Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebzehntes Kapitel

Gertrude, die nichts davon wußte, in welchem Grade sie schon ihre Enttäuschung verraten hatte, glaubte, daß ihre Besorgnis für die Gesundheit ihres Vaters, die sie als Grund zu ihrer plötzlichen Abreise angab, ihre Freunde täuschen könnte. Es war ihr völlig unmöglich, mit Agatha zu sprechen oder ihre Anwesenheit zu ertragen. Eine heftige Wut erfaßte sie, wenn sie an die Art von Mitleid dachte, die man gewöhnlich verlassenen Mädchen widmet. Das Schlimmste aber war ihre Furcht, mit Trefusis zusammenzutreffen. Sie hatte ihn seit einiger Zeit für einen rechtschaffenen und vollkommenen Mann gehalten, der sich aufs stärkste für sie interessierte. Aber obgleich ihre Erziehung eine verhältnismäßig freie gewesen war, dachte sie doch nicht entfernt an die Möglichkeit, daß sich ein Mann für eine Frau interessieren könnte, ohne sie heiraten zu wollen. Er hatte es in seinen ernsthafteren Stimmungen versucht, ihr eine Empfindung dafür beizubringen, wie gewöhnlich ihre gesellschaftliche Oberflächlichkeit war. Aber er schmeichelte ihr dabei nur durch seine unverhehlte und auch wirklich ernst gemeinte Überzeugung, daß sie eines höheren Lebens fähig sei. Und dazu kam seine unverbesserliche Galanterie, der sein Humor und seine Zärtlichkeit gegen Frauen, die er leiden konnte, Reiz und Abwechslung gaben. Alles das konnte in einem Augenblick an die Stelle seiner Ernsthaftigkeit treten, und Gertrude hatte ein viel zu gleichmäßiges Wesen, um ihm darin zu folgen. Sie glaubte, er rede noch immer im vollen Ernst, wenn er längst in blühender Romantik schwärmte, und wurde dadurch gefährlich getäuscht. Er empfand gar keine Bedenken bei seinem Liebesspiel, weil er sich nicht für einen Mann hielt, der den Frauen so leicht Liebe einflößte. Andererseits wußte Gertrude nicht, daß ihre Schönheit jeder Stunde, die man mit ihr verbrachte, einen Reiz gab, dem wenige Männer von Phantasie und Gefühl widerstehen konnten. Sie, die seit ihrem Austritt aus der Schule immer auf dem Heiratsmarkt gelebt hatte, betrachtete das Liebeln als das ernsthafteste Geschäft von der Welt. Für ihn war es nur eine angenehme Spielerei, deren Reiz durch ein leises Bedauern, daß gar so wenig dahintersteckte, nur gehoben wurde.

Von allen Umständen bei ihrer Abreise war ihr der Kuß, den sie Agatha anbieten mußte, am unangenehmsten. Sie war auf der Schule schon auf sie eifersüchtig gewesen, trotzdem sie sich für die vornehmere von den beiden hielt. Aber dieser Vorzug konnte sie kaum über Agathas schnellere Auffassung trösten, über ihre Gewandtheit, ihren Mut, ihre Erfindungsgabe, ihre Fähigkeit, schwierige Gedankengänge zu finden oder ihnen zu folgen, und die daraus folgende Macht, andere zu verwirren. Ihre Eifersucht auf diese Eigenschaften war jetzt noch verstärkt worden, weil sie fühlte, daß Agatha darin viel mehr mit Trefusis verwandt war als sie selbst. Es machte ihr wenig aus, wie sie sich selbst im Vergleich mit Agatha vorkam. Aber es machte alles aus, daß sie Trefusis langsam, steif, kalt und gekünstelt vorkam, und daß sie ihn nicht davon überzeugen konnte, wie sie in Wirklichkeit war. Denn sie wollte die Richtigkeit des Eindrucks nicht zugeben, den sie durch ihr Benehmen machte, da sie ja meist das Gegenteil von dem tat, was sie tun wollte. Sie sah sich in ihrer Einbildung nicht so, wie sie war, sondern wie sie sein wollte. Was die einzige Eigenschaft anging, in der sie sich stets Agatha überlegen gefühlt hatte, die sie ›gute Erziehung‹ nannte, so hatte grade darin Trefusis ihren Dünkel so sehr zerstört, daß sie jetzt anfing zu zweifeln, ob es nicht ihr Hauptmangel sei.

Sie konnte kein Wort hervorbringen, als sie ihre Schulfreundin umarmte, und Agathas Zunge war ebenfalls gelähmt. Ein Gefühl von Reue und geheimer Zärtlichkeit erstickte ihre Worte, und ihr Schweigen würde peinlich gewesen sein, wenn nicht Jane für alle drei genug geredet hätte. Sir Charles saß draußen im Wagen und wartete, um Gertrude nach der Station zu fahren. Erskine hielt sie im Hausflur auf, als sie hinausgehen wollte. Er sagte ihr, er würde trostlos sein, wenn sie fort wäre, und bat sie, seiner zu gedenken. Seine kleine Bitte rührte sie wenig, und ihr fiel nur auf, daß sie das beredte Flehen, das in seinen dunklen Augen lag, schon einmal bei den Känguruhs im Zoologischen Garten gesehen hatte.

Während sie auf der Station zum Zuge ging, brachte er die Pferde in Ordnung, um von der peinlichen Unterhaltung über die plötzliche Abreise seines Gastes entbunden zu sein. Er hatte ein paar Bemerkungen über die Ängstlichkeit der jungen Pferde gemacht und über das Wetter, bis sie das hübsche Stationsgebäude erreichten, das auf freiem Felde stand und von dem Bahnsteig aus einen Blick über den Fluß gewährte. Zwei Wagen waren da, zwei Gepäckträger, ein Bücherstand und ein Erfrischungsraum, hinter dessen Bar sich eine verblühte Schönheit abhärmte. Sir Charles hielt sich noch am Schalter auf, um für Gertrude, die schon auf den Bahnsteig gegangen war, ein Billett zu kaufen. Der erste Mensch, den Gertrude sah, war Trefusis, der dicht neben ihr stand.

»Ich fahre mit diesem Zuge zur Stadt, Gertrude,« sagte er schnell. »Ich darf mich Ihnen wohl zur Verfügung stellen. Ich habe Ihnen etwas zu sagen, denn es ist da ein Mißverständnis zwischen uns entstanden, das ein Ende nehmen muß. Sie –«

Grade jetzt kam Sir Charles heraus und stand erstaunt da, als er sie in der Unterhaltung sah.

»Ich fahre zufällig mit diesem Zug,« sagte Trefusis. »Ich will für Miß Lindsay sorgen.«

»Miß Lindsay hat ihr Mädchen bei sich,« sagte Sir Charles fast stotternd und blickte auf Gertrude, deren Gesichtsausdruck undurchdringlich war.

»Wir können in den Pullmanwagen einsteigen,« sagte Trefusis. »Wir sind dort so ungestört wie in einer Ecke eines überfüllten Salons. Ich darf doch mit Ihnen reisen, nicht wahr?« sagte er, als er Sir Charles' verwirrten Blick sah, und wandte sich an sie um besondere Erlaubnis.

Sie fühlte, wenn sie ihn abwies, dann stieß sie ihre letzte Aussicht auf Glück von sich. Indessen beschloß sie, es doch zu tun, und wenn sie vor Schmerz auf dem Wege nach London sterben sollte. Als sie ihren Kopf erhob, um es ihm um so ausdrucksvoller zu verbieten, begegnete sie seinem Blick, der ernst und erwartungsvoll war. Für einen Augenblick verlor sie ihre Fassung, und so sagte sie: »Ja, ich werde mich sehr freuen.«

»Gut, wenn das der Fall ist,« sagte Sir Charles in einem Tone, als ob seine Sympathie durch ein unverzeihliches Verbrechen verwirkt worden sei, »dann hat es keinen Zweck, wenn ich hier warte. Ich lasse Sie in den Händen von Mr. Trefusis. Adieu, Miß Lindsay.«

Gertrude fuhr zurück. Es wurde ihr schwer, von einem Mann, der sonst immer freundlich war, beim Abschied diese Unfreundlichkeit zu ertragen. Sie wollte ihm schon schweigend die Hand anbieten, als Trefusis sagte:

»Warten Sie, bis wir abfahren. Wenn wir zufällig auf der Reise getötet werden – was auf einer englischen Bahn leicht möglich ist – werden Sir sich selbst später Vorwürfe machen, wenn Sie uns nicht im letzten Augenblick gesehen haben. Hier ist der Zug, Sie werden keine Minute verlieren. Sagen Sie Erskine, daß Sie mich hier gesehen haben, daß ich mein Versprechen nicht vergessen habe, und daß er sich auf mich verlassen kann. Gehen Sie hier hinein, Miß Lindsay.«

»Mein Mädchen,« sagte Gertrude bedenklich, denn sie wollte nicht so kostspielig reisen. »Sir –«

»Sie kommt mit uns, um auf mich acht zu geben. Ich habe für alle Billette,« sagte Trefusis und half ihnen hinein.

»Aber –«

»Bitte einsteigen,« sagte der Schaffner. »Fahren Sie mit, mein Herr?«

»Adieu, Sir Charles. Grüßen Sie vielmals Lady Brandon und Agatha und die lieben Kinder. Und ich danke auch für die sehr angenehme –« Jetzt fuhr der Zug ab, und Sir Charles wurde weich. Er lächelte und schwenkte seinen Hut, bis er plötzlich Trefusis' Gesicht sah, auf dem ein so satanisches Lächeln lag, daß er ganz versteinert mitten in seinen Gestikulationen einhielt und mit seinem ausgestreckten Arm wie ein optischer Telegraph aussah.

Die Rückfahrt beruhigte ihn wieder etwas, aber er war noch ganz voller Erstaunen, als er im Gesellschaftszimmer in Beeches Agatha, seine Frau und Erskine traf. Im Augenblick, als er hereintrat, sagte er ohne jede Einleitung: »Sie ist mit Trefusis davongefahren.«

Erskine, der gelesen hatte, fuhr empor und packte sein Buch, als wollte er es nach jemand schleudern. Dann schrie er: »War er am Zug?«

»Ja, und er ist mit nach der Stadt gefahren.«

Erskine schleuderte das Buch heftig auf den Boden. »Dann ist er ein Schurke und ein Lügner,« sagte er.

»Was ist los?« fragte Agatha, sich erhebend, während Jane ihn mit offenem Munde anstarrte.

»Ich bitte Sie um Verzeihung, Miß Wylie, ich vergaß Sie. Er verpfändete mir seine Ehre, daß er nicht mit diesem Zuge fahren wollte. Ich werde –« Er eilte aus dem Zimmer. Sir Charles lief hinter ihm her und holte ihn unten an der Treppe ein.

»Wo gehen Sie hin? Was wollen Sie tun?«

»Ich will dem Zug folgen und ihn an der nächsten Station abfangen. Ich kann das mit meinem Rad.«

»Unsinn. Sie sind verrückt. Sie haben einen Vorsprung von fünfunddreißig Minuten, und der Zug macht fünfundvierzig Meilen in der Stunde.«

Erskine setzte sich auf die Treppe und starrte ausdruckslos auf die gegenüberliegende Wand.

»Sie müssen ihn mißverstanden haben,« sagte Sir Charles. »Ich sollte Ihnen mitteilen, daß er sein Versprechen nicht vergessen habe und daß Sie sich auf ihn verlassen könnten.«

»Was ist denn geschehen?« fragte Agatha, die, von Lady Brandon gefolgt, herunterkam.

»Miß Wylie,« sagte Erskine aufspringend, »er gab mir sein Wort, als ich ihm sagte, daß Miß Lindsay mit diesem Zuge führe, daß er nicht hingehen werde. Er hat sein Wort gebrochen und diese Gelegenheit benutzt, da ich töricht und leichtgläubig genug war, ihm davon zu erzählen. Wenn ich an Ihrer Stelle gewesen wäre, Brandon, ich hätte ihn eher erwürgt oder unter die Räder geworfen, ehe ich ihn hätte gehen lassen. Wie bei jeder Gelegenheit, hat er sich auch jetzt wieder als Schwindler und Verschwörer gezeigt, als ein Mann von Schleichwegen, Ränken, Kunstgriffen, verlogenen Spitzfindigkeiten, herzloser Selbstsucht, grausamem Zynismus –« Er hielt inne, um Atem zu schöpfen, und Sir Charles legte sich ins Mittel.

»Sie regen sich wegen gar nichts auf, Chester. Sie sind mit ihrem Mädchen und vielen andern Leuten in einem Pullmanwagen, und sie gab ihm ausdrücklich Erlaubnis, mit ihr zu fahren. Er fragte sie offen in meiner Gegenwart, und ich muß gestehen, ich fand es eine starke Zumutung, daß sie zustimmen sollte. Jedenfalls stimmte sie zu, ich war natürlich nicht in der Lage, ihn zu hindern, nach London zu gehen, wenn es ihm Spaß machte. Also machen Sie keine Szene, alter Junge. Wir können es nicht ändern.«

»Es tut mir sehr leid,« sagte Erskine und ließ den Kopf hängen. »Ich wollte keine Szene machen. Ich bitte Sie um Verzeihung.«

Er ging auf sein Zimmer, ohne noch etwas zu sagen. Sir Charles folgte ihm und versuchte, ihn zu trösten. Aber Erskine erfaßte seine Hand und bat, ihn allein zu lassen. So kehrte denn Sir Charles in das Gesellschaftszimmer zurück, wo seine Frau endlich einmal vor Verlegenheit kaum zu bemerken wagte, daß sie so etwas noch nie in ihrem Leben gehört hätte.

Agatha verhielt sich schweigend. Sie war schon vor langer Zeit ganz von selbst zu der Ansicht gekommen, daß sie und Trefusis die einzigen Mitglieder der Gesellschaft auf Beeches waren, die viel gesunden Verstand hatten. Deshalb glaubte sie auch nicht leicht, daß bei einem Mißverständnis Trefusis unrecht und Erskine recht hatte. Agatha besaß eine leichtfertige Art, die Leute, deren Gewohnheiten und Gedanken von den ihrigen abwichen, als Esel abzutun. Von allen Arten von Männern verkörperte ein unbedeutender Dichter am meisten ihre Vorstellung von einem menschlichen Esel, und Erskine, obgleich er wirklich ein hübscher Mensch und durchaus gut und anständig war, er war doch nach ihrer Meinung nur ein minderwertiger Dichter und daher ein ausgesprochener Esel. Trefusis dagegen war der letzte Mann in ihrer Bekanntschaft, den sie für einen wirklich hübschen Menschen oder einen sittsamen Gentleman gehalten hätte. Aber er war kein Esel, obgleich er hartnäckig an seinen sozialistischen Liebhabereien hing. Sie hatte ihn wirklich im Verdacht einer fast eselhaften Schwäche gegenüber Gertrude gehabt, aber in ihren Beziehungen zu Frauen waren nun einmal alle Männer Esel, und seit er seine Schwäche auf sie übertragen hatte, brauchte er keine Rechtfertigung mehr. Aber jetzt, da sie sich über Erskine, den sie bemitleidete, beruhigte, empfand sie die Reise Trefusis' mit Gertrude voll Unwillen als einen Eingriff in ihren soeben erlangten Alleinbesitz seiner Person. Gertrude hatte einen gewissen Schein von aristokratischem Stolz an sich, um den Agatha sie früher beneidet hatte, und sie fürchtete jetzt, Trefusis möchte ihn für ein Anzeichen von Gesinnungsadel und feiner Lebensart halten. Agatha glaubte nicht, daß ihr Unwille das gewöhnliche Gefühl war, das man Eifersucht nennt, denn sie hielt sich noch immer für eine Ausnahmenatur, aber es gab ihr doch eine Empfindung, gekränkt zu sein, was ihre Stimmung nicht verbesserte.

Das Diner war langweilig. Lady Brandon sprach in einem leisen Tone, als ob im Nebenzimmer eine Leiche liege. Erskine litt unter dem Bewußtsein, daß er am Nachmittage seinen Kopf verloren und töricht gehandelt habe. Sir Charles kam auch nicht über die bange Ungewißheit fort, die sie alle wegen der Reise nach London empfanden. Er aß und trank und sagte nichts. Agatha, die sich über sich selbst und über Gertrude ärgerte und schwankte, ob sie sich auch über Trefusis ärgere oder ihm herzliches Vertrauen schenken sollte, folgte dem Beispiel ihres Wirtes. Nach dem Essen begleitete sie ihn bei einer Reihe Schubertliedern. Aber das machte die Stimmung nicht leichter, sondern noch schwerer. Sir Charles zog melancholische Lieder vor, da er grade den Schmerz am besten zum Ausdruck bringen konnte. Und da seine musikalischen Ansichten wie bei den meisten Engländern sich auf dem gründete, was er in seinen Kinderjahren in der Kirche gehört hatte, so war sein Vortrag unangenehm eintönig. Agatha benutzte die erste passende Gelegenheit um sich vom Klavier zurückzuziehen. Sir Charles fühlte, daß sein Vortrag nicht gelungen war, und bemerkte, nachdem er ein- oder zweimal gehustet hatte, er hätte sich wohl auf der Rückfahrt von der Station erkältet. Erskine saß mit gesenktem Kopf auf dem Sofa und ließ die gefalteten Hände zwischen den Knien herabsinken. Agatha stand am Fenster und sah in die letzte Glut des Sommerabends. Jane gähnte und brach dann das Schweigen.

»Du hast genau den Blick wie auf der Schule, ich könnte mir fast vorstellen, daß wir wieder auf Numero Sechs wären.«

Agatha schüttelte ihren Kopf.

»Seh ich jemals so aus wie jene – wie ich damals war?«

»Niemals,« sagte Agatha bestimmt, indem sie sich umwandte und die Gestalt betrachtete, von der Miß Carpenter nur eine unreife Vorstufe gewesen war.

»Aber warum nicht?« fragte Jane murrend. »Ich sehe nicht ein, warum ich das nicht sollte. Ich habe mich doch nicht so verändert.«

»Du bist eine außergewöhnlich schöne Frau geworden, Jane,« sagte Agatha ernst und wandte dann, ohne zu wissen warum, ihren forschenden Blick auf Sir Charles, der unruhig wurde und hinausging. Eine Minute später kehrte er zurück und hatte zwei gelbbraune Umschläge in der Hand.

»Ein Telegramm für Sie, Miß Wylie, und eins für Chester.«

Erskine fuhr, blaß vor unbestimmter Furcht, auf. Agathas Farbe verlor sich und kam in verstärktem Maße wieder, als sie las:

Ich bin wohlbehalten angekommen und lächerlich glücklich. Lesen Sie tausend Dinge zwischen den Zeilen. Ich werde morgen schreiben. Gute Nacht.

»Du kannst es lesen,« sagte Agatha und gab es Jane.

»Sehr hübsch,« bemerkte diese. »Grade für einen Schilling Aufmerksamkeit – genau zwanzig Worte! Er kann sich mit Recht einen Ökonom nennen.«

Plötzlich begann Erskine ein krähendes Lachen, daß sie sich nach ihm umwandten und ihn anstarrten. »Welch ein Unsinn!« sagte er errötend. »Was das für ein Kerl ist! Ich lege nicht den mindesten Wert darauf.«

Agatha faßte das Telegramm an einer Ecke und zog langsam daran.

»Nein, nein,« sagte er und hielt es fest. »Es ist zu lächerlich. Ich glaube nicht, daß ich –«

Agatha riß es jetzt an sich und las den Inhalt laut vor. Das Telegramm war von Trefusis.

»Ich verzeihe Ihnen Ihre Gedanken seit Brandons Rückkehr. Schreiben Sie ihr heute abend und folgen Sie morgen persönlich Ihrem Brief, um eine zustimmende Antwort zu bekommen. Ich versprach Ihnen, Sie könnten sich auf mich verlassen. Sie liebt Sie.«

»So was habe ich in meinem Leben noch nicht gehört,« sagte Jane. »Niemals.«

»Er ist wirklich ein ganz seltsamer Mensch,« sagte Sir Charles.

»Ich bin um meinetwillen froh, daß er nicht so schwarz ist, wie man ihn gemalt hat,« sagte Agatha. »Sie können jedes Wort davon glauben, Mr. Erskine. Tun Sie bestimmt, was er Ihnen sagt. Er weiß ganz sicher, daß er sich nicht irrt.«

»Pah!« sagte Erskine und zerknitterte das Papier und steckte es in die Tasche, als wäre es keines zweiten Blickes wert. Gleich darauf schlich er sich fort und kam nicht wieder. Als sie im Begriff waren, sich zurückzuziehen, fragte Sir Charles ein Mädchen, wo er sei.

»In der Bibliothek, Sir Charles. Er schreibt.«

Sie sahen sich gegenseitig bezeichnend an und gingen zu Bett, ohne ihn zu stören.


 << zurück weiter >>