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3. Rom.

Daß man gemeinhin vom Altertum und der antiken Kultur wie von einer Identität spricht, ist eine Willkür. Die spezifisch griechische Kultur ist gemäß dem vollkommen anderen Volkscharakter von der spezifisch römischen durchaus verschieden, die Verhältnisse verwischen sich nur dadurch einigermaßen, daß nach der Besiegung Griechenlands durch Rom die griechische Kultur mehr und mehr in Rom eindrang; es ist jedoch ebenso selbstverständlich, daß von den spezifisch römischen kulturellen Verhältnissen immer noch ein großer Teil in dieser Kultureinheit erhalten blieb. So ist die Kultur der römischen Kaiserzeit eben erst das Produkt der hellenesierten römischen Kultur und läßt sich als ein griechisches Kulturprodukt nicht erklären. An anderer Stelle werde ich Gelegenheit haben, die Sittengeschichte des Altertums und ihre verschiedenen Quellen genauer unter diesem Gesichtspunkte darzustellen.

Die römische Geschichte bietet Gelegenheit die legale Prostitution auf ihre beiden Wurzeln, das Männerhaus und die Prostituierung zurückzuführen. Die Sagen von der Gründung Roms erzählen, daß Romulus, nachdem er die Stadt gebaut hat, sie zu einer Freistadt für die Verbrecher proklamierte, und daß massenhaft Männer zusammenströmten. Nur fehlten diesen Männern noch die Frauen, und man raubte daher von den benachbarten Sabinern auf einem Feste die Weiber zur Befriedigung der Römer. Die Deutung dieser römischen Sage geht restlos in meine Erklärung der Institution des Männerhauses auf. Auch daß man diese Männer als Verbrecher bezeichnet, läßt sich als Ausdeutung einer späteren, sozialempfindenden Zeit verstehen; der Raub der Sabinerinnen kann jedoch in unbefangener Weise nie anders gedeutet werden, als auf die Prostituierung stammfremder Frauen im Männerhause, die ich als Kern der Prostitution nachgewiesen habe.

Die gleiche Tendenz, der Prostituierung einen religiösen Nimbus zu geben, zeigt die römische Geschichte. Bezeichnend für die religiöse Wertung der Prostituierten in Rom, und das ist ein ganz wesentlicher Unterschied gegen die griechischen Verhältnisse, ist die Tatsache, daß die Römer selbst als ihre Stammesmutter eine Prostituierte annehmen. Valerus deutet die Wölfin, die Romulus und Remus säugte, auf die Dirne Aca Laurentia. Aca Laurentia, die Maitresse des Hirten Faustilus, der die Zwillinge am Ufer des Tiber fand, wurde nach ihm die Wölfin genannt, weil sie oft in den Wäldern umherirrte und von den Geschenken der Hirten lebte. Durch ihre Prostitution erwarb sie sich die Felder zwischen den sieben Hügeln und schenkte sie ihrem Pflegekind. Lupanar hieß diese Hütte der Laurentia, in der sie sich schrankenlos jedem hingab. Zu Ehren dieser Hure setzten die Römer eines der vielen Feste ein, das bei ihnen im Zusammenhange mit der Prostitution steht, die Luperkalien, die erst später dem Gotte Pan zugeschoben wurden. Aber auch dann zeigte sich noch eine Beziehung zur Prostitution. Die Luperci, die Priester des Pan, durchliefen, bis auf die Schambinde völlig nackt, mit einem blutenden Messer in der einen und einer Geißel in der anderen Hand die Straßen der Stadt, bedrohten die Männer mit dem Messer und schlugen die Weiber mit der Geißel. Man glaubte, daß der Schlag mit der Geißel die Unfruchtbaren fruchtbar zu machen vermöge; denn als man die Sabinerinnen geraubt hatte, waren sie zuerst unfruchtbar, erzählt die Sage: ein Beweis, daß auch sie ursprünglich Prostituierte waren. Die Römer, die darum unglücklich waren, fragten die Göttin Juno um Rat und bekamen den Orakelspruch zu hören: Es ist nur ein Bock nötig, um euch Mütter werden zu lassen. Die Priester des Pan behaupteten dieses richtig gedeutet zu haben, sie schlachteten einen Bock, schnitten aus dem Felle Riemen und geißelten mit ihnen die Sabinerinnen, und durch diese Geißelung wurden die Weiber schwanger: Die Priester gaben ihren Männern den Rat zur Prostituierung in der Ehe.

Dies ist das echt römische Fest zur Verherrlichung der Prostitution, das sich an die ursprünglich religiöse Prostitution anschließt. Später drang natürlich auch der Venuskult nach Rom ein, der jedoch in Rom wesentlich weniger zur Prostitution ausartete als in Griechenland, auch nicht die gleiche Ungebundenheit ermöglichte, wie der Kult der Flora, der berühmten Prostituierten aus der Zeit des Ancus Martius. Die Regierung hob sie mehrfach auf, aber das Volk erzwang immer wieder ihre Einsetzung. Die Feste arteten zu Orgien aus, mit Nacktdarstellungen und Zirkus, die in lasziven Bewegungen gipfelten.

Die Venus wurde unter verschiedenen Formen verehrt. Die Dirnen weihten der Sumpfgöttin am 22. April ein Opfer von Weihrauch, Kresse, Myrten und Rosenkränzen und baten um gute Einnahmen. Die Venusfeste appellierten im Gegensatz zu den Florafesten nicht an die große Masse und ihre derben Instinkte, der Höhepunkt der Feier wurde immer nur von den Auserwählten geteilt. Beim Venuskulte waren jedoch die beteiligten Frauen fast ausnahmslos Prostituierte. Die römischen Frauen ebenso wie die römischen Greise, zogen sich, besonders wenn zur Feier des Erwachens der Natur ein rauschendes Fest begann, in den äußersten Winkel ihrer Häuser zurück und überließen den Männern und der Prostitution Straßen und Tempel. Dies Fest bildete den Anlaß zu den eigentlichen römischen Fastnachtsspielen, in denen meist recht dreiste Szenen aus dem Liebesleben des Adonis und der Venus dargestellt wurden.

Eine echte Gottheit der religiösen Prostitution war bei den Römern Priapus, der als Frucht des Liebesverhältnisses zwischen der Venus (Aphrodite) und dem Bacchus (Dionysos) galt (Tibull I. 4. 7) und bekanntlich mit einem riesigen phallischen Symbol dargestellt in den Gärten als Hüter der Fruchtbarkeit aufgestellt wurde. Aus den »Carmina Priapeia«, den priapischen Gedichten, lernen wir seine Funktionen und die Art der Verehrung kennen, die er genoß. So lautet Gedicht 34:

Bei einem Fest zu Ehren des Priapus war
gegen niedrigen Lohn ein Mädchen gemietet
für die ganze zahlreich beteiligte Schar.
So viele Männer in jener Nacht sie begattet,
so viele Weidenruten bringt sie dir dar.

(Zitiert nach Iwan Bloch.)

Diese Feste lassen sich durchaus nicht als Rückstände aus einer alten Zeit allgemeiner Promiskuität erklären, die Form des Geschlechtsverkehrs ist Prostitution, nicht aber eine Promiskuität, und der Zweck der Feste ist ja offensichtlich die Befreiung der Männer und die Anreizung zur Benutzung der Prostitution.

Eine echte geschlechtliche Promiskuität findet sich eigentlich nur in den später gefeierten Bacchanalien, die als gemeinsame Feier geschlossener Kreise zu Ehren der Göttermutter Kybele und des Bacchus in der späteren Zeit nach asiatischem Vorbilde auf Anregung der Griechen in Rom eingeführt wurden.

Aber diese spätere Zeit ist ja eben die kultivierte, die den Kontakt mit den Urformen verloren hat. Es kann also diese Tatsache unmöglich zur Stützung der Ansicht angeführt werden, daß ursprünglich eine allgemeine Promiskuität stattgefunden hat.

Für die Beurteilung der Stellung der Römer zur Prostitution ist eine Auseinandersetzung mit dem Sexualcharakter der Römer von wesentlicher Bedeutung. Man hat die Römer in dieser Beziehung die Engländer des Altertums genannt, wie die Griechen gern als die Franzosen der vorchristlichen Zeit bezeichnet werden. Man versteht aus dieser Bemerkung leicht, daß die Römer nicht eben Liebeskünstler waren, und nach dem Wenigen, was ich bereits über den Sexualcharakter der Engländer gesagt habe, und nach den eingehenden Bemerkungen, die noch folgen, wird man manche Charaktergleichung zwischen Römern und Engländern ziehen können.

Die Verhältnisse der Kaiserzeit sind naturgemäß durchaus andere und anderen Gesetzen unterworfen. Hier hatte sich eine völlige Verschiebung der kulturellen Verhältnisse und der Lebensformen gegen die republikanische Zeit durchgesetzt. Die Bevölkerungsverhältnisse hatten sich verändert, und so hatten griechisches Liebesspiel und griechische Liebeskunst ihren Einzug in die Kaiserstadt gehalten. Es paßt eben für diese Zeit das psychologische Milieu, das ich als absteigende Kultur bezeichnet habe, und das stets mit einer starken Rassenmischung verbunden ist. Gemäß der »sadistischen« Veranlagung der Römer ist die vaterrechtliche Auffassung und die vaterrechtliche Kultur ursprünglich das non plus ultra der Gestaltung der sexuellen Verhältnisse. Man hat gesagt, daß in Hellas wie in Rom die strenge Auffassung und die Bestrafung des Ehebruchs die Prostitution ganz außerordentlich begünstigt hat (Iwan Bloch, Die Prostitution Seite 224). Diese Auffassung ist falsch. Schon deshalb, weil ja nach Eintritt einer laxeren Auffassung der ehelichen Treue die Prostitution an Umfang nicht etwa abnahm, sondern weiterwuchs.

Der Wunsch zur Stützung vaterrechtlicher Zustände, der einer horazischen Veranlagung des Mannes gelegen ist, führt gleichzeitig zu strenger Ehe und ausgebildeter Prostitution. Beide haben eine gemeinsame Wurzel, nicht aber wird die Prostitution durch die strenge Eheauffassung notwendig gemacht. Rom wollte nicht Kinder schlechthin haben, sondern Bürger. Man sah in der Durchführung des vaterrechtlichen Prinzips das konsolidierende Staatselement kat exochen, und man verlangte darum, daß die Kinder aus einer gesetzlich geregelten Ehe stammen. An außerehelichem Geschlechtsverkehr gestattete man nur den schlechthin unfruchtbaren mit der Prostitution. Jeder andere Beischlaf galt ihnen als coitus illicitus, zu dem nicht nur der Verkehr mit verheirateten Frauen, das Adulterium, sondern auch der mit unverheirateten oder mit verwitweten anständigen Frauen, das Stuprum, gehörte. Die Masseninstinkte setzten sich in Gesetzesform durch, denn im Geiste der Masse der römischen Männer lag ein derartiger Verkehr, der Umwerbung, Liebesspiel und Rücksichtnahme auf die Frauen erforderte, durchaus nicht. Man wollte nur genießen zur eigenen Befriedigung. Und darum duldete der römische Mann nur zwei Formen des Geschlechtsverkehrs, Ehe und Prostitution, weil sie seinem geschlechtlichen Empfinden allein lagen.

Ein altes Gesetz, welches Cicero nennt, verlangte von dem römischen Bürger in einem bestimmten Alter, wahrscheinlich dem 30. Jahre, die Ehe. Wenn ein Patrizier vor dem Censorengerichte erschien, so richteten diese vor jeder anderen Frage folgende an ihn: »Bei deiner Ehre und deinem Gewissen, hast du ein Pferd, hast du ein Weib?« Diejenigen, welche nicht befriedigend antworten konnten, wurden mit einer Geldstrafe belegt und erst außer Anklage versetzt, wenn sie Pferd und Weib besaßen. Die Censoren, welche diese beiden Dinge von einem Patrizier forderten, erlaubten ihnen bisweilen, sich mit einem von diesen beiden zu begnügen. Das Pferd verriet kriegerischen Geist, das Weib friedlichen Sinn. »Ich weiß ein Pferd zu behandeln,« sagte Vivius Casca auf die Frage des Censors, welcher oft sein hartnäckiges Zölibat getadelt hatte, »wie aber soll ich ein Weib behandeln lernen?« »Ich gestehe, daß dieses ein widerspenstiges Tier ist,« versetzte der Censor, der auch ein echter Römer war. »Die Ehe lehrt uns diese Reitkunst.« »Ich werde mich also verheiraten,« sagte Casca, »wenn das römische Volk mir Zaum und Zügel geben wird.« Dieser Zensor, Metellus Numiadicus, war selbst zu wenig von den Vorzügen der Ehe überzeugt, als daß er sie andern empfahl. Er begann eines Tages im Senate seine Rede mit folgenden Worten: »Römische Ritter, wenn es nur möglich wäre, ohne Weiber zu leben, würden wir uns alle, und sehr gern, diese drückende Last ersparen. Da aber die Natur die Dinge so gefügt hat, daß wir ohne sie uns nicht überleben können, noch mit ihnen glücklich sind, so will der Verstand, daß wir das Wohl des Staates unserem Glück vorziehen.«

In Rom hatte der Gatte, wenn er seine Frau beim Ehebruch im »Flagrant délit« ertappte, das Recht, sie sofort zu töten oder an dem Ehebrecher beliebig Rache zu nehmen. Besonders beliebt waren natürlich die Entmannung, von der ich auch heute noch Fälle mitzuteilen vermag, oder widerliche Verstümmelung, wie Abschneiden der Nase usw. Auch der Vater durfte Rache nehmen, doch mußte stets, wenn einer der Ehebrecher getötet wurde, auch der andere niedergemacht werden. Ein Gedankengang, an den heute noch unsere Gesetzgebung, die den Ehebruch stets an beiden Partnern bestraft, erinnert.

Daß die Römer die Spielarten der Liebe, die ja, anthropologisch betrachtet, Gemeingut aller Völker sind, stets gekannt haben, brauche ich nicht besonders hervorzuheben. Allerdings hat ihre Verbreitung zu den einzelnen Zeiten stark variiert. Und zu einer allgemeinen Verbreitung und einer dem Koitus gleichwertigen Stellung sind sie erst in der römischen Kaiserzeit gelangt, wo diese »perversen« Neigungen eine gewisse Vornehmheit schon dadurch erlangten, weil sie von den Kaisern so sehr geschätzt wurden. Tiberius setzte Wollustkommissare ein, die die Aufgabe hatten, neue erotische Amüsements für die Kaiser zu ersinnen. Caligula, Nero und später Heliogabal konstruierten selber besondere Wollustapparate, die bedeutend vollendeter als Weiber sein sollten.

Eine vollendete Liebeskunst dieser Zeit liefert die Ars Amandi des Ovid, aus der ich hier einige Proben mitteile.

Ovid hat sein Gedicht für die Kokotten und galanten Mädchen geschrieben, als ein Buch, aus dem sie erlernen können, den Mann zu fesseln. Er will ein Lehrer der schlüpfrigen Liebe sein. Der Dichter teilt die Details aus seinen eigenen Erfahrungen mit, und er zeigt, daß für ihn nur die Liebe existiert, die ein künstlerisch auf Gefühlssteigerung aufgebautes Genußschema ist, bei dem alles darauf ankommt, daß man von einem Wollustgipfel zum anderen schreitet, von einem Siege zum andern. In diesem Sinne nannte er sein Werk ein System der erotischen Strategie. Ovid erzählt, wo man in Rom die schönsten Mädchen findet, an den Portici, beim Isistempel, an den Toren, im Theater, Zirkus und der Arena, im Bajae und Arizia. Und dann gibt er das System, wie man die schönen Mädchen gewinnen kann. Das Zutrauen zu sich selbst ist die Hauptsache, aber die Bedeutung der kleinen Geschicklichkeiten ist nicht zu unterschätzen: das gute Einvernehmen mit der Zofe, die Kunst, im rechten Augenblick das rechte Wort zu sagen, in den Liebesbriefen die Bitten und Versprechungen geschickt zu verteilen, durch Beredsamkeit und Beharrlichkeit ein stetes Zusammensein zu erreichen und dann, die Grundregel alles Verkehrs mit Mädchen, vermeide alles geckenhafte Wesen, aber beobachte die Regeln des äußeren Anstandes und die völlige Heimlichkeit.

Natürlich lehrt er auch die Technik des Versprechens, der Tränen, Küsse, Gewaltsamkeiten, des Vorwärtsdrängens und des Rückzugs.

Dann gibt er im Hauptteil seine eigentlichen Ratschläge über die Liebeskunst, zuerst dem Manne, wie er die Gunst des Mädchens erwerben kann, dann dem Mädchen, wie es die Gunst des Mannes erhalten kann. Der Mann soll liebenswürdig sein, ein angenehmer Gesellschafter und beredter Erzähler; ein galanter Ritter gibt zur rechten Zeit nach, um immer im guten Einvernehmen zu bleiben, er harrt aus. Seine Geschenke sollen nur eine Erinnerung an schöne Stunden sein, er wirbt um sie mit zärtlichen Gedichten, und er sucht stets als ihr Diener zu erscheinen, denn man muß der Eitelkeit seiner Geliebten huldigen. »Sei stets gut zu deinem Mädchen, besonders wenn es ihr schlecht geht oder sie krank ist, denn dann wird sie sich an dich gewöhnen, so daß sie dich nicht mehr entbehren kann.« Der echte Kavalier läßt sich auch nicht auf treulosen Seitenwegen ertappen, aber er gibt seinem Mädchen Anlaß zu einem bißchen Eifersucht, um ihre Liebe neu anzuspornen. Er wird dabei jedoch sehr vorsichtig sein, damit es nicht zu einem Riß kommt. Der Mann muß vor allem davon überzeugt sein, daß Liebe Leidenschaft ist, und Leidenschaft ist Leiden. Der echte Liebhaber ist nie hart gegen sein Mädchen, weil er sich als ihr Sklave fühlt, er übt gegen seinen Nebenbuhler die allererdenklichste Nachsicht; er beobachtet stets Zurückhaltung und Verschwiegenheit, und er macht nie seinem Mädchen einen Vorwurf über körperliche Gebrechen oder Fehler, sondern er sucht sie zu beschönigen, er fragt nie nach dem Alter, weil er weiß, daß in der Erotik gerade das reifere Alter den Vorzug verdient.

Das Mädchen muß einen großen Kultus auf sich selber wenden, körperliche Mängel versteht sie durch geschickte Kleidung zu verdecken. Sie lernt lachen, weinen, sprechen und gehen, auf erotische Art, und sie bildet sich im Tanz und allerlei Spielen. Aber sie muß vorsichtig sein, sie darf nicht zu schnell vertrauen und muß sich vor Gecken, Betrügern und Treulosen hüten. Sie soll immer freundlich sein, nicht zornig, hochmütig oder mürrisch, jeden Liebhaber versteht sie anders zu behandeln, sie muß es verstehen, zur rechten Zeit spröde zu sein, etwas Eifersucht zu erwecken und die Liebe mit Gefahr zu umgeben. Vor allem aber muß der Mann die feste Überzeugung haben, daß er geliebt wird, und in der Liebe muß er gefesselt werden durch die geschickte Anwendung der Figurae veneris.

Ich will hier nur kurz darstellen, welche Formen des Geschlechtsverkehrs im römischen Reich zu den einzelnen Zeiten besonders »modern« waren. Die Hauptpflegstätte der in das Rubrum (Ausschweifung) klassifizierten Spielarten der Liebe bildete damals die Prostitution. Das Bordell war für den Römer schlechthin das Consistorium Libidinum, und die pompejanischen Wandinschriften geben den unzweideutigen Beweis für das, was man damals im Bordell suchte und fand. Der sadistische Römer brachte eben die »Bordell-Liebe« zur höchsten Blüte, erfand man doch damals sogar das Beischlafabonnement mit dem Rabattsystem, das wir heute beim Rasieren haben. Die lateinische Terminologie des Geschlechtsverkehrs wurde in der späteren Zeit ungefähr ebenso reichlich wie die griechische, und sie ist ja auch heute in die wissenschaftliche Terminologie übergegangen. Ich erinnere nur an die Ausdrücke für den Koitus per os (Fellare, Corrumpere buccas, Illudere capiti, Irrumare os, Percidere). All diese Ausdrücke bezeichnen verschiedene Spielarten dieser Figura veneris und haben wohl nur das gemeinsam, daß bei ihnen das Membrum virile die mehr passive Rolle spielte. Die eigentliche Form des Lesbiazein λεσβιάζειν, bei der alles auf die Beweglichkeit der Zunge ankommt, nannten die Römer gemeinhin: Fellare. Auch sprach man von einem Fellator und einer Fellatrix. Für die entsprechende Reizung der Libido der Frau gebrauchten die Römer das heute noch offiziell gebrauchte Wort: Cunnilingus, auch Cunnum lingere oder einfach lingere genannt. Auch die Formen der Paedicatio, des sexuellen Fetischismus, des Masochismus, Sadismus und der Koprolagnie sind, wie ich an anderer Stelle eingehender ausführen werde, aus dem Altertum vielfach überliefert. Eine Eigentümlichkeit stellen die sogenannten Symplegmen dar, in denen in Ketten oder Gruppen sexuelle Akte ausgeführt wurden. Die Idee soll von Tiberius stammen, der eine ganz besondere Venusfigur sich erdacht hat. Jedenfalls fand die Mode wohl nicht nur, weil er von »oben« kam, reißenden Beifall. In dem pompejanischen Bordell finden sich bereits derartige Symplegmen als Gebrauchsanweisungen dargestellt. Für diese Wollustzwecke hatte man besondere Polsterbetten, Sellaria. Die großen Bordelle kannten auch bereits die sogenannten Spiegelzimmer, die als ein außerordentliches Instrumentum irritandae voluptatis galten.

Die Symplegmen sind vom Standpunkte einer sexuellen Hygiene vielleicht das Verderblichste, was sich erdenken läßt. Ich habe bereits dargestellt, daß der Begriff der Hygiene sich im Altertum in diesen Dingen mit dem der Reinlichkeit deckte, da ihnen die Existenz der Geschlechtskrankheiten nicht bekannt war. Für eine außerordentliche Reinlichkeit war allerdings in den römischen Bordellen Vorsorge getroffen. In der Kaiserzeit wurden fast alle mit fließendem Wasser angelegt, und die Reinigung der Genitalien war vor und nach dem Akte eine selbstverständliche Sauberkeitspflicht. Auch das Bidet fehlte in der Ausstattung keiner galanten Frau. Wir haben sogar ein derartiges kleines und flaches Waschgefäß, das offenbar einen solchen Apparat für Reisezwecke darstellt. Bei den medizinischen Schriftstellern findet sich sogar die Mutterspritze und der Irrigator beschrieben. Darauf, daß die Alten auch schon den Kondom kannten, deutet eine der Metamorphosen des Antonius Liberalis: »Prokis verließ den Cephalus aus Scham und floh zu Minos, dem König der Kreter. Da sie diesen kinderlos fand, machte sie ihm Versprechungen und belehrte ihn, auf welche Weise er Kinder bekommen könnte. Denn Minos gab statt des Samens Schlangen und Skorpionen von sich, und alle Weiber, denen er beiwohnte, starben. Pasiphae war die Tochter des Helios und unsterblich. Prokis veranstaltete also folgendes: Sie schob die Blase einer Ziege in die Natur eines Weibes, in diese Blase leerte Minos erst die Schlangen aus, dann begab er sich zu Pasiphae und wohnte ihr bei. Hierauf bekamen sie Kinder.« (Iwan Bloch, Die Prostitution, Seite 436.)

Auch in Rom ist die Prostitution eine bestimmte Abart der Sklaverei, und die Reglementierung dehnte sich in Rom sogar noch wesentlich weiter aus als in Athen. In Athen war der Hauptzweck der Reglementierung, die Prostituierte zur Staatssklavin zu stempeln und sie so der Hurensteuer zu unterwerfen. Rom kannte ursprünglich diese Hurensteuer noch nicht und übernahm sie erst unter Caligula. Trotzdem war die Reglementierung eine viel umfangreichere gewesen; denn sie hatte sich sogar auf die Kleidertracht bezogen. Der Brauch, den Dirnen einzelne Farben oder Abzeichen vorzuschreiben, hat sich ja in das Mittelalter hinübergerettet.

Die Sittenpolizei wurde in Rom von den Ädilen, d. h. der römischen Straßenpolizei ausgeübt. Die Ädilen hatten die Aufsicht über die Animierkneipen, Bordelle und Badehäuser und machten in diesen regelmäßig Jagd, um die nicht Reglementierten herauszufinden. Man machte jedoch ausschließlich Jagd auf Weiber, d. h. die ausgebreitete männliche Prostitution wurde von dem römischen Recht ignoriert. Jede Prostituierte sollte sich nach dem Gesetz, bevor sie ihr Gewerbe ausübte, bei den Ädilen die »licentia stupri« verschaffen. Es wurde dann ihr Name in ein Album eingetragen, und diese Eintragung hatte neben der Steuererhebung den Zweck, die Strafverfolgung wegen Unzucht unmöglich zu machen. Als in der römischen Kaiserzeit auch die freigeborenen Frauen, die Gattinnen angesehener Männer das Familienbudget balancieren halfen, haben auch sie sich vielfach in das Album eintragen lassen, um eine Strafverfolgung gegen sie unmöglich zu machen.

Tiberius, der das Niveau der Gesellschaft heben wollte, suchte durch scharfe Senatsbeschlüsse der weiblichen Unzucht zu steuern, und er verordnete, daß kein Weib Prostitution treiben sollte, deren Großvater, Vater oder Gatte römischer Ritter war. »Denn Vestilia hatte sich, obwohl sie aus einer Prätorjanerfamilie stammte, die licentia stupri durch Eintragung bei den Ädilen verschafft, in der man nach althergebrachter Sitte eine genügend große Strafe für unzüchtige Frauen sah« (Tacitus, Annalen 2, 85). Daß derartige Fälle der Behörde immer erst zu Ohren kommen, wenn sie ziemlich allgemeine Sitte geworden sind, bestätigt eine Bemerkung des Sueton (Tiberius 35): »Berüchtigte Frauen fingen an, sich als Lustdirnen selbst zu bezeichnen, und sie gaben die Vorrechte und Würde der Frauen auf, um der gesetzlichen Unzuchtstrafe zu entgehen.« In der späteren Entwicklung des römischen Verwaltungsrechts wurde den Ädilen allmählich die Aufsicht über die Prostitution genommen, im 2. und 3. Jahrhundert wurde diese Eintragung von den Beneficiarii principis vorgenommen.

Mit der Einschreibung war nach dem römischen Recht eine Namensveränderung verbunden, um auch so die Schranke zwischen Prostitution und Gesellschaft zu erweitern. In Rom sorgte die Behörde für den »nom de guerre«, der als titulus amtlich registriert wurde. Aus den pompejanischen Inschriften kennen wir die beliebtesten dieser Namen: Drauca, Veronica, Itonusia, Lais, Fortunata, Thais, Leda, Philaenis. Die Kleiderordnung suchte der Dirne männliche Züge zu geben. Die Stola, das Symbol der ehrbaren Frauen, wurde ihr genommen. Sie trug ein kurzes Hemd und darüber eine dunkle, farbige Toga, eine Tracht, die den Modewechsel zwischen Republik und Kaiserreich überlebte.

Die römischen Kaiser suchten besonders die Verbreitung des Prostitutionswesens zu hemmen. Augustus verbot die Verkuppelung der Ehefrauen durch den Ehemann. Tiberius verbot die Prostitution der Frauen aus achtbaren Familien; man sieht, die Prostitution hatte damals ganz ähnliche Entwicklungstendenzen wie heute. Unter Vespasian fing man an, den Sklaven gewisse Menschenrechte einzuräumen. Man sagte den Sklavinnen zu, daß sie nicht prostituiert werden dürften, wenn ihnen beim Verkauf eine solche Zusage gegeben sei. Die späteren Kaiser suchten besonders die Prostitution einzudämmen, indem sie sie vom Genußleben trennten. Man entzog ihnen die Sänfte, das Recht, Erbschaften anzutreten, man gab die Namen der Prostituierten öffentlich bekannt und bekämpfte besonders die Animierkneipen und geheimen Bordelle. Als das Christentum sich durchgesetzt hatte, wollte man Radikalkur machen. Theodosius der Jüngere und Valentinian setzten sehr strenge Strafen gegen die Herren fest, die ihre Sklavinnen prostituierten und untersagten schließlich ganz allgemein jede Kuppelei bei körperlicher Züchtigung, Verbannung und Zwangsarbeit. Dies war nur die erste Etappe. Später verboten sie dann das Prostitutionsgewerbe schlechthin, befahlen, die Bordelle zu schließen und schafften folgerichtig auch die Hurensteuer ab. Jede von der Prostitution irgendwie lebende Person sollte, wenn sie dem niedrigen Stande angehörte, mit Verbannung und Zwangsarbeit bestraft werden, gehörte sie zum höheren Stande, so traf sie Einziehung des Vermögens und der Würden, jede Nachlässigkeit von seiten der Behörden sollte mit körperlicher Züchtigung oder einer Geldstrafe von 20 Pfund Gold verbunden sein.

Viel radikaler kann man allerdings nicht vorgehen, und solche Gesetze machen ist gewiß sehr löblich vor dem Herrn. So braucht man auch um das Seelenheil des Justinian nicht besorgt zu sein, dessen Sittenreform folgende Etappen durchmachte: Erst mußte alles, was mit Unzucht zu tun hatte, aus der Stadt heraus. Wer Kuppelei betrieben hat, wird mit 10 Pfund Gold bestraft, und sein Haus wird vom Staat eingezogen. Gegen die Mädchenhändler sollen die »größten Strafen« verhängt werden. Zum Schluß werden diese Bestimmungen auf das ganze Reich ausgedehnt, und so wurde die Prostitution samt und sonders verboten oder, besser gesagt, sie wurde strafbar. Der Kaiserin Theodora, die Zirkusreiterin gewesen war und von der man dezent sagt, daß sie viele Liebhaber gehabt hatte und schließlich Justinian so in sich verliebt machte, daß er sie allen Moralanwandlungen und den Gesetzen zum Trotz zur Kaiserin machte, haftete doch die Kinderstube noch an, und sie wollte wenigstens für die reuigen Prostituierten sorgen. Sie begann also eine Art innerer Mission, sie richtete auf der asiatischen Seite des Bosporus, also nicht gerade in der besten Gegend von Byzanz, wo die Damen früher gelebt hatten, ein hochgelegenes altes Kloster für 500 Exlebedamen ein, wo sie ein beschauliches und frommes Leben führen sollten. Dies Magdalenenhaus hat in kurzer Zeit sehr viele Frauen von ihrem schändlichen Gewerbe auf eine sehr gründliche Art kuriert, denn die meisten Damen fanden das Leben in diesem Reuehause sehr eintönig und stürzten sich kopfüber in den Bosporus. So erzählen die Chronisten der Zeit. Man kann eben auf diesem Gebiete mit Zwang und Gesetzgebung nichts erreichen, man macht sich mit gesetzlicher Gewalt ebenso lächerlich, wie durch das Ausposaunen tönender Reformideen und klingender Schlagworte, denn alles ist auf diesem Gebiet wie in der Historie überhaupt Sache der Entwicklung. Es ist ein Wellenspiel, dessen ewiges, sinnloses Auf und Ab der Einzelmensch und der Reformator nicht beeinflussen kann. Das zeigt ganz gut das Beispiel des Justinian, der mit der größten staatlichen, sozialen und ökonomischen Macht, mit aller Energie gegen die Prostitution vorging und – gar keinen Erfolg hatte. Nicht weil er den Bogen überspannte, sondern weil auf dem Gebiete des sexuellen Lebens nichts zu reformieren ist. Allen freigeborenen Römern war gesetzlich die Ehe mit einer Dirne oder Kupplerin verboten, den Senatoren und deren Familien auch die mit einer Libertina oder einer Frau, die obscuro loco nata war. Die Kunden der Prostitution sind eben ein ganz anderer Menschenschlag als die Herren, die sich ein Verhältnis leisten können. Da die gesamte antike Kultur sich auf vaterrechtlichen Zuständen auf einen Sieg des männlichen Elements im Geschlechtsleben aufbaut, stand das römische Konkubinat wie eine Insel in diesem Kulturmeere, und es war ein völliger Mißgriff, an diese Institution anknüpfen zu wollen, als man die sexuelle Verkommenheit zu heilen versuchte, denn dieser Zustand des sexuellen Lebens hatte eben für die Mehrzahl der antiken Männer das am wenigsten Bestrickende, und weil er auf ganz anderen psychologischen Grundlagen ruhte, konnte er niemals zu einem Ersatz der Prostitution durch edlere und dauerhaftere Beziehungen von legalem Charakter werden. Es ist eben in dieser Hinsicht die Prostitution unersetzbar.

Im griechischen Recht hatte das Kebsweib, da es ursprünglich eine Kriegsgefangene war, eine ziemlich untergeordnete Stellung, dagegen waren ihre Kinder stets frei gewesen, da ja der Zweck des Konkubinats die Kindererzeugung war. (Vergleiche die Stelle des Demosthenes.) Die griechische Paliake blieb eine Sklavin, die meist mit mehreren anderen Kebsweibern im Besitze eines Herren waren. Psychologisch betrachtet war das nicht anderes als Prostitution, nur etwas teurer.

Ganz anders war die Stellung der Konkubine in Rom. Die römische Paelix war stets die einzige und frei, aber sie stand außerhalb des sakralen und zivilen Rechts, und die Kinder gehörten ausschließlich zur Mutter. Das Recht auf das Kind lag also in der Geschlechtswahl der Frau begründet und kann cum grano salis als Restbestand des Mutterrechts aufgefaßt werden. Die Sexualreform des Augustus wollte nun dieses Pälikat zum Konkubinat umgestalten, es wollte diese auf mutterrechtlicher Grundlage ruhende Institution in das vaterrechtliche Schema hineinpressen, denn das ist der Zweck der Übung, wenn man ihr nachrühmt, daß »ihr prinzipieller Fortschritt in der Anerkennung der außerehelichen Gemeinschaft vom rechtlich moralischen Standpunkte liegt, der ihren Wert für den Staat hauptsächlich nach der Kindererzeugung bemißt, die überhaupt im Mittelpunkte der ›berühmten‹ Sittengesetzgebung des Kaisers Augustus steht, die wohl den umfassendsten und zielbewußten Versuch einer Sexualreform darstellt, den die Menschheit bisher gesehen hat.« (Iwan Bloch.)

Es liegt hier ein ganzer Rattenkönig sexueller Irrtümer vor den staunenden Augen des Verfassers. Schon daß man die Sittengesetzgebung in der Schule als sehr lobenswert lernt, und daß die Annalen der Geschichte von ihrer heilsamen Wirkung herzlich wenig zu erzählen wissen, und daß sie offenbar so gut wie gar nichts geändert hat, macht sie recht verdächtig. Und tatsächlich werden hier ganz verschiedenartige Erscheinungen kombiniert. Unter dem Begriff des Konkubinats subsummiert man zwei ganz verschiedenartige Erscheinungen, die freie Liebe, bei der die Macht in der Hand der Frau liegt, und das Verhältnis, wo es in der Regel umgekehrt ist und der Mann nur aus Sauberkeit oder Bequemlichkeit dauernde Geschlechtsbeziehungen unterhält. Bei beiden herrscht geringe Neigung zur Kindererzeugung und ein starker Widerstand der Gesellschaft – besonders natürlich gegen die freie Liebe. Indem nun Augustus diesen Beziehungen legalen Charakter gibt, entkleidet er die freie Liebe ihrer ursprünglichen Macht, die ja auf rein erotischer Basis die Sicherheit und den Einfluß der Frau gründet. Augustus gab nur dem Verhältnis dadurch eine gewisse Rechtsbasis, indem er dem Vater die Pflicht aufbürdete, für die aus dem Konkubinat hervorgegangenen Kinder zu sorgen und ihnen auch ein gewisses Erbrecht gab.

Man sagt immer, daß er sich so sehr bemüht habe, diesem Konkubinat die gesellschaftliche Mißachtung zu nehmen. Ja, wo ist denn die gesellschaftliche Mißachtung des Konkubinats in der früheren Zeit? Wo ist sie in Griechenland? Dieselben Autoren, die von dieser geringen Einschätzung des Konkubinats sprechen, setzen an anderer Stelle auseinander, daß die Ächtung freier sexueller Beziehungen erst durch das Christentum und die misogyne Philosophie in die Welt hineingeschmuggelt wurde. Augustus schützte in seiner Gesetzgebung die Konkubinen nur gegen die Ausbeutung jener üblen Bordellhähne, die in dem betrügerischen Gratiskoitus den Triumph des Mannes sehen. Ob er damit freilich für das Konkubinat besondere Propaganda gemacht hat, scheint, »wie die Männer nun einmal sind«, äußerst fraglich. Paul Meyer, der gründliche Forscher über das römische Konkubinat und Hauptkronzeuge der Sexualreformer, beschreibt die Reform des Augustus folgendermaßen: Die Konkubine teilt nicht die Würde und den Stand des Mannes, ihr wird aber in Ansehung ihrer mit im Hause des Konkubinanten lebenden und dort auch geborenen Kinder eine ehrenvolle Stellung eingeräumt. Die Konkubinenkinder sind nicht nur tatsächlich von ihrem natürlichen Vater anerkannt, er ist auch bis zu einem gewissen Grade ihr Pater certus im Rechtssinn. Konkubine und Konkubinenkinder sind nicht mehr ausschließlich extranei. Dem Konkubinanten gegenüber haben sie beschränktes Intestaterbrecht, sie haben immer Anspruch auf Alimentation. Dies ist ein Unterschied von der klassischen Zeit, von der früh christlichen gar nicht zu reden, das Konkubinat als solches erzeugt jetzt rechtliche Wirkungen. (Paul Meyer a. a. O. S. 155.)

Es ist aber sehr willkürlich, aus diesen geringen rechtlichen Änderungen eine ganze Sexualreform machen zu wollen, die umfangreichste, die bisher je versucht wurde, was sehr großartig klingt, aber herzlich wenig bedeutet, da das Reformieren auf diesem Gebiete den Erotikern unserer Zeit vorbehalten blieb. Nicht weil die Augusteische Reform isoliert blieb, konnte sie die Prostitution nicht beseitigen, sondern sie hat mit der Prostitution überhaupt nichts zu tun. Indem man das freie Verhältnis mit Verpflichtungen für den Mann belastete, entzog man dem Konkubinat eine der wesentlichsten werbenden Momente, das in seiner Ungebundenheit für den Mann beruht. Nun meint Iwan Bloch, »zweifellos wird eine moderne Sexualreform, der es wirklich ernst ist mit der Bekämpfung der Prostitution, bei organischer Anknüpfung an diese Einrichtung des Altertums und Mittelalters, sie im modernen Sinne fortbildend und mit dem Geiste einer neuen sexuellen Ethik erfüllend, solche eheartigen Verbindungen mit rechtlichen Wirkungen schaffen.« Wir sind im Schlusse des ersten Teils dieses Werkes, wo wir die Mittel zur Bekämpfung der Prostitution und den Geist dieser neuen Ethik betrachtet haben, ausführlicher auf diesen Gegenstand zu sprechen gekommen. Iwan Bloch schrieb diese Worte im Jahre 1912 und versprach diesen dritten Teil im selben Jahre zu liefern, wir haben ihn bis jetzt noch nicht, und so habe ich noch das Recht, zu bezweifeln, daß er A und O der sexuellen Beziehungen enträtseln wird.

Stelle ich mir rein praktisch die Legalisierung des Konkubinats vor, so komme ich zu dem Ergebnis, daß sehr viele junge Leute, die heute ein Verhältnis haben, sich hüten würden, eine solche eheartige Verbindung einzugehen, die sie mit neuen drückenden Verpflichtungen belastet, sie etwa zwingt, auch nach Lösung der Beziehungen für das Mädchen zu sorgen. Sie würde sich bestens bedanken und lieber sich der Prostitution in der schillernden Mannigfaltigkeit unserer Tage bedienen. Außerdem ist es sehr schwer, sich das Verhältnis zwischen Konkubinat und Ehe vorzustellen, da ja die Ehe immer noch als höhere Form des Geschlechtsverkehrs neben dem Konkubinat bestehen bliebe und damit ein gewisser Schatten auf das Konkubinat fällt. Aber das nur nebenbei.

Mir scheint, daß der Irrtum Iwan Blochs darin beruht, daß er seine Sexualreform bei den Frauen einsetzen will, während die Stellung der Frau bei der völlig überlegenen Macht des Mannes ziemlich gleichgültig ist. Die Mehrzahl der Frauen findet sich heute mehr denn je mit jeder Form der sexuellen Beziehungen ab, denn die Konjunktur ist für sie schlecht, und wenn man den freien Geschlechtsverkehr unter den heutigen Umständen belastet, wird man nur die Prostitution fördern, die erotisch starken Frauen, deren Zahl – ich will keinerlei Ausblick auf die Zukunft anschließen – jedenfalls im vergangenen Jahrhundert immer geringer geworden ist, geben ja auch heute noch dem Verhältnis mit dem Manne, unbekümmert um alle Reformen und Legalisierungen, diejenige Basis, die sie sich selber wünschen. Und ihr Gegenpol, die Frau, der die erotische Stärke mangelt, muß heute mehr denn je zufrieden sein, wenn sie überhaupt einen abbekommt, sie ist das willenlose Lustobjekt des Mannes, der das Verhältnis zu ihr nach seinem Willen gestaltet, und der sich bei dem Warencharakter, den man in unserer Zeit der Liebe gegeben hat, in der Regel nicht gerade eine besonders teure und folgenschwere Form der Beziehungen heraussuchen wird. Ich kann mir überhaupt noch nicht klar vorstellen, wie sich Iwan Bloch diese Legalisierung denkt, wie sie praktisch durchgeführt werden soll, oder soll man hier nur mit einer neuen Ethik nach Krafft-Ebingscher Art beglückt werden. Ich glaubte, im alten Rom hat man weniger von der Legalisierung des Konkubinats gehört, als im modernen Berlin.

Im öffentlichen Leben sprach man damals wie heute nicht vom Konkubinat, sondern vom Bordell, das auch etwas von der Zeitlosigkeit der Sexualerscheinungen besitzt. Die Polizei übte damals gegenüber den Lupanaren ähnliche schikanöse Kontrollmaßregeln, wie sie es heute mit Vorliebe gegen Veranstaltungen harmloserer Art tut. Ein ewiger Streitapfel waren die Vorschriften über Öffnen und Schluß der Lupanare, allerdings hatten die damaligen Maßnahmen ein wesentlich anderes Ziel als heute. Man wollte nicht die allzulange Ausdehnung der Feste bis in die Nacht verhindern, sondern die Jugend gegen die Ausschweifungen in den Vormittagsstunden und in der Mittagshitze schützen, damit sie nicht vor Vergnügungen ihre Arbeit versäumen.

Das Verhalten der Gesellschaft zur Prostitution im alten Rom habe ich schon bei der Darlegung der Rechtsverhältnisse ziemlich genau charakterisiert. Ich erwähne hier noch folgendes: Es entspricht dem römischen Volkscharakter, daß man über die Prostituierte wesentlich härter dachte als in Griechenland, man pfiff die »Schwiegermutter« des Terenz aus, weil der Dichter es gewagt hatte, ein tugendhaftes Freudenmädchen auf die Bühne zu bringen, die Prostituierte und ihren Anhang traf die Infamia, deren Folgen für die soziale Stellung viel tiefgreifender waren, als etwa bei uns der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.

Die Folgen der Infamierung bestanden in dem Verbot des Tragens der Kleidung ehrbarer Frauen, dem Verlust der Fähigkeit, vor Gericht als Zeuge zu erscheinen, der Ungültigkeit der von ihr abgeschlossenen Mietsverträge, der mangelnden Erbberechtigung, die sich später geradezu zur Erbunfähigkeit ausbildete, und das Verbot der Ehe mit Freigeborenen. Daß der vereinbarte Lohn für den Koitus nicht eingeklagt werden konnte, war schon damals Gesetz. In Rom bildete sich namentlich in der späteren Zeit schon eine unserer Moralheuchelei verwandte Erscheinung heraus. Während in Griechenland die Berührung mit den Hetären durchaus nicht das Verborgene zu suchen brauchte, erledigten die Römer ihren Bordellbesuch lieber im geheimen. Man zog sich eine Kapuze über den Kopf, ehe man das Hurenhaus betrat. Das war geradezu die Pflicht jedes achtbaren Bürgers. Schon damals wie heute regte sich das Gewissen der Gesellschaft erst, wenn ein Mann in dauernde Beziehungen zu einer Prostituierten trat, wenn er eine längere Liaison mit ihr unterhielt. Einer soziablen Gesellschaft ist solche Anhänglichkeit inopportun.

Die wachsende Moralheuchelei zieht es als logische Konsequenz nach sich, daß das Geschlechtsleben immer mehr zu einem Nachtleben wird. Am Tage ist die Straße sauber, es herrscht dort ein ewig tosender Verkehr: alles steht im Zeichen der Arbeit. Diese offizielle Tagesphysiognomie der Stadt ist sozusagen geschlechtslos, weil alles sich im Hasten und Jagen befindet. Erst um die neunte Stunde werden die Bordelle geöffnet, das heißt zwischen drei und vier Uhr nachmittags, was nach der Tageseinteilung der Römer bereits den Abend bedeutete, und sie blieben bis zum frühen Morgen offen, das Nachtleben verschob sich im Laufe der Jahrzehnte nach immer späteren Morgenstunden, eine ähnliche Entwicklung, wie wir sie in Berlin in der Zeit vor dem Kriege erlebt haben.

Über den Strich in Rom sind wir viel genauer unterrichtet als über den athenischen. Besonders basieren unsere Kenntnisse auf Ovids ars amandi, der die Topographie der römischen Prostitution eingehend auseinandersetzt. Die römische Prostitution wohnte teils innerhalb, teils außerhalb der Stadtmauer. Die Dirnen innerhalb der Stadtmauer der Intramuranei gehörten zu den niedrigsten Sorten, ebenso wie die in den Vorstädten des Nordostens wohnenden, die hauptsächlich zur Befriedigung der Soldaten dienten. So war besonders der servianische Wall für alle Arten der niedrigsten Prostitution der Strich par excellence. Diese Prostitution hatte in der Regel überhaupt kein Absteigequartier, die Arten ihrer Geschlechtsbetätigung kennzeichnen die geschmackvollen Worte, mit denen man sie belegte: Landstraßenweib, Feldbeischläferin und Gräberdirne. In der inneren Stadt ist die älteste Straße mit Nachtleben der Vicus Tuscus, an dem sich auch am Tage, weil diese Straßen den Verbindungsweg zwischen dem Forum und dem Zirkus Maximus darstellt, das regste geschäftliche Leben entfaltete. Vicus Tuscus wurde für die Römer geradezu gleichbedeutend mit Bordellgasse. Später machte sich das Nachtleben auch auf der Via sacra, der großen Geschäftsstraße des Nordostens breit. Das Hauptquartier der Bordellprostitution war das Stadtviertel Subra, das zwischen dem Forum und dem Osten der Stadt lag, wo sich Müßiggänger zu den rastlosen Geschäftsleuten drängten.

Die übrigen Zentren der Prostitution habe ich bereits bei der Inhaltsangabe der ovidischen Ars Amandi erwähnt. Hier will ich noch hinzufügen, wie sich die verschiedenen Schattierungen der Halbwelt über Rom gruppierten. Die Porticus war besonders der Treffpunkt der eleganten Damenwelt und der Demimonde, der Porticus Pompeii war die große Nachmittagspromenade, der Isistempel war das Hauptzentrum der religiösen Prostitution, ebenso wie von den Kokotten der Venustempel auf dem Forum reichlich frequentiert wurde. Das Theater war ein Anknüpfungspunkt für den Verkehr mit Prostituierten, ebenso wie für dauernde Beziehungen, dies galt in erhöhtem Maße vom Zirkus, weil hier Männer und Weiber durcheinander saßen, während sie im Theater nach althergebrachter Sitte getrennte Plätze hatten. Außerdem befand sich im Anschluß an jeden Zirkus ein Bordell. Ganz das gleiche galt natürlich von dem Kolosseum, wo in der spätrömischen Zeit die Gladiatorenkämpfe stattfanden.

Eine ganz besondere Rolle spielten im Leben der römischen Halbwelt die öffentlichen Bäder, die an Zahl die Bordelle bei weitem übertrafen. Die bedeutendsten Bäder waren die Thermen des Agrippa, Nero, Titus, Trajan und des Caracalla.

Die Preise der römischen Prostitution variierten in ähnlichem Umfange, wie die der athenischen. Das Hauptmaterial zur Beurteilung dieser Verhältnisse bilden die pompejanischen Inschriften. Die pompejanische Dirne Attice verlangte 16 Asse. Eine Mauerinschrift erzählt, daß die Tyche von drei Soldaten je fünf Asse forderte. Dies stellt wohl aber den niedrigsten überlieferten Satz dar. Marcial gibt als Durchschnittspreis für die niedere Straßenprostitution zwei Denaren an (1,40 Mark). Unvergleichlich höher waren die Preise in den vornehmen Gegenden. Die Leda von der Via Sacra nahm 1000 Sesterzien. Die vornehme Halbwelt fordert erst, nachdem sie die Kapitalkraft des Partners abgeschätzt. Catull spottet über Arnoena, die ausgediente Dirne, die 10 000 Sesterzien von ihm gefordert hat. Das höchste überlieferte Honorar sind 400 000 Sesterzen (72 000 Mark), die Vespasian für eine einzige Nacht einer Prostituierten gab. Daß bei dieser Halbwelt die Geschenke nicht immer bar bezahlt wurden, sondern die exzentrischsten Formen annahmen, lehrt das Nachtleben der heutigen Großstädte. Der gesteigerte Luxus steigerte hier auch die Erfindungsgabe, wieviel man damals allein zu Kosmeticis verbrauchte oder wenigstens verbrauchen konnte, mag eine groteske Einzelheit beweisen. Demetrius Poliorketes schenkte der Prostituiertengruppe, die sich um die Lamia scharten, 250 Talente (1 200 000 Mark), damit sie sich dafür Seife kaufen könnten, Von dem römischen Kaiser Carinus bekam eine Dirne zwei kostbare Elefantenzähne geschenkt, damit sie sich aus diesen ein Bettgestell machen lassen konnte. Die Konjunktur war damals offenbar für die Prostitution wesentlich günstiger, man suchte in ihr eben nicht nur die animalische Notdurft, sondern es fesselten den Mann an die Prostituierte Lebenswerte anderer Art.

Es ist durchaus falsch, daß sich damals der Warencharakter der Liebe genau so im öffentlichen Leben zeigte wie heute, und daß dies Hervortreten des geschäftlichen Elements in dem erotischen Phänomen eine Begleiterscheinung der doppelten Moral ist. Der Warencharakter, den die Liebe in unserer Zeit angenommen hat, ist ein Zeitphänomen für sich und ist in dieser Form historisch überhaupt noch nicht übermittelt, so ist auch in unserer Zeit eine direkte Ausplünderung durch Prostituierte eine Seltenheit geworden, während das Umgekehrte in gewissen Kreisen als nicht uneleganter Sport galt. Im Altertum gehörte die Dirne als elegantes und tückisches Raubtier zu der typischen Physiognomie des Großstadtlebens. Bei Alkiphron ist der Ruhm der Megara überliefert, die den Theagenes ruinierte, er hat ein großes Vermögen besessen, als er sie kennen lernte, und als er ihre Liebe genossen, mußte er mit einem elenden Rock und einem Schild in den Krieg ziehen. Der Dichter Anaxilas scheint bei den Dirnen auch trübe Erfahrungen gemacht zu haben. (Iwan Bloch, Seite 331.)

Welcher Mensch in seinem Leben eine Buhlerin geliebt,
Weiß, daß unter allen Wesen keines so verderblich ist.
Welchen Drachen, welche feuerschnaubende Chimäre gibt's,
Welche Charybdis, oder welcher Scylla dreifach Ungetüm,
Welche Sphinx, Harpyie, Hydra oder welche Schlangenbrut,
Die der Hetären frevle Rotte nicht bei weitem übertrifft?
Sicher keine. Vor allem Übel haben sie den Rang voraus.
Laß uns seh'n. Da kommt zum Beispiel gleich mir Plangon in den Wurf.
Wie die Chimäre sengt und brennt sie, wer hierher vom Ausland kommt.
Doch hat ein einziger Ritter jüngst des Lebens Gut entführt.
Denn er nahm ihr alle Habe mit sich aus dem Hause fort,
Wohnen ferner nicht Synopens Freunde einer Hydra bei?
Alt zwar ist sie, aber Gnathäna wächst ihr jetzt zunächst empor,
Meistenteils an ihrer Seite, und ein doppelt Ungetüm
Kommt nicht Nannion, der Scylla jetzt in allen Stücken gleich?
Eben winkte sie der Freunde zwei dahin und trachtet nun
Nach dem dritten; doch entkommt das Fahrzeug durch der Ruder
Kraft. Ferner Phryne überbietet sie der Charybdis Strudel nicht?
Die den Schiffspatron erst neulich mit der ganzen Fracht verschlang.
Ist Theano keine Sirene, der die Federn ausgerupft?
Stimm' und Blick vom Weib, die Beine aber einer Amsel gleich.

Jedenfalls konnten die Dirnen im römischen Weltreich mit solchen Eigenschaften Karriere machen. Theodora brachte es zur Kaiserin. Ihre Gegentype findet sich in Messalina, die von der Kaiserin zur Prostituierten wurde, was auch nichts Gewöhnliches ist.

Die soziale Not, die nicht in dem eigentlichen Hunger, sondern in der zu starken Dissozierung und Entfremdung der Gesellschaftsklassen besteht, kulminierte in dem römischen Kaiserreich. Einen Reichtum wie damals, hat es nie wieder gegeben, auch nicht in dem heutigen Amerika, ebenso wie die Expropriierung und Verelendung der Massen niemals einen derartigen Umfang erreicht hat. Durch das Anwachsen der im Sinne der Gesellschaft gefährlichen Klassen, die nichts zu verlieren haben, war der soziale Gradient maximal, das Wohnungselend fesselte Prostitution und niedere Klassen zusammen. Die antike Kellerwohnung, die in jeder Hinsicht berüchtigteste und verwerflichste aller Wohnungsmöglichkeiten war in gleicher Weise der Schlupfwinkel des herumlungernden Gesindels und der Prostitution und das Heim der Elenden unter der wirtschaftlichen Not leidenden römischen Familie. Die Freigelassenen verarmten fast immer, und hier stellte die Prostitution für die Töchter den hauptsächlichen Erwerbsfaktor dar.

Der skizzierten psychologischen Veranlagung der Römer entsprach eine besondere Liebhaberei. Die Entjungferungsmanie fand man in ähnlicher Weise wie in England auch bereits in Rom. Wenn ein Lupanar eine Jungfer vorzusetzen hatte, so wurde diese Hingabe als ein besonderes Fest gefeiert. Eine Laterne wurde an die Tür gehängt, mit Lorbeerzweigen wurde die Front des Hauses geschmückt, und der Bordellheld, der das Schlachtopfer dargebracht, hatte das Vorrecht, sich für sein Geld mit diesen Lorbeeren zu schmücken. Eine seltsame Parallele dazu findet sich in dem altrömischen Brauch, auch die Häuser der Neuvermählten mit Lorbeer zu schmücken, aus dem sich später der Ehemann einen Kranz flocht. Die Römer müssen doch in der Erotik recht schwache Helden gewesen sein, daß ihnen dieser Sieg so imponieren konnte.

Der römischen Prostitution wurde auch durch den Mädchenhandel viel Material zugeführt. Der antike Mädchenhandel hatte keine besonderen Schwierigkeiten in der Beschaffung der Ware. Er war schon damals »international« und arbeitete mit allen Farbenschattierungen. »Die Unseligen gingen zur See mit einer Fracht von Dirnen, als wäre es Weizen oder Wein,« sagt Clemens von Alexandria. Ein solcher Großhändler mit Sklavinnen aller Hautfarben war zu Augustus Zeit Thoranius, von dem Sueton erzählt: »Die schönen Inderinnen hatten in Alexandria den Hauptmarkt. Die üppige Jüdin gab es besonders in Tyros. Der griechische Bedarf wurde in Susion gedeckt, die maurischen Sklavinnen, die von der römischen Lebewelt sehr geschätzt wurden, stammten größtenteils aus Cartago.«

Die römische Prostituiertenkleidung ähnelt der griechischen, wie ja stets der »Geschmack« der Dirnenkleidung der gleiche gewesen ist. Ich habe darüber schon in dem einleitenden Kapitel gesprochen. Die römische Prostituierte unterschied sich von der Matrone außer den verschiedenen Kleidern auch durch die völlig andere Haartracht. Die Matrone trug zum Zeichen ihrer untadeligen Geburt schwarzes Haar, das Freudenmädchen setzte sich eine blonde Mähne aufs Haupt aus vergoldeten oder gefärbten Pferdehaaren, wahrscheinlich einfach deshalb, weil die meisten Frauen schwarz waren. Doch kann man auch darin eine Anlehnung an primitive Sexualinstinkte der Männer sehen. Wie die Polizeiverordnungen die Kleidung auf der Straße regelten, habe ich schon erzählt, aber an der Bordelltür hören bekanntlich alle Polizeiverordnungen auf, und man trifft innen den Herrn Polizeipräsidenten nur noch als Lebemann. Das Bordellkostüm kann man ebensowenig beschreiben, wie man es sehen konnte. Wenn die Damen nämlich nicht ganz nackt gingen, so trugen sie lediglich einen Schleier, der nur unterstrich – oder sagen wir: schattierte – aber durchaus gar nichts verhüllte. Bekleidet war man nur mit Parfüms, deren diskrete Mischung zu den Geheimnissen der Liebeskunst gehörte. Das Parfüm war damals so identisch mit Prostitution, daß man den unguentarius geradezu mit einem Bordellhalter identifizierte.

Die Bordelldirne stand in Rom nicht so tief wie in Athen, weil sich die Gegensätze mehr und mehr verwischt hatten. Die römische Prostitution gliedert sich nicht in Klassen. Die Übergänge sind durchaus fluktuierend geworden, alles ist von einer schillernden Mannigfaltigkeit. Die Bordellprostitution hat in Rom nicht mehr die Bedeutung, die sie etwa in den alten Zeiten besaß. Sie war von der Badeprostitution fast verdrängt worden. Es gab in Rom nur 45 Lupanare, ja auch noch eine recht stattliche Zahl, aber es bestanden 856 Bäder. Die berühmteste Schilderung des römischen Bordells findet sich bei Petronius, ich lasse sie hier folgen: »Encolpius verirrt sich auf der Suche nach seinem Freunde Ascyltos und nach seinem Quartier und fragte eine ihm begegnende Alte nach dem richtigen Weg. Sie führte mich an einen abgelegenen Ort, schlug als höfliche Alte den Vorhang zurück und sagte: ›Hier mußt du wohnen.‹ Als ich ihr darauf versetzte: ›Ich erkenne in diesem Hause durchaus das meine nicht‹, erblickte ich einige Männer, die zwischen Zellenaufschriften (Titulus) und nackten Dirnen sich geräuschlos herumtrieben. Endlich, aber leider zu spät, entdeckte ich, daß man mich in ein Bordell (fornicem) geführt habe. Ich verfluchte die hinterlistige Alte, verhüllte mein Gesicht und begann mitten durch das Lupanar nach der andern Seite zu entfliehen, als mir plötzlich am Ausgange Ascyltos ebenso abgemattet und halbtot entgegentrat. Man konnte glauben, daß ihn dieselbe Alte hierher gebracht hatte. Nachdem ich ihn daher mit Lachen gegrüßt hatte, fragte ich ihn, was er an einem so schmutzigen Orte täte. Er wischte sich den Schweiß mit den Händen ab und sagte: ›O, wenn du wüßtest, was mir begegnet ist!‹ ›Nun, was denn?‹ fragte ich. Noch keuchend, erzählte er mir: ›Als ich durch die ganze Stadt irrte und unser Quartier nicht wiederfinden konnte, kam ein Familienvater auf mich zu und bot sich mir sehr höflich als Wegweiser an. Durch dunkle und krumme Gassen führte er mich hierher, drückte mir ein Stück Geld in die Hand und verlangte von mir eine unzüchtige Handlung (stuprum). Schon hatte die Dirne für die Miete ihrer Zelle ihr As bekommen, schon hatte er Hand an mich gelegt, und wäre ich nicht der Stärkere gewesen, so hätte ich alles über mich ergehen lassen müssen.‹«

Mehr als das Wort zeigt das Modell. In Pompeji hat man bekanntlich einen Lupanar ausgegraben. Im Parterre liegt das geräumige Vestibül und um dieses herum fünf Kabinette mit je einem gemauerten Bett. An den Wänden befinden sich obszöne Malereien und Inschriften. Der obere Raum ist ähnlich eingerichtet und hat einen Ausgang nach einer Nebenstraße. Es wird angenommen, daß sich hier ein feineres Bordell befand. Von der Straße her unterschieden sich die Bordelle wohl nur durch eine irgendwie auffallende Laterne. Die Einrichtung auch der besseren Lupanare war sehr primitiv, die Luft war dunstig, die Beleuchtung schlecht, und es strotzte vor Schmutz. Die gewöhnlichen Lupanare wurden nicht ständig von den Dirnen bewohnt, sondern von ihnen nur zu den polizeilich geduldeten Zeiten aufgesucht. Jede Dirne hatte ihre besondere Zelle, über deren Eingang ihr Titulus aufgeschrieben war. Das ganze Innere der Bordelle war mit obszönen Inschriften bedeckt, bei denen es größtenteils nur auf die gemeinen Worte ankam. Man war auch nicht besonders diskret, sondern verriet hier offen, welche Art des Koitus die einzelnen regelmäßigen Bordellkunden besonders bevorzugten und wie man sich mit jeder einzelnen der Nymphen am besten amüsieren konnte. Die Bilder an den Wänden waren natürlich auch nichts anderes als Illustrationen zur Ars Amandi, allerdings so primitiv, daß hier von einer Porträtähnlichkeit kaum die Rede sein kann. Es machte sich auch im alten Rom die Tendenz zur Entwicklung von milderen Bordellformen geltend. So kamen in Rom besonders die Animierkneipe und das Badehaus zur Geltung. Diese verschleierten Bordelle setzten sich wohl besonders deshalb durch, weil für sie nicht der lästige polizeiliche Zwang bestand.

Die Animierkneipe, die ägyptischen Ursprungs ist, kam bereits zur Zeit der frühen Republik nach Rom. Plautus schildert sehr drastisch das Treiben und Animieren, wie geschmaust und gezecht wird. Zu dieser Gruppe von Lokalen gehörten später auch die mondänen Restaurants mit ihren Chambres séparées, die sich einer steigenden Beliebtheit erfreuten. Im späteren Kaiserreich bekamen immer mehr Lokale einen demimondänen Anstrich. Als die Chambres séparées mehr und mehr den geheimen Liebesromanen der sogenannten anständigen Frauen zu dienen begannen, wanderten die sinnesfreudigen jungen Männer in das Café chantant, die Musikschulen, in denen die werdenden Dirnen in allen musikalischen Künsten geschult wurden. Diese Musikschulen waren eins der teuersten Vergnügungen im alten Rom.

Die Prostitution drang, wie man sieht, immer mehr in das Gasthauswesen ein, und die meisten antiken Hotels, die, wie hinreichend bekannt, auf einer sehr niedrigen Stufe standen, sorgten gleichzeitig für das Liebesleben ihrer Kunden. Die Diversorien hatten wohl keinen ständigen Dirnenkreis im Hause, es handelte sich ja hier mehr darum, dem reisenden niedrigen Volk für die Nacht ein Unterkommen zu bieten. Die Cauponae, die gleichzeitig Gasthäuser waren, wurden von einer etwas höherstehenden Klasse von Menschen besucht. Hier hielt der Wirt ständig Schlafgenossinnen und -genossen für seine Gäste bereit, und diese Gasthäuser bildeten einen Hauptschlupfwinkel der nicht registrierten Prostitution. Diese Sorte von Dirnen diente nach den Angaben einiger antiker Schriftsteller lediglich der animalischen Befriedigung einiger ausgehungerter Reisender.

Wenn die Bauart der Bordelle auch überall eine ähnliche war, so waren die Ausstattung und der Luxus in ihnen selbstverständlich je nach der Preislage sehr verschieden. Die schmutzigsten und gewöhnlichsten befanden sich im 5. Bezirk, dem Esquilin, die elegantesten im 4. Bezirk, der Gegend des Friedenstempels.

Die Blüteperiode der Badeprostitution begann mit der Einführung des Familienbades, der balnea mixta, in denen Männer und Frauen gemeinsam baden durften. Sie wurden 32 Jahre nach Christus von Agrippa eingerichtet. Später, als auch die Prostituierten Zutritt zu den Bädern bekamen, sanken die Badehäuser zu einer Abart der Bordelle herab.

Ammianus Marcellus schildert sehr drastisch, wie ein vornehmer Römer eine Badeanstalt besucht: »Wenn dieselben dann, jeder von fünfzig Dienern gefolgt, in das Badegewölbe eintreten, wo sie unter den Leuten sind, führen sie eine drohende Sprache; wenn sie nun plötzlich hören, daß unbekanntes Sklavengesindel oder eine gemeine Dirne aus einer Provinzialstadt oder eine alte Lustvettel erschienen ist, laufen sie um die Wette herbei, um den neuen Ankömmling zu beliebäugeln und ihm die ekelhaftesten Schmeicheleien zu sagen, wie es nur immer die Parther mit ihrer Semiramis, die Ägypter mit Cleopatra, die Carier mit Artemisias oder die Palmyrener mit Zonobe machen konnten.« Die Bademeister suchten sich schon Sklaven und Sklavinnen, um sie, wozu sich reichlich Gelegenheit bot, zu vermieten, denn es befanden sich außer den großen Bassins und dem Dampfraum auch elegant eingerichtete Kabinen im Bade (nach Art der russischen Luxusbadestuben), in denen ein geschlechtlicher Verkehr in aller Eleganz sich vollziehen konnte. Diese Badestuben hatten hauptsächlich vor den Bordellen die größere Eleganz und hygienische Ausstattung voraus. Und außerdem hatte man die Illusion, man habe es nicht mit einer regulären Prostituierten, sondern mit einer Frau zu tun, die sich aus Liebe hingab – und dann die gewisse Spannung, mit der man erwartete, ob man Erfolg haben würde oder nicht. Es fehlte hier eben das rein Geschäftsmäßige, das viele von den Bordellen abschreckte.

Der Kampf gegen die Unzucht, den die späteren Kaiser führten, erstreckte sich naturgemäß auch auf die Badehausprostitution. Hadrian und Marc Aurel suchten das gemeinsame Baden zu verbieten, doch hatten sie mit ihrem Vorgehen keinen Erfolg, weil die Prostitution in den Badehäusern zu viel Gelegenheit hatte, sich unter allerhand Deckmänteln zu verstecken. Besonders beliebt war natürlich damals wie heute der Beruf der Masseuse und für die Homosexuellen der Masseur. Die erotogene Massage hatte damals ein besonderes Wissensgebiet ausgebildet. Für die Halbwelt stand das Badehaus natürlich in den Modebädern besonders im Mittelpunkt des Interesses. Statt nach Monte Carlo ging man damals nach Bajae am Golf von Neapel, ein luxuriöses Bad, das für die Herren Professoren der Ethik ein Greuel geworden ist. Geheimrat Seneca sagt in der 51. Epistel: »Bajae hat angefangen, die Herberge der Laster zu sein: dort erlaubt sich die Üppigkeit fast alles, dort entfesselt sie sich mehr, gleich als ob Üppigkeit dem Orte gebührte.« Für das östliche Becken des Mittelmeeres war Canopus in der Nähe von Alexandria das Zentrum des fashionablen Badelebens. Es ist verständlich, daß bei der languiden Sinnlichkeit des Orientalen das Bad ein Zentrum des erotischen Lebens wurde, und die Lebewelt hat zu allen Zeiten einen etwas orientalischen Zug gehabt, da im Orient selbst die Geschlechter im Bad getrennt sind, so spielt für sie das Bad für den homosexuellen Geschlechtsverkehr die größte Rolle.

Der gewöhnliche Mann, dem das Bad zu teuer war, hielt sich an die Straßendirnen. Die Straßendirnen, die abends auf den Strich gingen und in der Regel überhaupt kein festes Quartier hatten, habe ich bereits bei der Topographie der römischen Prostitution erwähnt. Eine besondere Rolle spielten in Rom, wie bei uns in primitiven Zuständen, die Mühlen- und Bäckerprostitution. Es scheint ein alter und universeller Brauch zu sein, daß die schöne Müllerin, die die Frucht der Erde den Menschen genießbar macht, recht freigebig mit ihren Reizen ist. In der späteren Kaiserzeit waren an viele Bäckereien Bordelle angebaut, ein Brauch, der sich noch im Mittelalter gehalten hat, auch in Deutschland. Ich werde diese Verhältnisse später schildern.

Im römischen Heere haben die Dirnen niemals eine bedeutende Rolle gespielt. In der römischen Republik und in den ersten beiden Jahrhunderten des Kaiserreichs nahm das Heer überhaupt keine Dirnen auf, das widersprach der römischen Manneszucht. In dem Heere des Metellus sollen sich, wie als Gipfel der Verwahrlosung betont wird, Dirnen befunden haben, und darin sieht man den Hauptgrund für seine Untätigkeit und seine Mißachtung. Die Bemerkung Ciceros in der »Catilinarischen Rede«: »Werden sie (die Catilinarier) ihre Dirnen mit ins Lager nehmen«, zeigt, daß man damals in Rom die Begleitung von Prostituierten beim Heere für völlig unmöglich hielt. So blieb auch noch in der frührömischen Kaiserzeit die Dirne vom Heere ausgeschlossen, und erst Septimius gestattete das »Gynaixi Synoikein« (γυναιξὶ συνοικεῖν).

Die Beziehungen zwischen Kunst und Prostitution waren im alten Rom ebenso enge wie im alten Athen, ich habe damals die Gründe für diesen Zusammenhang klargelegt. Das Kabarett setzte sich durchweg aus Prostituierten zusammen, die durch allerhand schlüpfrige Schaustellungen die Männer an sich zu fesseln suchten, allerdings galt der Kabarettbesuch im Altertum als Gipfel der Unfeinheit, wie ja überhaupt alle öffentlichen Darbietungen mehr für den Pöbel waren. Der vornehme Römer ließ sich das Kabarett in seine Wohnung kommen. Die Reichen hatten in ihrem Hause ständige Sklavenkabarette, die bei Gesellschaften geradezu unentbehrlich waren. Die Tänzerinnen sind in der römischen Komödie durchweg Prostituierte. Der Bauchtanz, dieses künstlerische Symbol des Geburtsaktes, war die Hauptpiece der gaditanischen Dirnen, und der vornehme Römer ließ bei den üppigen Mahlzeiten seine Mädchen tanzen und »unaufhörlich, von Lüsternheit gestachelt, schaukelnd ihre Hüften wiegen«. Im 4. nachchristlichen Jahrhundert war die Zahl der Tänzerinnen in Rom so groß, daß man sie für eine unentbehrliche Ingredienz des Lebensgenusses hielt, worüber sich dieses Mal die Geschichtsprofessoren entrüsteten. Ammianus Marcellius schreibt (14. 6. 20): »So weit wird die Nichtswürdigkeit getrieben, daß man, als vor nicht gar langer Zeit wegen einer befürchteten Hungersnot die Fremden eilig aus der Stadt gewiesen wurden, die Liebhaber der Künste und Wissenschaften, obschon ihre Zahl sehr unbedeutend war, auf der Stelle rücksichtslos vertrieb, während die Leute vom Gefolge der Schauspielerinnen und solche, die für den Augenblick dazu zu gehören vorgaben, und 3000 Tänzerinnen mit ihren Musikanten und ebensoviel Tanzmeistern ungestört bleiben durften.«

Eine ganz andere Rolle als in Athen nahmen die Hetären in Rom ein. Auch Rom hatte natürlich jene Sorte von teuren Dirnen, die wir heute »Demimonde« nennen. Der Unterschied der römischen Hetären gegen die griechischen besteht hauptsächlich darin, daß sie ihres philosophischen Scheincharakters entkleidet sind und nichts als galant sind. Sie haben im öffentlichen Leben Roms sicherlich eine ebenso große Rolle gespielt wie in dem Athener und sind, soweit dies möglich, noch »vornehmer« gewesen. Ovids »Ars Amandi«, die bekanntlich den Verkehr mit diesen galanten Damen lehren will, löst die Psychologie der römischen Hetären. Die Beziehungen zwischen Hetärentum und Theater waren eng, obwohl Hetäre und Schauspielerin nicht identisch war. Die kleinen Flötenspielerinnen und Tänzerinnen, über die ich eben gesprochen habe, gehören jedenfalls nicht zu dieser Spezies. Die Geld- und die Regierungsaristokratie hat stets diese römischen Hetären gut gefüttert. Von Caesar ist bekannt, daß ihm »Frauenliebe« reichlich in der Jugend und auch noch im späteren Mannesalter gestrahlt. Aber auch Sulla unterhielt viele Liebesverhältnisse mit Männern und Frauen vom Theater. Als echter Grieche war er ein vollendeter Gentleman und zeigte sich den Damen gegenüber immer freigebig. Sein Verdienst wurde es, daß die Hetäre der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens wurde. Sulla gewöhnte die Römer daran, daß ein berühmter Mann auch in der Skandalchronik eine Rolle spielen mußte. Sein Ansehen wurde nicht gefährdet, weil er die reiche Nikopolis liebte, ja sogar der »Moraltrompeter von Säckingen«, mit Namen Cicero, sollte mit der Schauspielerin Itheles sehr intim sein, während er in Verrem wetterte, weil der Prokonsul, der in Sizilien viel Geld erpreßt hatte, sich drei solcher Damen leisten konnte. Die Lyriker der beginnenden Kaiserzeit, Ovid, Tibull und Horaz, gaben dann diesem Verhältnis den Nimbus des Idealen und Poetischen. Sie sahen in ihm noch die idealen Werke, die die griechische Hetäre geschaffen hatte, während in der unerbittlichen Wirklichkeit sich die Frauengestalt mehr und mehr dem römischen Sexualcharakter anpaßte und so in ihrer Frauenwürde herabstieg. In der Zeit des Martial, d. h. im 2. nachchristlichen Jahrhundert, ist die Hetäre dann nur noch die in der Liebeskunst gebildete, philosophisch aber durchaus unwissende Frau.

Ich habe bereits auf die Analogie der Entwicklung des Liebeslebens in der römischen Kaiserzeit und in der Gegenwart hingewiesen. In beiden Epochen die Tendenz zur Ausbreitung des Prostitutionsverkehrs, die Entwicklung des Mannes zum horazischen Typus, dem auch die Liebe »business« geworden ist. Das Liebesleben stellt sich auf das Problem ein: Der Unternehmer und die Frau. Jedenfalls paßte sich in Rom wie heute die Frau dem Unternehmertume an. Sie benutzte die Konjunktur der Zeit und gab dem Manne das, was er suchte und erfüllte so zugleich ihre eigenen Wünsche. Einen besondern Ruf als eine Prophetin dieser Spezies hat sich die Clodia, die Gemahlin des Metellus Celer, erworben, die alle Tage einen neuen Liebhaber hatte und schließlich zu einer gemeinen Dirne wurde. Sie bekam den Spitznamen: Groschenhure (Quadrantaria), weil sie von einem Liebhaber geneppt worden war und dieser sich noch damit brüsten durfte. Man identifiziert diese Clodia mit Catulls Lesbia, die auch jenen sexuellen Typus repräsentiert, der für schwächere Geister etwas Dämonisches hat. Das »Tout comme chez nous« gilt auch für diesen Geschäftszweig des altrömischen Lebens.

Die Praktiken des Abortus und der Ovariotomie waren im alten Rom genau so verbreitet wie in der Gegenwart. Im Altertum war das der ertragreiche Beruf der unstudierten Medizinerinnen. Diese »weisen Frauen« waren gleichzeitig Salbenverkäuferinnen und Parfümösen. Bei ihnen trafen sich die Römerinnen, wenn sie einen Liebestrank haben wollten, und hier war auch der Hauptsammelpunkt der weiblichen homosexuellen Prostitution. In der Zeit der römischen Republik scheint die Tribadie noch wenig verbreitet gewesen zu sein, wenigstens wird sie bei den römischen Schriftstellern nur selten erwähnt. In der spätrömischen Kaiserzeit, als entgeistigte griechische Ausschweifungen von den Römern nachgeahmt wurden, war der homosexuelle Verkehr der Frauen eine Erscheinung, die sich großer Öffentlichkeit nicht zu schämen brauchte, beim Gastmahle des Trimalchio umarmt die Gattin des Gastgebers eine Freundin ihres Gatten auf eine sehr »unanständige« Weise. Die weiblichen Homosexuellen umgaben sich schon damals mit dem Schleier des Geheimnisses, es ist bekannt, daß die Hauptorgien der homosexuellen Frauen bei den Festen der Pudicitia und der Bonadea gefeiert wurden. Die Prostitution ist jedoch für den weib-weiblichen Geschlechtsverkehr zu allen Zeiten eine geringere gewesen, als für den heterosexuellen und den homosexuellen männlichen Verkehr. Es liegt dies, wie ich schon nachgewiesen habe, daran, daß der psychologische Begriff der Prostituierung bei diesem Verkehr unmöglich ist, und daß dem Wesen des weib-weiblichen Verkehrs, das in dem psychischen aneinander Anschmiegen in der Reaktion auf die feinsten, unbewußten psychischen Reize sich gründet, eine Befriedigung ohne innere Anteilnahme widerstrebt.

Die Verhältnisse in den Großstädten des römischen Reiches waren ähnlich wie die in der Mutterstadt selbst, von denen natürlich keine einzige an Einwohnerzahl, Pracht und Eleganz sich mit der Hauptstadt vergleichen konnte, die im vierten nachchristlichen Jahrhundert 1790 Paläste, fast 50 000 Mietshäuser und zwei und eine halbe Million Einwohner besessen haben soll. Die bedeutendste Provinzstadt des Römerreichs war Alexandria, die größte Handelsstadt der Erde. Hier, wo reiche ausländische Kaufleute und gemeinste Matrosen aus allen Ländern der Welt zusammenströmten, bestand naturgemäß eine schimmernde Mannigfaltigkeit unter den Prostituierten. Über die Prostitution in der drittgrößten Stadt Syrakus sind wir wenig unterrichtet. Dagegen soll in Karthago die sogenannte Korruption noch größer gewesen sein als in Rom selbst. In diesem Milieu saugte sich Augustin mit jenem Abscheu gegen das Sinnenleben voll, mit dem er den entscheidenden Schlag gegen das antike Genußleben führte.

Berühmt durch seine schönen Mädchen war Cades, das den reichen Römern mit seinen Kastagnettenschlägerinnen und Kabarettsängerinnen als eine Hauptbezugsquelle für Prostituierte galt. Die zweite Produktionsquelle für Theaterprostitution war Antiochia, die große Handelsstadt des Ostens, welche die syrischen Flötenspielerinnen als ihre Heimat bezeichneten. Die hellenische Prostitution, auf die alle reichen jungen Leute aus Rom in ihrer Studienzeit angewiesen waren, ging noch immer in Korinth auf die Schule und suchte in Athen den jungen Studikern gegenüber noch etwas von dem alten Hetärenrufe zu bewahren. Ein sehr bedeutender Sklavenmarkt, besonders für die exotischen Sklavinnen, war die babylonische Stadt Seleucia, die im ersten Jahrhundert nach Christus über eine halbe Million Einwohner gezählt hat und in ihrer Bedeutung unterschätzt worden ist. Byzanz nahm erst nach der Teilung des römischen Reichs seine überragende Stellung ein. Ich habe über die Rolle, welche die Prostitution in Konstantinopel spielte, bereits bei den Versuchen der Justinianischen Sexualreform gesprochen.

Großstädte im modernen Sinne hat das römische Reich noch ungefähr 30 in allen römischen Provinzen und in Italien selbst besessen. Für den Prostituiertenmarkt war Tyrus von besonderer Bedeutung. Die syrische Hafenstadt zählte 400 000 Einwohner und lebte von Tuch- und Glasfabrikation, hier wurden aus den versklavten Arbeiterfamilien Mädchen in Massen für den Dirnenhandel gewonnen. Der Bedarf war damals so ungeheuer, weil die kleineren Städte, deren Existenz heute kaum noch Erwähnung findet, damals ein sehr entwickeltes Nachtleben hatten. So wissen wir von Boeroa aus einer Schilderung des Lukian, daß es dort alle Arten von Prostitution und sogar ein Knabenbordell gab.

Die Knabenliebe gewann in Rom erst mit dem Eindringen der hellenischen Kultur an Bedeutung. Jedoch schon um die Wende des 3. und 2. vorchristlichen Jahrhunderts sind Beispiele von Knabenliebe überliefert. So wird von vornehmen Römern erzählt, die bedeutende Summen für Knaben ausgegeben haben. Die völlige Gleichwertigkeit in der öffentlichen Bedeutung von Homosexuellen und Heterosexuellen bildete sich erst heraus, als das römische Leben von Grund auf hellenisiert war, d. h. vornehmlich in der römischen Kaiserzeit. Das Eunuchenwesen, das im oströmischen Reiche ein so wesentlicher Faktor des öffentlichen Lebens wurde, gab dem sexuellen Leben des ausgehenden Altertums später noch eine besondere Färbung. Die römische Gesellschaft hatte sich niemals ernstlich gegen den homosexuellen Verkehr erhoben. Nur den passiven Päderasten, den Pathikus, traf die Abneigung der Gesellschaft. Wie groß die allgemeine Verachtung auch der unteren Kreise gegen einen Freien war, der die Paedicatio erlitten, zeigt das Verhalten des Domitian bei einer Militärverschwörung. Domitian begnadigte nämlich nach dieser Verschwörung nur einen Tribun und einen Hauptmann, weil sie als passive Päderasten bei den Soldaten nicht das geringste Ansehen haben konnten und dadurch dem Kaiser durchaus ungefährlich waren.

Die homosexuelle Prostitution hatte in Rom denselben Strich wie die Dirnen. Die Päderasten zogen sich größtenteils nach den Außenbezirken der Stadt zurück und suchten mit Vorliebe auf den Feldern den Liebesgenuß. Es gab jedoch auch Bordelle für Päderasten, und zwar beherbergten offenbar die großen Bordelle sowohl Knaben wie Mädchen. Es kam auch vor, daß Dirnen ihr Absteigequartier an einen männlichen Kollegen weitervermieteten. Außerdem spielten in Rom die geheimen Klubs eine große Rolle. Dort wurden oft unter religiösen Deckmänteln, ähnlich den Festen der Bona dea, unter strengem Ausschluß der Frauen Männerbälle gefeiert.

Die Preise der homosexuellen Prostituierten übertrafen in Rom die griechischen Honorare bei weitem. Nur ein Beispiel dafür. Lutorius Priscus kaufte den Paecon, einen Verschnittenen des Bejanus, für 5 000 000 Sesterzien. Die Erscheinung der homosexuellen römischen Prostitution wird dadurch bedingt, daß sie sozusagen die Dekadenz der griechischen Knabenliebe ist. In Rom wird das meiste, was sich in Griechenland in Ansätzen findet, in übertriebener Weise herausgekehrt. Die Depilation ist von Liebe nicht mehr zu trennen. Heliogabal wurde berufsmäßiger Raseur für Schamteile, er depilierte sich selber, seine Maitressen männlichen und weiblichen Geschlechts, seine Sklaven und alle Prostituierten, deren er habhaft wurde.

Die männliche Prostitution stammte in Rom ursprünglich aus dem Sklavenstande und hatte enge Zusammenhänge mit der musischen Prostitution. Sie diente ursprünglich vor allem dazu, beim Gelage die Lust zu stillen. So wird in Rom das Wort: Kinäde gleichbedeutend mit: Prostituierten. Vielen von diesen versklavten Kinäden gelang es, sich durch die Gunst eines reichen Mannes freizukaufen.

Da Rom einen außerordentlichen Bedarf an männlichen Prostituierten hatte, bildete die Beschaffung des Materials ein nicht leicht zu lösendes Problem, und es war ein umfangreicher Sklavenhandel zur Einfuhr von Lustknaben besonders in Ägypten tätig. Die ägyptischen Knaben waren besonders durch ihre Schlagfertigkeit und ihren Witz in Rom beliebt. Daß diese Menschenhändler nicht gerade mit den zartesten Mitteln vorgingen, zeigt eine Stelle bei Martial:

»Gleich als wäre zu klein die Unbill unseres Geschlechts,
Daß zu schändlicher Lust Männer dem Volke man bot,
Gäb schon Wiegen den Kupplern man preis, daß, den Brüsten entrissen,
Wimmernde Knaben bereits forderten schmutziges Geld.
Leiber, noch unreif, sind in verruchter Weise gemißbraucht,
Latiums Vater ertrug länger das Scheußliche nicht,
Er, der mit rettender Hand jüngst zarten Jünglingen beistand,
Daß nicht grause Begier raube die männliche Kraft.
Früher verehrte der Greis und der Jüngling dich und der Knabe,
Jetzt, o Kaiser, jedoch lieben die Kinder auch dich.«

Dem Mißbrauch von Kindern suchte zum ersten Male Domitian einen Riegel vorzuschieben. Übrigens ziemlich ohne Erfolg.

Selbstverständlich bildete das Bad einen Haupttreffpunkt der Homosexuellen. Hierher bestellte man vielfach die Prostituierten, weil hier ein ganz ungestörter Verkehr möglich war. Die Bademeister selbst hielten sich Masseure oder Badediener, und das Ganze war so ein Mittelding zwischen Absteigequartier und Bordell. In der Kaiserzeit entwickelte sich parallel dem weiblichen Maitressentum ein männliches, das an Umfang und Bedeutung durchaus nicht geringer war. Gerade die einflußreichen Männer wurden oft sinnlose Werkzeuge in der Hand dieser Männer, die sich durch die Leidenschaft eine gewaltige Macht zu sichern verstanden. Besonders haben es diese Maitressen offenbar verstanden, den in jedem Manne liegenden Zug der Freude am Beherrschtwerden außerordentlich hervorzukehren, und wir finden in dem Verkehr der römischen Männer untereinander jene Motive wieder, die ich im ersten Teil als ursprüngliche Sexualmotive aufgedeckt habe. Petronius schildert, wie sich der abgöttisch geliebte Sklave Krösus auf Trimalchio wie auf ein Pferd setzt; das ist nichts anderes als das alte Reitmotiv. Man ahmte vielfach die Äußerlichkeiten nach, genau wie in den heterosexuellen Liebesbündnissen. Die Liaisons der Homosexuellen wurden vielfach durch eine üppig gefeierte Hochzeit eingeleitet.

Eine besondere Rolle für die römische Geschichte spielen die Lustknaben durch die Bedeutung, die sie in dem Liebesleben ziemlich sämtlicher römischer Kaiser gewonnen haben. Augustus liebte den Sarmentus, Tiberius feierte auf Capri homosexuelle Orgien, und die folgenden Kaiser gaben dem nichts nach. Nero führte dann die Heirat unter Homosexuellen ein und heiratete zuerst einen Prostituierten mit Namen Pythagoras. Der Kaiser trug einen Brautschleier, der Freund bekam eine kostbare Morgengabe, ein Brautbett wurde gefeiert, Hochzeitsfackeln wurden angezündet, und man sah, wie Nero mit seinem Freunde die Brautnacht verlebte. Bald nach dem Weibe Nero heiratete der Mann Nero, und zwar den Freigelassenen Sporus, den er wegen seiner großen Ähnlichkeit mit Popäa Sabina zärtlich liebte. Sporus wurde zu diesem Zwecke entmannt, trug Kaiserinnenkleidung und bekam den Namen Sabina, und wiederum würde mit feierlichen Zeremonien die Hochzeit gefeiert. Allgemein wurde gratuliert, und man wünschte auch nach althergebrachter Sitte bald von Kindern zu hören. Ein Philosoph fand Neros Wahl sehr löblich und sprach den mutigen Wunsch aus, daß Neros Vater auch kein Weib, sondern ein Wesen wie Sporus geheiratet hätte. Noch ein drittes Mal vermählte sich Nero mit einem Manne, und zwar dieses Mal heiratete er als jungfräuliches Mädchen. Der Auserwählte war sein Geheimschreiber Doryphoros, der für das Vergnügen, diese »Jungfer« zu nehmen, noch überdies drei Millionen Denare ausgezahlt bekam. Vitellus gab sich nur als passiver Päderast hin, war er doch bereits in seiner Jugend ein Lustknabe des Kaisers Tiberius gewesen. Von den späteren Kaisern hat sich vornehmlich Heliogabal durch seine Ausschweifungen einen Namen gemacht. Der Kaiser war ursprünglich Priester der syrischen Götter gewesen, d. h. Pathikus. Diese sexuelle Neigung behauptete er auch, als er Kaiser geworden war. Er bekämpfte die Abneigung gegen die passive Päderastie und machte die männliche Prostitution sozusagen gesellschaftsfähig. Er hatte in seinem Palaste ein eigenes Männerbordell und Männerbad, er selbst sorgte dafür, daß er stets mit schönen Jünglingen aufwarten konnte. Es ist nicht weiter wunderbar, daß diese Liebhabereien des Kaisers in der großen Gesellschaft außerordentlichen Beifall fanden und die mondänen Männer und Philosophen das Leben des Kaisers nachahmten. Sie hatten den Vorzug, behaupten zu können, durch Nachahmung seiner Laster sich in seiner Gunst höherzustellen.

Die männliche Prostitution, die unter Heliogabal einen so ungeheuren Umfang angenommen hatte, erlitt einen fast vernichtenden Schlag unter dessen Nachfolger Alexander Severus, der die Eunuchen aus den bedeutenden Staatsämtern entfernte und deportieren ließ. Ein Teil wurde sogar hingerichtet. Unter den späteren Kaisern hat das männliche Maitressentum nie wieder eine so hervorragende Bedeutung erlangt. Die Prostitution der Männer als solche bestand selbstverständlich fort und breitete sich in der echt »römischen Gestalt« von Rom mehr nach den Provinzen aus.

Eine Erscheinung des römischen Sexuallebens war für verschiedene Autoren die Veranlassung, auch von einer heterosexuellen männlichen Prostitution zu sprechen. Psychologisch betrachtet ist das natürlich keine Prostitution, da Männerliebe unverkäuflich ist. Für das, was hier gemeint ist, haben wir ja das schöne Wort »Zuhälterei«. Die römischen Schriftsteller erzählten, daß besonders die Frauen im gefährlichen Alter für männliche Umarmungen ein offenes Portemonnaie hatten. Die Psychologie dieser Damen habe ich schon in der Einleitung gelöst. Es wird auch berichtet, daß ihre Herren meistens Verbrecher waren und die von ihnen verführten Frauen in sehr lohnender Weise ausplünderten.

In der späteren Kaiserzeit machte sich in Rom eine Bewegung geltend, die wesentlich ästhetisch orientiert war und deren Gedankenkreis mit in das Christentum übergegangen ist. Es ist bekannt, daß sich ein Verschmelzungsprozeß zwischen Christentum und Antike in der römischen Kaiserzeit vollzog, der durch das Lebenswerk des Augustinus gekrönt worden ist. Da nun Augustinus die Weltauffassung des Mittelalters bedeutete, so ist dieser Prozeß des Aufgehens antiker Philosophie ins Christentum für die gesamte Beurteilung des mittelalterlichen Lebens von sehr großer Bedeutung. Wenn ich die mittelalterliche Sexualethik und ihre Beurteilung der Prostitution darstelle, werde ich sehr genau zeigen, welche Faktoren der christlichen Sexualauffassung aus der antiken Philosophie übernommen sind. Hier will ich nur die sexualethischen Richtungen des Altertums darstellen, soweit sie für das antike Leben selbst von Bedeutung gewesen sind.

Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, daß die sexuellen Auffassungen der Römer wesentliche Umgestaltungen erlebten, teils durch die Hellenisierung, teils durch das Eintreten einer Zeitlage, die ich als das Gefühl der absteigenden Kultur oder als Dekadenz bezeichnen möchte. Ich habe als typische Sexualcharaktere zwei Männer gezeichnet, die in dieser Übergangszeit gelebt haben: Horaz und Ovid. Sie sind auch typisch als Phänomene einer Zeit der Umbildung der sexuellen Auffassungen. Das horazische und das ovidische Element im Liebesleben drängten in Rom zu einer Verschmelzung. In dem Nebeneinander dieser beiden sexuellen Typen charakterisiert sich das Nebeneinander zweier sexuellen Weltauffassungen und sexueller Empfindungsweisen in dem augusteischen Rom. Wenn von zwei solchen disparaten Erscheinungen nicht eine die andere totzumachen vermag, so gehen sie in der Regel eine sehr unglückliche Ehe miteinander ein. Die sexuelle Phase des Liebeslebens der spätrömischen Zeit ist das Kind dieser unharmonischen Ehe, ein Gemisch von Genußsucht und Abstinenz. Die alte Wahrheit, daß es mit der Liebe aus ist, wenn zu ethisch über sie geredet wird, lehrt schon die Psychologie der römischen Kaiserzeit. Allerdings noch nicht deutlich genug, denn man will es heute nicht mehr glauben.

Nicht die Ethik, wohl aber das wirtschaftliche Leben bestimmt letzten Endes die Sexualität einer Zeit, und die asketische Richtung drang nicht durch, weil sie an sich, die siebenmal weise war, sondern weil man vor einer großen Pleite stand. Die wirtschaftliche Baisse, das Stagnieren der Produktion, hervorgerufen durch die Diskrepanz zwischen der Wirtschaftsform der Naturalwirtschaft und der Produktionsform des Großbetriebes oder durch das Zurücksinken in die Naturalwirtschaft, führte zu einer Massenpsychose, die noch durch die übrigen Schwierigkeiten der äußeren und inneren Politik gesteigert wurde. Ich nenne die Steigerung des sozialen Gradients, die Komplizierung der Agrarfrage, die sich bis zur Unlösbarkeit gesteigert hatte, das Verdorren der Städte, denen der nötige Zufluß vom Lande fehlte u. a. Daß diese Massenpsychose auch auf das sexuelle Gebiet einen Rückschlag ausübte, ist nicht wunderbar, besonders da die psychologischen Voraussetzungen für eine sexuelle Massen-»askese« durchaus gegeben waren. Die Frauenemanzipation, deren erste Spuren in der griechischen Zeit bereits aufgedeckt sind, wurde in der römischen Zeit zu einem gesellschaftlichen Phänomen. Die Freiheiten, die sich die Frauen herausnahmen, und die Unabhängigkeit von den Männern, die sie beanspruchten, sind überall deutlich wahrnehmbare Symptome. Die Misogynie, deren erste Spuren sich schon in der klassischen Periode in der griechischen Philosophie nachweisen lassen, durchdringt jetzt mehr und mehr das öffentliche Leben. Das Geschlechtsleben, das in »Ausschweifung« ernüchterte, wurde zu dem bequemsten und fruchtbarsten Angriffspunkt der Philosophen. Diese philosophische Richtung gab denn auch dem ursprünglich sinnenfreundlichen Christentum die Feindschaft gegen das Geschlechtliche, die unmögliche Verquickung von sexuellem Leben und Moral.

Es war das Unglück für das Altertum, daß die Erscheinungen, die nur aus dem Mangel an Liebestalent folgten, auf eine sexuelle Krise gedeutet wurden und daß man anfing, reformieren zu wollen. Die Liebe ist und bleibt nun einmal eine heimliche Erscheinung und kann die Hand des durchgreifenden Reformators schlecht vertragen. Die von Liebe etwas verstehen, begeben sich damit meist nicht in das Geschrei der Gasse, sie gehören in die Spezies der Kryptogamen, während die Abstinenzprediger stets für eine sehr populäre Propaganda sind. Sie haben nicht nur darum mehr Erfolg.

Die Sexualreform des Altertums basierte auf demselben Fehlschluß, der unsern Sexualreformern passiert ist: sie verwechselte den Fortpflanzungszweck mit einem Fortpflanzungstriebe und zwängte darum das Liebesleben in das Prokrustesbett der Eugenik. Die Eugenik, die zu allen Zeiten im Altertum eine übertriebene Bedeutung gehabt hatte, wurde in der spätrömischen Zeit zu einem medizinischen System durchdacht. Sie bewirkte die Herabwürdigung des Liebeslebens zu einer volkswirtschaftlichen Menschenzüchtung. Die Eugenik ist auch die Grundlage des sehr ausgeprägten antiken Malthusianismus, der Lehre von der notwendigen Beschränkung der Kinderzahl zur Begünstigung der Qualität der lebenden Ware.

Der Begriff des Perversen ist damals allerdings noch nicht geprägt worden. Trotzdem finden sich bereits Spuren der gesellschaftlichen Ächtung der Spielarten des Liebeslebens, die darauf zurückzuführen sind, daß sie sich nur noch unter dem Begriff der Ausschweifung subsumieren ließen. In erster Linie wurde davon die Päderastie getroffen, und in dieser Hinsicht ist das Plaidoyer eines alexandrinischen Advokaten aus dem Ende des 2. nachchristlichen Jahrhunderts von großem Interesse, in dem der Anwalt einen hohen ägyptischen Würdenträger mit Namen Mattenos mit den stärksten Waffen angreift und in flammender Entrüstung über den offenbar unerlaubten Verkehr des hohen Beamten mit einem schönen Jüngling aus guter Gesellschaft spricht. Die Schärfe der Ausdrucksweise läßt sich durchaus nicht aus dem erklären, was ich als die ursprüngliche antike Sexualethik dargelegt habe und ist wohl auf das Eindringen jener asketischen Unterströmungen zurückzuführen. Ich setze dieses Dokument in deutscher Übersetzung hierher (Sudhoff, Ärztliches aus griechischen Papyrusurkunden, Seite 110):

(Das letzte Aktenstück bestätigt den Fall mit seiner Sklavin und seiner Liebe zu dem Jüngling …) »Warum speist ein siebzehnjähriger Knabe täglich mit dir? Jeder der Zeugen, wenn er immer gewürdigt war, am Schmause teilzunehmen (es war nicht leicht, solche Gunst zu erlangen, nachdem du einmal königlichen Rang eingenommen hattest), sah den Knaben an der Tafel mit seinem Vater oder allein. Er sah auch den schamlosen Blick und das schamlose Hinüber und Herüber der Geliebten. Was, du hättest nur deine Darlehen geliebt? Warum besuchte er dich jeden Tag? Sie bekunden durch Eidschwur, o Herr, bei deinem Wohlergehen, sie hätten, als sie warteten, um diesen da zu begrüßen und vor seiner Tür verweilten, gesehen, wie der Knabe allein aus deinem Schlafgemache kam und fast noch Spuren des Verkehrs aufwies. Denn nachdem er einmal an diese Schande gewöhnt war, spreizte sich der schöne Jüngling und war so übermütig, offen vor aller Augen zu schäkern und Händedrücke zu wechseln mit Eutychos, dem Kammerdiener, und mit ihm zu kichern und laut zu lachen – mitten unter den Klienten. Er war nicht dumm, und doch ließ er die Schuldner deutlich merken, was vorgegangen war. Warum wiesest du ihn nicht mit seiner Schamlosigkeit und übergroßen Ernsthaftigkeit in seine Schranken? – (Nun werden ihm Beispiele seiner sonstigen Härte und Grausamkeit vorgehalten.) – Und den bartlosen, wohlgestalteten Jüngling duldest du täglich im Prätorium und schicktest ihn nicht mehr zur Schule und den Leibesübungen der Jünglinge? Du reisest in ganz Ägypten herum mit dem Jüngling. Hat dich nicht ein siebzehnjähriger Knabe auf den Sitz des öffentlichen Richters begleitet? Warum war er denn an deiner Seite in Memphis und Pelusium und wo du immer warst? Wir anderen alle standen herum, getrennt …«

Das asketische Ideal hatte schon in Griechenland nicht gefehlt, und es hatte auch seine Beziehungen zur öffentlichen Religion gehabt. Die Priesterinnen des Dionysos mußten schwören, daß sie sich von allem Unreinen und der Berührung mit Männern fernhalten wollten. Die Doppeldeutigkeit der Venus, der Urania und der Pandemos und das Nebeneinander des Apollo und Dionysos sind die Urwurzeln der dualistischen Trennung von Seele und Leib, die unter den griechischen Philosophen von Plato bis zur Stoa und Epikur philosophisch begründet wird und unter den Neuplatonikern ihre Ausbildung findet. Es bilden sich auf diese Weise in der späteren Zeit dreierlei Forderungen der Abstinenz heraus. Mit verschiedenen Forderungen auf der einen Seite verlangen die Neupythagoräer, daß der Geschlechtsverkehr nicht der Lust, sondern ausschließlich der Fortpflanzung dienen soll. Die zweite Forderung war die Forderung der Reform-Ehe ohne jeden Geschlechtsverkehr (Name nach Alice Stockham), die im Neuplatonismus und im Christentum viel Anhänger fand. Die dritte Form war das Zölibat.

Die Medizin, die zu allen Zeiten sehr von den Strömungen, die zufällig herrschten, beeinflußt wurde, suchte damals schon auf sozialbiologischer Basis eine Sexualreform medizinisch zu fundieren. Um diese medizinische Richtung und ihre Arbeitsmethode zu charakterisieren, lasse ich hier eine Stelle aus der Gynäkologie des Soranus von Ephesus folgen, die über den Streit der Meinungen in der damaligen Zeit unterrichtet.

»Ist dauernde Jungfernschaft der Gesundheit zuträglich?« lautet die Überschrift des Kapitels, in dem Soranus für Abstinenz eintritt.

»Die Frage, ob dauernde Jungfernschaft der Gesundheit zuträglich ist, bejahen manche, andere verneinen sie. Die ersten sagen, der Körper leidet unter sinnlichen Trieben. So sehen vielfach die Liebenden blaß, schwach und mager aus. Die Jungfernschaft kennt aber die Liebe nicht, und hat daher auch kein Verlangen danach. Ferner schadet jeder Samenerguß den Frauen in demselben Grade wie den Männern. Somit ist die Jungfernschaft gesundheitlich heilsam, da sie den Samenerguß hindert. Als Beweis dienen auch die unvernünftigen Tiere; Stuten, welche nicht belegt sind, laufen besser, Säue, denen die Gebärmutter ausgeschnitten ist, werden größer, fetter und stärker, ihr Fleisch ist so fett, wie bei männlichen Schweinen. So ist es offenbar auch bei den Menschen. Denn da unter den Männern gerade die, welche unschuldig bleiben, stärker und größer sind als andere und sich einer besseren Gesundheit in ihrem ganzen Leben erfreuen, ist folglich auch in gleicher Weise dem weiblichen Geschlechte die Erhaltung der Jungfrauenschaft gesünder. Denn die Konzeptionen und Geburten nehmen den Körper der Weiber arg mit und lassen ihn schnell hinwelken, daher muß man mit Recht den Zustand der Jungfrauenschaft, der das weibliche Geschlecht von jenen Schädlichkeiten bewahrt, als gesund bezeichnen.

»Die Forscher, welche entgegengesetzter Ansicht sind, behaupten dagegen, das Verlangen nach Liebe sei nicht nur den Frauen, sondern auch den Jungfrauen eigentümlich. Bei einigen Jungfrauen mache sich das Verlangen lästiger bemerkbar als bei Frauen, da ja das Verlangen nur in dem Beischlaf, nicht in der Entsagung seine Befriedigung finde. Das Verbleiben in dem Stande der Jungfrauenschaft hebt ebenfalls den sinnlichen Trieb nicht auf. Man sagt auch, der Samenerguß sei an und für sich weder beim männlichen noch beim weiblichen Geschlechte schädlich, sondern erst, wenn er ohne Maß stattfindet. Bei andauerndem Samenerguß leidet der Körper, dagegen ist die Samenaussonderung heilsam, wenn sie nach Pausen geschieht, insofern, als dadurch das Gefühl von Schwere in der Bewegung und die Verstimmung (des Kehlkopfes) aufgehoben wird. Viele bewegen sich wenigstens nach dem Koitus leichter und gehen stolzer. Manche sagen, die Verschwendung des Samens sei schädlich, denn sie bewirke Schwäche und schade schon so, wenn der Koitus aber nur wenig und zur rechten Zeit stattfindet, so nütze er sogar zu etwas, nämlich zu einer leichten Menstruation. Wie nämlich die Bewegung des ganzen Körpers Schwitzen zu verursachen, Ruhe jedoch den Schweiß zu dämmen pflegt, und wie eine rednerische Kraftanstrengung in höherem Grade Aussonderung des Speichels verursacht, der gewissermaßen dem Hauche auf dem Fuße folgt, so bewirkt auch die häufige Anstrengung der weiblichen Geschlechtsteile bei den Liebeswerken eine gleichzeitige Erschlaffung des ganzen Körpers. So wird auch die Gebärmutter locker und die Menstruation kann ungehindert vor sich gehen. So haben viele während einer langen Witwenzeit nur tropfenweise und unter Mühen, nach einer Wiederverheiratung jedoch wieder ohne Schwierigkeit menstruiert. Die kastrierten Säue werden allerdings fetter, doch dies kommt daher, weil sie kein inneres Organ haben, welches die Funktion der Menses ausübt. Wenn einer, der überhaupt keine Füße hat, auch nicht an Podagra leiden und ein Blinder nicht schielen kann, da das Organ als Sitz der Krankheit fehlt, ebenso können natürlich auch die, welche überhaupt keinen Uterus haben, nichts von den Beschwerden spüren, die durch ihn veranlaßt werden. Die Jungfrauen haben aber eine Gebärmutter. Wenn sie sich aber ganz der Umarmung enthalten, so ist zu befürchten, daß die Tätigkeit der Gebärmutter bei ihnen ganz aufhört. Wenn andererseits behauptet wird, daß mit der Enthaltung des Koitus auch die Nachteile des Gebäraktes wegfallen, so sagen sie dagegen, daß der Nachteil der Enthaltsamkeit doch insofern viel größer ist, als die Menstruation erschwert ist. Solche werden sicherlich fett und körperlich umfangreich, da der Stoff sich allmählich aufhäuft, der eigentlich durch die Reinigung aufgebraucht werden sollte. Demnach ist also die Jungfrauenschaft im allgemeinen schädlich.

»In dieser Weise suchen beide Ansichten ihre Berechtigung zu beweisen. Wir meinen jedoch, daß dauernde Jungfernschaft der Gesundheit förderlich ist, wie ich bereits in meinem Werke über die Gesundheit ausführlich erörtert habe. Wir sehen ja auch, daß die weiblichen Tiere, die am Koitus gehindert werden, stärker sind, und daß diejenigen Weiber den Krankheiten größeren Widerstand leisten, welche durch gesetzliche oder religiöse Rücksichten dem Koitus ferngehalten und zur Bewahrung der Jungfernschaft gezwungen werden. Daß aber bei diesen die Menstruation nur schwierig vor sich geht und dadurch vielfach ein fester und dicker Körper erzeugt wird, das hat seinen Grund in der Trägheit und Mühe des Körpers. Denn da die Mehrzahl dieser in ihren vier Wänden unter Obhut gehalten werden, entbehren sie auch der körperlichen Übungen und demnach auch des hieraus entspringenden Wohlbefindens, dagegen befallen sie die oben erwähnten Beschwerden.« Man sieht, über allzu große Klarheit konnte man sich auch bei den Medizinern der damaligen Zeit nicht beklagen.

Auch die Misogynie dieser Zeit ist auf das mangelnde Liebestalent zurückzuführen. Wer in der Liebe nur einen mäßigen Genuß findet, verachtet naturgemäß das Instrumentum Veneris und sucht es so primitiv wie möglich zu gestalten. So wird eine Folge der Misogynie die Förderung der Prostitution, die den Mann vom Weibe freimacht. Es wird ein »Ideal«, daß ihn an die Prostituierte nichts fesselt, als der tierische Akt, daß sie nicht in sein Seelenleben einzudringen versucht. Bei der Darstellung der modernen Verhältnisse werde ich diesen logischen Zusammenhang noch eingehender behandeln, ebenso wie den Zusammenhang von Misogynie und Prüderie im öffentlichen Leben, für deren tatsächliches Vorhandensein im Altertum bereits das notwendige tatsächliche Material zusammengebracht ist.

So dringt in die Antike, aus ihrer Philosophie, nicht aus dem Christentum geboren, ein sehr peinlicher Mißklang und ein destruktiver Faktor für das gesamte Sexualleben ein. Die Konservierung des männlichen Sexualprinzips läßt sich nicht ad infinitum potenzieren, sie reagiert und macht das Liebesleben zu einem stinkenden Sumpf.

Wie sich die christliche Sexualethik auf das sterbende Altertum stützt, gehört in die vorbereitende Darstellung der mittelalterlichen Verhältnisse.


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