Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehntes Kapitel.

Fast vier Monate verweilte Lady Eveline bei ihrer Tante, der Aebtissin des Benediktinerinnen-Klosters, unter deren Einfluß der Connetable seine Bewerbung gute Fortschritte machen sah, wie es wohl auch nicht anders der Fall gewesen wäre, wenn Raymond Berenger, Evelinens Vater, noch gelebt hätte. Freilich wohl läßt sich annehmen, daß, ohne den Glauben an jene Vision der heiligen Jungfrau und ohne das bei dieser Gelegenheit geleistete Gelübde, die bei einer so jugendlichen Person nur natürliche Abneigung gegen einen an Jahren ihr so ungleichen Mann ein schärferes Wort mitgesprochen hatte. In der Tat konnte sich auch Eveline, soviel Gerechtigkeit sie den Charaktereigenschaften und Fähigkeiten des Connetable widerfahren ließ, einer geheimen Scheu vor ihm nicht erwehren, und wenn sie seiner Bewerbung auch kein unbedingtes Nein entgegensetzte, empfand sie doch ein gewisses Gruseln bei dem Gedanken, daß ihm dieselbe schließlich doch noch glücken könnte.

Die vorbedeutenden Worte »verratend und verraten« traten ihr dann vor die Seele, und als nun ihre Tante – sobald die eigentliche Trauerzeit vorüber war – einen Termin für ihre Verlobung festsetzte, schaute sie ihm mit einem geheimen Grauen entgegen, von dem sie sich selbst keine Rechenschaft abzulegen wußte, aber auch nicht, wie von dem schrecklichen Traume zu Baldringham, dem Pater Aldrovand in der Beichte etwas offenbarte. Es beruhte nicht auf Widerwillen gegen den Connetable, noch weniger darauf, daß sie einem andern Bewerber den Vorzug vor ihm gegeben hätte, sondern vielmehr auf einer jener instinktmäßigen Regungen und Empfindungen, durch die uns die Natur vor naher Gefahr zu warnen scheint, obwohl sie uns weder über ihre Natur noch die Mittel, ihr zu begegnen, Aufklärung gibt. Diese Anfälle von Scheu und Bange waren zuweilen so stark, daß, wären sie durch Rosens Vorstellungen wie vordem unterstützt worden, Eveline vielleicht noch jetzt zu einem dem Connetable ungünstigen Entschluß gelangt wäre. Aber eifriger für ihrer Lady Ehre als Glück besorgt, wehrte Rose sich streng gegen jeden Versuch, sie in ihrem Vorhaben zu erschüttern, nachdem sie einmal zu de Lacys Bewerbung sich beifällig ausgesprochen hatte; und was sie auch dachte und vorher über diese Heirat gesagt hatte, so schien sie doch jetzt auf diese Verbindung wie auf ein Ereignis zu blicken, gegen dessen notwendigen Vollzug sich nichts mehr tun lasse und niemand mehr etwas tun dürfe.

De Lacy selbst, als er den hohen Wert des Preises, nach dem er strebte, kennen lernte, sah dieser Verbindung mit andern Empfindungen entgegen, als ihn Raymond Berengers Antrag gegenüber erfüllt hatten. Damals war es ihm nur ein Ehebund aus Interesse und Konvenienz, der einem stolzen, klugen Lehnsherrn als bestes Mittel zur Befestigung seiner Hausmacht und zur Fortpflanzung seines Geschlechts erschien. Selbst Evelinens strahlende Schönheit machte auf de Lacy nicht den Eindruck, wie auf den feurigen, leidenschaftlichen Geist der Ritter ihrer Zeit. Er war über das Alter hinweg, in welchem auch der weisere Mann sich durch die äußere Gestalt berücken läßt, und hätte nicht angestanden, der Wahrheit, daß er sich seine Braut, so schön sie sei, doch um einige Jahre älter, also zu seinem Wesen und seiner Denkweise passender, wünsche, die Ehre zu geben. Diese Anschauung änderte sich aber, als er beim wiederholten Beisammensein mit der ihm bestimmten Braut erkannte, wie fremd sie dem Leben sei und wie sehr sie sich sehnte, durch eine ihr überlegene Kraft geleitet zu werden; wie sie, obwohl begabt mit hohem Verstande, wie mit einem Gemüt, das allmählich seine natürliche Fröhlichkeit wiederfand, doch sanft und willig, dabei aber von festen Grundsätzen war, die dafür bürgten, daß sie den schlüpfrigen Pfad der Jugend, vornehmen Geburt und körperlichen Schönheit festen Schrittes und untadelhaft wandeln werde.

In dem Verhältnis, wie sich sein Herz für Evelinen in Flammen setzte, wurde ihm die für den Kreuzzug eingegangene Verpflichtung lästig. Die Aebtissin, Evelinens natürlicher Vormund, bestärkte ihn hierin. Obgleich Nonne und von hoher Gottesfurcht beseelt, hielt sie doch den heiligen Stand der Ehe in nicht minder hohen Ehren und stellte nicht in Abrede, daß er dem wichtigen Zweck, zu dem er eingegangen würde, nicht dienen könnte, wenn zwischen dem verehelichten Paare das ganze Festland Europas läge. Bei einer Andeutung des Connetables, daß ihn seine junge Gattin in das sittenlose Lager der Kreuzfahrer begleiten könne, bekreuzte sich die gute Dame mit Abscheu und verbat sich jedes weitere Wort nach dieser Richtung hin auf das nachdrücklichste.

Es war zudem für Könige, Fürsten und andere Personen von hohem Range nichts Ungewöhnliches, von dem Gelübde zur Befreiung Jerusalems entbunden zu werden, sofern man bei der Kirche in Rom nur gebührlich darum nachsuchte. Der Connetable befand sich in dem Vorteil, seines Souveräns Interesse dabei anführen zu können, war er unter dem Adel, dessen Tapferkeit und Klugheit König Heinrich hauptsächlich die Verteidigung der unruhigen Walliser Marken anvertraut hatte, doch keiner der Edelsten, und hatte er doch gewissermaßen ohne Erlaubnis desselben das Kreuz genommen.

Zwischen der Aebtissin und dem Connetable kam es daraufhin zu dem geheimen Abkommen, daß in Rom und beim Päpstlichen Legaten in England ein Aufschub für die Ableistung des Gelübdes auf wenigstens zwei Jahre nachgesucht werden sollte. Daß solche Gunst einem Manne von seinem Stande und Range abgeschlagen werden könnte, ließ sich nicht annehmen, zumal das Gesuch mit den freigebigsten Anerbietungen von Beihilfe zur Befreiung des heiligen Landes unterstützt wurde, wie unter anderm, daß er, wenn ihm die persönliche Teilnahme erlassen würde, hundert Lanzen auf seine Kosten stellen wolle, jede Lanze in Begleitung von zwei Knappen, drei Bogenschützen und einem Stalljungen: die doppelte Geleitschaft also, die er für seine Person in Anspruch genommen hätte; des Weiteren erbot er sich, die Summe von zweitausend Byzantinern zu den allgemeinen Kosten des Zuges beizusteuern und all die Schiffe, die er für seine Ausfahrt instand gesetzt hatte und die zu seiner Einschiffung bereit lagen, dem christlichen Heere zu überlassen.

Immerhin fürchtete der Connetable, daß seine Anerbietungen dem überaus strengen Kirchenfürsten Balduin nicht genügen möchten, der selbst den Kreuzzug gepredigt und den Connetable mit vielen anderen zu der heiligen Unternehmung gewonnen hatte, und nun zu seinem größten Verdruß sehen mußte, daß sein Werk in Gefahr geriete dadurch, daß ein so wichtiger Verbündeter sich von ihm abwendig machen wollte. Diesen Unmut soviel wie möglich zu besänftigen, erklärte sich der Connetable, falls ihm gewährt würde, in Britannien zu bleiben, noch dazu bereit, seinen Neffen Damian de Lucy als Führer seines Korps zu stellen, der schon Ruhm durch seine Rittertaten gewonnen hatte und, wenn dem Connetable Erben versagt blieben, als künftiges Haupt des alten Hauses zu gelten hätte. Freilich mußte er sich auch dann noch auf schwierige Verhandlungen mit dem stolzen und mächtigen Prälaten gefaßt machen, aber ebenfalls stolz und mächtig und von der Gunst seines Souveräns unterstützt, hoffte er auf einen günstigen Ausgang, zum mindesten auf keine Niederlage.

Die Notwendigkeit, diese Angelegenheit vor allem erst zu ordnen, wie auch das kürzlich erfolgte Abscheiden von Evelinens Vater brachten es mit sich, daß der Connetable sich von Turnieren und andern Festlichkeiten fernhielt. Ebenso untersagte die Klosterregel alle weltlichen Unterhaltungen wie Tanz und Musik. Obwohl nun der Connetable durch die prächtigsten Geschenke die Liebe zu seiner Braut zu beweisen suchte, nahm die ganze Sache nach Ansicht der vielerfahrenen Dame Gillian doch mehr das schwerfällige Tempo einer Beerdigungsfeier an, statt das flotte einer bevorstehenden Hochzeit.

Die Braut selbst hatte ähnliche Empfindungen, und wohl nicht ganz zufällig bloß geschah es, daß ihr Gedanken kamen, als könne alles einen fröhlichern Anstrich bekommen, wenn der junge Damian zur Stelle sei, dessen Alter zu dem ihrigen passe, dessen Temperament von dem seines ernsten Oheims so glücklich abstäche. Aber Damian kam nicht, und nach des Connetables Reden über ihn mußte sie glauben, daß die beiden nahverwandten Männer wenigstens auf gewisse Zeit Beschäftigung und Charakter vertauscht hätten. Der ältere de Lacy hielt zwar, wenn auch nur nominell, sein Gelübde weiter und wohnte in einem Pavillon vor den Toren von Gloucester; aber nur selten trug er jetzt seine Rüstung, und sein gemsledernes Kriegswams hatte köstlichem Damast und Seide weichen müssen; auch zeigte er in seinen vorgerückten Jahren größere Vorliebe für Prunk, als seine Altersgenossen selbst in der Jugend an ihm wahrgenommen hatten. Sein Neffe dagegen hielt sich fast immer an den Walliser Grenzen auf, die mannigfaltigen Wirren dort entweder gütlich oder mit bewaffneter Hand beizulegen, Eveline vernahm zu ihrer nicht geringen Verwunderung, daß sein Oheim ihn nur schwer dazu bestimmt hatte, bei ihrer Verlobung als Zeuge gewärtig zu sein.

Der Connetable bemerkte wiederholt nicht ohne Besorgnis, daß Damian sich selbst für seine Jahre zu wenig Ruhe gönne, zu wenig schlafe und sich viel zu sehr anstrenge – daß seine Gesundheit darunter leide– ja daß ein gelehrter jüdischer Arzt, über ihn zu Rate gezogen, die Meinung geäußert habe, dem jungen Ritter dürfte ein südlicheres Klima zuträglicher sein, die alten Kräfte wiederzugewinnen, als der neblige Norden.

Eveline vernahm diese Nachricht mit lebhaftem Bedauern, denn sie erinnerte sich Damians als des heilverkündenden Engels, der ihr die erste Nachricht von ihrer Errettung aus der Gewalt der Walliser brachte. Die Gelegenheit, bei der sie sich späterhin sahen, so traurig sie auch war, gewährte ihr doch in der Erinnerung Freude, denn der Jüngling hatte ein so vornehmes Benehmen, und hatte sie so warm zu trösten verstanden, daß sie ihn gern wiedergesehen hätte, um sich über die Natur seiner Krankheit selbst ein Urteil zu bilden, denn gleich andern Frauen jener Zeit war sie in der Heilkunst nicht ganz unerfahren und hatte vom Pater Aldrovand, der selbst kein unbedeutender Arzt war, aus Pflanzen und Kräutern die Heilkräfte für allerhand Krankheit zu gewinnen gelernt.

So vernahm sie mit recht großer Freude, in die sich wohl auch einige Verlegenheit mischte, daß sie bei einem so jungen Kranken ärztliche Ratgeberin sein solle, die Nachricht aus Fran Gillians Munde, daß sie Lord Connetables Verwandter zu sprechen verlange. Schnell nahm sie den Schleier um, den sie, um sich in die Gebräuche des Hauses zu fügen, zu tragen pflegte, und begab sich mit eiligen Schritten in das Sprechzimmer, befahl zwar ihrer Gillian, sie zu begleiten, fand aber diesmal keine willige Dienerin in dieser sonst so treuen Seele.

Als sie in das Zimmer trat, näherte sich ihr ein Mann, den sie vorher nie gesehen, ließ sich auf ein Knie nieder, und den Saum ihres Schleiers ergreifend, küßte er ihn mit dem Anschein tiefster Ehrfurcht. Erstaunt und beunruhigt trat sie zurück, obgleich der Fremde nichts an sich hatte, was Furcht rechtfertigen konnte. Er schien etwa dreißig Jahre alt zu sein, war groß, von edler, obwohl etwas verfallener Gestalt, und zeigte ein Gesicht, das die Spuren von Krankheit, wenn nicht Befriedigung frühzeitiger Leidenschaft trug. Sein Benehmen schien fast bis zum Uebermaße höflich. Evelinens Erstaunen entging ihm nicht: in stolzem Tone, doch mit innerer Bewegung sprach er: »Ich fürchte, mich geirrt zu haben, ist es mir doch, als ob mein Besuch als unwillkommene Zudringlichkeit angesehen werde.« »Steht auf, Sir,« antwortete Eveline, »und sagt mir Euren Namen und Euer Begehren. Man hatte mir einen Verwandten des Connetable von Ehester gemeldet.«

»Und Ihr habt das Jüngelchen, den Damian, erwartet?« erwiderte der Fremde. »Aber die Vermählung, deren Ruf durch ganz England ertönt, wird Euch mit andern Gliedern dieses Hauses in Beziehung setzen, und unter diesen mit dem Unglücklichen – Randal de Lacy. Vielleicht,« fuhr er fort, »hat die schöne Eveline Berenger diesen Namen von den Lippen seines glücklicheren Verwandten noch nicht vernommen – glücklicher in jeder Rücksicht, aber am glücklichsten ob der herrlichen Aussichten, die sich ihm jetzt eröffnen.«

Eine tiefe Verbeugung begleitete dies Kompliment, und Eveline stand da, fast außer sich vor Verlegenheit, was sie auf solche Höflichkeit erwidern sollte. Denn obgleich sie sich recht Wohl erinnerte, daß der Connetable eines Verwandten mit Namen Randal erwähnt hatte, als er von seiner Familie sprach, mit dem Bemerken, daß kein gutes Vernehmen unter ihnen herrschte, erwiderte sie jetzt doch seine Höflichkeit nur mit ein paar allgemeinen Dankworten für die Ehre seines Besuchs. In der Annahme aber, er werde sich nun entfernen, sollte sie sich doch getäuscht sehen, denn das war nicht seine Absicht.

»Die Kälte,« sagte er, »mit der mich Lady, Eveline empfängt, ist mir ein Zeichen dafür, daß, was mein Verwandter auch von mir gesagt hat – wenn er mich überhaupt einer Erwähnung gewürdigt hat, nicht günstig für mich gewesen ist. Dennoch stand mein Name einst im Felde und an den Höfen so hoch wie der des Connetable. Oder ist es etwas Schimpflicheres noch, wiewohl kaum etwas anderes als größerer Schimpf gilt denn Armut, die mich jetzt hindert, auf Ehrenstellen und Ruhm Anspruch zu machen? Sind's vielleicht die Tollheiten meiner Jugend? Nun, so zahlreich sie gewesen, so habe ich dafür gebüßt mit dem Verlust meines Vermögens und meiner äußern Ehre! Hierin hätte nur mein glücklicher Verwandter, wenn es ihm gefiele, mir beistehen können – ich meine nicht, mit seiner Börse oder seinem Ansehen; denn so arm ich bin, so möchte ich doch nicht von Almosen leben, die ich aus widerstrebender Hand eines mir entfremdeten Freundes herauswinken müßte! Nein, seine Hilfe soll ihn nichts kosten, und insofern könnte ich Wohl eine Gunst von ihm erwarten.«

»Darüber muß der Lord Connetable selbst urteilen,« sagte Eveline; »ich habe – bis jetzt wenigstens – kein Recht, mich in seine Familienangelegenheiten zu mischen, und wenn ich je ein solches Recht erlangen sollte, so wird es mir geziemen, mich seiner mit größter Vorsicht zu bedienen,«

»Das heißt klug geantwortet,« erwiderte Randal. »Aber was ich von Euch erbitte, ist weiter nichts als, daß es Euch bei Eurer Güte belieben möchte, meinem Vetter ein Gesuch vorzutragen, wozu ich meine rauhe Zunge nicht zwingen kann, es mit hinlänglicher Unterwürfigkeit auszusprechen. Die Wucherer, deren Forderungen in meinem Vermögen wie ein Krebs um sich gefressen haben, bedrohen mich jetzt mit dem Kerker: eine Drohung, die sie nicht einmal munkeln, viel weniger auszuführen versuchen dürfen, sähen sie mich nicht als einen Ausgestoßenen an, dem aller Schutz versagt ist, als einen Vagabunden, ohne Freund und Verwandten, statt eines Abkömmlings aus dem mächtigen Hause de Lacy.«

»Es sind das traurige Umstände,« erwiderte Eveline; »nur sehe ich nicht, wie ich Euch in dieser Not helfen kann.«

»Sehr leicht,« sagte Randal de Lacy. »Wie ich höre, ist der Tag Eurer Verlobung festgesetzt, und Ihr habt das Recht, die Zeugen zu dieser Festlichkeit, die alle Heiligen segnen mögen, zu wählen! Jedem andern außer mir ist An- oder Abwesenheit dabei eine bloße Sache der Zeremonie; für mich bedeutet es Leben oder Tod. In meiner Lage würde ein so auffallender Beweis von Nichtachtung oder Geringschätzung, wie es meine Ausschließung von dieser Familien-Zusammenkunft wäre, als das Zeichen meiner gänzlichen Verstoßung aus dem Hause der de Lacy erscheinen. Tausende von Bluthunden werden dann ohne Gnade und Schonung über mich herfallen, die, Memmen wie sie sind, auch nicht der geringste Beweis von Rücksicht meines mächtigen Vetters gegen mich zwingen möchte, es auch nur beim Bellen zu lassen. – Doch warum soll ich durch dergleichen Reden Euch Eure Zeit rauben? – Lebt wohl, meine Dame! – Seid glücklich, und denkt nicht darum strenger von mir, weil ich auf einige Minuten Eure angenehmen Gedanken durch die aufgedrungene Schilderung meines Unglücks unterbrochen habe.«

»Verweilt, Sir!« sagte Eveline, durch den Ton und die Weise des Bittstellers ergriffen, »Ihr sollt nicht sagen können, daß Ihr Evelinen Berenger Euer Leid geklagt habt, ohne all die Hilfe erlangt zu haben, die in ihrer Gewalt stand. Ich werde dem Connetable Euer Gesuch vortragen.« »Ihr müßt mehr tun, wenn Ihr wirklich mir beizustehen geneigt seid,« sagte Randal de Lacy, »Ihr müßt es zu Eurem eigenen Gesuch machen ... Ihr wißt nicht,« fuhr er fort mit festem, bedeutsamem Blicke, »wie schwer es ist, den Willen eines de Lacy zu ändern. – Ein Jährchen später werdet Ihr wahrscheinlich bessere Bekanntschaft mit der Unerschütterlichkeit unserer Entschließungen gemacht haben. Aber jetzt – was kann Euren Wünschen widerstehen, sobald Ihr sie auszusprechen geruht?«

»Euer Gesuch, Sir, soll nicht aus Mangel meiner Empfehlung durch gute Worte und gute Wünsche fehlschlagen,« entgegnete Eveline; »aber Ihr dürft nicht vergessen, daß Gelingen oder Fehlschlagen einzig vom Connetable abhängt.«

Randal de Lacy beurlaubte sich mit demselben Anschein tiefer Ehrerbietung, mit dem er eingetreten war; nur daß er, statt wie zuvor den Saum von Evelinens Gewand zu küssen, nun ihre Hand mit seinen Lippen berührte. Mit gemischten Empfindungen, in denen jedoch das Mitleid vorherrschte, sah sie ihn gehen, obwohl in seinen Klagen über des Connetables Unfreundlichkeit etwas Beleidigendes lag und das Geständnis seiner Torheiten mehr verwundeten Stolz als Reue auszudrücken schien.

Sobald Eveline den Connetable wiedersah, erzählte sie ihm von Randals Besuch und von seiner Bitte; sie gab dabei auf seine Miene genau acht und bemerkte, daß bei der ersten Erwähnung des Namens seines Vetters Zornesglut sein Gesicht überflog. Doch unterdrückte er den Zorn bald, richtete den Blick auf den Boden, horchte genau auf den umständlichen Bericht Evelinens von diesem Besuch und auf ihre Bitte, daß Randal einer von den zu ihrem Verlöbnis eingeladenen Gästen sein möchte.

Der Connetable schwieg einen Augenblick, als ob er überlegte, wie er diese Bitte abweisen sollte. Endlich antwortete er: »Ihr kennt den nicht, für den Ihr Euch verwendet, sonst würdet Ihr Eure Fürbitte unterlassen haben; ebensowenig ist Euch das volle Gewicht der Gunst selbst bekannt, aber mein verschmitzter Vetter weiß es sehr wohl, daß, wenn ich sie ihm gewähre, ich mich gleichsam noch einmal vor den Augen der Welt verpflichte – und das ist dann schon zum drittenmal, daß ich mich seiner Angelegenheiten annehme und sie so regle, daß er Mittel hat, sein gefallenes Ansehen wieder herzustellen und seine zahllosen Verirrungen wieder gut zu machen.« »Und warum nicht, Mylord?« sagte die großmütige Eveline. »Hat er sich nur durch Torheiten ins Unglück gebracht, so ist er ja jetzt in dem Alter, wo diese ihm nicht mehr Fallen legen werden. Wenn daher nur Herz und Hand gut sind, so kann er doch noch dem Hause de Lacy Ehre machen.«

Der Connetable schüttelte den Kopf und sagte: »Wohl besitzt er Herz und Hand, aber Gott mag wissen, ob zum Guten oder zum Bösen. Doch nie soll es heißen, daß Ihr, meine schöne Eveline, irgend etwas von Hugo de Lacy begehrt hättet, was er nicht auf das möglichste zu erfüllen gesucht hätte. Randal soll bei unseren fiançailles zugegen sein. Zu seiner Gegenwart ist um so mehr Grund, da ich fast fürchte, wir werden die unsers werten Neffen Damian entbehren müssen, dessen Krankheit mehr zu- als abnimmt und, wie ich höre, mit sonderbaren Symptomen ungewohnter Geisteszerrüttungen und heftiger Anwandlungen, denen nie ein Jüngling weniger als er unterworfen war, verbunden sein soll.

Ende des ersten Bandes.


 << zurück