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Zweites Kapitel.

Nelsons Aufenthalt in Frankreich, – seine Wiederanstellung, – sein festes Benehmen während des amerikanischen Krieges, – seine Verheirathung, – seine Anstellung auf dem Agamemnon. – Ausbruch der französischen Revolution.

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»Ich hatte,« sagt Nelson in einem seiner Briefe »den Krieg zu Ende gehen lassen, ohne mein Glück zu machen. Aber es war kein Flecken in meinem Charakter. Wahre Ehre ging mir stets allen Reichthümern vor.« Er bewarb sich um kein Schiff, weil er nicht vermöglich genug war, um in der damals üblichen Weise an Bord leben zu können. Er fand es daher für gut, während des Friedens auf halbem Solde zu bleiben, und begab sich mit dem Seekapitän Macnamara nach Frankreich, wo er zu St. Omer wohnte. Der Tod seiner Lieblingsschwester Anna, welche an den Folgen einer Erkältung bei einem Balle, zu Bath starb, ging seinem Vater so nahe, daß dieses Ereigniß Nelson beinah nach wenigen Wochen zur Rückkehr nöthigte. Aber Zeit, Vernunft und Religion bewältigten den Schmerz des alten Mannes, und Nelson blieb in St. Omer lange genug, um sich in die Tochter eines englischen Geistlichen zu verlieben. Diese zweite Neigung scheint nicht so feurig, wie die erste gewesen zu seyn, denn in Erwägung seiner beschränkten Vermögensumstände, hielt er es für's Beste, Frankreich zu verlassen, wovon er seinen Freunden »Etwas in seinen Rechnungen« als Grund angab. Dieß hinderte ihn, eine Einladung des Grafen von Zweibrücken nach Paris anzunehmen, welche in den anerkennendsten, artigsten Ausdrücken der Dankbarkeit für jene Behandlung am Bord des Albemarle abgefaßt war.

Die Selbstbeherrschung, welche Nelson bei der Unterdrückung dieser Leidenschaft an den Tag gelegt hatte, machte ihm das Seeleben wieder wünschenswerth, und als er von Lord Howe, den er auf der Admiralität besuchte, gefragt wurde, ob er angestellt zu werden wünsche, bejahte er's. Er wurde hierauf im März zum Kapitän des Boreas von 28 Kanonen ernannt, der als Kreuzer auf dem Friedensfuße, nach den Inseln unter dem Winde ging. Er nahm Lady Hughes und ihre Familie mit zu dem Admiral Sir Richard Hughes, der auf dieser Station kommandirte. In seinem Schiffe hatte er nicht weniger als dreißig Seekadetten, welche sich sehr glücklich fühlen mußten, unter einem solchen Kapitän zu stehen. Wenn er einen dieser Jünglinge bei dem ersten Versuch im Klettern ängstlich sah, pflegte er freundlich zu ihm zu sagen: »nun, Sir, ich biete Ihnen ein Wettrennen auf den Mastkorb an, und wünsche mit Ihnen dort zusammenzukommen.« Der gute Junge begann nun sogleich zu klettern, und half sich hinauf so gut er konnte. Nelson beobachtete ihn nie dabei. Wenn sie dann im Mastkorbe zusammentrafen, redete er ihm freundlich zu und sagte, der sey sehr zu bedauren, welcher dieses Klettern für gefährlich oder schwierig halte. Täglich ging er in das Unterrichtszimmer, um die Fortsetzung ihrer nautischen Studien zu beobachten, und Mittags war er immer der Erste mit seinem Quadranten auf dem Verdeck. So oft er einen ceremoniellen Besuch machte, begleitete ihn Einer der jungen Leute und als er einst beim Gouverneur zu Barbados speiste, nahm er einen derselben an der Hand, und stellte ihn vor mit den Worten: »Euer Excellenz müssen mich entschuldigen, daß ich Einen meiner Midshipmen mitbringe, ich mache es mir zur Regel, sie in jede gute Gesellschaft, wo ich kann einzuführen, da sie während der Zeit, wo sie auf der See sind, außer mir wenig Erbauliches sehen können.«

Als Nelson in Westindien ankam, war er der älteste Kapitän und somit der zweite im Kommando auf dieser Station. So ehrenvoll dieß war, so verwickelte es ihn doch bald in eine Zwistigkeit mit dem Admiral, die ein minder diensteifriger Mann hätte vermeiden können. Er fand die Latona auf englischer Rhede auf Antigua, mit einem breiten Wimpel und als er nach dem Grunde fragte, wies man ihm eine geschriebene Ordre von Sir Rob. Hughes, worin er aufgefordert wurde, den Befehlen des Kommissär-Residenten Moutray während der Zeit, die er daselbst zu bleiben veranlaßt seyn möchte, zu gehorchen; denn der besagte Kommissär-Resident »sey sofort autorisirt, einen breiten Wimpel auf jedem von seiner Majestät Schiffen im Hafen, das er für geeignet halten würde, aufziehen zu lassen.« Nelson kam nie in einem solchen Fall in Verlegenheit. »Ich weiß von keiner höhern Behörde,« sagte er, »außer den Lord-Kommissärs von der Admiralität, und meinen Senioren in der Rangliste.« In der Ueberzeugung, daß es sich nicht mit der Würde des Dienstes vertrage, wenn ein Kommissär-Resident, der nur eine bürgerliche Stellung hatte, einen breiten Wimpel aufziehen lasse, sandte er da mehr, sobald er sich vor Anker gelegt hatte, eine Ordre an den Kapitän der Latona, ihn zu streichen und wieder auf's Schiffswerft zu bringen. Hierauf ging er noch denselben Tag an's Land, speiste mit dem Kommissär, um ihm zu zeigen, daß kein anderer Grund als Pflichtgefühl ihn geleitet hatte, und gab ihm die erste Kunde vom Streichen seines Wimpels. Sir Richard sandte einen Bericht darüber an die Admiralität, aber der Fall wurde vollkommen klar gefunden, und Kapitän Nelson's Benehmen gebilligt. Ebenso rasch benahm er sich bei einer andern Gelegenheit. Während der Boreas nach dem Ende der stürmischen Monate in der Nevis-Straße vor Anker lag, segelte eine französische Fregatte unter dem Winde vorüber, dicht am Land. Nelson hatte Nachricht erhalten, dieses Schiff sey von Martinique mit zwei höhern Offizieren und einigen Ingenieurs abgesandt, um die englischen Zuckerinseln zu beobachten. Diesen Zweck mußte er zu vereiteln suchen; er gab deßhalb Befehl, der Fregatte zu folgen. Tags darauf kam er mit ihr in der Straße von St. Eustachia vor Anker, und legte sich ihr ungefähr auf zwei Taulängen zur Seite. Als er hierauf von dem holländischen Gouverneur mit den französischen Offizieren zu Tische geladen wurde, benüzte er diese Gelegenheit, den französischen Kapitän zu versichern, da es dessen Absicht sey, die brittischen Besitzungen mit einem Besuche zu beehren, habe er sogleich alle ihm zustehenden Mittel aufgeboten, ihn in seiner Majestät Schiffe, dem Boreas, zu geleiten, um hiedurch den Offizieren seiner allerchristlichsten Majestät eine Aufmerksamkeit zu erzeigen, wie sie jeder Engländer auf den Inseln zu beweisen stolz seyn würde. Der Franzose protestirte mit der gleichen Courtoisie gegen diese Bemühungen, namentlich, weil er, wie er sagte, blos um die Inseln zu kreuzen, und nirgends zu landen beabsichtige. Aber Nelson bestand mit der äußersten Artigkeit auf dieser Ehrenbezeigung, blieb der Fregatte dicht zur Seite, trotz aller ihrer Bemühungen seine Wachsamkeit zu täuschen, und verlor sie nicht aus dem Gesicht, bis sie von der Unmöglichkeit, ihm zu entkommen überzeugt, ihre verrätherischen Pläne aufgab, und nach Martinique zurückfuhr.

Eine wichtigere Angelegenheit nahm bald seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Die Vereinigten Staaten handelten zu jener Zeit mit den englischen Inseln, indem sie die Schiffsregister, welche sie erhalten hatten, so lange sie englische Unterthanen waren, benüzten. Nelson wußte, daß vermöge der Navigations-Akte kein Ausländer weder direkt noch indirekt berechtigt sey, irgend einen Handel mit diesen Besitzungen zu treiben. Ebenso war es ihm bekannt, daß für England die Amerikaner Ausländer geworden waren. Sie hatten die Bande des Bluts und der Sprache zerrissen, und sich Unabhängigkeit erzwungen, ehe sie reif dazu waren. Deßhalb war er entschlossen, sie sollten keinen Vortheil aus diesen Banden ziehen. »Wenn man sie,« sagte er, »auf irgend eine Weise mit unsern Inseln in Berührung treten läßt, so sind die Loyalisten in Neu-Schottland völlig abgeschnitten, und wenn wir einmal wieder in einen französischen Krieg verwickelt werden, so werden die Amerikaner die ersten Spediteure dieser Kolonie, und dann ihre Herren. Hier kommen sie an, verkaufen ihre Ladungen für baares Geld, gehen nach Martinique, kaufen Zucker und so fort. Der Loyalist kann dieß nicht, und muß deshalb theurer verkaufen. Die Residenten hier sind Amerikaner nach Konnexionen und Interesse, und feindselig gegen Großbritannien gesinnt. Sie sind so große Rebellen, als je in Amerika waren, wenn sie es nur zeigen dürften.« Als im November das Geschwader, zu Barbados angelangt, sich trennen wollte, ohne einen weitern Auftrag zu haben, als die Ankerplätze zu besichtigen, und die gewöhnliche Versorgung an Holz und Wasser vorzunehmen, bat Nelson seinen Freund Collingwood, damals Kapitän des Mediator, dessen Ansichten in diesem Punkte er kannte, ihn zu dem Oberbefehlshaber zu begleiten, den er sodann ehrerbietig fragte: ob sie nicht den Handel in der Gegend zu beaufsichtigen und der Navigations-Akte Respekt zu verschaffen hätten, was nach seiner Ansicht der Zweck der Aufstellung von Kriegsschiffen auf dieser Station in Friedenszeiten sey.

Sir Richard Hughes versezte, er habe keine besonderen Befehle, noch habe ihm die Admiralität Parlaments-Akten gesandt, aber Nelson gab ihm zur Antwort: die Navigations-Akte sey in die Admiralitäts-Statuten eingeschlossen, womit jeder Kapitän versehen sey, und diese Akte sey an Admirale, Kapitäne etc. mit dem Befehl sie in Ausübung zu bringen, gerichtet. Sir Richard sagte, er habe das Dokument niemals gesehen; hierauf zog Nelson die Statuten vor, las den Text der Akte und überzeugte den Oberbefehlshaber aufs Bündigste, daß Kriegsschiffe, wie er sich ausdrückte, noch zu etwas Anderem ausgesandt werden, als um Parade damit zu machen. In Folge dessen wurden Befehle gegeben, die Navigations-Akte geltend zu machen.

Der General Sir Thomas Shirley war damals Gouverneur der Antillen unter dem Winde und als Nelson ihm aufwartete, um ihn von seinem Vorhaben und den Gründen desselben zu unterrichten, versezte er: alte Generale seyen nicht gewohnt, von jungen Gentlemen Rath anzunehmen. Sir, sagte der junge Offizier, mit einem Selbstvertrauen, das ihn nie zu weit führte und immer am rechten Orte war. »Ich bin gerade so alt, als der Premierminister von England, und halte mich für ebenso fähig zum Kommando eines von seiner Majestät Schiffen, als es der Minister zur Staatsregierung ist.« Er war entschieden, seine Pflicht zu thun, was auch die Ansichten oder das Benehmen Anderer seyn mochten, und als er auf seiner Station zu St. Kitts ankam, schickte er alle Amerikaner weg, weil er sie nicht nehmen wollte, ohne sie vorher genau von der Geltendmachung der Akte unterrichtet zu haben, damit es nicht scheinen konnte, als habe man ihnen eine Falle legen wollen. Die Amerikaner, wiewohl sie von St. Kitts abzogen, wurden durch Beistand, den sie fanden, ermuthigt, und beschlossen, sich seinen Befehlen zu widersetzen, indem sie behaupteten, königliche Schiffe hätten keine Vollmacht, ohne besondern Befehl Beschlag auf sie zu legen. Die Pflanzer waren Mann für Mann gegen ihn, die Gouverneurs, die Präsidenten der verschiedenen Inseln, versagten ihm, einen Einzigen ausgenommen, ihren Beistand, und der Admiral, der sich zu keiner von beiden Seiten zu schlagen den Muth hatte, aber doch die Pflanzer sich zu verpflichten wünschte, sandte ihm eine Note, worin er ihm andeutete, daß er nach den Wünschen des Präsidenten des geheimen Rathes sich zu richten habe. Hierauf kein Gewicht zu legen war ganz unverfänglich, weil die Note nicht offiziell war, und die Form eines freundschaftlichen Rathes hatte. Aber kaum einen Monat, seit er Sir Richard Hughes mit dem Gesetze bekannt gemacht, und seiner Meinung nach überzeugt hatte, erhielt er eine Ordre von demselben des Inhalts: »er habe nun über die Sache guten Rath eingeholt, und man dürfe den Amerikanern künftig im Kommen und Gehen nichts in den Weg legen, sie haben freien Aus- und Eingang, wenn der Gouverneur ihnen denselben gestatte. Eine Ordre desselben Inhalts war an alle Gouverneurs und Präsidenten umhergesandt worden, und General Shirley und Andere benachrichtigten ihn gebieterisch, sie würden amerikanische Schiffe zulassen, da der Oberbefehlshaber ihnen die Entscheidung überlassen habe. Diese Leute hatte er, wie er sich selbst ausdrückte, bald zur Ruhe gebracht. Aber mit dem Admiral zu streiten, war eine kizlichere Aufgabe. Entweder, sagte er, mußte ich meiner Ordre oder den Parlaments-Akten ungehorsam seyn. Ich beschloß das Erstere, im Vertrauen auf die Rechtschaffenheit meiner Absichten, und im Glauben, mein Vaterland werde mich nicht sinken lassen, wenn ich seinen Handel schütze. In diesem Entschlusse schrieb er an Sir Richard, appellirte noch einmal an den klaren, buchstäblichen, unzweideutigen Sinn der Navigations-Akte, und sagte ihm in einer ehrerbietigen Sprache: er fühle sich verpflichtet, von seiner Ordre abzuweichen, bis er Gelegenheit haben würde, ihn zu sehen und zu sprechen. Sir Richard war zuerst erzürnt, und im Begriff Nelson zu kassiren, als er aber die Sache seinem Kapitän mittheilte, sagte ihm dieser Offizier, so viel er glaube, halte das ganze Geschwader die Ordre für illegal, und werde deßhalb nicht wissen, inwiefern es derselben nachzukommen verpflichtet sey. Somit war es unmöglich, Nelson vor ein Kriegsgericht zu stellen, das aus Männern bestand, welche über den fraglichen Punkt entgegengesezter Ansicht waren, und obgleich es dem Admiral an Geistesenergie und Entschiedenheit für das Rechte fehlte, so wollte er doch auch nicht hartnäckig auf dem Unrecht bestehen, und war sogar edel genug, Nelson nachher zu danken, daß er ihn über seinen Irrthum aufgeklärt hatte.

Collingwood, der Kapitän des Mediator und sein Bruder Winfried Collingwood, Kapitän des Rattler, gingen Nelson lebhaft zur Hand. An die Zollhäuser wurde gemeldet, daß nach einem bestimmten Termin auf alle noch in den Häfen befindlichen fremden Schiffe Beschlag gelegt werden würde. Viele hatten dieses Schicksal, und wurden von dem Admiralitätshofe verurtheilt. Als der Boreas zu Nevis ankam, fand er hier amerikanische Schiffe vollgeladen, sie trugen die sogenannten Inselfarben, weiß mit einem rothen Kreuz; man gebot ihnen ihre eigene Flagge aufzuhissen und binnen acht und vierzig Stunden abzufahren. Aber sie wollten nicht gehorchen, und läugneten Amerikaner zu seyn. Mehrere von ihrer Mannschaft wurden hierauf in Nelson's Kajüte inquirirt, bei dem sich der Richter von der Admiralität zufällig befand. Der Fall war klar, sie gestanden, sie seyen Amerikaner, und die Schiffe, Rumpf und Ladung amerikanisches Eigenthum. Man nahm sie demzufolge in Beschlag. Dieß erregte einen Sturm: die Pflanzer, die Zollbehörde, der Gouverneur, Alles war gegen Nelson. Subscriptionen wurden eröffnet und füllten sich sogleich; man nahm sich darin der Sache der amerikanischen Kapitäne an. Der Admiral, dessen Flagge damals in den Gewässern war, verhielt sich neutral, aber die Amerikaner und ihre Freunde beschlossen angriffsweise zu verfahren. Die Leute, welche Nelson zur Bewahrung der Schiffe gesandt hatte, hatten einige von den Schiffspatronen verhindert an's Land zu gehen, und die Matrosen aus deren Zeugenangaben hervorgegangen war, daß die Schiffe und ihre Ladung amerikanisches Eigenthum seyen, erklärten nun ihr Zeugniß für abgezwungen, da ein Mann mit gezogenem Schwert während des Verhörs vor ihnen gestanden sey. Ein rabulistischer Rechtsgelehrter, den die Partei erkauft hatte, gab dieses Mährchen an, und da die Wache an der Kajütenthüre allerdings ein Mann mit gezogenem Degen gewesen war, so besannen sich die Amerikaner nicht lange, die lächerliche Lüge zu beschwören, und sofort eine Verfolgung gegen Nelson einzuleiten. Sie berechneten ihren Schaden auf die enorme Summe von 40,000 Pfund, und Nelson war genöthigt, sich in seinem eigenen Schiff einzuschließen, um nicht wegen einer Summe eingesteckt zu werden, für die er unmöglich eine Bürgschaft hätte finden können. Häufig kam ein Beamter an Bord, um ihn zu verhaften, wurde aber jedesmal von dem ersten Lieutenant Wallis abgeführt. Wäre Nelson gefangen genommen worden, so hätte er eine Stimmung getroffen, die sicher seine Verurtheilung zur ganzen Summe nach sich gezogen haben würde. Einer seiner Offiziere, der eines Tags von den Unannehmlichkeiten dieses Zustandes mit ihm redete, gebrauchte zufällig dabei das Wort »leider.« – »Leider? rief Nelson aus, leider, sagen Sie? ich werde künftig noch beneidet werden, Sir, und nach diesem Ziele soll mein Lauf immer gerichtet seyn.« Acht Wochen lang hatte er diese Lage zu erdulden; während dieser Zeit kam der Prozeß über die in Beschlag genommenen Schiffe vor den Admiralitätshof. Er ging mit einem Geleitsbriefe des Richters für diesen Tag an's Land. Aber dessen ungeachtet wurde der Gefängnißbeamte aufgefordert, diese Gelegenheit zu seiner Verhaftung zu benützen, und die Kaufleute verhießen ihm ihren Schutz für diesen Schritt. Der Richter that jedoch seine Pflicht, und drohte, denselben selbst in's Gefängniß zu senden, wenn er den Bann des Hofes zu verletzen wagen würde. Herbert, der Präsident von Nevis, bewies bei dieser Gelegenheit einen besondern Edelmuth. Obgleich Niemand durch Nelson's Maßregeln mehr Schaden erlitten hatte, als er, so erbot er sich dennoch vor Gericht zu einer Bürgschaft von 10,000 Pfund, wenn er sich zur Haft entschließen würde. Der Advokat, dem er sich anvertraut hatte, war ein eben so geschickter als rechtlicher Mann, und trotz der Ansichten und Plaidoyers der meisten Gerichtspersonen von den verschiedenen Inseln, welche nicht zugeben wollten, daß Kriegsschiffe berechtigt seyn sollten, ohne besondere Ermächtigung amerikanische Schiffe in Beschlag zu nehmen, war das Gesetz so deutlich, der Fall so klar, und Nelson führte seine Sache so gut, daß die vier Schiffe verurtheilt wurden. Während diese Angelegenheit ihren Gang ging, sandte er ein Promemoria nach England an den König, in Folge dessen der Befehl erlassen wurde, er solle auf Kosten der Krone vertheidigt werden, und auf die Vorstellungen, die er zur gleichen Zeit dem Staatssekretär machte, und die Winke, womit er dieselben begleitete, wurde die Registerakte verfaßt; die Sanktion der Regierung, und die Billigung seines Benehmens, welche sie enthielt, war sehr belohnend für ihn. Aber er fühlte sich mit Recht dadurch beleidigt, daß die Schatzkammer zugleich dem Oberbefehlshaber ihren Dank für dessen Thätigkeit und Eifer in Beschützung des großbritannischen Handels abstattete. »Hätten sie es recht gewußt,« sagte er, »so hätten sie, glaube ich, ihren Dank nicht in diese Region sich verirren lassen, und mich vernachlässigt. Es kränkt mich sehr, daß, nachdem ich meine Gesundheit aufgeopfert, und mein Vermögen aufs Spiel gesezt habe, ein Anderer den Dank für das einnimmt, was ich gegen seine Befehle that. Entweder hätten sie mich aus dem Dienst jagen oder von meinen Schritten ein wenig Notiz nehmen müssen. Sie haben sie einer Notiz für werth erachtet, und mich dennoch vernachlässigt. Wenn dieß der Lohn für eine treuliche Pflichterfüllung ist, so werde ich vorsichtig seyn, und mich nicht wieder vor den Riß stellen. Aber ich habe meine Pflicht gethan, und habe mich in Nichts anzuklagen.«

Die Verlegenheit, in welche ihn die peinliche Ungewißheit des Gesetzes gestürzt hatte, ist aus diesen Worten klar. Uebrigens war ihm ein Trost geblieben: denn er bewarb sich in dieser Zeit um die Nichte seines Freundes, des Präsidenten, welche damals 18 Jahre alt, und die Wittwe des Dr. Nisbet, eines Arztes, war. Sie hatte ein einziges Kind, einen Sohn, Namens Josua, 3 Jahre alt. Herbert, der eines Tags halb angekleidet sich beeilt hatte, Nelson zu empfangen, rief bei seiner Zurückkunft in's Ankleidezimmer aus: »Lieber Gott, fand ich nicht diesen großen, kleinen Mann, den alle Welt so sehr fürchtet, im nächsten Zimmer unter dem Speisetisch, spielend mit Mrs. Nisbets Kind!« Einige Tage nachher wurde ihm Mrs. Nisbet selbst zuerst vorgestellt, und dankte ihm für die Theilnahme, die er ihrem Knaben erwiesen. Ihr Benehmen war sanft und anziehend, und der Kapitän, der ein sehr erregbares Herz hatte, fand die gebieterische Nothwendigkeit, seine Neigung zu unterdrücken, nicht mehr, die ihn früher zweimal vom Heirathen abgehalten hatte. Sie wurden am 11. März 1787 getraut. Prinz William Henry, der sich damals in Westindien aufhielt, war nach seinem eigenen Wunsche als Brautführer zugegen. Der Oheim der Braut war damals über seine einzige Tochter so unzufrieden, daß er sie zu enterben, und sein ganzes, sehr großes Vermögen seiner Nichte zu vermachen beschlossen hatte. Aber Nelson, zu edel, um aus einer Ungerechtigkeit Vortheil ziehen zu wollen, trat vermittelnd ein, und war so glücklich, den Präsidenten mit seinem Kinde zu versöhnen.

»Gestern,« sagte Einer seiner Freunde von der Marine den Tag nach der Hochzeit, »verlor die Marine durch Nelson's Vermählung eine ihrer größten Zierden. Es ist ein National-Verlust, wenn ein solcher Offizier heirathet: er wäre der größte Mann im Dienst geworden.« Allein der, welcher diese Meinung äußerte, kannte nur Nelson und nicht die Macht der häuslichen Liebe und Pflicht auf einen Geist von wahrhaft heroischem Gepräge. »Wir werden oft getrennt seyn,« schrieb Nelson in einem Briefe an seine Verlobte wenige Monate vor ihrer Hochzeit, aber unsere Zuneigung wird dadurch auf keine Weise geschwächt werden. Das Vaterland hat den ersten Anspruch auf meine Dienste; und Privatrücksichten oder Privatglück müssen dem öffentlichen Wohl immer aufgeopfert werden. Die Pflicht ist die große Angelegenheit eines Seeoffiziers: was ihn selbst angeht muß nachstehen, wie sehr es auch schmerze.«

»Hast Du nicht oft gehört, sagte er in einem andern Brief, daß Salzwasser und Abwesenheit immer die Liebe wegwaschen? Nun bin ich aber so ketzerisch, an diesen Ausspruch nicht zu glauben: denn siehe, jeden Morgen hatte ich sechs Eimer Salzwasser über meinen Kopf geschüttet, und anstatt das, was man sagt, wahr zu finden, geht es diesem Ausspruch so zuwider, daß Du mich vielleicht vor der bestimmten Zeit sehen wirst.« Häufig athmet sein Briefwechsel eine sehr tiefe Neigung. »Briefe an Dich zu schreiben,« sagt er, »ist das größte Vergnügen, nach dem, welche von Dir zu bekommen. Was ich fühle, wenn ich einen lese, von Dem ich sicher bin, daß er der reine Ausdruck Deines Herzens ist, kann meine schwache Feder nicht ausdrücken: – auch würde ich in der That nicht viel für eine Feder oder einen Kopf geben, welche Gefühle dieser Art ausdrücken können. Abwesend von Dir habe ich kein Vergnügen, denn Du bist Alles für mich. Ohne Dich habe ich keine Lust an dieser Welt; denn ich habe schon längst gefunden, daß nichts als Sorge und Plage darin ist. Dieß sind meine Gesinnungen. Gott der Allmächtige gebe, daß sie sich nie ändern mögen! Auch denke ich nicht daran, daß es der Fall seyn werde. In der That, ich habe, so weit menschlicher Verstand es beurtheilen kann, eine moralische Sicherheit, daß es nicht möglich ist: denn eine wirkliche Neigung führt uns zusammen; nicht Interesse oder Zwang.« Dieß waren die Empfindungen und das Pflichtgefühl, mit welchen Nelson seine Ehe antrat.

Während seines Aufenthalts in Westindien hatte er hinreichende Gelegenheit, die ärgerlichen Praktiken der Lieferanten, Prisen-Agenten und anderer Personen beim Seedienst, kennen zu lernen. Als er das erstemal mit dem Kommando beauftragt war und ihm Rechnungen über Anschaffungen zum Unterzeichnen gebracht wurden, verlangte er die Quittungen, um zu untersuchen, ob Alles wirklich zu dem laufenden Preise angekauft worden sey: aber diese zu zeigen, würde nicht wohl angegangen seyn, und darum war es nicht gebräuchlich. Darauf schrieb Nelson an den Kontroleur des Seewesens, Sir Charles Middleton, und stellte ihm die Mißbräuche vor, welche vermuthlich auf diese Art begangen würden. Die Antwort, welcher er erhielt, schien zu verstehen zu geben, daß die alten Formen für genügend gehalten würden; und da er demnach keine Wahl hatte, war er genöthigt, eine Praxis zu ignoriren, welche offenbar aus betrüglichen Absichten entsprungen war. Bald nachher benachrichtigten ihn zwei Antigua-Kaufleute, große Betrügereien zu kennen, welche gegen die Regierung in verschiedenen Besitzungen begangen worden seyen; auf Antigua im Betrage von nahe an 500,000 Pfund; aus St. Lucia 300,000 Pfund; auf Barbados 250,000 Pfund, auf Jamaika über eine Million. Die Angeber waren beide spekulative und verständige Geschäftsleute; sie stellten sich nicht, als ob sie durch ihr Rechtsgefühl dazu getrieben seyen, sondern verlangten ein Prozent von dem, was die Regierung durch ihre Hülfe wieder erlangen könnte. Nelson untersuchte die Bücher und Papiere, welche sie vorzeigten, und überzeugte sich, daß die Regierung auf die schändlichste Art beraubt worden sey. Es war, wie er fand, eine Kontrolle nirgends geführt worden; der Grundsatz war: ein Ding sey immer werth, was man dafür bekomme; und die Kaufleute waren gewohnt, Scheine für einander zu unterzeichnen, ohne die Bedingungen anzusehen. Diese Nachrichten sandte er nach den Inseln, wo die Betrügereien statt gefunden hatten; aber die Unterschleifer waren zu mächtig, und es gelang ihnen, nicht nur eine Untersuchung zu hintertreiben, sondern sogar Vorurtheile gegen Nelson beim Admirals-Kollegium zu erwecken, welche er mehrere Jahre lang zu bekämpfen hatte.

Aus Veranlassung dieser Vorurtheile wahrscheinlich, und des Einflusses der Unterschleifer, wurde er bei seiner Rückkehr nach England auf eine Art behandelt, welche ihn beinahe aus dem Dienst getrieben hätte. Während der drei Jahre, die der Boreas auf einer sonst sehr ungesunden Station war, war nicht ein einziger Offizier, noch Jemand von der Mannschaft gestorben. Dieser ganz beispiellose Beweis einer guten Gesundheit, obgleich ohne Zweifel gesundem Wetter zuzuschreiben, mußte gewissermaßen auch auf Rechnung des weisen Verhaltens des Kapitäns kommen. Er ließ nie mehr als drei oder vier Schiffe zu gleicher Zeit bei den Inseln bleiben; und wenn die stürmischen Monate ihn in einen englischen Hafen einschlossen, so beförderte er alle Arten der üblichen Unterhaltung, Musik, Tanz und Boxen, bei der gemeinen Mannschaft; Theater bei den Offizieren: Alles, was ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und ihren Geist munter halten konnte. Der Boreas kam im Juni in England an; Nelson, welcher während seines Aufenthalts in Westindien einige Zeit für schwindsüchtig gehalten und vielleicht durch das Klima von der Schwindsucht gerettet wurde, war in einem schwankenden Gesundheitszustande; und das rauhe, feuchte Wetter eines unfreundlichen Sommers brachte Schnupfen, geschwollenen Hals und Fieber: dennoch wurde sein Schiff vom Ende Juni bis zum Ende Novembers bei dem Nore aufgehalten, und diente zum Schlepp- und Aufnahmschiff. Diese unwürdige Behandlung, welche wahrscheinlicher ihren Grund in Uebelwollen, als in Zufall hatte, erregte in Nelson den tiefsten Unwillen. Während ganzer fünf Monate verließ er selten oder nie das Schiff, sondern versah seine Pflicht mit strenger, finsterer Aufmerksamkeit. An dem Morgen, an welchem der Befehl kam, sich bereit zu halten, daß der Boreas abgelohnt werde, drückte er seine Freude gegen den ältesten Offizier im Medway mit den Worten aus: ich will mich auf immer aus diesem undankbaren Dienst zurückziehen; es ist mein fester und unabänderlicher Entschluß, nie wieder einen Fuß an Bord eines königlichen Schiffes zu setzen. Unmittelbar nach meiner Ankunft in der Stadt will ich dem ersten Lord der Admiralität aufwarten und meine Entlassung eingeben. Der Offizier, dem er diese Absicht mittheilte, benahm sich auf die klügste und freundschaftlichste Art; aber da er es bei seiner augenblicklichen Stimmung für vergeblich fand, ihm abzurathen, so trat er in's Geheim bei dem ersten Lord in's Mittel, um Nelson von einem ihm selbst so nachtheiligen Schritt zurückzuhalten; freilich hatte er keine Ahnung, wie sehr die Wohlfahrt und Ehre Englands in diesem Augenblick auf dem Spiele standen. Diese Vermittlung hatte den Tag vorher, ehe das Schiff abgelohnt werden sollte, einen Brief von Lord Howe zur Folge, welcher den Wunsch ausdrückte, den Kapitän Nelson zu sehen, sobald er in die Stadt komme: und da der Lord an seiner Unterhaltung Gefallen fand und durch Nelson's Erklärungen von der Angemessenheit seines Benehmens überzeugt wurde, wünschte er, er möchte sich bei dem ersten Lever dem König vorstellen: und die huldreiche Art, mit der Nelson hier empfangen wurde, machte wirklich seinem Unwillen ein Ende.

Auf gleiche Weise waren Vorurtheile gegen seinen Freund Prinz William Henry, erweckt worden. »Man hat Verläumdungen gegen Sie ausgestreut,« schreibt Nelson in einem seiner Briefe, – »würde die Wahrheit nicht unterdrückt, so würde Eure königliche Hoheit der Liebling des englischen Volkes seyn.« Dieß war nicht geschmeichelt, denn Nelson war kein Schmeichler. Der Brief, in welchem diese Stelle sich findet, beweist, wie verständig und edel er sich gegen den Prinzen benahm. Einer der Offiziere desselben hatte wegen einer Sache, worin der Prinz ohne alle Frage Unrecht hatte, an ein Kriegsgericht appellirt. Der Prinz indes, der seinen Charakter und seine Autorität geltend machte, schlug das gerichtliche Verfahren nieder, was für einen braven und verdienten Mann nachtheilig seyn mußte. »Verzeihen Sie mir, mein Prinz, schrieb Nelson, wenn ich mich erkühne, Ihnen anzuempfehlen, daß der Mann in Eurer königlichen Gunst stehen möge, als ob er nie mit Ihnen gesegelt wäre, und daß Sie ihm künftig nützlich seyn mögen. Dieß allein fehlt, Ihr Betragen auf die wahre Höhe zu stellen. Keiner von uns ist ohne Fehler: der seinige war, etwas zu voreilig gewesen zu seyn, aber dieses in Vergleich damit, daß er ein guter Offizier ist, darf, ich wage es zu sagen, nicht in die Wagschale gegen ihn gelegt werden. Mächtigere Freunde als mich und von größerem Einfluß im Staat, mag Eure königliche Hoheit leicht finden; aber einer, der mehr Anhänglichkeit und Zuneigung hätte, ist nicht so leicht zu treffen. Selten, sehr selten finden Prinzen einen uneigennützigen Mann, mit dem sie ihre Gedanken austauschen könnten: ich behaupte nicht dieser Mann zu seyn: aber glauben Sie einem Manne, welcher fürwahr niemals eine ehrlose Handlung beging, daß ich einzig dafür interessirt bin, daß Eure königliche Hoheit der größte und beste Mensch seyn soll, welchen dieses Land je hervorbrachte.«

Angefeuert durch das Benehmen Lord Howe's, und durch seine Aufnahme bei Hof, erneuerte Nelson seine Angriffe gegen die Unterschleifer mit neuem Muth. Er hatte Zusammenkünfte mit Rose, Pitt und Sir Charles Middleton, und überzeugte sie alle in Betreff seiner Beschwerden. In Folge davon, sagt man, wurden die geeigneten Maßregeln gegen diese sehr ausgedehnten öffentlichen Betrügereien getroffen: seine Vorstellungen wurden beachtet, und jeder Schritt, den er anempfahl, befolgt; die Nachforschung wurde auf einem geeigneten Wege betrieben und endete mit der Entdeckung und Bestrafung vieler Schuldigen; der Staat machte eine ungeheure Ersparniß und seine Aufmerksamkeit richtete sich auf ähnliche Unterschleife in andern Theilen der Kolonien. Uebrigens sagt man auch, Nelson scheine kein Zeichen von Lob für seine Bemühung erhalten zu haben, und man hat mit Recht bemerkt Clarke und M. Arthur. Bd. I. pag. 107., daß der Geist der Marine nicht so kräftig erhalten werden kann durch freigebige Ehrenbezeigung gegen Offiziere, wenn sie sich im Dienste abgenüzt haben, als durch Aufmerksamkeit gegen solche, welche, wie damals Nelson, nur ihre Unbescholtenheit und ihren Eifer für sich sprechen lassen konnten. Ein jüngerer Offizier, der mit dem Kommando auf Jamaika zurückgeblieben war, erhielt eine Gehaltszulage, um welche Nelson vergeblich gebeten hatte. Jeder Handwerker und Matrose, welcher auf dem Werfte beschäftigt war, bekam doppelten Sold, Nelson hatte über die ganze Sache mit der strengsten Pünktlichkeit die Oberaufsicht geführt, und er beklagte sich, vernachlässigt worden zu seyn. »Allerdings,« sagte er, sey die Mühe, welche er sich gegeben, um die Nachlässigkeiten, welche damals vor sich gingen, zu entdecken, nicht mehr als seine Pflicht gewesen; aber er habe nicht bedacht, daß die Ausgaben in Folge seiner häufigen Reisen nach St. Johns, welche über seine Pflicht gingen (es ist eine Entfernung von zwölf Meilen), seiner Kasse, als Kapitän des Boreas, zu Last fallen würden.« Dessen ungeachtet verminderte das Gefühl, mit welchem er diese unwürdige Behandlung aufnahm, seinen Eifer nicht. »Was,« sagte er, »was suchte ich, als ich die Wogen durchschnitt? Ach! was man Ehre nennt, hält man jezt nicht mehr dafür. Mein Vermögen, Gott weiß es, habe ich im Dienste verzehrt: das ist der Lohn, den ich dafür erhielt, daß ich meinem Vaterland diente. Der Teufel, stets bereit, die Tugendhaften zu versuchen, hieß mich das Anerbieten machen, wenn einige Schiffe abgesendet werden sollten, um die Häfen Seiner Majestät von Marokko zu zerstören, dabei zu seyn: und ich habe einigen Grund zu glauben, daß, sollten noch einige abgehen, meine unterthänigen Dienste angenommen werden. Ich habe immer den Satz behauptet, der jedem Offizier über Alles gehen sollte, daß es besser ist, einem undankbaren Vaterlande zu dienen, als seinen eigenen Ruhm aufzugeben. Die Nachwelt wird Gerechtigkeit widerfahren lassen. Eine gleichförmige Laufbahn der Ehre und Unbescholtenheit verfehlt selten, einen Mann zulezt zum Ziel seines Strebens zu bringen.«

Der Plan gegen die Seeräuber der Barbarei, gleichwie alle andern Plane gegen sie, wurde bei Seite gelegt; und Nelson führte seine Frau auf seines Vaters Pfarre, in der Absicht, ihm einen Besuch zu machen und sich dann nach Frankreich zu begeben, um sich eine vollständige Kenntniß der französischen Sprache zu erwerben. Aber sein Vater konnte es nicht über sich gewinnen, ihn ohne Noth verlieren zu müssen. Er war sehr leidend. Die Gegenwart seines Sohnes hatte ihm, wie er erklärte, neues Leben gegeben. »Horace,« sagte er, »es würde besser um mich stehen, wenn ich nicht so erfreut worden wäre, da ich Deiner so bald wieder beraubt werden soll. Laß mich, mein guter Sohn, Dich sehen, so lange ich noch kann. Mein Alter und meine Schwäche wächst und ich werde nicht mehr lange leben.« Einer solchen Aufforderung konnte er sich nicht entziehen. Nelson nahm seinen Aufenthalt im Pfarrhause, und unterhielt sich mit ländlichen Vergnügungen und Beschäftigungen. Einmal gab er sich mit dem Feldbau ab; ein andermal brachte er den größten Theil des Tages im Garten zu, wo er grub, blos des Vergnügens wegen sich müde zu arbeiten. Zuweilen ging er nach Vogelnestern, wie ein Knabe: bei solchen Ausflügen begleitete ihn beständig seine Frau. Jagen war seine liebste Beschäftigung. Schießen, wie er es trieb, war aber für seine Begleiter gefährlich; er nahm immer sein Gewehr mit gespanntem Hahn mit, als ob er ausginge, einen Feind anzugreifen; den Moment, wo die Vögel sich erheben, ließ er aber verstreichen, ohne je die Vogelflinte auf die Schulter zu werfen; es ist daher nichts Außerordentliches, daß, als er einmal ein Rebhuhn geschossen hatte, dieß von seiner Familie unter den bemerkenswerthen Ereignissen seines Lebens erwähnt wurde.

Aber seine Zeit ging nicht ohne alle beunruhigende Sorgen hin, welche ihn um seine gute Laune brachten. Die Angelegenheit in Betreff der amerikanischen Schiffe war noch nicht vorüber, und er wurde wieder mit Drohungen einer Anklage beunruhigt. »Ich habe ihnen geschrieben, daß ich Nichts mit ihnen zu schaffen haben will, und daß sie verfahren sollen, wie es ihnen geeignet dünkt. Die Regierung will, wie ich vermuthe, thun, was Recht ist, und mich nicht in Verlegenheit lassen. Wir haben längst genug von den Folgen gehört, welche die Navigationsakte für dieses Land hatte. Sie mögen meine Person nehmen; aber wenn sechs Pfennige mich von einer Anklage retten könnten, so würde ich sie nicht dafür geben.« Er hielt damals viel auf Pferde, und da er sich entschlossen hatte, eines zu kaufen, ging er in dieser Absicht auf einen Markt. Während seiner Abwesenheit kamen zwei Männer in das Pfarrhaus und fragten nach ihm und dann nach seiner Frau, und nachdem sie sich von ihr hatten wiederholt erklären lassen, daß sie wirklich die Frau des Kapitäns sey, reichten sie ihr eine Schrift oder eine Meldung von Seiten der amerikanischen Kapitäne, welche jezt ihren Schaden auf 28,000 Pfund anschlugen, und beauftragten sie, solche ihrem Gatten bei seiner Rückkunft zu geben. Nachdem Nelson ein Pferd gekauft hatte, kam er sehr vergnügt nach Hause. Er rief seine Frau heraus, damit sie den Kauf bewundere und alle Vorzüge des Rosses sehe: aber seine Freude wurde sehr gestört, als man ihm das Papier überreichte. Seine Entrüstung war groß, und in der Besorgniß, den Unannehmlichkeiten eines Prozesses ausgesezt zu werden, und den verderblichen Folgen, welche damit verbunden sind, rief er aus: »Diesen Schimpf habe ich nicht verdient! Aber ich werde nicht länger mit mir spielen lassen. Ich will sogleich an die Schatzkammer schreiben: und wenn mich die Regierung nicht unterstüzt, so bin ich entschlossen, das Land zu verlassen.« Er benachrichtigte demgemäß die Schatzkammer, daß, wenn er nicht mit umgehender Post eine genügende Antwort erhalte, er sich nach Frankreich flüchten werde. Er erwartete in der That, dazu genöthigt zu werden, und traf mit der ihm eigenthümlichen Raschheit alle Maßregeln dazu. Es wurde ausgemacht, er solle unmittelbar abreisen und seine Frau ihm unter dem Schutze seines älteren Bruders Moriz zehn Tage nachher folgen. Aber die Antwort, die er von der Regierung erhielt, beruhigte seine Besorgnisse: sie besagte, Kapitän Nelson sey ein trefflicher Offizier und habe nichts zu fürchten, denn er werde ganz gewiß unterstüzt werden.

Hier scheint seine Unruhe, dieser Angelegenheit wegen, ein Ende genommen zu haben. Jedoch war er noch nicht ganz zufrieden; er verlangte ein Geschäft und war gekränkt, daß seine Gesuche darum keinen Erfolg hatten. »Daß er kein Mann von Vermögen sey, meinte er, sey ein Verbrechen, welches er nicht sühnen könne, und daher bekümmere sich Keiner der Großen um ihn.« Wiederholt ersuchte er die Admiralität, man solle ihn doch nicht in Unthätigkeit einrosten lassen. Während der Rüstungen, welche aus Gelegenheit des Streites um den Notka-Sund gemacht wurden, erneuerte er sein Gesuch: und sein treuer Freund, Prinz William, der damals zum Herzog von Clarence ernannt worden war, empfahl ihn dem Lord Chatham. Das Fehlschlagen dieser Empfehlung kränkte ihn so tief, daß er wieder den Gedanken faßte, sich im Aerger vom Dienst zurückzuziehen, und nur die dringenden Vorstellungen Lord Hoods brachten ihn davon ab. Als er hörte, daß der Raisonnable, auf welchem er seine Laufbahn begonnen hatte, abgesandt werden solle, bat er um diese Stelle, aber auch dießmal umsonst; er ward kalt gegen Lord Hood, weil dieser ausgezeichnete Offizier bei dieser Gelegenheit von seinem Einfluß auf Lord Chatham keinen Gebrauch machte. Lord Hood hatte sicher hinreichende Gründe gehabt, sich nicht in die Sache zu mischen, denn er blieb immer sein treuer Freund. Im Winter 1792, beim Beginn des Anti-Jacobiner-Krieges, bot Nelson noch einmal seine Dienste an, verlangte dringend ein Schiff und fügte hinzu: daß er zufrieden seyn würde, wenn es den Lords beliebte, ihm auch nur eine Nußschaale zu überlassen. Die Antwort lautete in der gewöhnlichen offiziellen Form: »Sir, ich habe Ihren Brief vom 5ten dieses erhalten, welcher Ihren Wunsch, zu dienen, ausdrückt, und habe denselben den bevollmächtigten Lords der Admiralität vorgelegt.« Am 12. December erhielt er diese trockene Erklärung. Diese neue Kränkung schmerzte ihn indessen nicht lange, denn durch die gemeinsamen Verwendungen des Herzogs und Lord Hoods, wurde er am 30. Januar des folgenden Jahres auf den Agamemnon von 64 Kanonen befördert.


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