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Fünfzehntes Kapitel

Erskine fand jetzt Stoff genug, seinem neu erworbenen bitteren Spott nachzuhängen. Gertrudes Benehmen gegen ihn wurde so milde, daß er glaubte, sie hätte ihr Herz seinem Nebenbuhler geschenkt und wollte ihn jetzt zu einem Antrag bewegen, um ihn zurückzuweisen. Sir Charles, dem er den Auftritt in der Allee erzählt hatte, drückte ihm sein Mitgefühl aus, aber er schien auch zugleich befriedigt zu sein, weil hinter Trefusis' Aufmerksamkeiten gegen Agatha keine ernsthaften Absichten steckten. Daraufhin schrieb Erskine drei bittere Sonette über falsche Freundschaft und zeigte sie Sir Charles, der nicht wußte, daß sie sich auf ihn bezogen, und sie sehr lobte. Sir Charles zeigte sie dann Trefusis, ohne den Autor um Erlaubnis zu bitten. Trefusis bemerkte nur, in einer verdorbenen Gesellschaft zeugten Ausdrücke des Mißvergnügens immer von dem Feingefühl eines Schriftstellers, aber sonst lobte er die Verse nicht viel.

»Wie ist er denn auf solche Sachen gekommen?« fragte er. »Hat er in der letzten Zeit irgendeine Enttäuschung erlitten? Hat er Miß Lindsay einen Antrag gemacht und eine Absage bekommen?«

»Nein,« sagte Sir Charles, erstaunt über diese offene Anspielung auf einen Gegenstand, über den sie nie vorher gesprochen hatten. »Aber er beabsichtigt auch nicht, Miß Lindsay einen Antrag zu machen.«

»Er hat aber die Absicht gehabt?«

»Gewiß wollte er das tun, aber er hat die Idee aufgegeben.«

»Warum?« fragte Trefusis und mißbilligte offenbar sehr diese Sinnesänderung.

Sir Charles zuckte mit den Schultern und gab keine Antwort.

»Es tut mir leid, daß ich das höre. Ich wollte, Sie könnten ihn bewegen, diesen Entschluß aufzugeben. Er ist ein prächtiger Mensch und kann ganz anständig leben, obgleich er nach Ihren Anschauungen ein armer Mann ist, so daß sie ihn vollständig uneigennützig heiraten kann. Es wird ganz gut für sie sein, wenn sie jemand heiratet, der ihr keinen pekuniären Vorteil bietet. Sie wird viel mehr Selbstachtung empfinden. Denn wenn sie auch aus Liebe heiratet, so wird es ihr doch nicht am Lebensunterhalt fehlen, und sie braucht ihren Mann nicht wegen seiner Abkunft zu verachten. Machen Sie eine Partie daraus, wenn Sie eben können. Ich interessiere mich für das Mädchen, es hat gute Anlagen.«

Sir Charles' Vermutung, Trefusis mache Agatha wirklich den Hof, kehrte nach dieser Unterredung zurück. Er wiederholte sie Erskine, der sich ärgerte, daß man seine Gedichte einem Leser von Blaubüchern gezeigt hatte, und im übrigen glaubte, Trefusis wollte damit nur seine Absichten auf Gertrude verbergen. Sir Charles wollte diese Ansicht nicht gelten lasten, und die beiden Freunde gerieten scharf aneinander, als sie sie besprachen. Nach dem Diner, als die Damen weggegangen waren, drängte Sir Charles nachgiebig und herzlich Erskine, er sollte mit Gertrude sprechen, ohne sich an die Aufrichtigkeit Trefusis' zu stören. Aber Erskine wußte, daß er eine Abweisung nicht ertragen konnte, und es widerstrebte ihm, sich einer solchen Gefahr auszusetzen.

»Hätten Sie den Ton ihrer Stimme gehört, als sie ihn fragte, ob er im Ernst sei, Sie würden nicht so zu mir sprechen,« sagte er mutlos. »Ich wollte, er wäre nie hierhergekommen.«

»Nun, das war wenigstens nicht meine Schuld, mein lieber Freund,« sagte Sir Charles. »Er kam gegen meinen Willen hierher. Aber jetzt, da es scheint, daß er wegen des Rasens im Recht ist – wenigstens gesetzlich – würde es gehässig aussehen, wenn ich ihn schnitte. Übrigens ist er wirklich kein schlechter Mann, wenn er nur die Mädchen in Ruhe ließe.«

»Wenn er mit Miß Lindsay sein Spiel treibt, werde ich ihn bitten, über den Kanal zu kommen, und mich mit ihm schießen.«

»Ich glaube nicht, daß er mitkommen würde,« sagte Sir Charles zweifelnd. »Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, ich versuchte sofort mein Glück mit Gertrude. Trotz allem, was Sie gehört haben, glaube ich nicht, daß sie einen Mann von seiner Herkunft heiraten würde. Sein Geld gibt ihm ja gewiß einige Aussichten, aber Gertrude hat schon reicheren Männern, als er ist, den Laufpaß gegeben.«

»Ich will ehrlich gegen ihn sein,« sagte Erskine. »Ich irre mich vielleicht, denn alle Menschen können sich in ihrem Urteil über sich selbst irren, aber ich glaube doch, daß ich sie glücklicher machen könnte, als er es kann.«

Sir Charles war dessen nicht ganz gewiß, aber er entgegnete freundlich: »Gewiß. Er ist überhaupt nicht der Mann für sie, aber Sie sind es. Er weiß das auch selbst.«

»Pah!« murmelte Erskine und erhob sich verächtlich. »Wir wollen hinaufgehen.«

»Übrigens, wir müssen ihn morgen besuchen und sein Haus und die Photographien besichtigen. Die Photographien! Ha, ha!«

»Der Teufel hole sein Haus!« sagte Erskine.

Am nächsten Tage gingen sie nach Sallusts Haus. Es stand mitten auf einem Felde, das mit Ausnahme eines Küchengartens unbebaut war. Das Wärterhäuschen am Eingang war unbewohnt, und vor dem offen stehenden Tor waren Schmutz und abgefallenes Laub aufgehäuft. Zwei verlaufene Ponys, eine Ziege und ein Vagabond, der auf dem Rasen schlief, hatten so Eingang gefunden. Das Weib des Vagabonden saß in der Nähe und bewachte ihn.

»Ich möchte am liebsten wieder gehen,« sagte Sir Charles und sah sich voll Ekel um. »Der Platz ist schändlich vernachlässigt. Sehen Sie nur, wie der Lump da direkt vor den Fenstern schläft.«

»Ich bewundere seine Kühnheit,« sagte Erskine. »Übrigens ein hübsches Paar Ponys.«

Sallusts Haus war viereckig und hatte einen zimtbraunen Anstrich. Unter dem Gesims war ein gelber Fries mit Figuren von tanzenden Kindern, eine Nachahmung von Bildern Donatellos in sehr ungeschickter Ausführung. Dann war da eine armselige Säulenhalle von vier Säulen, rot angestrichen, und ein schmuckloser, gelb angestrichener Giebel. Die Farben, die zu dem Anstrich der Wände passen sollten, standen in Wirklichkeit dazu in einem schreienden Widerspruch. Sie waren von einem offenbar farbenblinden Künstler frisch erneuert worden. Die Türe unter dem Säulengang stand offen. Sir Charles klingelte, und eine ältere Frau meldete sich. Aber bevor sie die Besucher anreden konnte, erschien Trefusis in einem weißen, baumwollenen Malerkittel. Sie folgten ihm ins Haus und fanden, daß es ein leeres Viereck bildete, das einen Hof mit einem Bad in der Mitte und einem Brunnen darin einschloß. Der Hofraum, der früher unter freiem Himmel gestanden hatte, war jetzt mit einem schmutzigen Glasdach bedeckt. Die Nymphe, die einst das Wasser des Brunnens ausgegossen hatte, war beschädigt und trocken. Das Bad war zum Teil mit alten Brettern bedeckt, der freie Raum enthielt in einer Ecke einen Haufen Kohlen, in der anderen einen Haufen Kartoffeln, ferner ein Bierfaß, ein paar alte Teppiche, ein Segeltuch und einen zerbrochenen Nachen. Der Marmorboden erstreckte sich bis zu den Außenwänden des Hauses und war an den Seiten durch die oberen Stockwerke überdacht, die durch gerillte, steinerne Säulen getragen wurden. Die Säulen waren alle beschmutzt und zerfallen. Trefusis führte seine Besucher zu einem breiten Treppenhaus, das an der Hinterwand des Hauses lag und durch einen Gang zu den oberen Räumen führte.

»Dieses Haus ist im Jahre 1780 von einem Vorfahren meiner Mutter erbaut worden,« sagte Trefusis. »Er galt für einen Mann von auserlesenem Geschmack. Er wollte, dieses Haus sollte für immerdar – er gebrauchte in seinem Testament ausdrücklich dieses Wort – als Familiensitz gelten, und er sammelte eine schöne Bibliothek, die ich gut gebrauchen konnte, denn alle die Bücher kamen in gutem Zustande in meinen Besitz, bei den meisten waren nicht einmal die Blätter beschnitten. Es gibt Leute, die grade für unaufgeschnittene Bücher von alten Ausgaben hohe Preise bezahlen. Ein Händler gab mir für einen Teil von ihnen dreihundertundfünfzig Pfund. Ich kam auch in Besitz einer Anzahl Familienfetische – oder Erbstücke, wie man sie nennt. Da war noch ein Schwert, das einer meiner Vorfahren bei Edgehill und in andern Schlachten zur Zeit Karls des Ersten trug. Wir kämpften natürlich auf der verkehrten Seite, aber das Schwert brachte doch fünfunddreißig Schilling ein. Sie werden es kaum glauben, daß mir hundertundfünfzig Pfund für einen goldenen Becher angeboten wurden, der ungefähr fünfundzwanzig wert war, nur weil einmal die Königin Elisabeth daraus getrunken hat. Dies ist mein Arbeitszimmer, es war als Festsaal gedacht.«

Sie betraten einen Saal, der so lang war wie die Front des Hauses. An einer Seite befanden sich vier hohe Fenster. Dazwischen standen eckige Pfeiler mit den korinthischen Kapitälen, die das Gesims trugen und halb in die Wand hineingesunken waren. Ähnliche Pfeiler befanden sich auf der gegenüberliegenden Seite, aber zwischen ihnen waren anstatt der Fenster Bogennischen angebracht. In den Nischen standen lebensgroße Gipsfiguren, alle zerbrochen und unglaublich entstellt. Der Fußboden war aus schräg gestellten, schmalen Parketthölzern zusammengesetzt. Er hatte keinen Teppich und war nicht gebohnt. Die Decke war mit Fresken geschmückt, die sofort Sir Charles' Interesse erregten. Mit Unwillen entdeckte er, daß ein großer Teil der Malerei an der nördlichen Seite des Zimmers zerstört und durch ein eingesetztes Glasdach entstellt war. An andern Stellen waren Haken hineingetrieben, um die Seile eines Trapezes und anderer Stücke eines gymnastischen Apparats zu tragen. Die Wände waren geweißt, und es erschien ungefähr vier Fuß über dem Boden ein dunkler Streifen, der von Bleistiftnotizen und kleinen Zeichnungen herrührte, die auf den weißen Grund gekritzelt waren. Das eine Ende des Raumes war unmöbliert, nur ein gymnastischer Apparat befand sich da, eine photographische Dunkelkammer, eine Leiter, die in der Ecke stand, und ein gewöhnlicher, billiger Tisch, der mit Ölkannen und Farbentöpfen bedeckt war. Am andern Ende des Raumes hatte man einen fast luxuriösen Anblick. Es standen da ein großer Bücherschrank, eine kunstvolle Verbindung von Sekretär und Schreibtisch, ein Gestell mit einem Gewehr, einem Satz Rapieren und einem Schirm daran. Auf einem Tisch befanden sich verschiedene Albums in Folioformat; einige bequeme Stühle und Sofas und ein dicker Teppich vervollständigten die Einrichtung. Dicht dabei und gar nicht dazu passend stand eine Tischlerbank mit dem gewöhnlichen Zubehör und eine Anzahl von Brettern verschiedener Stärke.

»Das ist eine Art Bequemlichkeit, die sich nur ein reicher Mann leisten kann,« sagte Trefusis, sich umwendend, und überraschte seine Besucher dabei, wie sie sich Blicke des Erstaunens über seinen Geschmack zuwarfen. »Ich halte mir einen Salon der gewöhnlichen Art, um Gäste zu empfangen, gegen die man konventionell sein muß, aber ich betrete ihn nur bei solchen Gelegenheiten. Wie gefällt Ihnen dieses Arbeitszimmer?

»Wirklich, Trefusis, ich glaube, Sie sind verrückt,« sagte Sir Charles. »Das Zimmer sieht aus, als ob es eine Belagerung durchgemacht hätte. Wie haben Sie das angefangen, diese Statuen so zu zerbrechen und die Wände in einer so schrecklichen Weise zu beschädigen?«

Trefusis nahm eine Zeitung von dem Tisch und sagte:

»Hören Sie, bitte: ›Trotz des ungünstigen Wetters war das Jagdergebnis des Kaisers und seiner Gäste in Steiermark ein ausgezeichnetes. In drei Tagen wurden zweiundfünfzig Gemsen und neunundsiebzig Hirsche und Rehe durch neunzehn einläufige Gewehre erlegt, da der Kaiser keine andern erlaubte‹ – Ich teile die Lust des Kaisers am Schießen, aber ich bin kein Schlächter und brauche den königlichen Geschmack am Blut für meinen Sport nicht. Und ich teile auch nicht den Geschmack meines Vorfahren an Statuen. Deshalb –« Hier öffnete Trefusis eine Schublade, zog eine Pistole heraus und feuerte nach der Hebe, die in der entferntesten Nische stand.

»Gut gemacht!« sagte Erskine kühl, als das letzte Bruchstück von Hebes Kopf unter der Berührung mit dem Geschoß in Splitter ging.

»Eine sehr nutzlose Arbeit,« sagte Trefusis. »Ich bin ein guter Schütze, aber was nützt mir das? Nichts. Ich traf einmal einen Wildhüter, einen Methodisten. Er war ein ganz ausgezeichneter Redner, aber ein schlechter Schütze. Wenn er seine Anlagen mit meinen hätte austauschen können, ich würde ihm gerne zehntausend Pfund zugegeben haben, obgleich er schon bei dem Austausch an sich ebensoviel Vorteil gehabt hätte wie ich. Ich habe nicht mehr Verlangen oder Bedürfnis, ein guter Schütze zu sein, als König von England oder Eigentümer eines Derbysiegers oder sonst einer komischen Sache, und doch habe ich nie in meinem Leben mein Ziel verfehlt – dank meiner Verhältnisse ohne Zweck!«

»König von England!« sagte Erskine mit verächtlichem Lachen, um Trefusis zu zeigen, daß andere Leute ebenso freiheitliebend seien als er. »Ist es nicht lächerlich, daß sich eine Nation ihrer Freiheit rühmt und doch einen König erträgt?«

»Oh, zum Teufel mit Ihrem Republikanismus, Chester!« sagte Sir Charles, der im stillen nicht viel von der politischen Seite der patriotischen Märtyrer hielt.

»Ich lasse mir in dem Punkt nichts sagen,« entgegnete Erskine. »Ich bewundere einen Mann, der einen König tötet. Darin werden Sie doch mit mir übereinstimmen, Trefusis?«

»Durchaus nicht,« sagte Trefusis. »Ein König ist heutzutage nur eine Puppe, die man aufstellt, um das Feuer von den wirklichen Unterdrückern abzulenken. Und das bißchen Gehalt, das er nach Gefallen ausgeben kann, ist gewöhnlich viel zu klein für sein Risiko, seine Sorgen und den Instand persönlicher Sklaverei, dem er unterworfen ist. Welcher Privatmann in England ist übler dran als der konstitutionelle Monarch? Wir gestatten ihm keine Zurückgezogenheit, er darf nicht heiraten, wen er will, sich nicht seinen Umgang aussuchen, sich nicht nach seinem Geschmack kleiden, oder leben, wo er will. Ich glaube nicht einmal, daß er das essen und trinken kann, was er am liebsten hat. Eine Vorliebe für Schweinebauch oder Zwiebeln von seiner Seite würde eine Beschwerde des Kronrats herbeiführen. Wir schreiben ihm alles vor mit Ausnahme seiner Gedanken und Träume, und selbst diese muß er für sich behalten, wenn sie nach unserer Ansicht für seine Stellung nicht passend sind. Die Arbeit, die wir ihm auferlegen, hat alle Beschwerden der gewöhnlichen Arbeit. Sie ist unfruchtbar, anhaltend, eintönig, und muß meistens mit quälender Langeweile ausgeführt werden. Wir machen ihm sein Königreich zur Tretmühle und treiben ihn darauf von einem Ende zum andern herum. Schließlich, nachdem wir ihm sonst alles weggenommen haben, was uns Menschen wertvoll ist, fallen wir über seinen Charakter her und über den Charakter jedes Menschen, dem er es wagt, seine Gunst zu zeigen. Wir legen ihm enorme Aufgaben auf, halten ihn knapp und sticheln über seinen Geiz. Wir gehen mit ihm um, wie ich mit diesen Statuen umgehe – wir stellen ihn auf einen Ehrenplatz, damit wir ihn um so leichter verunstalten und mißhandeln können. Wir schicken ihn durch unsere übervölkerten Städte und behaupten, er sei die Ursache von allem Guten und allem Schlechten in der Nation. Und er weiß, daß die meisten Menschen das glauben, er weiß, daß es eine Lüge ist, daß er nicht den Arbeitstag um eine Stunde verkürzen kann, daß er nicht die Löhne um einen Groschen erhöhen kann, daß er nicht das kleinste Gerichtserkenntnis umstoßen kann, so ungerecht es ihm auch erscheinen mag. Er weiß, daß jeder Bergarbeiter im Königreich Dynamit anfertigen kann, daß Revolver für weniger als einen Schilling das Stück verkauft werden. Er weiß, daß er nicht kugelfest ist, daß man schon auf jeden europäischen König in den Straßen geschossen hat. Er muß lächeln und sich verbeugen und eine Miene grazidsen Vergnügens bewahren, während der Bürgermeister und die Räte ihm diese geistlose Ansprache halten, die er schon tausendmal gehört hat. Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie königstreu sind, Erskine, aber ich erwarte, daß Sie aus einfacher Menschenliebe Mitgefühl mit der Hauptfigur in dem Possenspiel haben, die für die mannigfachen Übel und Schändlichkeiten in ihrem Reich nicht mehr verantwortlich ist, als der Lord-Mayor für die Diebstähle der Taschendiebe, die seinem Umzug am neunten November folgen.«

Sir Charles lachte über die Mühe, die sich Trefusis gab, um seine Ansicht klarzulegen, und sagte beschwichtigend: »Mein lieber Freund, Könige sind an so etwas gewöhnt, sie erwarten es so, und sie lieben es so.«

»Und offenbar sehen sie es ebensowenig in demselben Lichte wie ich, wie es die meisten Menschen tun,« stimmte Trefusis zu.

»Welch ein feines Gesicht!« rief Erskine plötzlich und blickte auf eine Photographie in einem Rahmen von schwerem Gold und Korallen, der auf einer mit rotem Samt verzierten Miniaturstaffelei stand. Trefusis wandte sich schnell um und war augenscheinlich so befriedigt, daß sich Sir Charles beeilte, auszurufen: »Reizend!« Dann blickte er erst auf das Bild und fügte, etwas erstaunt, hinzu: »Es ist sicherlich ein außergewöhnlich anziehendes Gesicht.«

»Vor Jahren,« sagte Trefusis, »als ich dieses Gesicht zum erstenmal sah, da hatte ich dasselbe Gefühl, was Sie jetzt haben.«

Es trat ein Schweigen ein. Die beiden Besucher sahen das Bild, und Trefusis blickte sie an.

»Eine fremdartige Schönheit,« sagte Sir Charles schließlich etwas zurückhaltender als zuvor.

Trefusis lachte unangenehm. »Erkennen Sie in ihr den Künstler – den begeisterten Amateur?« sagte er und öffnete eine andere Schublade, aus der er ein Bündel Zeichnungen herausholte, die er ihnen zur Ansicht gab.

»Sehr gut. Wirklich sehr gut,« sagte Sir Charles. »Ich möchte die Dame kennen lernen.«

»Ich war oft nahe daran, sie zu verbrennen,« sagte Trefusis. »Aber sie sind noch immer hier und werden auch wahrscheinlich hierbleiben. Das Porträt ist viel bewundert worden.«

»Können Sie uns nicht mit dem Original einmal bekannt machen, alter Freund?« fragte Erskine.

»Glücklicherweise nicht. Sie ist tot.«

Sie waren unangenehm berührt und sahen ihn einen Augenblick mit Abneigung an. Dann wandte sich Erskine mitleidig und enttäuscht zu dem Bilde und sagte: »Armes Mädchen! War sie verheiratet?«

»Ja. Mit mir.«

»Mrs. Trefusis!« rief Sir Charles aus. »Ach! Lieber Himmel!«

Erskine, der jetzt einen Beweis vor sich hatte, daß es auch einem schönen Mädchen möglich war, Trefusis zu heiraten, sagte nichts.

»Ich halte mir ihr Bild immer vor Augen, um meine natürliche Verliebtheit zu bekämpfen. Ich verliebte mich in sie und heiratete sie. Seitdem habe ich mich noch ein- oder zweimal verliebt, aber ein Blick auf meine verlorene Hetty hat mich auch von der leisesten Neigung zu heiraten, geheilt.«

Sir Charles gab keine Antwort. Es kam ihm der Gedanke, daß Lady Brandons Bild, wenn sonst nichts mehr von ihr da sei, wohl in derselben Art nützlich sein werde.

»Oh, Sie werden sich schon demnächst einmal wieder verheiraten,« sagte Erskine und zwang sich zu einem ermutigenden Tone.

»Es ist möglich. Männer sollten heiraten, besonders reiche Männer. Aber ich versichere Ihnen, augenblicklich habe ich keine Neigung, es zu tun.«

Erskines Gesicht verdunkelte sich, und er ging zu dem Tisch, auf dem die Albums lagen.

»Dies ist die Sammlung von Photographien, von denen ich sprach,« sagte Trefusis, indem er ihm folgte und eins von den Büchern öffnete. »Viele von ihnen habe ich selbst aufgenommen, wobei mir das Licht große Schwierigkeiten machte – die einzige Schwierigkeit, die Geld nicht immer beseitigen konnte. Dies ist eine Ansicht von dem Hause meines Vaters – oder vielmehr von einem seiner Häuser. Es kostete fünfundsiebzigtausend Pfund.«

»Wirklich sehr hübsch,« sagte Sir Charles voll innerlichem Widerwillen, weil er eine Photographie eines gewöhnlichen Landhauses, wie sie Häusermakler zeigen, bewundern sollte, einfach nur aus dem Grunde, weil es fünfundsiebzigtausend Pfund gekostet hatte. Die Zahlen waren sogar in das Bild hineingeschrieben.

»Dies ist das Gesellschaftszimmer und dies eines der besten Schlafzimmer. Auf der rechten Seite des Kartons finden Sie eine Aufstellung über die Kosten der Möbel, der Einrichtung, des Weißzeugs und so fort. Sie waren von der kostbarsten Art.«

»Sehr interessant,« sagte Sir Charles und verbarg kaum die Ironie seiner Bemerkung.

»Hier ist eine Ansicht – es ist dies der erste meiner Versuche – des Zimmers von einem der unteren Diener. Es ist bequem und geräumig und solid ausgestattet.«

»Das sehe ich.«

»Dies sind die Ställe. Sind sie nicht hübsch?«

»Palastartig. Die reinen Säle.«

»Da ist jeder Luxus, den sich ein Pferd wünschen kann, einschließlich einer Menge von Bedienten, um ihm aufzuwarten. Sie bemerken hoffentlich die Zahlen. Es sind die Kosten des Gebäudes und der jährlichen Ausgaben für jedes Pferd.«

»Ich sehe es.«

»Hier ist das Äußere eines Hauses. Was halten Sie davon?«

»Es ist sehr malerisch in seinem verfallenen Zustand.«

»Malerisch! Würden Sie darin leben wollen?«

»Nein,« sagte Erskine. »Ich sehe nichts wirklich Malerisches daran. Was hat Sie denn veranlaßt, eine solche Verkommene alte Räuberhöhle zu photographieren?«

»Hier ist eine Aufnahme des besten Zimmers darin. Die Photographie gibt Ihnen ein treues Bild von dem zerbrochenen Fußboden und den verklebten Fensterscheiben, aber den Schmutz und den Geruch in dem Zimmer müssen Sie sich selber vorstellen. Einige von den Flecken kamen durch den durchsickernden Regen, andere durch den Dunst und den Schmutz. Der Hausverwalter hat das Haus von einem Pair und vermietet es weiter. Drei Familien wohnten in diesem Zimmer, als ich es aufnahm. Sie können an den Zahlen in der Ecke sehen, daß es dem Besitzer mehr einbringt, als durchschnittlich ein Haus in den feineren Teilen Londons. Hier ist der Keller. Er ist an eine Familie für anderthalben Schilling die Woche vermietet, was für besonders billig gilt. Die Sonne scheint natürlich niemals hier herein. Ich habe ihn bei Blitzlicht aufgenommen. Zu der Miete müssen Sie den Betrag für eine genügende Menge schlechten Bieres hinzufügen, die den Mieter unempfindlich gegen den Schmutz in seiner Wohnung macht. Bier ist das Chloroform, das den Arbeiter befähigt, die schwierige Operation des Lebens auszuhalten. Deshalb können wir uns auch immer, wenn wir beim Wein sitzen, gegenseitig versichern, das Elend all dieser Lumpen komme nur durch das gewohnheitsmäßige Saufen. Wir verübeln ihm das, denn wenn er das Leben ohne Bier ertragen könnte, würden wir das Geld für das Bier sparen – und ihn gegen niedrigere Löhne kaufen können. Kurz gesagt, wir würden reicher und er nüchterner sein. Hier ist der Hofraum, die Zustände sind unbeschreiblich. Sieben von den Bewohnern hatten vor Jahren in der Spinnerei meines Vaters gearbeitet. Das heißt, sie hatten einen großen Teil der ungeheuren Geldsummen geschaffen, auf die ich Sie zu Ihrem Mißvergnügen vorhin aufmerksam machte.«

»Das war ich nicht,« sagte Sir Charles zaghaft.

»Sie können sehen, wie sehr ihre Lage gegen die der Pferde meines Vaters zurücksteht. Die sieben Mann, die ich erwähnte, wurden mit dreihundert andern durch dieses hier auf die Straße gesetzt.« Hier schlug er ein Blatt um und zeigte die Photographie einer komplizierten Maschine. »Sie ermöglichte es meinem Vater, auf ihre Dienste zu verzichten und dafür ein paar Frauen und Kinder einzustellen. Er hatte das Patent der Maschine für fünfzig Pfund von dem Erfinder gekauft, denn dieser war fast ruiniert durch die Ausgaben seiner Erfindertätigkeit und würde für eine Handvoll bares Geld alles geopfert haben. Hier ist ein Porträt meines Vaters in seinen Freimaurerabzeichen. Er glaubte, daß die Freimaurer im allgemeinen in der Welt vorwärtskämen, und da es der Hauptplan seines Lebens war, vorwärtszukommen, so trat er zu ihnen über und wollte, daß ich dasselbe tun sollte. Aber ich wollte von diesen angeblich geheimen Gesellschaften und ihrem Hokuspokus nichts wissen und weigerte mich. Sie sehen, was er war – ein würdevoller, unternehmender, selbstsüchtiger Geschäftsmann. Betrachten Sie den erfolgreichen Mann, den königlichen Kaufherrn mit Schiffen auf allen Meeren, den Brotherrn von Tausenden von Arbeitern, den freigebigen Wohltäter bei allen Veranstaltungen öffentlicher Mildtätigkeit, den Kirchenvorsteher, den Parlamentsabgeordneten, den mildtätigen Freund seiner Verwandten – seine Selbstgerechtigkeit lag immer im Kampf mit seiner angeborenen, niedrigen Geldgier – den unwissenden und unersättlichen Ausbeuter fremder Arbeit, den Mann, der seine eigene Meinung und seine Würde für Luxus und Delikatessen verkaufte, die zu genießen er viel zu grob war, und für die Gesellschaft von Leuten, die ihm seine niedrige Herkunft bei jeder Gelegenheit zu verstehen gaben –«

»Und den Mann, dem Sie alles verdanken, was Sie besitzen,« sagte Erskine grob.

»Ich besitze sehr wenig. Alles, was er mir hinterließ, habe ich mit Ausnahme von ein paar Gemälden längst ausgegeben, und auch das wurde durch seine Sklaven und nicht durch ihn erworben. Mein Reichtum kommt jeden Tag frisch durch die Arbeit der armseligen Menschen, die in solchen Höhlen wohnen, wie ich sie Ihnen vorhin zeigte, oder von ein paar Aristokraten der Arbeit, die sich vielleicht zehn Schilling die Woche besser stehen. Indessen gibt es eine Entschuldigung für meinen Vater. Ich geriet einmal bei einem Wahltumult in einen offenen Kampf. Ich bin ein friedfertiger Mensch, aber da ich mich wehren mußte, wenn ich nicht niedergeschlagen und mit Füßen getreten werden wollte, so schlug ich mich mit Männern, die vielleicht ebenso friedfertig veranlagt waren wie ich selbst. Mein Vater, der in einen freien Wettbewerb geriet – frei in dem Sinne, daß der Kampf frei, das heißt durch kein Gesetz gehindert ist – mein Vater hatte die Wahl, entweder selbst ein Sklave zu sein oder die andern zu Sklaven zu machen. Er wählte das letztere, und da er Beifall erhielt und hoch gepriesen wurde, weil er Erfolg hatte, wer darf ihn da tadeln? Ich nicht. Übrigens tat er auch etwas, um die Anarchie zu zerstören, die es ihm ermöglichte, die Gesellschaft so ungestraft auszuplündern. Er stattete mich, seinen Feind, mit der mächtigen Waffe eines großen Vermögens aus. So brütet unser System, die Industrie zu entwickeln, oft selbst die Eier aus, aus denen seine Zerstörer hervorbrechen. Trägt Lady Brandon viele Spitzen?«

»Ich – Nein; das heißt – Wie zum Kuckuck soll ich das wissen, Trefusis? Welch eine merkwürdige Frage?«

»Dies ist die Photographie einer Häkelschule. Es war ein schmutziger, zwölf Quadratfuß großer Raum. Er war mit Ziegelsteinen gepflastert, und die Kinder durften nicht ihre Schuhe tragen, damit die Spitzen nicht schmutzig wurden. Da aber dort zwanzig Kinder – alles Mädchen – fünfzehn Stunden täglich arbeiteten, litten sie nicht sehr durch die Kälte. Sie waren hübsch eng zusammengepackt – oder mögen es noch sein, was weiß ich. Sie brachten mitunter drei oder vier Schilling in der Woche ihren zärtlichen Eltern heim, denn sie hatten flinke Finger, die kleinen Geschöpfe, und arbeiteten fleißig, weil die Aufseherin sie jedesmal schlug, wenn sie aufsahen oder –«

»Trefusis,« sagte Sir Charles und entfernte sich von dem Tische, »ich bitte Sie um Verzeihung, aber ich habe keine Lust, jetzt solche abscheulichen Dinge zu genießen. Sie müssen mich wirklich nicht bitten, Ihre Sammlung durchzugehen. Sie ist zweifellos interessant, aber ich kann sie nicht ertragen. Haben Sie nichts Angenehmes, um mich damit zu unterhalten?«

»Pah! Sie ekeln sich. Immerhin, Sie sind ein Neuling, und wir wollen uns das übrige aufheben, bis Sie sich daran gewöhnt haben. Die Bilder sind durchaus nicht so schrecklich. Jeder Band befaßt sich mit einem andern Lande. Dieses zum Beispiel enthält Bilder zu der modernen Zivilisation in Deutschland. Das da ist Frankreich – das Britisch-Indien. Hier haben Sie die Vereinigten Staaten von Amerika, die Heimat der Freiheit, die Schaubühne des allgemeinen Wahlrechts, das königslose und adellose Land des Schutzzolls, des Republikanismus und des durchgeführten radikalen Programms, wo man alle schwarzen Haussklaven in Lohnsklaven verwandelt hat (grade wie die weißen Sklaven meines Vaters). Diese Befreiung der Sklaven in Amerika hat achthunderttausend Menschenleben und einen unberechenbaren Wohlstand gekostet. Sie und ich, wir sind Bettler im Vergleich mit den Großkapitalisten jenes Landes, wo die Arbeiter mit den Chinesen wie Hunde um einen Knochen kämpfen. Viele von diesen großen Männern versahen mich mit Photographien ihrer Jachten und Paläste und hatten keine Ahnung, welchen Gebrauch ich davon machen würde. Hier sind einige Porträts, die Ihre Gefühle nicht verletzen werden. Dies ist meine Mutter, eine Frau aus guter Familie, jeder Zoll eine Lady. Hier ist ein Mädchen aus Lancashire, die Tochter eines gewöhnlichen Bergarbeiters. Sie hat körperlich genau dieselben Merkmale wie meine adelige Mutter – denselben kleinen Kopf, zarte Gesichtszüge und so fort. Sie könnten Schwestern sein. Diese beiden Männer mit den Halunkengesichtern sehen wie Zwillingsbrüder aus, nur daß der auf der rechten Seite gute Laune in seinen Gesichtszügen hat. Der gutgelaunte ist ein Schiffer auf dem Lyvernkanal, der andere gehört dem höchsten englischen Adel an. Sie zeigen, daß die Natur, selbst wenn sie Generationen lang durch Hunger und Elend verdorben ist, sich doch nicht an die Unterscheidungen kehrt, die wir zwischen den Menschen errichten. Diese Gruppe von Männern und Frauen, alle erträglich intelligent und von gedankenvollen Gesichten, sind sogenannte Feinde der Gesellschaft – Nihilisten, Anarchisten, Anhänger der Kommune, Mitglieder der Internationale und so weiter. Diese andern armen Teufel, abgeplagt, gezwungen, skrofulös, unbeholfen, geistlos und sogar gewöhnlich – nur hier und da ist eine halbwegs hübsche Frau darunter, sind europäische Könige, Königinnen, Großherzöge und dergleichen. Hier sind Schiffskapitäne, Verbrecher, Dichter, Männer der Wissenschaft, Pairs, Bauern, Nationalökonomen und Vertreter aller möglichen Berufe. Der Zweck der Sammlung ist, die natürliche Ungleichartigkeit der Menschen zu zeigen und das Verfehlte einer künstlichen Ungleichartigkeit zu beweisen.«

»Es scheint mir eine Art höllischer Sammlung zu sein, um die Ansichten der Leute zu verwirren,« sagte Erskine. »Sie sollten es eine Paradoxenmappe nennen.«

»In einem vernünftigen Gesellschaftszustand würden sie Paradoxe sein, aber so beweist die Zeit ihre Richtigkeit, grade wie bei Hamlets Paradox. Sie ist aber eine Sammlung von Tatsachen, und ich will ihr keinen Phantasienamen geben. Sie lieben keine Zahlen?«

»Ich liebe die Kunst.«

»Hier sind ein paar Zahlen, und es ist keine Kunst dabei. Dies ist die Bilanz eines Versuches, den ich vor Jahren machte, um die Idee der Internationalen Vereinigung der Arbeiter – gewöhnlich unter dem Namen die Internationale bekannt – auszuführen, der Vereinigung aller Arbeiter in der ganzen Welt, um die Interessen der Arbeit zu verteidigen. Sie sehen das Ergebnis. Ausgaben: viertausendfünfhundert Pfund. Zeichnungen von Arbeitern zweiundzwanzig Pfund, sieben Schilling und zehn und einen halben Penny. Die englischen Arbeiter zeigten ihr Verständnis für meine Bemühungen, sie freizumachen, indem sie mich anklagten, ich wollte die Vereinigung benutzen, um meine eigene Tasche zu bereichern. Sie schmähten und steinigten mich. Jetzt helfe ich ihnen nur noch, wenn sie die Neigung zeigen, sich selbst zu helfen. Ich beschäftige mich zum Teil damit, einen Plan zur Neugestaltung unserer Industrie auszuarbeiten, dann aber greife ich auch meine eigene Klasse mit Frauen und allem an, gradeso wie ich Sie angreife.«

»Ich fürchte, es hat wenig Zweck, uns anzugreifen,« sagte Sir Charles.

»Es hat viel Zweck,« entgegnete Trefusis zuversichtlich. »Sie haben jetzt eine ganz andere Ansicht von unserer prahlerischen Kultur wie damals, als ich Ihre Mauer niederriß und diese Fanatiker der Bodenreform einlud, über Ihre Spielplätze zu gehen! Sie haben in meinem Album etwas gesehen, was Sie vor einer Stunde noch nicht kannten, und Sie sind infolgedessen nicht mehr derselbe Mensch, der Sie vor einer Stunde waren. Meine Bilder haften länger in meinem Gedächtnis als Ihre gekritzelten Radierungen oder die verschwommenen Sachen, in deren Grau Sie sich einbilden, zarte Harmonien zu sehen. Erskines nächstes Drama mag wieder die Freiheit zum Vorbild nehmen, aber seine patriotischen Märtyrer werden dann etwas Besseres zu tun haben, als ein unsinniges Geschwätz gegen Puppenkönige zu richten, die in ihrem ganzen Leben im geheimen nicht so viele feige Gemeinheit, Habgier, Grausamkeit und Tyrannei geplant haben, als es bei jeder Halbjahrsversammlung von einem Dividenden verschluckenden Gewürm offen beschlossen wird, deren armselige Lohnsklaven sich sechzehn von den vierundzwanzig Stunden abschinden müssen.«

»Und was soll das Ende von dem allen sein?« fragt« Sir Charles etwas verwirrt.

»Sozialismus oder Zerstörung. Sozialismus, wenn der Kampf schließlich die Fähigkeit entwickelt, die Aufgaben der Gesellschaft zu ordnen; denn die Gesellschaft ist zu übervölkert und zu kompliziert, um noch länger nach dem alten Zufallssystem des Privateigentums geleitet zu werden. Wenn wir nicht unsere Gesellschaft sozialistisch neuordnen – vom menschlichen Standpunkt aus ein sehr erhabenes und prächtiges Unternehmen, volkswirtschaftlich ein sehr einfaches und gesundes – dann wird der Freihandel durch sich selbst England zugrunde richten, und ich will Ihnen genau sagen, auf welche Weise. Als mein Vater sein Vermögen erwarb, hatten wir einen Vorsprung vor allen andern Völkern durch die Entwicklung unserer Industrie und den Reichtum an Eisen und Kohle. Andere Völker kauften unsere Erzeugnisse billiger, als wenn sie sie selbst hervorgebracht hätten, und doch noch so hoch über unserm Herstellungspreis, daß der Verdienst unsere Kapitalisten wie eine Meeresflut überfiel. Als die Arbeiter durch ihre Gewerkschaften ihren Anteil an dem Segen in Form von Lohnerhöhungen verlangten, war es billiger ihnen das wenige, was sie zu verlangen wagten, zu bewilligen, als den Goldstrom zum Stillstand zu bringen und sie zu bekämpfen und sie zu zerschmettern. Aber jetzt haben unsere Kunden in ihren eigenen Ländern unsere industriellen Methoden nachgeahmt und verbessert, und sie haben Plätze entdeckt, an denen man Kohle und Eisen noch billiger haben kann als heute in England. Sie produzieren für sich selbst, oder kaufen das, was sie früher bei uns gekauft haben, anderswo. Unser Verdienst verschwindet, unsere Maschinen stehen still, unsere Arbeiter liegen auf der Straße. Heute macht es sich bezahlt, die Fabriken zu schließen und die Gewerkschaften zu bekämpfen und zu zerstören, wenn die Männer nicht etwa für eine Lohnerhöhung, sondern gegen eine Lohnherabsetzung streiken. Jetzt, da diese Gewerkschaften geschlagen werden und hilflos in dem Maße, in dem die Zahl der Arbeitslosen in ihren Reihen zunimmt, dem Bankrott entgegengehen, jetzt werden sie von unserer Klasse gehätschelt und gepriesen – ein unfehlbares Zeichen, daß sie in ihrer Aufgabe, uns zu vernichten, keine weiteren Fortschritte machen. Die kleinen Kapitalisten hat die Ebbe auf den Strand gesetzt, die großen folgen der Strömung des Wassers und bauen ihre Werke da, wo Dampfkraft, Wasserkraft, Arbeitskraft und Güterbeförderung billiger sind als in England, das früher in diesen Dingen am billigsten war. Die Arbeiter werden mit den Fabriken auswandern, aber sie werden sich immer noch stärker vermehren, als sie auswandern, und man wird ihnen vorwerfen, daß sie durch ihre maßlosen Lohnansprüche das Kapital ins Ausland trieben. Und das wird so weiter gehen, solange noch ein Chinese oder Indier unbeschäftigt ist und sie unterbietet. Wenn die englischen Fabriken geschlossen sind, werden sie durch Villen ersetzt werden. Die Industriegegenden werden sich in elegante Aufenthaltsorte für Kapitalisten verwandeln, die von den Erträgnissen ihrer ausländischen Anlagen leben. Die Bauerngüter und Viehwirtschaften werden zerstört und in Jagdgründe verwandelt. Alle Dinge, die irgendwie an andern Orten hergestellt werden können als dort, wo sie gebraucht werden, kommen von auswärts. Sie sind eine Bezahlung für die Benutzung der Jagdgründe durch ausländische Jagdliebhaber oder für die Dividenden der in England lebenden Kapitalisten. Aber da diese Kapitalisten ihre Unternehmungen im Auslande haben, so wird die Einfuhr nicht durch eine Ausfuhr bezahlt, denn für Mieten und Zinsen wird überhaupt kein Gegenwert gegeben. Diese Tatsache wollen die Freihandelsmänner nicht einsehen oder wenigstens nicht eingestehen, obgleich sie der Schlüssel zu dem ganzen Geheimnis ihrer Gegner ist. Man wird stürmisch nach Zollschutz verlangen. Aber keiner will zu einem nachweislich unvernünftigen Mittel seine Zuflucht nehmen, das zuerst die Preise erhöht und dann erst die Löhne, und das nirgendwo den Arbeitern geholfen hat. Es wird nur noch solche Beschäftigung geben, die an Ort und Stelle getan werden muß, wie das Auspacken und Verteilen der Einfuhr, das Bedienen der Eigentümer als Haussklaven, das Theaterspielen, Predigen, Straßenpflastern, Laternenanzünden und so weiter. Und auch in diesen Berufen werden immer weniger Leute beschäftigt werden, da die Kapitalisten zu der Erkenntnis kommen, daß der übertriebene Prunk nicht vornehm ist, und ein einfacheres Leben genießen werden. Ein ungeheueres Proletariat, das sich zuerst aus den früheren Arbeitern in der Exportindustrie entwickelt hat, wird mit seiner Nachkommenschaft dauernd ohne Beschäftigung sein. Sie werden ihren Anteil an dem Land und an den Maschinen verlangen, um für sich selbst zu produzieren, und man wird sie zurückweisen. Dann zerschlagen sie ein paar Fensterscheiben und werden zerstreut. Ihre Führer bekommen eine Warnung. Sie stecken einige Häuser in Brand, ermorden einen oder zwei Polizisten, und jetzt wird an denen, die man verwarnt hat, ein Exempel statuiert. Sie machen einen Aufstand, werden mit Maschinengewehren niedergeschossen – aus dem Lande verjagt und irgendwie und irgendwo vernichtet. Denn die besitzenden Klassen denken gar nicht daran und sehen auch keine Möglichkeit, anders den berechtigten Ansprüchen der Arbeiter nachzukommen. Sie selbst, Sie haben nur zu leicht fünfzig Pfund für Jansenius' Auswanderungsfonds gegeben, aber Sie würden Polizei, Militär und die Aufstandsgesetze anrufen, wenn die Leute nach Brandon Beeches kämen und Sie aufforderten, auszuziehen und mit den andern für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Nun, wenn das überflüssige Proletariat vernichtet ist, dann bleibt eine Bevölkerung von Kapitalisten übrig, die von einer unverdienten Einfuhr lebt und von einem unzufriedenen Gefolge bedient wird. Eines Tages wird die unverdiente Einfuhr aufhören, vielleicht weil draußen Revolutionen oder Staatsbankrotte ausgebrochen sind, weil der Zinsfuß fällt, weil Regierungen die Unternehmungen für lumpige Summen übernehmen, die man dann anderweitig nicht wieder anlegen kann, oder aus sonstigen Gründen. Unsere Kapitalistengemeinschaft ist dann auf den Rest der letzten Dividende angewiesen, die sie längst verzehrt hat, ehe sie die zerstörten Maschinen wiederhergestellt hat, um sich durch eigene Arbeit am Leben zu erhalten. Pferde, Hunde, Katzen, Ratten, Brombeeren, Pilze und Kannibalismus schieben dann das Ende hinaus, bis –«

»Hah! ha! ha!« rief Sir Charles laut. »Bei meiner Ehre, Trefusis, ich dachte anfangs, Sie redeten ernst. Aber jetzt gestehen Sie nur, Sie alter Bursche, es war alles Spaß von Ihnen. Ich hatte Sie halb im Verdacht, Sie seien etwas verdreht.« Und er blinzelte Erskine zu.

»Was ich jetzt beschrieben habe, ist das unausbleibliche Ende unserer heutigen Freihandelspolitik ohne Sozialismus. Die Theorie des Freihandels ist nur auf ein Austauschsystem anwendbar, nicht auf eins der Ausbeutung. Wir haben ein Ausbeutungssystem, und wenn wir es nicht verlassen, müssen wir entweder zum Zollschutz zurückkehren oder auf die Art, die ich soeben dargelegt habe, zugrunde gehen. Nun würde der Cobden Klub, ehe er die Anhänger des Schutzzolls triumphieren ließe, lieber selbst unter das Volk gehen und den Arbeitern zeigen, daß Schutzzoll die englischen Besitzer zwingt, Sklaven zu beschäftigen, die in England wohnen, und die daher wahrscheinlich – wenn auch nicht notwendigerweise – Engländer sein müssen. Das würde schließlich dem Volke die Augen darüber öffnen, daß es gar nicht im Besitze Englands ist. Wenn sie das erst begriffen haben, werden sie es bald zu ihrem Eigentum machen, und wenn erst England der Gemeinbesitz seiner Bewohner ist, dann wird England sozialistisch. Die künstliche Ungleichheit wird vor der wirklichen Vertragsfreiheit verschwinden. Ein freier Wettbewerb, ein ungehindertes Nacheifern werden uns vorwärtsbringen, und der Freihandel wird endlich seine Versprechungen erfüllen.«

»Und die Faulenzer und Bummler,« fragte Erskine. »Was wird aus denen?«

»Sie und ich natürlich,« sagte Trefusis, »wir werden wohl verhungern müssen, wenn wir es nicht vorziehen, zu arbeiten, oder wenn man uns nicht mit Rücksicht auf unsere schlechte Erziehung unterstützt.«

»Glauben Sie, man wird uns ausplündern?« fragte Sir Charles.

»Ich glaube, man wird uns daran hindern, die andern weiter auszuplündern. Wenn die Arbeiter Bedenken tragen, uns bis aufs Hemd auszuziehen oder uns die Kehlen abzuschneiden, falls wir den geringsten Widerstand leisten, dann zeigen sie uns mehr Erbarmen, als wir ihnen je gezeigt haben. Denken Sie daran, was wir getan haben, um unsere Zinsen aus Irland und Schottland zu holen und unsere Dividenden aus Ägypten, falls Sie meine Photographien und ihre Belehrung über unsere heimische Grausamkeit vergessen haben. Ermorden wir nicht die große Masse dieser armen Arbeiter durch Überarbeit und Bedrückung? Ihre durchschnittliche Lebenszeit ist nicht halb so lang wie unsere, obgleich die menschliche Natur in uns dieselbe ist wie in ihnen. Wenn wir ihrem Ansturm widerstehen, wenn es uns gelingt, die Ordnung wiederherzustellen, wie wir das nennen, dann werden wir sie erbarmungslos für ihre Unbotmäßigkeit bestrafen, grade wie wir es 1871 in Paris taten, wo wir sie übrigens auch lehrten, wie töricht es ist, seinen Feinden Pardon zu geben. Wenn sie uns überwinden, dann werden wir unsere Schläge bekommen, und es geschieht uns ganz recht. Da ist es doch viel besser, schon jetzt vernünftig zu sein und Blutvergießen zu vermeiden. Nicht wahr, Erskine?«

Erskine überlegte grade, welche Antwort er geben sollte, als ihn Trefusis aus der Fassung brachte, indem er klingelte. Gleich darauf erschien eine ältliche Frau, die einen länglichen Tisch vor sich herschob, der wie ein Handwagen auf Rädern ging.

»Danke sehr,« sagte Trefusis und entließ sie. »Hier ist guter Wein, gutes Wasser, gutes Obst und gutes Brot. Ich weiß, daß Sie am Wein hängen wie an einer guten, gewohnten Herzstärkung. Was mich angeht, so mache ich keinen Unterschied zwischen ihm und andern Pflanzengiften. Ich genieße sie niemals. Wasser zur Beruhigung, Wein zur Anregung. In mir sprudeln genug Quellen der Anregung, ich habe niemals Mangel daran und brauche nur nach Beruhigung zu suchen« Indessen« – hier entkorke er die Flasche, »ein voller Becher hiervon wird Sie für wenigstens eine halbe Stunde sich wie Götter fühlen lassen. Sollen wir auf Ihre Bekehrung zum Sozialismus trinken?«

Sir Charles schüttelte den Kopf.

»Wie, Mr. Donovan Brown, der große Künstler, ist ein Sozialist, warum sollten Sie keiner sein?«

»Donovan Brown?« rief Sir Charles interessiert aus. »Ist das möglich? Kennen Sie ihn persönlich?«

»Hier sind verschiedene Briefe von ihm. Sie können sie lesen. Schon das einfache Autograph eines solchen Mannes ist interessant.«

Sir Charles nahm die Briefe und las sie aufmerksam durch, während ihm Erskine über die Schulter sah.

»Ich stimme vollständig mit allem überein, was er hier sagt,« bemerkte Sir Charles. »Es ist ganz richtig.«

»Natürlich stimmen Sie mit uns überein. Donovan Browns Bedeutung als Künstler hat mir einen Rekruten erworben, und Ihre Bedeutung als Baronet wird mir noch mehrere gewinnen.«

»Aber –«

»Aber was?« sagte Trefusis und öffnete schnell eins von den Albums, das das Bild eines widerlichen Zimmers zeigte. »Sie sind doch hiergegen, nicht wahr? Donovan Brown ist dagegen, und ich bin dagegen. Sie mögen sonst in allem anderer Meinung sein, aber Sie sind doch auf unserer Seite. Nicht wahr?«

»Aber es kann die Folge von Trunksucht, Gleichgültigkeit oder –«

»Das Einkommen meines Vaters war fünfzigmal so groß wie das von Donovan Brown. Glauben Sie, daß Donovan Brown fünfzigmal so trunksüchtig und gleichgültig wie mein Vater war?«

»Gewiß nicht. Ich leugne auch gar nicht, daß vieles richtig ist an dem, was Sie sagen. Aber Sie verlangen da von mir einen sehr wichtigen Schritt.«

»Durchaus nicht. Ich verlange gar nicht, daß Sie sich durch Ihre Unterschrift, Ihren Beitritt oder eine Bürgschaft an irgendeiner Gesellschaft oder einer Verschwörung beteiligen sollen. Ich möchte nur Ihren Namen zur Erwähnung gegenüber solchen Feiglingen, die den Sozialismus für ganz richtig halten, aber ihn nicht bekennen wollen, weil sie ihn nicht für geachtet ansehen. Sie werden sich nicht mehr ihrer Überzeugung schämen, wenn sie hören, daß ein Baronet sie teilt. Sie sehen also, daß Ihnen der Sozialismus schon etwas bietet, er gibt Ihrem sonst wertlosen Titel einen wirklichen Wert.«

Sir Charles errötete ein wenig und wurde sich bewußt, daß das Beispiel seines Lieblingsmalers ihn mehr beeinflußt hatte als seine eigene Überzeugung oder die Beweise Trefusis'. »Was meinen Sie, Chester?« fragte er. »Wollen Sie sich anschließen?«

»Erskine ist schon durch seine veröffentlichten Schriften dafür bekannt, daß er für die Sache der Freiheit eintritt,« sagte Trefusis. »Drei von den Broschüren auf diesem Büchergestell zitieren die patriotischen Märtyrer.«

Erskine wurde rot, da es ihm schmeichelte, daß er zitiert worden war. Diese Aufmerksamkeit war ihm erst einmal zuteil geworden, und zwar durch einen Kritiker, der dadurch zeigen wollte, daß die patriotischen Märtyrer nachlässig geschrieben seien.

»Nun?« fragte Trefusis. »Soll ich Donovan Brown schreiben, daß seine Briefe die aufrichtigste Zustimmung und Sympathie von Sir Charles Brandon gefunden haben?«

»Gewiß, gewiß. Das heißt, wenn mein unbekannter Name für ihn im geringsten von Interesse ist.«

»Gut,« sagte Trefusis und füllte sein Glas mit Wasser. »Laßt uns mit unserm Bruder Sozialdemokrat anstoßen.«

Erskine lachte laut, aber gezwungen. »Welch ein Esel sind Sie, Brandon!« sagte er. »Sie, mit Ihrem großen Landbesitz und Säcken von Gold, die in Eisenbahnen angelegt sind, Sie nennen sich einen Sozialdemokraten. Wollen Sie alles verkaufen und verteilen nach dem Wort: Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen?«

»Keinen Pfennig,« erwiderte Trefusis schnell für Sir Charles. »In diesem Lande kann ein Mann kein Christ sein. Ich habe es versucht und gefunden, daß es unmöglich ist, sowohl wegen der Gesetze als auch wegen der Zustände. Ich bin ein Kapitalist und ein Grundbesitzer. Ich habe Eisenbahnaktien, Grubenaktien, Gebäudeaktien, Bankaktien und Aktien von fast jeder Art, und sie machen mir die größten Sorgen. Aber diese Aktien sind ja kein wirklich existierender Reichtum. Sie sind nur ein Pfandbrief auf die Arbeit von ungeborenen Generationen von Arbeitern, die arbeiten müssen, um mich und die Meinen in Müßiggang und Luxus zu erhalten. Wenn ich sie verkaufte, würde dann wohl der Pfandbrief ungültig gemacht und die ungeborenen Generationen aus ihrer Knechtschaft befreit werden? Nein. Er würde nur in die Hände eines andern Kapitalisten übergehen, und die arbeitende Klasse wäre durch meine Selbstaufopferung nicht besser daran. Sir Charles kann nicht dem Gebot Christi folgen, er soll es nur einmal versuchen! Er mag sein Land für einen öffentlichen Park hergeben, aber nur die reicheren Klassen werden die Muße haben, ihn zu genießen. Und wenn er ihn dicht bei den Wohnungen der Armen anlegt, damit sie wenigstens seine Luft einatmen, so wird er nur den Wert der umliegenden Häuser steigern und die Armen daraus vertreiben. Lassen Sie ihn eine Schule für die Armen ausstatten, wie Eton oder Christs Hospital, und die Reichen werden sie für ihre eigenen Kinder nehmen, grade wie in den zwei soeben genannten Fällen. Sir Charles will nicht die Armut pflegen, sondern sie zerstören. Es ist gleichgültig, wieviel Sie den Armen geben, alles, mit Ausnahme der nacktesten Existenzmittel, wird ihnen mit Gewalt wieder abgenommen. Alles Reden über praktisches Christentum oder selbst einfache Gerechtigkeit ist heute nur Verschwendung von Worten. Wie können Sie einem Arbeiter einen gerechten Lohn geben, wenn Sie dank der allgemeinen Gewohnheit, ihm seine Arbeit zu stehlen, ihren Wert gar nicht festsetzen können? Ich weiß das aus Erfahrung. Ich wollte den richtigen Preis für das Grabmal meiner Frau bezahlen, aber ich konnte seinen Wert nicht herausfinden und werde es auch nie können. Der Grundsatz, nach dem wir unsere nationale Industrie einzelnen zur Ausplünderung verpachten, die sich für die Rente durch Erpressungen entschädigen, hat uns so verdorben und schlecht gemacht, daß wir gar nicht mehr ehrenhaft sein können, selbst wenn wir es wollen. Und der Grund, weshalb wir das so ruhig ertragen, ist, weil sehr wenige es wirklich anders wollen.«

»Ich muß diese wichtige Frage studieren,« sagte Sir Charles unruhig und füllte seinen Becher wieder. »Können Sie mir ein gutes Buch über den Gegenstand empfehlen?«

»Jede gute Abhandlung über Nationalökonomie genügt,« sagte Trefusis. »In der ökonomischen Wissenschaft führen alle Wege zum Sozialismus, obgleich in neun von zehn Fällen der Studierende nicht sein Ziel erkennt und den Fluch auf sich lädt, den Jeremias über die ausspricht, die gegen Belohnung die Bösen in Schutz nehmen. Ich werde Ihnen ein oder zwei Bücher aussuchen. Und wenn Sie das nächste Mal, da Sie in London sind, Donovan Brown aufsuchen, so wird er sich, das weiß ich sicher, sehr freuen. Er trifft sich mit sehr wenigen Männern, die sowohl mit seiner sozialen als auch seiner künstlerischen Anschauung übereinstimmen.«

Sir Charles' Augen glänzten, als er an Donovan Brown erinnert wurde. »Ich werde mir eine Einführung bei ihm zu hoher Ehre anrechnen,« sagte er. »Ich hatte keine Ahnung, daß er ein Freund von Ihnen war.«

»Ich war ein sehr tätiger junger Sozialist, als ich ihn zum erstenmal traf,« sagte Trefusis. »Als Brown noch unbekannt und ein erbärmlich armer Mann war, kaufte meine Mutter auf Bitten eines seiner Freunde aus Barmherzigkeit eins seiner Bilder für dreißig Pfund, und er war sehr froh, das Geld zu bekommen. Nach zehn Jahren, als meine Mutter tot und Brown berühmt war, wurden mir achthundert Pfund für dieses Bild angeboren, das übrigens nach meiner Meinung ein sehr schlechtes war. Nun würde, wenn ich auch den gewöhnlichen, ungerechtfertigten Abzug machte, für die Zinsen der dreißig Pfund während der zwölf Jahre, die ungefähr verflossen waren, mir der Verkauf des Bildes doch noch einen Verdienst von über siebenhundertundfünfzig Pfund gebracht haben, eine unverdiente Bereicherung, auf die ich keinen Anspruch hatte. Mein Anwalt, demgegenüber ich die Sache erwähnte, meinte, ich könnte mit Recht die siebenhundertundfünfzig Pfund einstecken. Meine Mutter habe sie durch ihre Mildtätigkeit verdient, mit der sie ein voraussichtlich wertloses Bild von einem unbekannten Maler kaufte. Er überzeugte mich aber nicht davon, daß ich ein Recht hätte, mir die Tugenden meiner Mutter bezahlen zu lassen, obgleich wir darin übereinstimmten, daß weder ich noch meine Mutter irgendeine Vergütung in Form von Vergnügen bei der Betrachtung des Bildes empfangen hatten, denn es war seit seiner Erwerbung durch das Blindwerden der Farben im hohen Maße verdorben. Schließlich ging ich mit dem Bilde nach Browns Atelier. Ich sagte ihm, es habe für mich keinen Wert, da ich es für ein besonders schlechtes Bild halte, und er sollte es für fünfzehn Pfund, die Hälfte des früheren Preises, zurückhaben. Er sagte mir sofort, ich würde von jedem Händler mehr dafür bekommen, als er selbst mir geben könnte. Aber er sagte auch, ich hätte kein Recht, mit seiner Arbeit ein Geschäft zu machen, und er bot mir den Originalpreis von dreißig Pfund an. Ich nahm sie und sandte ihm dann den Mann zu, der mir die achthundert angeboten hatte. Zu meinem Verdruß weigerte sich Brown, das Bild überhaupt zu verkaufen, weil er es für seiner unwert hielt. Der Mann bot bis fünfzehnhundert Pfund, aber Brown blieb standhaft, und so fand ich, daß ich ihm nicht nur keine siebenhundertundsiebzig Pfund in die Tasche gesteckt, sondern ihm sogar dreißig weggenommen hatte. Ich bot ihm daher an, die dreißig Goldstücke zurückzugeben. Brown empfand dieses Anerbieten als eine Beleidigung und lehnte jede weitere Auseinandersetzung mit mir ab. Dann bestand ich darauf, daß die Angelegenheit dem Schiedsgericht unterworfen werde, und verlangte fünfzehnhundert Pfund als den vollen Handelswert des Gemäldes. Alle Schiedsrichter fanden das ungeheuerlich, worauf ich mich damit zufriedengab, wenn sie mein Anrecht auf den Handelswert nicht anerkennen wollten, dann sollten sie mir wenigstens mein Anrecht auf den Gebrauchswert anerkennen. Sie stimmten dem zu und setzten ihre Entscheidung für vierzehn Tage aus, um Adam Smith zu lesen und zu entdecken, was in aller Welt ich mit meinen Gebrauchswerten und Handelswerten meinte. Ich zeigte ihnen darauf, daß das Gemälde für mich keinen Gebrauchswert habe, da ich es nicht liebte, daß ich daher zu gar nichts berechtigt sei und Brown die dreißig Pfund zurücknehmen müßte. Sie freuten sich, mir dies auch zuzugeben, da sie alle Kunstfreunde von Brown waren und nicht wünschten, daß er bei dem Handel sein Geld verlöre, obgleich sie heimlich ebenso wie ich das Bild für ein schlechtes hielten. Hierauf wurden Brown und ich sehr gute Freunde. Er duldete anfangs meine Annäherung, damit es nicht aussähe, als ob er über die Herabsetzung seines Werkes beleidigt sei. Nach und nach ging er zu meinen Ansichten über, gradeso wie Sie es getan haben.«

»Das ist sehr interessant,« sagte Sir Charles. »Wie vornehm – fünfzehnhundert Pfund zurückzuweisen! Er konnte sie wahrscheinlich gut gebrauchen.«

»Heldenhaft war es – nach den Ansichten des neunzehnten Jahrhunderts über Heldentum. Aus freien Stücken auf eine Gelegenheit, Geld zu verdienen, zu verzichten! Das ist das non plus ultra des Märtyrertums. Browns Frau war sehr böse über ihn, weil er so gehandelt hatte.«

»Es ist eine interessante Geschichte – oder könnte als eine solche gelten,« sagte Erskine. »Aber Sie machen mich ganz verdreht mit Ihrem verdammten Wertaustausch und dergleichen Unsinn. Alles ist bei Ihnen eine Zahlenfrage.«

»Das kommt daher, weil ich kein Poet bin,« sagte Trefusis. »Aber wir Sozialisten sollten die romantische Seite unserer Bewegung studieren, um die Frauen zu gewinnen. Wenn Sie eine Sache groß machen wollen, dann interessieren Sie jedes weibliche Wesen dafür. Sie ist verheiratet oder wird es eines Tages sein, und dann widerspricht sie ihrem Mann mit Fetzen aus unsern Beweisgründen. Ein Wortstreit wird folgen, und ihr Sohn wird zuhören und zu denken anfangen, wenn er überhaupt dazu fähig ist. So setzen sich unsere Ideen in die Köpfe der Leute. Ich habe schon manches junge Mädchen bekehrt. Die meisten wissen nicht mehr von der volkswirtschaftlichen Theorie des Sozialismus, als sie von Chaldäa wissen, aber sie fürchten und verurteilen nicht mehr länger diesen Namen. Oh, ich versichere Ihnen, es kann auf diesem Gebiete viel von Männern getan werden, die nicht ängstlich vor Frauen sind und Zeit haben, ruhig zu warten, bis ihre ausgestreute Saat aufgegangen ist.«

»Nehmen Sie sich in acht. Eine von Ihren weiblichen Proselyten wird einmal die Oberhand über Sie bekommen. Der zukünftige Ehemann, dem man widerspricht, kann auch Sidney Trefusis sein. Ha, ha, ha!« Sir Charles hatte ein zweites großes Glas mit Wein geleert und war etwas erhitzt und laut.

»Nein,« sagte Trefusis, »ich selbst habe genug bekommen von der Liebe, und ich bin auch nicht der Mann, der so leicht welche einflößt. Frauen machen sich nichts aus Männern, denen, wie Erskine sagt, alles eine Zahlenfrage ist. Früher flirtete ich mit Frauen, jetzt belehre ich sie, und ich verabscheue das Flirten eines Mannes noch mehr als das einer Frau. Noch etwas Wein? Oh, Sie dürfen den Rest dieser Flasche nicht umkommen lassen.«

»Ich denke, wir gehen am besten, Brandon,« sagte Erskine, der ein wachsendes Mißtrauen gegen Trefusis empfand. »Wir haben versprochen, vor zwei zurück zu sein.«

»Das sollen Sie auch,« sagte Trefusis. »Es ist jetzt noch nicht Viertel nach eins. Übrigens, ich habe Ihnen noch nicht Donovan Browns Lieblingsdokument zur Erneuerung der Gesellschaft gezeigt. Hier ist es. Eine Riesenpetition, die verlangt, daß es für ein schweres Verbrechen erklärt wird, wenn man einem Arbeiter irgendeinen Teil des Wertes, den seine Arbeit hat, vorenthält. Das ist alles.«

Erskine stieß leise Sir Charles, und dieser sagte schnell: »Danke sehr, aber ich will lieber nichts unterzeichnen.«

»Ein Baronet soll eine solche Petition unterzeichnen!« rief Trefusis aus. »Ich dachte gar nicht daran. Sie darum zu bitten. Ich zeige es Ihnen nur als ein interessantes geschichtliches Dokument, das die Unterschriften einiger Künstler und Dichter enthält. Hier ist zum Beispiel die von Donovan Brown. Er hat auch die Petition angeregt, die kaum viel Gutes erwirken wird, da die Sache gar nicht auf solche Art durchgeführt werden kann. Indessen, ich habe Brown versprochen, so viele Unterschriften wie möglich zu sammeln. Darum mögen Sie sie wenigstens unterzeichnen, Erskine. Sie enthält zwar nichts in Blankversen über die heilige Pflicht des Tyrannenmordes, aber sie ist doch ein Schritt vorwärts auf dem rechten Wege. Sie werden doch nicht bei einer solchen Kleinigkeit Bedenken haben – oder sind Sie durch die Kritiken ängstlich geworden? Kommen Sie, Ihren Namen und Ihre Adresse.«

Erskine schüttelte den Kopf.

»Haben Sie denn nur dann revolutionäre Gefühle, wenn Sie dadurch Ruhm als Dichter gewinnen können?«

»Ich zeichne einfach nicht, weil ich keine Lust dazu habe,« sagte Erskine erregt.

»Mein lieber Freund,« sagte Trefusis fast herzlich, »wenn ein Mann ein Gewissen hat, so kann er in Überzeugungssachen nicht schwanken. Ich habe irgendwo in Ihrem Buch gelesen, daß der Mann, der für die Freiheit seines Bruders nicht sein Blut vergießt, ein Feigling und ein Sklave ist. Wollen Sie nicht einen Tropfen Tinte vergießen – dazu noch meiner Tinte – für das Anrecht Ihrer Brüder an ihrer Hände Werk? Ich machte mir auch zuerst nichts daraus, diese Petition zu unterschreiben, denn ich könnte ebensogut einen Tiger bitten, seine Beute mit mir zu teilen, wie unsere Herrschenden, die gestohlene Arbeit, von der sie leben, fahren zu lassen. Aber Donovan Brown sagte zu mir: ›Sie haben keine Wahl. Entweder glauben Sie, daß dem Arbeiter der Ertrag seiner Arbeit gehört, oder Sie glauben es nicht. Wenn Sie es aber glauben, dann bekennen Sie auch Ihre Überzeugung, selbst wenn das so nutzlos sein wird, als das Händewaschen des Pilatus.‹ So habe ich denn unterzeichnet.«

»Donovan Brown hatte recht,« sagte Sir Charles. »Ich will unterzeichnen.« Und er schrieb sorgfältig seinen Namen hin.

»Brown wird entzückt sein,« sagte Trefusis. »Ich werde ihm heute schreiben, daß ich wieder eine gute Unterschrift für ihn erlangt habe.«

»Zwei Unterschriften,« sagte Sir Charles. »Sie sollen zeichnen, Erskine. Der Teufel soll mich holen, wenn Sie es nicht tun! Es ist nur gegen die Halunken, die davonlaufen und ihren Arbeitern nicht ihre Löhne bezahlen.«

»Oder, die sie nicht ganz bezahlen,« bemerkte Trefusis mit seltsamem Lächeln. »Aber unterzeichnen Sie lieber nicht, wenn Sie keine Lust haben.«

»Chester, wenn Sie nach mir nicht zeichnen, sind Sie ein Duckmäuser,« sagte Sir Charles.

»Ich weiß nicht, was es bedeutet,« sagte Erskine unschlüssig. »Ich verstehe nichts von Petitionen.«

»Es bedeutet, was er sagt. Man kann Sie nicht für irgendeine Meinung verantwortlich machen, die nicht darin ausgedrückt ist,« erwiderte Trefusis. »Aber lassen wir es sein. Sie mißtrauen mir, glaube ich, etwas und möchten lieber nichts mit meinen Petitionen zu tun haben. Aber Sie werden eine bessere Ansicht darüber bekommen, wenn Sie erst mehr mit mir bekannt sind. Inzwischen hat es ja keine Eile. Unterschreiben Sie jetzt noch nicht.«

»Unsinn! Ich zweifle gar nicht an Ihrer ehrlichen Überzeugung,« sagte Erskine schnell und leugnete seinen Verdacht, den er wohl fühlte, für den er aber keine Begründung wußte. »Hier haben Sie es!« Und er unterzeichnete auch.

»Sehr gut!« sagte Trefusis. »Das wird Brown für einen Monat glücklich machen.«

»Es ist jetzt Zeit für uns, daß wir gehen,« meinte Erskine verdrießlich.

»Besuchen Sie mich zu jeder Zeit. Sie sind mir willkommen,« sagte Trefusis. »Sie brauchen in keiner Weise formell zu sein.«

Dann schieden sie voneinander, und Sir Charles versicherte Trefusis, daß er noch nie einen so interessanten Vormittag verlebt habe. Er schüttelte ihm dreimal lange die Hand. Erskine sagte wenig, bis er mit seinem Freunde auf dem Riverside Road war, dann aber brach er plötzlich heraus:

»Was zum Teufel soll das heißen, daß Sie mittags um ein Uhr zwei Glas von solch einem berauschenden Zeug trinken, und dazu noch im Hause eines so gefährlichen Menschen, wie er es ist? Es tut mir sehr leid, daß ich den Burschen besucht habe. Ich hatte schon vorher meine Besorgnisse, und sie sind vollständig eingetroffen.«

»Wieso?« fragte Sir Charles und fuhr zurück.

»Er hat uns angeführt. Ich war ein richtiger Narr, daß ich das Papier unterzeichnete, und Sie auch. Deswegen hat er uns nur eingeladen.«

»Unsinn, mein lieber Junge. Es war nicht sein Schriftstück, sondern das von Donovan Brown.«

»Das bezweifle ich. Wahrscheinlich hat er Brown ebenso zum Zeichnen beschwatzt, wie er uns beschwatzt hat. Seine Wege sind grade so schief wie seine Ansichten. Hörten Sie, wie er über Miß Lindsay log?«

»Oh, Sie haben sich darüber geirrt. Er macht sich gar nichts aus ihr oder aus sonst jemand.«

»Gut, wenn Sie zufrieden sind, ich bin es nicht. Sie würden darüber nicht in so guter Laune sein, wenn Sie so wenig Wein getrunken hätten wie ich.«

»Pah! Sie sind zu komisch. Es war famoser Wein. Glauben Sie etwa, ich sei betrunken?«

»Nein. Aber Sie würden auch nicht unterschrieben haben, hätten Sie nicht das zweite Glas getrunken. Wäre ich nicht durch Sie gezwungen worden – nachdem Sie das Beispiel gegeben hatten, konnte ich nicht anders – ich hätte ihn lieber am Galgen gesehen, als mich mit seiner Petition abgegeben.«

»Ich sehe nicht ein, was das für schlimme Folgen haben kann,« sagte Sir Charles und unterdrückte mit Gewalt eine in ihm aufsteigende Unruhe.

»Nie wieder betrete ich sein Haus,« sagte Erskine mürrisch. »Wir waren wie zwei Fliegen in einem Spinnennetz.«

Unterdessen schrieb Trefusis, wie er versprochen hatte, an Donovan Brown.

 

Sallusts Haus.

Lieber Brown, ich habe den Vormittag damit verbracht, zwei noch sehr junge Fische zu angeln, und ich habe sie mit mehr Mühe ans Land gebracht, als sie es wert sind. Einer ist ein hohes Tier. Er ist Baronet und Kunstliebhaber, mit Respekt zu sagen. Alle meine Gründe und mein kleines Museum von Photographien waren an ihm verloren, aber als ich Ihren Namen nannte und ihm Ihre Bekanntschaft versprach, biß er sofort an. Er war halb betrunken, als er unterschrieb, und ich hätte ihn nicht das Papier berühren lassen, wenn ich mich nicht vorher überzeugt hätte, daß er es ehrlich meinte und daß mein Wein nur seine bessere Natur von ihrer gewöhnlichen Feigheit und Voreingenommenheit befreit hatte. Wir müssen es in möglichst vielen Zeitungen veröffentlichen, daß er unsere große Petition unterschrieben hat. Das wird andere verlocken, gradeso wie Ihr Name ihn verlockt hat. Der zweite Neubekehrte, Chichester Erskine, ist ein junger Dichter. Er wird uns nicht viel nützen, obgleich er ein Vorkämpfer der Freiheit in Blankversen ist und seine Werke Mazzini und andern widmet. Er hat widerstrebend unterschrieben. Ihr ganzes Zaudern ist die Unentschlossenheit, die von der Unwissenheit herrührt. Sie haben aus sich heraus noch nicht die Wahrheit gefunden und wagen es nicht, mir zu vertrauen, da es sich hier um Dinge handelt, in denen keiner dem andern vertrauen kann.

Ich habe hier eine hübsche junge Dame kennen gelernt, die Ihnen als Modell für Ihre Hypatia dienen könnte. Sie ist vollgepfropft mit allen adeligen Vorurteilen, aber ich bin dabei, sie zu kurieren. Ich habe es mir in den Kopf gesetzt, sie mit Erskine zu verheiraten, und er ist eifersüchtig auf mich, weil er glaubt, ich stellte ihr nach. Das Wetter ist hier fein, und ich führe ein lustiges Leben, aber ich finde, daß ich dabei zu müßig bin. Usw. usw.


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