Charles Sealsfield
Das Kajütenbuch oder Nationale Charakteristiken
Charles Sealsfield

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Vorrede zur ersten Auflage

Schreiben des Herausgebers
an den Herrn Verleger

Es würde mir freilich angenehmer gewesen sein, Ihnen, statt dieses neuen Werkes, die Fortsetzung und den Schluß der ›Wahlverwandtschaften‹ zumitteln zu können; da diese jedoch nicht gekommen, so müssen wir uns wohl mit dem, was uns gekommen – und der Hoffnung trösten, daß jene nicht sehr lange auf sich warten lassen werden.

Die Muse des Unbekannten, wie man ihn nun allgemein zu nennen beliebt, scheint überhaupt Abwechselung und Zwanglosigkeit zu lieben; denn wie Sie sich erinnern werden, so wurden auch die ersten zwei Bände der Lebensbilder, die unter dem Titel ›Transatlantische Reiseskizzen‹ erschienen, durch die drei Bände des ›Virey‹ und zwei Bände ›Lebensbilder aus beiden Hemisphären‹ unterbrochen, und erst dann kamen Fortsetzung und Schluß der ›Transatlantischen Reiseskizzen‹ mit dem dritten Bande der ›Lebensbilder‹ (Ralph Dougby), dem vierten und fünften (Pflanzerleben und die Farbigen) und dem sechsten (Nathan). –

Laune oder Caprice ist es jedoch schwerlich, was diese Sprünge veranlaßt, und wenn es eine der beiden wäre, so dürfte es Laune der Muse sein, die aber regeln zu wollen sehr undankbare Mühe wäre. – Sachverständige werden mich leicht begreifen. Im gegenwärtigen Falle scheint mir jedoch weder Laune noch Caprice diese Unterbrechung veranlaßt zu haben, eher die sehr dankenswerte Absicht, das deutsche Publikum auf einen bedeutsam geschichtlichen Moment in dem Entwicklungsgange der nordamerikanischen Staaten aufmerksam zu machen.

Sie erinnern sich, daß der Verfasser es sich – zwar nicht zur Aufgabe gemacht hat – Aufgaben dieser Art lassen sich nicht setzen, und werden sie gesetzt, werden sie in der Regel schlecht gelöst –, aber doch den Beruf in sich zu fühlen scheint, die Zeitgeschichte und ihre wichtigeren Momente in lebendigen plastischen Bildern der Welt darzustellen. Einen solchen Geschichtsmoment hat er auch in vorliegendem ›Kajütenbuche‹ erfaßt, den Moment der Gründung eines neuen anglo-amerikanischen Staates auf mexikanischem Grund und Boden, den Moment, wo die germanische Rasse sich abermals, auf Unkosten der gemischten romanischen, Bahn gebrochen, die Gründung eines neuen anglo-amerikanischen Staates durchgeführt hat.

Dieser neue Durchbruch oder neugegründete Staat mag vielen nicht sehr wichtig erscheinen, aber vielen, und zwar den Tieferblickenden, wird er es. Sie werden es gewiß dem Verfasser danken, sie auf diesen Moment, der für die künftige Gestaltung Amerikas so bedeutsam erscheint, aufmerksam gemacht zu haben.

Wir sagen, aufmerksam gemacht zu haben, obwohl der eigentliche Geschichtsforscher mehr als bloße Andeutungen oder Winke in diesem Buche finden dürfte. Zwar wünschen wir die Erwartung des Lesers keinerdings zu hoch zu spannen; aber soviel dürfen wir doch getrost sagen, daß, obwohl dieses Buch keine Prätention auf eigentlich geschichtlichen Wert erhebt, der Tieferblickende doch bald finden dürfte, wie der dichterischen Hülle etwas sehr wesentlich Geschichtliches zugrunde liege. –

So wie in den früheren Werken, so scheinen auch in diesem dem Verfasser Quellen zu Gebote gestanden zu sein, die weit mehr Aufschlüsse über die Entstehung des neuen Staates geben, als es bisher erschienene geschichtliche Werke taten. Auch bemerkt er ausdrücklich, daß mehrere Fakta, zum Beispiel das Treffen am Salado, die Belagerung von Bexar, die Entscheidungsschlacht bei Louisburg, dem Staatsarchive zu Washington entnommen worden sowie, daß sämtliche Inzidenz sich auf Tatsachen gründen, etwa mit Ausnahme Kishogues, den er als aus einer fremden Feder geflossen erklärt. Ob diese Feder eine freundlich bekannte, ob Phelim ihr nacherzählt oder sie Phelim, wird nicht angegeben. Wahrscheinlich gefiel ihm die wilde Skizze irländischen Lebens und Sterbens, und er nahm sie auf, um die Gegensätze zwischen amerikanischem und wieder englischem und irischem Nationalcharakter mehr hervorzuheben, so den zweiten Titel ›Nationale Charakteristiken‹ zu rechtfertigen.

Was weiter in dem Buche wahr, was Dichtung sei, darüber läßt er uns im dunkeln, und ich glaube, mit Recht. Zu viel Licht schadet, und ein solches gleichsam Auseinanderlegen der innern Maschinerie eines Werkes mag wohl den Künstler, aber schwerlich das Publikum ansprechen; es ist im Gegenteil peinlich, ein Kunstwerk anatomisch zergliedert zu sehen, ehe man noch einen rechten Blick darauf geworfen hat.

Nach diesen Andeutungen, die Sie gefällig dem Werke vorsetzen wollen, müssen wir das Weitere dem gebildeten deutschen Publikum selbst überlassen; ich glaube mich jedoch kaum zu irren, wenn ich voraussage, daß diese beiden Bände ganz dieselbe günstige Aufnahme finden werden, die ihren früheren Vorgängern auf eine so schmeichelhafte Weise zuteil geworden.

 
Den 1. Mai 1841.


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