, wodurch die vollendete Geschicklichkeit unserer Befehlshaber und den unerschrockenen Muth einer so tapfern Mannschaft, als je eine die Rechte dieses Landes vertheidigte, die größten Schwierigkeiten der Schifffahrt überwunden und die Streitkräfte der Dänen, welche sie für unbezwinglich hielten, völlig besiegt und zu Boden geschlagen wurden. Wäre ich allein dabei betheiligt, so würde ich das Brandmal, das man jezt zum ersten Male auf meine Stirne zu drücken gesucht hat, in Demuth ertragen. Aber, mein Lord, ich bin der natürliche Beschützer des Rufes der Offiziere der Flotte, der Land- und der Seetruppen, welche an jenem Tage unter meinem Kommando fochten und ihr Blut so reichlich vergossen. Noch einmal sage ich es, ich mache für meine Person auf kein weiteres Verdienst Anspruch, als von selbst einem glücklichen Befehlshaber zufällt; aber wenn ich aufgefordert werde, von den Verdiensten der Kapitäns von Seiner Majestät Schiffen und der Offiziere und Leute, sowohl der Seeleute als der Seetruppen und Landsoldaten, welche ich an jenem Tage zu befehligen das Glück hatte, zu reden, – so sage ich, daß der Ruhm dieses Landes nie mit entschlossenerer Tapferkeit aufrecht erhalten wurde, als damals, und wenn mir erlaubt ist, eine Meinung als Britte auszusprechen, so behaupte ich, daß unserem Könige und Vaterlande nie wichtigere Dienste geleistet worden sind. Es ist meine Pflicht, mein Lord, meinen wackern Genossen der Gefahr zu zeigen, daß ich bei keiner Gelegenheit ermangelt habe, ihre Tapferkeit und ihr verdienstvolles Benehmen nach meinen Kräften darzustellen.«

Noch eine andere Ehre von größerem Belange wurde den Siegern vorenthalten. Der König hatte denjenigen Kapitäns, welche den Schlachten vom 1. Junius, von St. Vincent, von Camperdown und vom Nile beigewohnt hatten, Medaillen gegeben. Hierauf kam die Schlacht von Kopenhagen, welche Nelson mit Recht das schwierigste Werk, die heißeste Schlacht und den glorreichsten Sieg nannte, der je die Annalen unseres Vaterlandes verherrlicht habe. Er erwartete daher die Medaille, und in einem Briefe an den Grafen St. Vincent schrieb er, »er freue sich sehr darauf und würde sie nicht um ein englisches Herzogthum hingeben.« Er erhielt jedoch die Medaille nicht, »aus welchem Grunde,« äußerte Nelson, »weiß Niemand besser, als Lord St. Vincent;« – Worte, denen offenbar der Argwohn zu Grunde liegt, daß ihm die Medaille aus Eifersucht vorenthalten worden sey. Und dieser Argwohn entfremdete ihn für den übrigen Theil seines Lebens einem Manne, der einst sein eben so aufrichtiger als einflußreicher Freund gewesen war, und von dessen Berufstüchtigkeit er stets die höchste Meinung hegte.

Das Glück, das Nelson im Umgange mit seinen auserwählten Freunden genoß, war von keiner langen Dauer. Sir William Hamilton, der bereits von vorgerücktem Alter war, starb am Anfange des Jahres 1803. Er verschied in den Armen seiner Gattin, Nelson an der Hand haltend, und beinahe in seinen lezten Worten empfahl er sie seinem Schutze, indem er ihn bat, dafür zu sorgen, daß ihr von der Regierung Gerechtigkeit geschehe, da er wisse, was sie für ihr Vaterland gethan habe. Er vermachte ihm ihr Bildniß in Email, indem er ihn seinen theuersten Freund und den kräftigsten, biedersten und wackersten Charakter nannte, den er je kennen gelernt habe. Die Testamentsbeilage, welche dieses Vermächtniß enthielt, schloß mit den Worten: »Gott segne ihn, und Schande komme über die, welche nicht das Gleiche wünschen! Amen.« Die 1200 Pfund betragende jährliche Pension Sir Williams hörte mit seinem Tode auf. Nelson wandte sich zum Besten Lady Hamiltons an Mr. Addington, indem er den wichtigen Dienst hervorhob, welchen sie der Flotte zu Syrakus erwiesen hatte; und Mr. Addington, sagt man, erkannte es an, daß sie gerechten Anspruch auf die Dankbarkeit des Vaterlandes habe. Allein diese trockene Anerkennung war Alles, was Nelson auswirkte, dagegen wurde der Lady von diesem eine der Pension, welche ihr Gemahl bezogen hatte, gleiche Summe ausgesezt und, so lange er lebte, in monatlichen Raten bezahlt. Wenige Wochen nach diesem Ereignisse brach der Krieg wieder aus, und am Tage nach Seiner Majestät Mittheilung hievon an das Parlament reiste Nelson ab, um das Kommando der mittelländischen Flotte zu übernehmen.

Er nahm seine Stellung gerade vor Toulon und wartete hier mit unermüdeter Wachsamkeit, bis der Feind herauskäme. Als er so vierzehn Monate zugebracht hatte, bekam er von der Stadt London ein Danksagungsschreiben für seine geschickte und beharrliche Blokirung dieses Hafens, so daß die Franzosen nicht hätten in die See stechen können. Nelson hatte das Unrecht nicht vergessen, das die Stadt der baltischen Flotte angethan hatte, und ließ die Gelegenheit, welche diese Danksagung darbot, nicht vorübergehen, ohne auf jenen Punkt zurückzukommen. »Ich versichere Eure Lordschaft,« schrieb er in seiner Antwort an den Lordmayor, daß kein Mann lebt, der auf den Dank seiner Mitbürger von London einen höheren Werth legte, als ich; aber ich müßte mich eben so beschämt fühlen, ihn für den genannten besondern Dienst zu empfangen, wenn ich nicht das Bewußtseyn hätte, daß unser Dienst ihn in anderer Beziehung verdiente, als ich mich verlezt fühlen mußte, da man einen großen Sieg unbeachtet vorübergehen ließ. Ich muß Eure Lordschaft benachrichtigen, daß der Hafen von Toulon nie von mir blokirt worden ist; vielmehr geschah gerade das Gegentheil. Jede Gelegenheit ist dem Feinde dargeboten worden, in die See zu stechen, denn dadurch hoffen wir die Wünsche und Erwartungen unseres Vaterlandes zu verwirklichen.« Nelson bemerkte hieraus, daß die jüngeren Flaggenoffiziere seiner Flotte in dem Danksagungsschreiben übergangen worden seyen, und drückte sein Erstaunen hierüber vielleicht mit größerer Bitterkeit aus, als eine so völlig und so offenbar unabsichtliche Beleidigung es verdiente; aber es rührte dieß von jener edelmüthigen Rücksicht auf die Gefühle und Interessen aller unter seinem Kommando Stehenden her, welche ihn bei den Flotten Brittanniens eben so beliebt machte, als er bei denen des Feindes gefürchtet war.

Nie war ein Befehlshaber beliebter, als Nelson. Er leitete seine Leute durch ihre Vernunft und ihre Neigungen: sie wußten, daß er einer Laune oder Tyrannei unfähig sey, und gehorchten ihm mit Eifer und Freude, weil er ihr Zutrauen sowohl als ihre Liebe besaß.

»Unser Nel,« pflegten sie zu sagen, »ist so tapfer wie ein Löwe, und so sanft wie ein Lamm!« Rauhe Disciplin verabscheute er, obgleich er selbst in einer strengen Schule aufgewachsen war, nie wandte er körperliche Züchtigung an, wenn es möglich war, sie zu vermeiden, und wenn er sich dazu genöthigt sah, so wurde er, der mit Wunden und Tod so vertraut war, gleich einem Weibe davon ergriffen. Während seines ganzen Lebens hörte man nie, daß er ungütig gegen einen Offizier verfahren sey. Wurde er aufgefordert, einen wegen üblen Betragens zu strafen, so pflegte er zu antworten: »daß er einen armen Teufel nicht zu Grunde richten möge, der hinreichend sein eigener Feind sey, um sich selbst zu Grunde zu richten.« Aber nicht blos die Gutmüthigkeit einer glücklichen Natur fand sich in Nelson: er enthielt sich nicht blos des Unrechts, er besaß vielmehr ein thätiges, lebendiges Wohlwollen, das stets den Menschen nicht allein Gerechtigkeit widerfahren lassen, sondern ihnen auch wohl thun wollte. Während des Friedens hatte er im Parlamente über die Mißbräuche in Betreff des Beutegeldes gesprochen und der Regierung Vorschläge vorgelegt, wie durch Verbesserung der Lage der Seeleute die Flotte leichter bemannt und der Desertion aus derselben vorgebeugt werden könnte. Er trug darauf an, daß ihre Zeugnisse einregistrirt würden, und daß jeder, der mit einem guten Prädikate fünf Jahre im Kriege gedient hätte, nach dieser Zeit ein Jahrgeld von zwei und nach acht Jahren von vier Guineen erhalten sollte. »Dies,« sagte er, »konnte vielleicht auf den ersten Anblick als eine ungeheure Summe, die der Staat zu bezahlen hätte, erscheinen; aber das Frohndienstleben eines Seemanns ist wegen des harten Dienstes mit einem Alter von 45 Jahren zu Ende, er kann daher das Jahrgeld nicht viele Jahre genießen, und das durch die Verhütung der Desertion gesicherte Interesse des Geldes würde zur Bezahlung der ganzen Ausgabe hinreichen.«

Gegen seine Seekadetten zeigte er stets die gewinnendste Güte, indem er den Schüchternen ermuthigte, den Hastigen zurückhielt, beide aber berieth und als seine Kinder behandelte. »Bedenken Sie,« pflegte er zu sagen, »daß Sie zuerst ein Seemann seyn müssen, um ein Offizier zu werden, und ebenso, daß Sie kein guter Offizier seyn können, ohne ein Gentleman zu seyn.« – Ein Lieutenant schrieb einst an ihn, um bei ihm über seinen Kapitän zu klagen. Nelson's Antwort war in dem Geiste seltener Weisheit und Güte abgefaßt, welche sein ganzes Benehmen gegen diejenigen leitete, die unter seinen Befehlen standen. »Ich habe so eben Ihren Brief empfangen und bedaure wirklich, daß zwischen Ihrem Kapitän, der in dem Rufe eines der trefflichsten Offiziere steht, und zwischen Ihnen, einem sehr jungen Manne und sehr jungen Offiziere, der natürlich noch viel zu lernen haben muß, eine Mißhelligkeit eingetreten seyn soll. Unter diesen gegebenen Verhältnissen haben Sie sicher vollkommen Unrecht bei dem Streite; da jedoch Ihre gegenwärtige Lage sehr unangenehm seyn muß, so werde ich bald Gelegenheit nehmen, Sie zu versehen, wenn nämlich Ihr Benehmen gegen Ihren gegenwärtigen Kapitän von der Art ist, daß ein anderer sich nicht weigert, Sie anzunehmen.«

Doch ließ die Güte und Menschenfreundlichkeit seines Charakters ihn nie vergessen, was er der Disciplin schuldig war. Als er einst angegangen wurde, einen jungen Offizier von einem Kriegsgerichte zu retten, das er durch seine üble Aufführung sich zugezogen hatte, so antwortete er: »daß er Alles, was in seiner Macht stehe, thun wolle, um sich einen so tapfern und guten Offizier zu verbinden, wie Sir John Warren,« zu dessen Gunsten die Verwendung geschehen war, »aber was,« sezte er hinzu, »würde er thun, wenn er hier wäre? Gerade das, was ich gethan habe und noch zu thun Willens bin. Der junge Mann muß einen Brief schreiben, worin er seinen großen Fehler anerkennt und bereut, und redlich versprechen, wenn sein Kapitän das ihm drohende Kriegsgericht rückgängig machen will, sich nie mehr so übel zu benehmen. Schließt mir sein Kapitän einen solchen Brief bei, mit der Bitte, den Befehl zur Untersuchung zurückzunehmen, so will ich mich dazu bewegen lassen; aber die Briefe und Verweise werden in das öffentliche Befehlsbuch der Flotte eingetragen und allen Offizieren zu lesen gegeben werden. Auf dem halben Verdecke, vor den Augen der Schiffsmannschaft hat er seinen Kapitän mit Verachtung behandelt, und es ist meine Plicht, die Autorität und Würde jedes unter meinem Kommando stehenden Offiziers aufrecht zu erhalten. Ein armer unwissender Matrose wird wegen Unbotmäßigkeit gegen seinen Oberen für immer gestraft.«

Während die Flotte vor Toulon lag, entspann sich auf derselben ein Streit, der Nelson's Eifer für die Rechte und Interessen der Marine in Flammen sezte. Einige junge Artillerieoffiziere, die an Bord der Bombenfahrzeuge dienten, weigerten sich, ihre Leute einen anderen Dienst thun zu lassen, als den auf die Mörser sich beziehenden. Sie wollten es durchsetzen, daß ihr Korps der Autorität des Kapitäns nicht unterworfen wäre. Dieselben Ansprüche wurden um die nämliche Zeit auf der Kanalflotte gemacht, und die Artillerie stüzte ihre Ansprüche auf getrennte und unabhängige Autorität an Bord auf eine Klausel in der Parlamentsakte, welche sie zu ihren Gunsten auslegten. Nelson faßte den Gegenstand mit dem ganzen Ernste auf, den seine Wichtigkeit verdiente. »Es gibt kein wahres Glück in der Welt,« schrieb er an Graf St. Vincent, als ersten Lord. »Bei aller Zufriedenheit und Freundlichkeit mir gegenüber erheben sich diese Artillerieknaben (ich glaube, sie sind nicht über dieses Alter hinaus) und sprechen aus Hohn, indem sie auf die unehrerbietigste Weise von der Flotte und ihren Befehlshabern reden. Ich bin überzeugt, mein theurer Lord, daß, wären Sie an meiner Stelle, mit Ihrer gewohnten Schnelligkeit die Sache bald in's Reine gebracht und möglicher Weise einige von ihnen abgesezt wären. Ich bin vielleicht geduldiger, aber ich versichere Ihnen, nicht weniger entschlossen, wenn ich meinen Versöhnungsplan nicht erreiche. Sie und ich sind nahe daran, den Schauplatz unserer Thaten zu verlassen, aber wegen unserer Nachfolger werden wir, so lange wir eine Zunge zum Sprechen oder eine Hand zum Schreiben haben, nie dulden, daß die Marine durch unsere Schuld auch nur im Geringsten in ihrer Disciplin verlezt werde.« An Trowbridge schrieb er in demselben Sinne. »Es ist die alte Geschichte, daß man die Parlamentsakte bei Seite schieben will; aber ich hoffe, es wird ihnen nie gelingen; denn geschähe dieses, dann wäre es mit unserer Ueberlegenheit zur See vorbei. Wir würden prächtig befehligt werden! man räume ihnen einmal die Stufe ein, daß sie unabhängig von der Marine an Bord eines Schiffes seyn dürfen, und bald werden sie auf einer noch höheren stehen und uns kommandiren. Aber Gottlob, mein theurer Trowbridge, der König selbst kann die Parlamentsakte nicht hinwegschaffen. Obgleich meine Laufbahn beinahe zu Ende ist, so würde es mir doch meine künftigen Tage und meine lezten Augenblicke verbittern, wenn ich von unserer Marine hören müßte, daß sie der Armee geopfert worden sey.« Als das sicherste Mittel, solchen Streitigkeiten vorzubeugen, schlug er vor, die Marine mit einem eigenen Artilleriekorps zu versehen, worauf die Marineartillerie errichtet wurde. Anstatt die Gewalt des Befehlshabers schwächen zu lassen, hätte Nelson vielmehr gewünscht, sie vergrößert zu sehen; denn er hielt es für durchaus nothwendig, daß das Verdienst auf der Stelle belohnt würde, und die Offiziere der Flotte von dem Oberadmirale ihren Lohn zu erwarten hätten. Er selbst war nie glücklicher, als wenn er solche befördern konnte, welche Beförderung verdienten. Viele waren der Gunstbezeugungen, die er so ungebeten ertheilte, und oft wußte der Offizier, zu dessen Gunsten er mit der Admiralität verhandelt hatte, nicht, welcher freundlichen Verwendung er sein Glück verdankte. Nelson pflegte zu sagen: »Ich wünsche, es soll als eine Gottesgabe erscheinen.« Seine Liebe zu der Marine bewog ihn, die Interessen Aller zu befördern und das Andenken Aller zu ehren, welche den Ruhm der ersteren erhöht hatten. Die nahen Verwandten von Mitoffiziere betrachtete er nach seiner Aeußerung als Vermächtnisse an den Dienst. Als ihm der Herzog von Clarence von einem Sohn Rodney's sagte, war seine Antwort: »Ich bin mit Eurer Königlichen Hoheit vollkommen derselben Meinung, daß der Sohn eines Rodney der Schützling eines jeden Mitglieds des Königreichs, besonders aber der Seeoffiziere, seyn sollte. Hätte ich von dem Vorhandenseyn dieses Competenten gewußt, so hätte einer meiner eigenen Lieutenants einem solchen Namen Platz machen müssen, und er wäre in der Victory untergebracht worden; jezt ist diese zwar voll, und ich habe zwanzig auf meiner Liste, aber so groß auch die Zahl der Bewerber seyn mag, der Name Rodney muß viele derselben ausstechen.« So lebhaft empfand Nelson, was man glänzenden Diensten und ausgezeichneten Namen schuldig sey. Seine Theilnahme für die wackern Leute, welche mit ihm gedient hatten, erhellt aus einer Bemerkung in seinem Tagebuche, welches wahrscheinlich für kein anderes Auge als für das seinige bestimmt war: »7. November. Ich hatte die Freude, einen alten Agamemnoniten, George Jones, zum Constabel in der Brigg Chamäleon zu machen.«

Als Nelson das Kommando übernahm, erwartete man, das mittelländische Meer werde bald eine lebhafte Scene darbieten. Nelson kannte wohl den Charakter des hinterlistigen Korsen, der jezt der einzige Tyrann Frankreichs war; und da er wußte, daß derselbe eben so bereitwillig sey, seine Freunde anzugreifen, als Feinde, so ward ihm eben daraus ersichtlich, daß nichts ungewisser seyn könne, als die Richtung, welche die Flotte von Toulon, wenn sie je in die See stäche, nehmen würde. »Sie hatte eben so viele Bestimmungen,« äußerte er später, »als es Länder gab.« Die bedeutenden Umwälzungen der lezten zehn Jahre hatten ihm reichen Stoff zur Ueberlegung sowohl als Gelegenheit zur Beobachtung gegeben; die Decke war von seinen Augen gefallen, und jezt, da die Franzosen nicht mehr mit dem Rufe: »Freiheit und Gleichheit« umherzogen, sah er, daß die Politik der Mächte, welche ihnen gegenüberstanden, die Hauptursachen ihres Glückes gewesen waren, und daß dieselben Ursachen noch immer den Weg vor ihnen her bahnten. Selbst in Sicilien, wo Nelson, wäre es nur möglich gewesen, sich länger zu täuschen, gerne kein Uebel gesehen hätte, begriff er, daß das Volk eine Veränderung wünschte, und erkannte das Recht desselben zu diesem Wunsche an. In Sardinien drückte die Bürde einer schlechten Regierung eben so schwer, und gleich den Sicilianern wurde das Volk durch eine Regierung in Armuth gestürzt, welche zur Erfüllung ihrer ersten und wichtigsten Pflichten so völlig unfähig war, daß sie ihre Küsten nicht einmal gegen die Piraten der Barbarei beschüzte. Er würde es gerne gesehen haben, wenn England diese Insel, die schönste des mittelländischen Meeres, von ihrem Souverän gekauft hätte, der, nach Abzug des Gehalts ihrer elenden Beamten, jährlich keine fünftausend Pfund von ihr bezog. Man hatte Grund, zu vermuthen, daß Frankreich im Sinne habe, diesen wichtigen Punkt, der unserer Flotte bei der Bewachung Toulons eine nirgends andersher zu erhaltende Unterstützung gewährte, selbst in Besitz zu nehmen. Zu diesem Zwecke wurden auf Korsika Zurüstungen zu einer Expedition getroffen, und alle Sardinier, welche die Partei des revolutionären Frankreichs ergriffen hatten, erhielten den Befehl, sich dort zu versammeln. Es war vorauszusehen, daß, wenn der Angriff wirklich vor sich ginge, er gelingen würde. Nelson war der Ansicht, daß das einzige Mittel, zu verhindern, daß Sardinien französisch würde, darin bestände, es englisch zu machen, und daß eine halbe Million dem Könige einen reichen Preis und England einen wohlfeilen Kauf gewährte. Eine bessere und daher auch weisere Politik wäre es gewesen, unsern Einfluß zur Abstellung der Mißbräuche der Regierung anzuwenden; denn fremde Herrschaft ist stets in gewissem Grade ein Uebel, und Unterthanentreue sollte und kann nicht zu einem Gegenstande des Kaufs und Handels gemacht werden. Sardinien ist, wie Sicilien und Korsika, groß genug, um einen Staat für sich zu bilden. Wir wollen hoffen, daß diesen Inseln bald ihre Freiheit und Unabhängigkeit zurückgegeben werde. Diese bringen Fleiß und Wohlstand in ihrem Gefolge mit sich, und wo sie sich finden, da blühen Wissenschaften und Künste, und das menschliche Geschlecht schreitet auf der Bahn seiner Bildung weiter.

Der beabsichtigte Angriff wurde aufgeschoben. Umfassendere Plane erfüllten Bonaparte, der jezt beinahe offen darauf losging, sich zum Herrn des Festlandes von Europa zu machen, und Oesterreich rüstete sich zu einem andern Kampfe, der eben so unglücklich sich endigen sollte, als der vorhergehende. Auch Spanien sollte durch die Politik Frankreichs noch einmal in Krieg verwickelt werden, da diese hinterlistige Regierung die doppelte Absicht im Auge hatte, sich der spanischen Hülfsquellen gegen England zu bedienen und sie zugleich zu erschöpfen, um Spanien selbst am Ende zu seiner Beute zu machen. Nelson, welcher einsah, daß England und die Halbinsel zum gemeinsamen Besten beider zusammenhalten sollten, äußerte oft seine Hoffnungen, daß Spanien seinen natürlichen Rang unter den Nationen vielleicht wieder einnehmen werde. »Wir sollten,« sagte er, »durch gegenseitige Uebereinkunft die allerbesten Freunde und beide stets Frankreichs Feinde seyn.« Allein er sah, daß Bonaparte auf den Untergang Spaniens dachte, und daß, während der elende Hof von Madrid neutral zu bleiben versprach, kaum der Schein der Neutralität beobachtet wurde. Ein Befehl vom Jahre 1771, der alle brittischen Kriegsschiffe von den spanischen Häfen ausschloß, wurde erneuert und in Kraft gesezt, während französische Kaper von eben diesen Häfen aus den brittischen Handel störten, ihre Prisen in dieselben brachten, und sie sogar zu Barcellona verkauften. Nelson beklagte sich hierüber gegen den Generalkapitän von Catalonien, indem er ihm erklärte, daß er für jedes brittische Schiff und Geschwader das Recht anspreche, so lange es ihm beliebe, in den Häfen Spaniens zu liegen, da dieses Recht andern Mächten eingeräumt werde. An den brittischen Gesandten schrieb er: »Ich bin bereit, Spanien in Betracht der traurigen Lage, in die es sich versezt hat, große Freiheiten zu gestatten; aber es gibt eine gewisse Grenze, über welche hinaus ich mich nicht achtungswidrig behandeln lassen kann. Wir haben französische Fahrzeuge, welche innerhalb Kanonenschußweite von der spanischen Küste in unsere Hände fielen, aufgegeben, und doch ist es den Franzosen erlaubt, unsere Schiffe von der spanischen Küste aus anzugreifen. Eure Excellenz kann der spanischen Regierung versichern, daß, wo nur immer die Spanier dulden werden, daß die Franzosen uns angreifen, eben daselbst ich die Franzosen von den Unsrigen werde angreifen lassen.«

Während dieses Zustandes der Dinge, welchem die Schwäche Spaniens und nicht sein Wille sich fügte, wagte es die feindliche Flotte nicht, in die See zu stechen. Nelson bewachte sie mit unermüdeter und fast beispielloser Beharrlichkeit. Er nannte die Station vor Toulon seine Heimath. »Wir sind in der rechten Lage zur Schlacht,« äußerte er, »laßt sie kommen, sobald es ihnen beliebt. Nie sah ich eine so gut bemannte und mit Offizieren versehene Flotte beisammen; wollte Gott, die Schiffe wären halb so gut! Die besten der im Dienst befindlichen müssen durch dieses fürchterliche Wetter bald zu Grunde gerichtet seyn. Ich weiß recht wohl, daß, hätte ich nach Malta zu segeln, ich die Schiffe während dieser üblen Jahreszeit erhalten könnte, aber wenn ich die Franzosen zu bewachen habe, so muß ich zur See seyn, und bin ich zur See, so muß ich schlecht Wetter haben, und sind die Schiffe nicht im Stande, schlechtem Wetter die Stirne zu bieten, so sind sie nichts nütze.« Dann nur war er beruhigt und zufrieden, wenn er den Feind im Gesicht hatte. Mr. Elliot, unser Gesandter zu Neapel, scheint ihm um diese Zeit den Vorschlag gemacht zu haben, einen vertrauten Franzosen mit Mittheilungen an ihn zu senden. »Es wäre mir sehr angenehm,« erwiederte er hierauf, »authentische Nachrichten über die Bestimmung des französischen Geschwaders, seinen Weg und die Zeit seiner Abfahrt zu bekommen. – Weniger als dieß nüzt mir nichts, und ich versichere Eurer Excellenz, daß ich unter keiner Bedingung einen Franzosen auf der Flotte haben möchte, außer als Gefangenen. Ich setze kein Vertrauen auf sie. Sie haben eine gute Meinung von den Ihrigen, und ebenso denkt die Königin; aber ich glaube, sie sind alle gleich. Für jede Mittheilung, die Sie mir machen können, werde ich sehr dankbar seyn; aber kein Franzose kommt hieher. Verzeihen Sie mir, aber meine Mutter haßte die Franzosen.«

Latouche Treville, der zu Boulogne den Oberbefehl geführt hatte, führte ihn jezt zu Toulon. »Er wurde zu dem Zwecke abgeschickt,« äußerte Nelson, » wie er mich vor Boulogne schlug, mich nun wiederum zu schlagen; aber er scheint keine Lust zu haben, es zu versuchen.« Eines Tages, als der Haupttheil unserer Flotte sich außerhalb des Anblicks des Landes befand, kam der Contreadmiral Campbell, der mit dem Canopus, dem Donnegal und der Amazone recognoscirte, ganz in die Nähe des Hafens, und Latouche, einen Wind, der gerade aufsprang, benützend, brach mit vier Linienschiffen und drei schweren Fregatten hervor und trieb ihn gegen zwölf Meilen weit zurück. Entzückt darüber, sich in einer ihm so neuen Lage befunden zu haben, publizirte der Franzmann einen pompösen Bericht, worin er versicherte, daß er die ganze brittische Flotte in die Flucht gejagt habe, und Nelson vor ihm her geflohen sey! Nelson glaubte es der Admiralität schuldig zu seyn, eine Abschrift der diese Gelegenheit betreffenden Stelle im Logbuche der Victory nach Hause zu schicken. »Wegen seiner selbst,« äußerte er, »hätte er es, wenn man ihm indessen nicht so viel zuzutrauen gelernt hätte, daß man ihn für unfähig zu dieser Flucht hätte halten sollen, nicht für der Mühe werth gehalten, die Welt eines Besseren zu belehren.« – »Wir hatten, schrieb er an einen seiner Correspondenten, »uns vorgestellt, wir haben Latouche nach Toulon gejagt, denn trotz meiner Blindheit konnte ich sehen, wie er vor Cepé seine Marssegel aufgeite. Aber seit der Zeit seines Zusammentreffens mit Kapitän Hawker, Befehlshaber der Isis, erschien er mir nie anders als wie ein Prahlhans und Lügner. Verachtung ist die beste Art des Verhaltens gegen einen solchen Elenden.« Trotz der Verachtung jedoch brachte ihn die Schamlosigkeit des Franzosen halb zum Aerger. Er äußerte gegen seinen Bruder: »Du wirst Latouche's Bericht, wie er mich vor sich her jagte und ich davon floh, gelesen haben. Ich bewahre ihn auf, und fällt mir der Verfasser in die Hände, so muß er ihn mir, so wahr ich lebe, essen.«

Nelson, der zu sagen pflegte, daß in Seeaffairen nichts unmöglich und nichts unwahrscheinlich sey, fürchtete um so mehr, dieser Franzose möchte seine Wachsamkeit zu Schanden machen und ihm entwischen, weil er es so besonders wünschte, ihn abzufangen und ihm seinen Lügenbericht in einem Sandwich Kaltes Fleisch zwischen Butterbrod, nach dem Erfinder so genannt. beizubringen. Latouche entwischte ihm aber auf eine andere Weise. Er starb nach dem französischen Berichte in Folge davon, daß er so oft nach der Signalpost auf Cepé gegangen sey, um die brittische Flotte zu beobachten. »Ich sagte es immer, das werde noch sein Tod seyn,« äußerte Nelson. »Wäre er nur herausgekommen und hätte sich mit mir geschlagen, das würde auch mein Leben um wenigstens zehn Jahre verlängert haben.« Von der Geduld, womit er Toulon bewacht hatte, sprach er mit Recht als von einem Ausharren auf der See, wie es noch nie übertroffen worden sey. Vom Mai 1803 bis zum August 1805 kam er selbst nur dreimal aus seinem Schiffe, und zwar geschah dieß jedesmal im Dienste, und nie dauerte seine Abwesenheit über eine Stunde. Das Wetter war so unermüdlich stürmisch gewesen, daß nach seiner Aeußerung das mittelländische Meer ein anderes geworden zu seyn schien. Es war seine Regel, nie gegen die Winde anzukämpfen, sondern entweder sich nach Süden zu wenden und so ihrer Gewalt auszuweichen, oder alle Segel einzuziehen und die Schiffe so viel als möglich ruhig zu halten. Seine Leute hatten sich, obgleich er sagte, Fleisch und Blut können es kaum ertragen, fortwährend einer vortrefflichen Gesundheit zu erfreuen, was er großentheils einem reichlichen Vorrathe von Limonen und Zwiebeln zuschrieb. Was ihn selbst betraf, so glaubte er, er könne es nur noch aushalten, bis die Schlacht vorüber wäre. Noch eine Schlacht hoffte er schlagen zu dürfen. »Jedoch,« äußerte er, »was auch geschehen mag, ich habe eine rühmliche Bahn durchlaufen.« Er fürchtete, blind zu werden, und dieß war das einzige Uebel, an das er nicht ohne sich unglücklich zu fühlen, denken konnte. Noch beunruhigendere Symptome betrachtete er mit geringerer Besorgniß, obgleich er seinen »zertrümmerten Leichnam« als denjenigen beschrieb, der von allen auf der Flotte im übelsten Zustande sich befinde, und sagte: »Ich habe schon das Blut die linke Seite meines Kopfes heraufströmen fühlen, und sobald es das Gehirn bedeckt, schlafe ich plötzlich ein.« Die Flotte selbst befand sich in einem schlechteren Zustande als die Mannschaft; aber wenn er sie mit der feindlichen verglich, geschah es in ächt englischem Geiste. »Die französische Flotte,« schrieb er in einem seiner Briefe, »war gestern in vollem Putze und so schön, als ein Maler sie machen konnte, zu sehen; aber wann sie segeln und wohin sie sich wenden wird, ist leider ein Geheimniß, in das ich nicht eingeweiht bin. Unsere, vom Wetter mitgenommenen Schiffe werden, davor ist mir nicht bange, ihre Seiten zu einem Rosinpudding machen.«

Endlich brachen die Feindseligkeiten zwischen Großbrittannien und Spanien aus. Dieses Land, dessen elende Regierung es zur Magd Frankreichs machte, sollte noch einmal seine Hülfsquellen und sein Blut zur Beförderung der Plane eines treulosen Verbündeten verschwenden. Die nächste Veranlassung zu dem Kriege war die Wegnahme vier spanischer Geldschiffe durch die Engländer. Diese Maßregel an sich war vollkommen gerecht; denn jenes Geld war zur Unterstützung Frankreichs bestimmt; aber die Umstände, unter denen sie ausgeführt wurde, waren eben so unglücklich als unerwartet. Vier Fregatten waren zu dieser Unternehmung abgeschickt worden. Sie stießen auf gleiche Streitkräfte. Daher wurde Widerstand für die Spanier ein Ehrenpunkt, und bald flog eines ihrer Schiffe sammt Allem, was es an Bord hatte, in die Luft. Wäre ein stärkeres Geschwader abgesendet worden, so hätte diesem beklagenswerthen Vorfalle vorgebeugt werden können, der denen, welche ihn unwillkürlich herbeiführten, der englischen Regierung und dem englischen Volke eben so schmerzlich war, als er in Spanien Unwillen erregte. Am 5. Oktober trug sich dieses unglückliche Ereigniß zu, und Nelson erfuhr es erst am 12ten des folgenden Monats.

Der Ausbruch des spanischen Kriegs zog ihm keinen geringen Verdruß zu. Dieses Ereigniß, hätte man vernünftiger Weise vermuthen sollen, werde die Offiziere der mittelländischen Flotte bedeutend bereichern und sie für den strengen und anhaltenden Dienst belohnen, zu dem sie so lange verwendet worden waren. Allein diese Erndte wurde ihnen entzogen, denn Sir John Orde ward mit einem kleinen Geschwader und einem abgesonderten Kommando nach Cadix abgeschickt. Nelson fühlte sich nie so tief verwundet, als damals. »Ich hatte gedacht,« sagte er in einem Briefe, den er in der ersten Aufwallung des Zornes schrieb, »ich war der Meinung, – aber nein! es muß ein Traum, ein eitler Traum gewesen seyn; – doch ich gestehe es, ich war der Meinung, ich habe meinem Vaterlande Dienste geleistet, und so behandeln sie mich nun! Und unter welch' erschwerenden Umständen! Doch wenn ich meine eigenen Gedanken kenne, so schmerzt mich diese empfindliche Vereitelung meiner Hoffnungen nicht hauptsächlich wegen meiner selbst; nein! wegen meiner braven Offiziere, wegen meiner edelgesinnten Freunde und Kameraden ist es mir. Diese tapfern Genossen! diese Brüderschaar! mein Herz schwillt mir bei dem Gedanken an sie.«,

Der Krieg zwischen Spanien und England war nun erklärt, und am 18. Januar stach die Touloner Flotte, welche die Spanier jezt zu Bundesgenossen hatte, in die See. Nelson lag gegenüber der Küste von Sardinien vor Anker, wo die Magdaleneninseln einen der schönsten Häfen der ganzen Welt bilden, als am 19ten Nachmittags drei Uhr die Fregatten Aktive und Seahorse diese lang ersehnte Nachricht brachten. Sie waren in der vorhergehenden Nacht um zehn Uhr dicht am Feinde gewesen, hatten ihn aber gegen vier Uhr aus dem Gesichte verloren. Sogleich lichtete die Flotte die Anker und durcheilte um sechs Uhr Abends die Straße zwischen Biche und Sardinien, einen Kanal, der so eng ist, daß die Schiffe nur eines nach dem andern durchsegeln konnten, indem jedes den Lichtern am Spiegel seines Vorgängers folgte. Aus der Stellung, welche der Feind eingenommen hatte, als er zulezt gesehen worden war, schloß man, daß er an der südlichen Spitze Sardiniens zu finden seyn werde. Am nächsten Morgen wurde das Signal zu den Zurüstungen zur Schlacht gegeben. Aber übles Wetter kam dazwischen und vereitelte die Bestimmung der einen und die Verfolgung von Seiten der andern Flotte. Zehn Tage lang durchspürte Nelson die sicilischen Gewässer, ohne eine andere Kunde von dem Feinde zu erhalten, als daß eines seiner Schiffe entmastet in Ajaccio eingelaufen sey. Und als er sah, daß er bei Sardinien, Neapel und Sicilien nicht zu finden war, so meinte er, Aegypten sey der Ort seiner Bestimmung, und eilte dahin. Die Täuschung in seinen Hoffnungen und der Kummer darüber, den er bei seiner früheren Verfolgung der Franzosen durch dieselben Meere erfahren hatte, wiederholten sich jezt; doch tröstete ihn in diesem peinlichen Zustande noch dieselbe Zuversicht, wie damals, daß wenn auch sein Urtheil irrig seyn könne, er jedenfalls triftige Gründe dazu gehabt habe. »Ich habe keinen Menschen gefragt,« schrieb er an die Admiralität; »deswegen muß die ganze Schande der bei der Bildung meines Urtheils sich äußernden Unwissenheit auf mich zurückfallen. Ich würde mir durch Niemand ein Atom von meinem Ruhme nehmen lassen, hätte ich die französische Flotte erreicht; eben so wenig aber soll Jemand an der Verantwortlichkeit Theil haben. Alles ist mein Recht oder Unrecht.« Nachdem er hierauf die Gründe seiner Verfahrungsweise auseinandergesezt hatte, sezte er hinzu: »Noch in diesem Augenblicke der Sorge fühle ich, daß ich recht gehandelt habe.« In demselben Geiste schrieb er an Sir Alexander Ball: »Wenn ich mir alle Umstände in's Gedächtnis zurückrufe, so muß ich, wenn auch sonst Niemand es thut, mein Benehmen billigen.«

So getäuscht näherte er sich Malta und erhielt von Neapel die Nachricht, daß die Franzosen, durch einen Sturm zerstreut, nach Toulon zurückgekehrt seyen. Von ebendaher erfuhr er, daß man eine große Anzahl Sättel und Flinten eingeschifft habe, und dieß befestigte ihn in seiner Meinung, daß die Touloner Flotte nach Aegypten bestimmt sey. Daß dieselbe durch Stürme zurückgetrieben worden war, welchen er Stand gehalten hatte, erregte in ihm ein tröstliches Bewußtseyn der brittischen Ueberlegenheit. »Diese Herren,« äußerte er, »sind nicht an einen Lyoner Meerbusenwind gewöhnt: wir haben ihm 21 Monate getrozt und keinen Sparren dabei verloren.« Jedoch wurde er, der diesen Winden so oft Stand gehalten hatte, jezt durch sie zwar nicht bemeistert, wohl aber auf die ärgerlichste Weise aufgehalten, und am 27. Februar mußte er sich in Pulla-Bai, im Meerbusen von Cagliari, vor Anker legen. Vom 21. Januar an war die Flotte schlagfertig geblieben, ohne bei Tag oder bei Nacht eine Bretterwand aufgerichtet zu haben. Hier ankerte Nelson, um nicht leewärts getrieben zu werden. Sobald das Wetter milder wurde, stach er wieder in die See, und nachdem er wiederum im Kampfe mit widrigen Winden umhergespürt hatte, nöthigte ihn ein anderer Wind, am 8. März im Meerbusen von Palma sich vor Anker zu legen. Diesen Ort bestimmte er zum Sammelplatze, und da er wußte, daß die französischen Truppen noch eingeschifft waren, und sie glauben zu machen wünschte, daß er an der spanischen Küste stationirt sey, so zeigte er sich zu diesem Zwecke vor Barcellona. Gegen das Ende des Monats begann er zu fürchten, der Expeditionsplan möchte aufgegeben worden seyn, und noch einmal gegen seine alte Station vor Toulon hinsegelnd, stieß er am 4. April auf die Phöbe, von der er erfuhr, daß Villeneuve am lezten März mit 11 Linienschiffen, 7 Fregatten und 2 Briggs in die See gestochen sey. Als man ihn zulezt gesehen hatte, war er der Küste von Afrika zugesteuert. Auf diese Nachricht hin besezte Nelson zuerst den Kanal zwischen Sardinien und der Barbarei, um sich zu versichern, daß Villeneuve nicht denselben Weg nach Aegypten einschlage, den Gantheaume vor ihm genommen hatte, als er Verstärkungen dahin zu bringen suchte. Dessen versichert näherte er sich am 7ten Palermo, damit die Franzosen nicht vom Norden Korsikas hersegelnd einen Durchgang gewinnen könnten, und schickte nach allen Richtungen Kreuzer aus. Am 11ten war er überzeugt, daß sie nicht das mittelländische Meer herabgesegelt waren, und nach Gibraltar, Lissabon und an den Admiral Cornwallis, der das Geschwader vor Brest befehligte, Fregatten absendend versuchte er im Kampfe mit Westwinden sich westlich zu schlagen. Fünf Tage nachher erhielt man die Nachricht, daß die Franzosen am 7ten vor dem Cap de Gata gesehen worden seyen. Bald darauf wurde man davon versichert, daß sie am folgenden Tage die Straße von Gibraltar passirt hatten, und bei dem Gedanken, daß sie bereits halbwegs Irland und Jamaika seyn könnten, rief Nelson aus, er sey ein Unglücklicher. Nur die Betrachtung brachte ihm einen Funken des Trostes, daß seine Wachsamkeit es ihnen unmöglich gemacht habe, eine Expedition auf dem mittelländischen Meere zu unternehmen.

Acht Tage nach der Ankunft dieser zuverlässigen Nachricht schrieb er in einem Briefe an den Gouverneur von Malta, aus dem sein damaliger Gemüthzustand erhellt, unter Anderem: »Das Glück, mein lieber Ball, scheint mich verlassen zu haben. Ich kann keinen guten Wind, nicht einmal einen Seitenwind bekommen. Aber es steht fest in meiner Seele, was ich thun will, wenn ich die Straße verlasse und noch keine sichere Kunde von der Bestimmung des Feindes habe. – Ich glaube, dieses Unglück wird mir nahe an's Leben gehen; aber da dieß eine Zeit zum Handeln ist, so darf ich nicht unterliegen, was ich auch fühlen mag.« Trotz allen Anstrengungen, welche der Eifer und die Geschicklichkeit der brittischen Seeleute nur machen konnten, kam er vor dem 13ten April nicht in das Angesicht von Gibraltar, und auch dann war der Wind so ungünstig, daß es unmöglich war, die Meerenge zu passiren. Er ankerte in Mazari-Bai an der Küste der Barbarei, wo er sich von Tetuan aus verproviantirte, und als endlich am 5ten von Osten her eine Kühlte aufsprang, lichtete er wieder die Anker, in der Hoffnung, von Sir John Orde, der vor Cadix kommandirte, oder von Lissabon aus etwas über den Feind zu vernehmen. »Höre ich nichts von ihm,« schrieb er an die Admiralität, »so muß ich das Gerücht, das sich verbreitet hat, für wahr halten, daß Westindien das Ziel seiner Fahrt sey, und in diesem Falle halte ich es für meine Pflicht, ihm zu folgen, – ja selbst bis zu den Gegenfüßlern, wenn ich glauben sollte, daß dahin seine Bestimmung gienge.« Um die Zeit, da er diesen Entschluß faßte, hatte der Arzt der Flotte ihm verordnet, daß er vor den heißen Monaten nach England zurückkehren solle.

Nelson hatte sich sein Urtheil über die Bestimmung der feindlichen Flotte gebildet und sich demgemäß seinen Plan entworfen, als Donald Campbell, damals Admiral in portugiesischen Diensten, derselbe, der dem Grafen St. Vincent wichtige Nachrichten von den Bewegungen der Flotte, von der er seinen Titel erhielt, gegeben hatte, zum zweitenmale der Flagge seines Vaterlandes zur rechten Zeit eine bedeutende Mittheilung machte. Er kam an Bord der Viktory und eröffnete Nelson, daß, wie er sicher wisse, die spanisch-französische Flotte nach Westindien bestimmt sey. Bisher war dem Feinde Alles günstig gewesen. Während der brittische Admiral mit heftigen Süd- und Westwinden zu kämpfen gehabt hatte, hatten sie ganz nach Wunsche Nordostwind gehabt und in neun Tagen vollbracht, wozu jener eines ganzen Monats bedurfte. Als Villeneuve die Spanier zu Karthagena noch nicht so gerüstet fand, daß sie sich hätten mit ihm vereinigen können, wagte er nicht, auf sie zu warten, sondern eilte nach Cadix. Sir John Orde mußte sich bei seiner Annäherung nothwendig zurückziehen. Admiral Gravina stieß mit sechs spanischen und zwei französischen Linienschiffen zu ihm, und so segelten sie, ohne einen Augenblick zu verlieren, weiter. Sie hatten etwa 3000 Mann französischer und 1500 spanischer Truppen an Bord; 600 Mann erwarteten sie auf Martinique und 1000 auf Guadaloupe. General Lauriston kommandirte die Truppen. Die vereinigte Flotte bestand jetzt aus 18 Linienschiffen, 6 Fregatten von 44 und 1 von 26 Kanonen, 3 Korvetten und 1 Brigg. Nachher stießen noch 2 neue französische Linienschiffe und 1 Fregatte von 44 Kanonen dazu. Nelson verfolgte sie mit 10 Linienschiffen und 3 Fregatten. »Nehmen Sie jeder einen Franzosen auf sich,« sagte er zu seinen Kapitäns, »und überlassen Sie mir die Spanier; wenn ich meine Flagge herunterhole, dann erwarte ich, daß Sie dasselbe thun, – bälder aber nicht!«

Der Feind hatte einen Vorsprung von 35 Tagen; aber Nelson berechnete, daß er durch seine Anstrengungen acht bis zehn Tage vor demselben vorausgewinnen könnte. Am fünfzehnten Mai erreichte er Madeira und am vierten Juni Barbados, wohin er Depeschen vorausgeschickt hatte, und wo er Admiral Cochrane mit zwei Schiffen, einem Theile unsers in jenen Gewässern stationierten Geschwaders, fand. Auch traf er hier die Nachricht, daß man die vereinigte Flotte am 28. von St. Lucia aus gesehen habe, wie sie gegen Süden gesteuert, und daß Tabago und Trinidad die Oerter ihrer Bestimmung seyen. Dieß bezweifelte Nelson; aber er stand mit seiner Ansicht allein und gab sie daher mit den ahnungsvollen Worten auf: »Wenn Ihre Nachricht sich als falsch erweist, so bringen Sie mich um die französische Flotte.« Sir William Myers erbot sich, hier mit 2000 Mann sich einzuschiffen; das Anerbieten wurde angenommen und am folgenden Morgen gegen Tabago gesegelt. Hier bekräftigte ein Zufall die falsche Nachricht, welche aus Absicht oder Irrthum Nelson irre geführt hatte. Ein Kaufmann von Tabago nämlich, der in dem allgemeinen Allarme nicht wußte, ob diese Flotte Freund oder Feind sey, schickte einen Schooner ab, mit dem Auftrage, zu recognosciren und ihm durch ein Signal Nachricht zu geben. Nun war aber das Signal, das er hiezu gewählt hatte, zufällig gerade dasjenige, das von dem Ingenieurobersten Shipley dazu bestimmt worden war, um zu bezeichnen, daß der Feind sich bei Trinidad befinde; und da es schon Abend war, so gab es keine Gelegenheit mehr, den Irrthum zu entdecken. Um dieselbe Zeit stieß man auf eine amerikanische Brigg, deren Eigenthümer in Folge des Hanges, auf jede Weise die Engländer zu betrügen und den Franzosen beizustehen, der unter seinen Landsleuten eine Zeitlang nur allzugewöhnlich war, versicherte, daß er vor wenigen Tagen mit den Franzosen vor Granada zusammengetroffen sey, welche ihre Richtung gegen Trinidad genommen haben. Diese neue Nachricht beseitigte alle Zweifel. Die Schiffe wurden vor Tagesanbruch zur Schlacht klar gemacht, und am 7ten fuhr Nelson in die Bai von Paria ein, in der Hoffnung und Erwartung, die Mündungen des Orinoco in den Annalen der brittischen Marine ebenso berühmt zu machen, als die des Nils. Aber kein Feind war hier zu finden. Und es erhellte nun, daß Zufall und List sich vereinigt hatten, ihn soweit leewärts zu führen, daß für jede andere Flotte wenig Hoffnung vorhanden gewesen wäre, sich luvwärts gegen Granada zu bewegen. Nelson aber steuerte mit einem nie übertroffenen und fast beispiellosen Geschicke und Kraftaufwands auf diese Insel zu.

Unterwegs erhielt er die Nachricht, daß die vereinigte Flotte den Diamond Rock weggenommen habe und damals, am 4ten vor Martinique gelegen, und daß erwartet worden sey, sie werde noch dieselbe Nacht zum Angriffe von Granada absegeln. Am 9ten erschien Nelson vor dieser Insel und erfuhr hier, daß der Feind am vorhergehenden Tage leewärts von Antigua passirt sey. Wäre der falsche Bericht nicht gewesen, nach welchem Nelson, mit Widerstreben und seinem eigenen Urtheil entgegen, sich gerichtet hatte, so wäre er vor Port Royal angekommen, gerade als der Feind es verließ, und die Schlacht wäre auf derselben Stelle geschlagen worden, wo Rodney De Grasse besiegte. Daran erinnerte er sich in seinem Aerger; aber er hatte die Kolonieen und über 200 für Europa befrachtete Schiffe gerettet, welche sonst dem Feinde in die Hände gefallen wären, und es wurde ihm die befriedigende Ueberzeugung, daß der bloße Schrecken seines Namens dieß bewirkt und die verbündeten Feinde, deren Flotte beinahe doppelt so stark war, als die, vor der sie flohen, in die Flucht geschlagen habe. Daß sie auf dem Rückwege nach Europa begriffen seyen, glaubte er und lenkte daher am 13ten ebenfalls wieder dahin um, nachdem er die Truppen auf Antigua ausgeschifft und den Spartiate von 74 Kanonen hatte zu sich stoßen lassen; die einzige Verstärkung des Geschwaders, mit dem er eine so viel zahlreichere Flotte verfolgte. Fünf Tage nachher brachte die Amazone die Nachricht, daß sie einen Schooner gesprochen habe, der die Franzosen am 15ten Abends gegen Norden hatte steuern sehen, und zwar seiner Schätzung nach in einer Entfernung von 87 Leagues. Nelson's Tagbuch zeigt seine damalige große Aufregung und seine fortwährende, Alles beobachtende Wachsamkeit. – »21. Junius. Um Mitternacht, wo es beinahe windstill war, schwammen drei Planken gegen uns her, welche wahrscheinlich von der französischen Flotte kamen. Ich fühle mich sehr elend, was sehr thöricht ist.« Am 17ten Julius kam er in das Angesicht des Cap St. Vincent und steuerte gegen Gibraltar. »Am 18. Julius« heißt es in seinem Tagbuche, »bekamen wir das Cap Spartel zu Gesicht, aber keine französische Flotte, noch irgend eine Nachricht über sie. Wie verdrießlich macht mich das! aber ich kann es nicht ändern.« Am folgenden Tage ankerte er vor Gibraltar, und vom 20sten heißt es: »Ich betrat zum ersten Mal wieder seit dem 16ten Junius 1803 die Küste, und, nachdem ich 2 Jahre, weniger 10 Tage, meinen Fuß nicht mehr aus der Victory gesetzt hatte.«

Hier besprach er sich mit seinem alten Freunde Collingwood, der, als das Verschwinden der verbündeten Flotte, und Nelson's in deren Verfolgung, in England bekannt wurde, mit einem Geschwader abgeschickt worden war und seine Station vor Cadix genommen hatte. Er war der Meinung, daß Irland das Endziel des Feindes sey; daß derselbe jezt das Ferrolgeschwader, das von Sir Robert Calder blokirt wurde, entsetzen, die Rochefortschiffe herbeirufen und dann mit 33 bis 34 Segeln vor Ouessant erscheinen werde, um sich hier mit der Brestflotte zu vereinigen. Mit dieser großen Macht, vermuthete er, werden sie sich gegen Irland aufmachen, der eigentlichen Zielscheibe aller ihrer Operationen; und ihre Flucht nach Westindien, dachte er, sey blos dazu unternommen worden, um Nelson's Flotte zu entfernen, welche das große Hinderniß ihrer Expedition sey.

Collingwood war mit großem politischem Scharfblicke begabt. Doch war für jezt Alles nur Muthmaßung in Beziehung auf den Feind, und nachdem Nelson in Tetuan sich mit Lebensmitteln und Wasser versehen hatte, segelte er am 24sten noch ohne Nachricht über den Kurs desselben gegen Ceuta. Am folgenden Tage kam die Nachricht an, daß die Brigg Curieux am 19ten die Franzosen habe nach Norden steuern sehen. Nelson segelte bis vor das Cap St. Vincent, mehr nach Kunde über den Feind umherkreuzend, als daß er gewußt hätte, wohin er sich wenden sollte; und hier trug sich ein Fall zu, der mehr, als jedes andere Ereigniß der wirklichen Geschichte, den bewundernswürdigen Beispielen von Scharfsinn ähnlich ist, welche Voltaire in seinem Zadig von den Morgenländern entlehnt hat. Eine unserer Fregatten nämlich sprach einen Amerikaner, der etwas westlich von den Azoren auf ein Kriegsfahrzeug gestoßen war, das ein entmasteter Kaper zu seyn schien, dessen Mannschaft von einem andern Schiffe an Bord genommen, und an welchen Feuer gelegt worden war; das Feuer aber war wieder ausgegangen. Ein Logbuch und einige Matrosenjacken fanden sich in der Kajüte, und diese Gegenstände wurden Nelson gebracht. Das Logbuch schloß mit den Worten: »Zwei große Fahrzeuge in West-Nord-West,« und dieses führte Nelson auf den Schluß, daß das Fahrzeug ein englischer Kaper, der um die westlichen Inseln kreuzte, gewesen sey. Aber in diesem Buche befand sich auch ein mit Ziffern bedecktes Stück schmutzigen Papiers. Kaum sah Nelson dieß, als er bemerkte, daß die Zahlen von einem Franzosen geschrieben seyen, und nachdem er es eine Weile betrachtet hatte, sagte er: »Ich kann mir das Ganze erklären. Die Jacken sind Produkte französischer Manufaktur und zeigen, daß der Kaper im Besitze des Feindes war. Er ist von den zwei Schiffen, die man in West-Nord-West sah, verfolgt und genommen worden. Der Master der Prise vergaß, als er an Bord ging, in der Eile, seine Gissung mit sich zu nehmen: es findet sich keine im Logbuche, und das schmutzige Papier enthält die Fahrt, die der Kaper machte, seit er zum leztenmal Corfu verließ. Wahrscheinlich trieb ihm ein feindliches Schiff durch ein Versehen an Bord und entmastete ihn. Da sich der Feind nicht aufhalten wollte, weil er meinte, wir seyen ihm auf der Ferse, so legte er Feuer an das Fahrzeug und verließ es eilig. Ist diese Erklärung richtig, so schließe ich daraus, daß sich derselbe mehr nordwärts gewendet hat, und nun will ich ihn auch mehr nordwärts aufsuchen.«

Diese Richtung schlug Nelson nun ein, aber wieder ohne Erfolg. Stets ausharrend und stets in seinen Hoffnungen getäuscht, kehrte er nahe genug gegen Cadix zurück, um sich zu überzeugen, daß der Feind nicht dort war, durchschnitt den Meerbusen von Biscaya und segelte hierauf – dieß war seine lezte Hoffnung – im Kampfe mit widrigen Winden auf die nordwestliche Küste von Irland zu, bis er am Abend des 12. Augusts erfuhr, daß man hier nichts von den Franzosen gehört habe. So in allen seinen Hoffnungen betrogen, nach einer Verfolgung, welche in Betreff ihrer Ausdehnung, Schnelligkeit und Beharrlichkeit ihres Gleichen nicht hat, hielt er es für das Beste, die Kanalflotte mit seinem Geschwader zu verstärken, damit nicht der Feind, wie Collingwood befürchtete, mit seiner ganzen vereinigten Macht gegen Brest heranrücke. Am 15ten vereinigte er sich vor Ouessant mit Admiral Cornwallis. Noch hatte man keine Nachricht vom Feinde erhalten, und an demselben Abende erhielt er den Befehl, mit der Victory und dem Superb sich nach Portsmouth zu verfügen.


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