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Zehntes Kapitel.

Während all dieses im Schloßhofe vorging, erhielt der junge Squire Damian Lacy Zutritt zu Eveline Berenger, wie er erbeten hatte. Sie empfing ihn in der großen Halle des Schlosses, sitzend unter dem Thronhimmel oder Baldachin, von Rosa und andern weiblichen Dienerinnen umgeben, von welchen jedoch die erstere allein das Recht hatte, sich eines Taburetts oder eines kleinen Stuhls in ihrer Gegenwart zu bedienen; so genau behaupteten die normannischen Jungfrauen vom Stande ihre Rechte auf hohen Rang und gewisse Observanzen dabei.

Der Jüngling ward von dem Beichtiger und Flammock eingeführt, da die geistliche Würde des einen und das Amt, welches ihr verstorbener Vater dem andern anvertraut hatte, sie berechtigte, bei dieser Gelegenheit gegenwärtig zu sein. Sehr natürlich errötete Eveline, als sie zwei Schritt vortrat, den schönen jugendlichen Abgesandten zu empfangen; und ansteckend schien ihre Beschämtheit, denn auch bei Damian geschah es nicht ohne Verwirrung, bah er nach Gebrauch ihre Hand küßte, welche sie als Zeichen des Willkommens ihm entgegenstreckte. Es war notwendig, daß Eveline zuerst sprach.

»Wir kommen Euch so weit entgegen, als unsere Grenzen es erlauben,« sagte sie, »mit unserm Dank den Boten zu begrüßen, welcher uns die Kunde von unserer Rettung bringt. Wir sprechen, wenn wir uns nicht irren, zu dem edlen Damian von Lacy?«

»Zu den demütigsten unter Euren Dienern,« antwortete Damian, nur mit Mühe den höfischen Ton annehmend, den sein Auftrag und jetziges Amt erforderte, »der sich Euch nahet im Auftrag seines edlen Oheims, Hugo de Lacy, Connetable von Chester.«

»Wird unser edler Befreier nicht in Person mit seiner Gegenwart den armen Ort beehren, den er gerettet hat?«

»Mein edler Verwandter,« antwortete Damian, »ist jetzt Gottes Söldner und ist jetzt durch ein Gelübde verpflichtet, nicht unter ein Dach zu kommen, bevor er sich zum heiligen Lande einschifft. Durch meine Stimme wünscht er Euch Glück zur Niederlage Eurer wilden Feinde, und sendet Euch diese Zeichen, daß die Gefährten und Freunde Eures edlen Vaters seinen beklagenswerten Tod nicht viele Stunden ungerächt gelassen.« Mit diesen Worten zog er die goldenen Armbänder und den Endorchawy oder die Kette von goldenen Ringen hervor, welche den Rang des Walliser Fürsten bezeichnet hatte, und legte sie vor Evelinen hin.

»So ist Gwenwyn gefallen?« sagte Eveline und ein natürlicher Schauder kämpfte mit ihr mit dem Gefühl der befriedigten Rache, als sie bemerkte, daß diese Trophäen mit Blut bespritzt waren – »der Mörder meines Vaters ist nicht mehr!«

»Meines Verwandten Lanze durchbohrte den Briten, als er bemüht war, sein fliehendes Volk zu sammeln. – Er starb gräßlich unter der Waffe, welche mehr als eines Armes Länge durch seinen Körper gedrungen war, und wandte noch seine letzte Kraft Zu einem wütenden, aber wirksamen Streich mit seiner Keule an.«

»Der Himmel ist gerecht,« sagte Eveline, »mögen die Sünden dem Manne des Bluts vergeben sein, da er gefallen ist durch einen so blutigen Tod, – Eine Frage möchte ich Euch vorlegen, edler Herr! – Meines Vaters Gebeine –-« Sie hielt inne, unfähig, fortzufahren.

»Die nächste Stunde wird sie Eurer Verfügung anheimstellen, sehr verehrte Lady,« sagte der Squire in dem Tone des innigen Mitgefühls, welchen der Kummer einer so jungen und schönen Waise unwiderstehlich in ihm hervorrief – »Vorbereitungen, wie sie die Zeit erlaubt, wurden eben, als ich das Heer verließ, gemacht, das was sterblich ist von dem edlen Berenger, von dem Felde hierher zu bringen, wo wir ihn fanden, mitten auf einem Monument von Erschlagenen, welches sein eigenes Schwert sich errichtet hatte. Meines Verwandten Gelübde erlaubt ihm nicht, durch Euer Fallgatter zu gehen, aber mit Eurer Erlaubnis werde ich, wenn Ihr es vergönnt, seine Stelle bei dieser ehrenvollen Bestattung vertreten, wie ich von ihm dazu den Auftrag erhielt,«

»Mein tapferer und edler Vater,« sagte Eveline und bemühte sich, ihre Tränen zurückzuhalten, »wird am besten durch den tapfern Squire betrauert werden.« Sie wollte fortfahren, aber die Stimme versagte ihr, und sie sah sich genötigt, sich plötzlich hinweg zu begeben, sowohl ihrem Schmerze freien Lauf zu gewähren, als auch für das Begräbnis soviel Feierlichkeiten anzuordnen, als die Umstände erlauben würden. Damian verbeugte sich vor der davonschreitenden Trauernden so demütig, als er es vor einer Gottheit getan haben würde; nun bestieg er sein Pferd und kehrte zu seines Oheims Heer, welches auf dem Schlachtfelde schnell ein Lager aufgeschlagen hatte.

Die Sonne stand nun schon hoch, und die ganze Gefahr zeigte ein Getümmel, gleich verschieden von der Einsamkeit des frühen Morgens und dem Geheul und der Wut des darauffolgenden Gefechtes. Die Nachricht von Hugo de Lacys Sieg hatte sich allenthalben mit der Schnelligkeit des Triumphes verbreitet und hatte viele von den Bewohnern der Gegend, die vor der Wut des Wolfes von Plinlimmon geflohen waren, bewogen, zu ihren verwüsteten Wohnungen zurückzukehren. Auch eine Menge von den liederlichen Herumtreibern, welche in einem Lande, das öfter Kriegeswechsel unterworfen wird, gewöhnlich im Ueberfluß vorhanden sind, hatten sich hier gesammelt, teils Beute zu machen, teils ihre rastlose Neugierde zu befriedigen. Die Juden und die Lombarden, welche Gefahr nicht achteten, wo etwas zu gewinnen war, konnte man sehen, wie sie Getränke und Waren unter den siegreichen Kriegern mit den blutgefleckten goldenen Zieraten vertauschten, die noch kurz zuvor erschlagene Briten getragen hatten. Andere machten die Mäkler zwischen den wälschen Gefangenen und denen, welche sie gefangen genommen hatten, und wo sie auf die Mittel und die Ehrlichkeit der ersten sich verlassen konnten, sagten sie gut für sie oder schossen ihnen die zu ihrer Auslösung nötigen Summen in barem Gelde vor; während ein noch größerer Teil dieser Klasse von Menschen, selbst Käufer solcher Gefangenen wurden, die sich nicht gleich imstande sahen, sich mit ihren Siegern abzufinden.

Damit ein so erworbenes Geld den Krieger nicht lange beschwerte und ihm den Mut zu ferneren Unternehmungen lähmte, waren die gewöhnlichen Mittel zur Verschwendung des im Kriege Erbeuteten auch zugleich zur Hand. Leichtfertige Dirnen, Gaukler, Taschenspieler, Minstrels, Volkssänger jeder Gattung, hatten den nächtlichen Zug begleitet, und auf den kriegerischen Ruf des weltberühmten de Lacy sich verlassend, waren sie ohne Furcht in einer kleinen Entfernung zurückgeblieben, bis die Schlacht gefochten und gewonnen war. Diese nahten sich jetzt in verschiedenen fröhlichen Gruppen, den Siegern Glück zu wünschen. Dicht an diesen Haufen, welche zum Tanze, zum Gesange, zur Erzählung auf dem noch immer blutigen Felde Anstalt machten, waren die Landleute zu der Absicht herbeigerufen, lange Gräben zu ziehen, um die Toten hineinzulegen. Aerzte sah man die Verwundeten verbinden – Mönche und Priester der Sterbenden Beichte hören – Soldaten die Körper der geehrteren Krieger unter den Erschlagenen davontragen – Landleute über ihre zerstampften Saaten und ihre ausgeplünderte Wohnung trauern – Witwen und Waisen unter den gemischten Leichnamen zweier Schlachten die Körper ihrer Männer und Väter suchen. – So mischte der Schmerz seine wildesten Töne mit denen des Jubels und Triumphes, und die Ebene von Garde Douloureuse lieferte ein wahres Bild von dem wechselvollen Labyrinth des menschlichen Lebens, wo Freude und Traurigkeit so wunderbar untereinander gemischt sind, und wo die Grenzen der Fröhlichkeit und des Vergnügens so oft die der Sorge und des Todes berühren.

Um die Mittagszeit schwieg mit einemmale alles dieses Geräusch, und die Aufmerksamkeit der Fröhlichen wie der Trauernden wurde durch den lauten und trauervollen Ton von sechs Trompeten festgehalten, welche, weitschallend, ihre durchbohrenden Tone in eine graue, melancholisch dahinsterbende Note vereinigend, allen verkündigten, die Leichenfeier des tapfern Raymond Berenger beginne nunmehr. Aus einem Zelte, welches eilig zur Aufnahme des Körpers errichtet worden war, schritten zwölf schwarze Mönche, die Bewohner eines benachbarten Klosters, paarweise hervor, angeführt von ihrem Abte, welcher ein großes Kreuz trug und die erhabenen Töne des katholischen misere me Domine! donnernd erschallen ließ. Dann erschien eine auserwählte Schar Bewaffneter, ihre Lanzen mit zur Erde gekehrter Spitze nach sich schleppend; ihnen folgte die Leiche des tapfern Berenger, gewickelt in sein eigenes ritterliches Banner, welches, aus der Hand der Wälschen wiedergewonnen, nun dem edlen Eigentümer statt des Leichentuches diente. Die tapfersten Ritter aus dem Haushalt des Connetable (denn gleich andern Großen vom Adel in dieser Periode hatte er diesen auf einen Fuß eingerichtet, der dem königlichen sich näherte) schritten als Leidtragende oder als Stützen der Leiche, welche auf Lanzen getragen wurde, einher; und der Connetable selbst, allein und in völliger Rüstung das Haupt ausgenommen, folgte als Hauptleidtragender. Eine auserwählte Schar von Schildknappen, Reisigen und Pagen edler Abkunft machte den Schluß der Prozession; während die Trommeln und Trompeten von Zeit zu Zeit den melancholischen Gesang der Mönche mit ebensolchen Trauerklängen wiederholten.

Der Freude Flug war gehemmt; aber auch die Sorge wandte sich für einen Augenblick von dem eigenen Schmerze ab, die letzten Ehrbezeigungen zu beschauen, die dem erwiesen würden, welcher während seines Lebens der Vater und Beschützer seiner Untergebenen war.

Die traurige Prozession zog sich langsam durch die Ebene, welche in wenigen Stunden der Schauplatz so ganz verschiedener Ereignisse war; nun hielt sie still vor dem äußern Tore der Barriere und lud durch einen langgedehnten feierlichen Trompetenstoß die Festung ein, die Ueberbleibsel ihres tapfern Verteidigers aufzunehmen. Die Aufforderung wurde von des Turmwächters Horn beantwortet – die Zugbrücke sank – das Fallgitter stieg – und Pater Aldrovand erschien in der Mitte des Einganges, angetan mit seinem priesterlichen Gewande, und wenige Schritt hinter ihm stand das verwaiste Fräulein, in solchen Trauerkleidern, als die kurze Zeit es zuließ, unterstützt von ihrer Dienerin Rosa, und umgeben von dem weiblichen Teil ihres Haushalts. Der Connetable von Chester machte Halt auf der Schwelle des äußern Tores, und auf das Kreuz von weißem Zeuge auf seiner linken Schulter zeigend, verneigte er sich tief und übergab seinem Neffen Damian den Auftrag, die Ueberbleibsel von Raymond Berenger zur Schloßkapelle zu begleiten. Die Krieger Hugo de Lacys, von welchen die meisten dasselbe Gelübde mit ihm getan hatten, hielten auch außerhalb des Burgtores und blieben unter den Waffen, während das Totengeläute der Schloßglocke das innere Fortschreiten des Zuges verkündigte.

Er wand sich durch die engen Eingänge, welche kunstgemäß angelegt waren, das Fortschreiten des Feindes, dem es gelungen sein sollte, das Außentor zu erstürmen, zu unterbrechen – und gelangte endlich in den großen Schloßhof, wo die meisten von den Bewohnern der Festung und die, welche unter den letzten Umständen ihre Zuflucht hierher genommen, sich aufgestellt hatten, um zum letzten Male ihren dahingeschiedenen Herrn zu sehen. Unter diese hatten sich auch viele von dem bunten Haufen draußen gemischt, welche Neugierde oder die Hoffnung einer Austeilung zum Schloßtor geführt hatte, und welche durch eine oder die andere Vorstellung von der Wache die Erlaubnis erhalten hatten, ins Innere hineinzugehen.

Die Leiche wurde vor der Tür der Kapelle, deren alter gotischer Giebel die eine Seite des Schloßhofes bildete, niedergesetzt, so lange gewisse Gebete von den Priestern hergesagt wurden, von denen man voraussetzte, daß die Menge umher mit geziemender Ehrerbietung einstimmte.

In diesem Zwischenraume geschah es, daß ein Mann, dessen Spitzbart, gestickter Gürtel und hoher grauer Filzhut ihm das Aussehen eines lombardischen Kaufmannes gaben, sich an Margery, die Amme Evelinens, wandte und ihr in einer fremden Aussprache zuflüsterte: »Ich bin ein reisender Kaufmann, gute Schwester, ich bin hierher gekommen, einen guten Handel zu machen – könnt Ihr mir nicht sagen, wo ich hier im Schlosse einen guten Kunden finde?«

»Ihr seid zu einer schlechten Zeit gekommen, Herr Fremder – Ihr könnt es ja selbst sehen, daß hier ein Ort zum Trauern und nicht zum Handeln ist.«

»Doch haben Trauerzeiten ihren eigenen Handel,« sagte der Fremde, sich noch näher an Margery andrängend und seine Stimme zu einem noch vertraulicheren Ton hinabstimmend: »ich habe schwarze Schleier aus persischer Seide – schwarze Korallen, womit eine Prinzessin einen verstorbenen Monarchen betrauern könnte – Trauerflor, wie er noch selten aus dem Morgenlande herkam – schwarzes Zeug aus Trauertapeten – alles, was Kummer, was Verehrung ausdrückte in Mode und Anzug – und ich weiß denen dankbar zu sein, die mir zu Kunden verhelfen, – Kommt, besinnt Euch, gute Dame – solche Dinge muß man ja haben. – Ich verkaufe gute Ware und so wohlfeil, wie ein andrer – und ein Mieder für Euch selbst oder, wenn's Euch lieber ist, ein Beutelchen mit fünf Florin soll der Lohn für Eure Gefälligkeit sein.«

»Ich bitte Euch, laßt mich zufrieden, Freund,« sagte Margery, »und wählt eine bessere Zeit, Eure Waren anzupreisen – Ihr überseht hier Ort und Zeit, und hört Ihr nicht auf. Euch aufzudringen, so muß ich mit denen reden, die Euch zeigen werden, wie es draußen vor dem Tore aussieht. Ich wundere mich, daß die Wächter an einem solchen Tage Hausierer einlassen. Sie würden noch an dem Sterbebette ihrer Mutter Handel treiben, glaube ich.« – Mit diesen Worten wandte sie sich verächtlich von ihm.

Während der Kaufmann so auf der einen Seite zornig abgewiesen war, fühlte er auf der andern, daß an seinem Rocke einmal über das andere Mal gezupft wurde, und als er auf dieses Zeichen sich umsah, ward er eine Frau gewahr, deren schwarzes Schleiertuch so künstlich geordnet war, einen Schein von feierlichem Ernst, leichtfertigen, lachenden Gesichtszügen zu geben, die in jüngern Jahren sehr einnehmend gewesen sein mußten, da sie noch, seitdem wenigstens vierzig Jahre über sie weggezogen sein mochten, noch manchen Reiz besaßen. Sie gab dem Kaufmanne einen Wink und berührte zugleich ihre Lippe mit dem Zeigefinger, ihm Stillschweigen und Geheimnis anzudeuten; dann schlüpfte sie aus dem großen Haufen, zog sich in einen kleinen Winkel zurück, den ein vorspringender Strebepfeiler der Kapelle bildete, gleichsam das Gedränge zu vermeiden, welches zu erwarten war, wenn die Bahre wieder aufgehoben wurde. Der Kaufmann verfehlte nicht, ihrem Beispiel zu folgen, und war bald an ihrer Seite, wo sie ihm nicht weiter Mühe machte, ihr sein Anliegen zu eröffnen, sondern die Unterredung selbst begann. »Ich habe gehört, was Ihr der Dame Margery gesagt habt – die manierliche Margery, wie ich sie nenne – wenigstens so viel gehört, daß ich das übrige erraten kann; denn ich habe ein Auge im Kopfe – dafür sage ich Euch gut.«

»Sogar ihrer zwei, meine schöne Frau, und so glänzend wie die Tautropfen eines Maimorgens.« »Ach! Ihr sagt das, weil ich geweint habe,« sagte die scharlachbestrumpfte Gillian, denn sie war die Redende. »Und ganz gewiß, ich habe auch gute Ursache dazu; denn unser Herr war immer ein sehr guter Herr, und er faßte mich zuweilen unter das Kinn und nannte mich die schelmische Gillian von Croydon – nicht, daß der gute Herr je unhöflich gewesen wäre, er warf mir wohl dabei ein paar Silberpfennige in die Hand – o, was habe ich für einen Freund verloren, und ich habe auch oft Aerger seinetwegen gehabt. Ich habe den alten Raoul sauer wie Essig gesehen, und zu keiner Stelle besser geschickt, als in den Hundestall auf den ganzen Tag; aber, wie ich es ihm auch sagte, es geziemte doch nicht, unsern Herrn und einen großen Baron anzufahren, bloß eines Griffs an das Kinn oder eines Kusses oder etwas dem Aehnlichen wegen.«

»Es ist kein Wunder, daß Ihr eines so freundlichen Herrn wegen traurig seid, Dame,« sagte der Kaufmann.

»Kein Wunder, in der Tat,« erwiderte die Dame mit einem Seufzer, »und dann, was soll nun aus uns werden? Es ist sehr wahrscheinlich, daß unsere junge Gebieterin zu ihrer Tante geht – oder sie heiratet einen von diesen Lacys, wovon sie so viel reden – oder auf jeden Fall, sie wird das Schloß verlassen. Dann ist es sehr wahrscheinlich, daß der alte Raoul und ich mit des Lords alten Pferden auf die Weide gehen können. – Der Herr weiß es, sie mögen meinetwegen den Raoul mit den alten Hunden aufhängen, denn er ist weder zum Laufen mehr, noch zum Greifen zu gebrauchen, kurz, er taugt nichts mehr auf der Erde, so viel ich weiß.«

»Eure junge Herrin ist die Lady da im Trauermantel,« sagte der Kaufmann, »welche soeben beinahe auf den Leichnam hingesunken war?«

»Wohl ist sie das, Herr! und sie hat Ursache genug, niederzusinken. Ich bin gewiß, sie kann lange suchen, um einen solchen Vater wiederzufinden.«

»Ich sehe, Ihr seid eine sehr verständige Frau, Gevatterin Gillian,« antwortete der Kaufmann. »Und jener junge Mann, der sie unterstützt, ist Ihr Bräutigam?«

»Es tut Ihr wohl nötig, daß einer sie unterstützt,« sagte Gillian, »und so auch mir, denn was kann der arme alte rostige Raoul tun?«

»Aber wie ist es mit der Hochzeit der jungen Lady?« sagte der Kaufmann. »Niemand weiß mehr davon, als daß solch ein Ding unterhandelt wurde zwischen unserm verstorbenen Herrn und dem großen Connetable von Chester, der gerade noch heute zur rechten Zeit ankam, die Walliser abzuhalten, daß sie nicht uns allen die Gurgeln abschnitten und, der Herr weiß, noch viel anderes Unheil anrichteten. – Aber von einer Heirat ist die Rede, das ist gewiß – und viele Leute meinten, es geht auf den glattbäckigen Knaben Damian, wie sie ihn nennen; denn obgleich der Connetable schon zum Bart gekommen ist, so ist doch schon zuviel graues darunter für ein Bräutigamskinn, – Ueberdies zieht er in den heiligen Krieg – der beste Platz für alle alternden Soldaten, ich wollte, er nähme den Raoul mit sich! – Aber was hat das alles mit dem zu schaffen, was Ihr vorhin über Eure Trauerwaren sagtet? – Es ist doch recht traurig, daß mein armer Herr dahingeschieden ist – doch, was ist zu tun? – Ei, nun, Ihr kennt das gute alte Wort:

Kleider brauchen wir,
Braten auch und Bier –
Trägt man uns gleich tot von hier.

Was nun Euren Handel anbetrifft, bin ich imstande, Euch ebenso mit einem guten Worte zu helfen wie die manierliche Margery, wenn Ihr was Artiges dafür bietet. Denn stehe ich auch nicht so bei der Lady in Gunsten, so kann ich den Haushofmeister mir doch um den Finger wickeln.«

»Nehmt dies als einen Teil Eures Gewinns, meine hübsche Frau Gillian,« sagte der Kaufmann, »und wenn meine Waren ankommen, werde ich Euch reichlicher bedenken, falls ich durch Eure Empfehlung gute Geschäfte mache, – Aber wie soll ich wieder in die Burg hineinkommen? Denn, da Ihr eine so verständige Frau seid, so wünschte ich sehr, Euch zu Rate zu ziehen, ehe ich mein Gepäck hineinschleppe,«

»Ei nun,« antwortete die gefällige Dame, »wenn unsere Englischen auf der Wache sind, so dürft Ihr nur nach Gillian fragen, da werden sie gleich einem einzelnen Mann das Pförtchen öffnen; denn wir Engländer stecken immer zusammen, wäre es auch nur den Normännern zum Trotz; – aber wenn ein Norman auf der Wache ist, so müßt Ihr nach dem alten Raoul fragen und vorschützen, Ihr hättet Hunde und Falken zu verkaufen, und ich bin Euch gut dafür, auf dem Wege bekommt Ihr mich auch zu sprechen. Ist die Schildwache ein Flamländer, so dürft Ihr bloß sagen, Ihr seid ein Kaufmann, und er läßt Euch, aus Vorliebe zum Handel, herein.« Der Kaufmann wiederholte die Versicherung seiner Dankbarkeit, schlich sich von ihrer Seite weg und mischte sich unter die Zuschauer; sie wünschte sich Glück, ihrer natürlichen Gesprächigkeit gefolgt zu sein und durch ihr Plaudern, das ihr sonst bei andrer Gelegenheit sehr teuer zu stehen gekommen war, einige Gulden gewonnen zu haben.

Das Schweigen des dumpfen Geläutes von der Schloßglocke zeigte jetzt an, daß der edle Raymond Berenger in der Gruft seiner Väter aufgenommen worden sei. Der Teil der Leichenbegleiter, welche vom Heere de Lacys mitgekommen war, begab sich nun nach der Schloßkapelle, wo man mit Mäßigkeit die Erfrischungen genoß, welche als ein Leichenmahl ihnen dargeboten wurden. Unmittelbar darauf verließen sie, an ihrer Spitze der junge Damian, das Schloß auf dieselbe langsame und melancholische Weise, wie sie hineingezogen waren. Die Mönche blieben im Schlosse, um wiederholte Seelenmessen für den Verstorbenen und für die Treuen, welche um ihn her gefallen waren, zu lesen. Die letztern waren während und nach der Schlacht mit den Wallisern so verstümmelt worden, daß es fast unmöglich war, ein Individuum von dem andern zu unterscheiden, sonst würde gewiß der Körper von Dennis Morolt, wie seine Treue es wohl verdiente, die Ehre eines besonderen Begräbnisses erhalten haben.


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