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Viertes Kapitel.
Die Einladung.

So glänzen Maler unter Co's Erzeugten.

Prior.

Das Geräusch, welches nach aufgehobener Tafel in einem Gastzimmer erfolgt, hatte sich gelegt, das Klappern der Teller, Messer und Gabeln, – das geschäftige Hin- und Herlaufen der aufwartenden plumpen Bauernlümmel, die einander an die Beine stoßen, und sich zanken, weil drei auf einmal zur Thüre hinaus wollen, das Klirren der Gläser und Becher, die im Tumult zur Erde fallen, – das Gequink der Wirthin, – die nicht lauten, aber derben Flüche des Wirths – alles war vorüber, und diejenigen aus der Gesellschaft, welche Bediente hatten, waren von ihren Ganymeden mit so viel Ueberbleibseln von Wein und geistigen Getränken u. s. w. bedient worden, als besagte Ganymede nicht vorher ausgetrunken hatten, während die übrigen, zu solcher Observanz von Herrn Winterblossom abgerichtet, geduldig warteten, bis des würdigen Vorsitzers besondere und mannigfaltige Aufträge von einem flinken, jungen Mädchen und einem unbeholfenen Buben, den gewöhnlichen Aufwärtern im Hause, vollzogen waren, die aber Niemand bedienen durften, bis er, wie der Hymnus sagt:

Mit allem Nöthigen versehen war.

»Und, Dinah, – meine Flasche bleichen Xeres, Dinah, – stell' ihn auf diese Seite, – das ist ein gutes Mädchen, – und, Tobies, spüle meinen Krug mit heißem Wasser, – mit siedendem, – verschütte es nicht auf Lady Penelope, wenn du es im Stande bist, Tobies.«

»Nein, nein, – die Lady ist heute schon im Warmbad gewesen,« sagte der Squire, ein Sarkasmus, den die Lady nur mit einem verachtenden Blick erwiederte.

»Und, Dinah, bring' den Zucker, – den weichen, ostindischen Zucker, Dinah, – und eine Citrone, Dinah, eine von denen, die heute frisch kamen, – geh', hole sie, Tobies, und falle nicht die Treppe hinab, wenn es dir möglich ist, und, Dinah, – halt, Dinah, – die Muskatnuß, Dinah, – und den Ingwer, mein liebes Kind, – und, Dinah, leg' mir einmal das Kissen hinter meinen Rücken, – und gib mir den Fußschemel, meine Zehe ist von dem Morgenspaziergang mit der Lady auf das Belvedere etwas schlimmer geworden.«

»Und, Dinah,« – fuhr der Vorsitzer fort, »heb' mein Schnupftuch auf, – und – ein wenig Biscuit, Dinah, – und – sonst brauche ich wohl nichts mehr. – Sieh' nach der Gesellschaft, mein gutes Mädchen. – Ich habe die Ehre, auf die Gesundheit der Gesellschaft zu trinken. – Wollen Eure Herrlichkeit mir die Ehre anthun, und ein Glas Negus von mir annehmen? – Ich lernte den Negus machen von des alten Dartineuf's Sohn. Er nahm immer ostindischen Zucker, und setzte Tamarinden hinzu, – es erhöht den Duft ungemein. Dinah, sorge doch, daß dein Vater nach Tamarinden schickt, – Dartineuf verstand das Ding so gut, wie sein Vater, – ich traf ihn zu Bath im Jahre – – laßt doch sehen – Garrick nahm eben Abschied, und das war im Jahr u. s. w. u. s. w. Was ist denn das Dinah?« sagte er, als sie ihm eine Rolle Papier einhändigte.

»Etwas, das Nelly Traber (die trabende Nelly, wie die Gesellschaft sie nannte) von einem Zeichner brachte, der bei dem Weibe (so plump beschrieb der winzige Aufschößling die ehrwürdige Meg Dods) droben in der Altstadt in der Hakenschenke lebt,« – ein Name, beiläufig gesagt, den das Wirthshaus von dem Gebrauch erhalten hatte, den der Heilige von seinem Krummstab machte.

»Wirklich, Dinah?« sagte Herr Winterblossom, indem er ernst seine Brille herausnahm, und sie abwischte, ehe er das Papier aufrollte; »das Geschmier eines Jungen vermuthlich, den Papa und Mama gern in der Pflegschule haben möchten, und um etwas zu sparen, herumschicken, – aber ich bin ganz ausgebeutelt, – ich brachte im vorigen Jahr drei Jungen an, und hätt' ich mich nicht ganz besonders bei dem Sekretär verwendet, der mich hie und da um meine Meinung fragt, so hätte ich es nicht einmal möglich machen können. Aber eine Hand wäscht die andere, sage ich immer. – Ei, in des Teufels Namen, was ist denn das? – Da ist Kraft und Haltung, – wer kann das sein, Mylady? – seht nur diese Schattenstriche, das ist ja etwas, – etwas, – etwas ausgesucht Schönes. Wer Teufel kann denn das sein? und wie gerieth er nur in das Hundeloch in der Altstadt zu dieser keifenden – – ich bitte Euer Herrlichkeit tausendmal um Verzeihung, – die dort haust?«

»Ich glaube, Mylady,« sagte ein kleines, vierzehnjähriges Fräulein, deren Augen immer runder und größer, und deren Wangen immer röther und röther wurden, als sie inne ward, daß sie allein sprach, und so viele Leute zuhörten, – »o ja, das ist derselbe Herr, den wir neulich im Unterwalde trafen; er sah aus, wie ein vornehmer Herr, war aber nicht aus der Gesellschaft, und Ihr sagtet, es sei ein schöner Mann.«

»Ich sagte nicht schön, Maria,« erwiederte Ihre Herrlichkeit, »Damen sagen nie, Männer seien schön, – ich sagte bloß, er sehe artig und interessant aus.«

»Und dieß, Mylady,« sagte der junge Pfarrer lächelnd und mit einer Verbeugung, – »ich berufe mich auf die Gesellschaft, dieß ist das schmeichelhaftere Compliment, – wir werden nun eifersüchtig auf diesen Unbekannten sein.«

»Ja, aber,« fuhr die süßgeschwätzige Maria theils mit wahrer, theils mit angenommener Einfalt fort, – »Eure Herrlichkeit vergißt, – denn Ihr sagtet gleich darauf, er sei gewiß kein Mann von Stande, denn er lief Euch nicht mit dem Handschuh nach, den Ihr hattet fallen lassen, so ging ich nach dem Handschuh zurück, und er erbot sich gar nicht, mir zu helfen, und ich sah ihn näher, als Ihr, Mylady, und gewiß, er ist schön, wenn auch nicht sehr höflich.«

»Ihr sprecht ein wenig zu viel und zu laut,« sagte Lady Penelope, indem ein natürliches Roth die Nüance von Rouge erhöhte, welche gewöhnlich jenes entbehrlich machte.

»Was sagt Ihr dazu, Squire Mowbray?« fragte der zierliche Sir Bingo Binks.

»Eine hübsche Ausforderung, Sir Bingo,« antwortete der Squire; »wenn eine Dame den Handschuh hinwirft, kann ein Herr schon immer das Schnupftuch werfen.«

»Ich bin immer so glücklich, von Euch, Herr Mowbray, am besten verstanden zu werden,« sagte die Lady mit Würde. »Vermuthlich hat Fräulein Maria das allerliebste Geschichtchen zu ihrer Unterhaltung ersonnen. Ich kann es der Frau Diggs kaum danken, daß sie sie in eine Gesellschaft bringt, wo sie so viel Aufmunterung erhält, sich so zu benehmen.«

»Nun, nun, Mylady,« sagte der Vorsitzende, »Ihr müßt den Scherz durchlassen: und da dieß wirklich eine bewundernswürdige Zeichnung ist, so müßt Ihr uns schon mit Eurer Meinung beehren, ob die Gesellschaft schicklicherweise diesem Manne ein wenig entgegenkommen kann.«

»Meiner Meinung nach,« sagte Mylady noch immer mit glühendem Aerger, »sind schon genug Männer unter uns, – ich wünschte sagen zu können, feine Männer, – wie die Sachen stehen, sehe ich nicht, wie Damen zu St. Ronans etwas dabei zu thun haben können.«

Dieß war eine Weisung, die den Squire immer wieder zum guten Ton zurückbrachte, der ihm, wenn er wollte, wohl zu Gebot stand. Er bat die Lady um Verzeihung, bis sie ihm mit wiederkehrender guter Laune sagte, sie würde ihm nicht trauen, wenn er nicht als Bürgen seine Schwester mitbrächte.

»Flora, Mylady,« sagte Mowbray, »ist ein wenig eigensinnig, und ich glaube, Eure Herrlichkeit muß sich selbst die Mühe geben, sie in Eure Hände zu bringen. Was sagt Ihr zu einem Zigeunerzug nach meinem alten Hause? – Es ist eine Junggesellenwohnung, – Ihr dürft Euch also keine zu große Ordnung versprechen, aber Flora würde sich geehrt fühlen.« – –

Lady Penelope nahm den Vorschlag einer Gesellschaftspartie willig an, und völlig mit Mowbray ausgesöhnt, fragte sie, ob sie den fremden Künstler mitbringen dürfe, »vorausgesetzt,« sagte sie, mit einem Blicke auf Dinah, »daß er ein artiger Mann ist.«

Hier versicherte Dinah, der Herr bei Meg Dods sei ein ganz artiger, vornehmer Mann, und ein erläuterter Dichter dazu.

»Dinah!« sagte Lady Penelope, »du meinst ein berühmter Dichter.«

»Euer Herrlichkeit mag wohl Recht haben,« sagte Dinah mit einem Knixe.

Ein freudiges Leben der Ungeduld flog sogleich durch den ganzen ästhetischen Theil der Gesellschaft, und auch den übrigen war die Neuigkeit nicht ganz gleichgültig. Die ersten gehörten zu der Klasse, welche, wie der junge Askanius, immer auf einen gelbmähnigen Löwen ausgehen, aber überglücklich sind, wenn sie dann und wann einen großen Eber finden; und die andern, die alle ihre gewöhnlichen Angelegenheiten und anziehenden Gegenstände daheim gelassen, waren froh, aus dem unbedeutendsten Vorfall eine Sache von Wichtigkeit zu machen. Ein gewaltiger Dichter, sagten die erstern, wer konnte das wohl sein? Alle Namen wurden aufgeführt, – ganz Britannien durchforscht, von den hochländischen Bergen bis zu den cumberländischen Seen, – von Sydenham Lommon bis zum St. Jakobs-Platz, selbst die Gestade des Bosphorus wurden durchsucht nach einem Namen, dem dieß ausgezeichnete Beiwort zukommen könnte. Und dann außer einem berühmten Dichter noch ein so vortrefflicher Zeichner! wer könnte das sein? und alle die Maulaffen, die sonst nichts vorbringen konnten, hallten die Frage nach: »wer könnte das sein?«

Der Claretclub, der die auserwähltesten und festesten Anhänger Squire Mowbray's und des Baronets enthielt, – Leute, die eine Flasche Wein für das morgende Gelag aufheben wollten, wiewohl sie sich um die eine jener schönen Künste so wenig kümmerten, als um die andere, hatten doch ein eigenes Interesse, welches sich auf dasselbe Individuum bezog. –

»Ich meine, kleiner Sir Bingo,« sagte der Squire, »das ist derselbe Mensch, den wir am Sonnabend an der Weidenschlucht sahen, – er war sonderbar genug angezogen, und warf zwölf Ellen Angelschnur mit einer Hand, – das Ding fiel wie Distelwolle in's Wasser.«

»Uff!« antwortete der Angeredete im Tone eines Hundes, den das Halsband drückt.

»Wir sahen ihn den Lachs da drüben herausziehen,« – sagte Mowbray; »Ihr erinnert Euch, – ein netter Fisch war's, Flossen hatte der Kerl, – er wog gewiß achtzehn Pfund.«

»Sechszehn!« erwiederte Sir Bingo in eben dem Tone des Erstickens.

»Keine von Euern Possen, Bing!« sagte sein Zechbruder, – »eher achtzehn, als sechszehn!«

»Eher sechszehn, beim T…!«

»Wollt Ihr darauf der Gesellschaft ein Dutzend Flaschen zum Besten geben?« fragte der Squire.

»Hol' mich der …, nein,« krächzte der Baronet, »aber uns Beiden will ich's.«

»Dann sage ich, es gilt!« sprach der Squire.

Und »es gilt!« antwortete der Ritter, und heraus zogen sie die rothen Taschenbücher.

»Aber wer soll die Wette entscheiden?« fragte der Squire. – »Doch wohl das Genie selbst, man spricht davon, ihn hieher zu bitten, aber ich glaube, er wird sich um solche Kauze nicht viel kümmern.«

»Selber schreiben – John Mowbray,« sagte der Baronet.

»Ihr, Baronet! – Ihr schreiben? – zum Teufel, das werdet Ihr bleiben lassen, – Ihr werdet nicht schreiben.«

»Ich werde,« grölte Sir Bingo vernehmlicher, als vorher.

»Ei, Ihr könnt nicht!« sagte Mowbray. »Ihr habt ja in Eurem Leben keine Zeile geschrieben, als die, wofür Ihr in der Schule geprügelt wurdet.«

»Ich kann schreiben, – ich werde schreiben!« sagte Sir Bings. »Zwei gegen eins, ich werde.«

Dabei blieb es, denn die Berathungsbehörde der Gesellschaft überlegte reiflich, wie ein Verkehr mit dem geheimnißvollen Fremden am schicklichsten zu eröffnen sei, und Winterblossom's Stimme, deren von Natur feine Töne das Alter zum Falset ausgebildet hatte, rief der ganzen Gesellschaft zu: »Ordnung, Ordnung!« So mußten die Lärmgeister still sein, lehnten sich mit beiden Armen auf den Tisch, und bezeugten durch Husten und Gähnen ihre Gleichgültigkeit gegen die fraglichen Gegenstände, während die übrige Gesellschaft darüber verhandelte, als gälte es Leben und Tod.

»Ein Besuch eines der Herrn, – Herrn Winterblossom's, wenn er die Mühe übernehmen wollte – im Namen der Gesellschaft überhaupt,« meinte Lady Penelope, »würde wohl die nöthige Einleitung zu einer Einladung sein.«

Herr Winterblossom war ganz Ihrer Herrlichkeit Meinung, – und würde sehr gerne persönlicher Vertreter der Gesellschaft vom St. Ronans-Brunnen gewesen sein, – aber man müsse den Berg hinauf, – Ihre Herrlichkeit wisse, sein Tyrann, die Gicht sei im Anzuge, – es gäbe ja noch andere, jüngere Herrn, die würdiger wären, als er, der alte Vulcan, auf den Befehl der Damen zu fliegen, – da sei der tapfere Mars, der beredte Merkur.«

Bei diesen Worten verbeugte er sich gegen den Hauptmann Mac Turk und den ehrwürdigen Herrn Simon Chatterley, lehnte sich in seinen Stuhl zurück, und schlürfte seinen Negus mit dem selbstzufriedenen Lächeln eines Redners, der durch eine zierliche Rede sich eines beschwerlichen Auftrags überhoben hat. Zu gleicher Zeit steckte er, wahrscheinlich in einer Geistesabwesenheit, die Zeichnung ein, die an der Tafel herumgegangen, und wieder zum Vorsitzer zurückgekommen war, von dem sie ausging.

»Bei Gott, Madame,« sagte Mac Turk; »ich würde stolz darauf sein, Euer Herrlichkeit Befehle zu befolgen, – aber, bei Gott, ich rede nie Jemand zuerst an, der mich nicht angesprochen hat, ich müßte ihm denn Botschaft bringen von einem Freunde, oder etwas dergleichen.«

»Seht doch den alten Kunstkenner,« sagte der Squire zu dem Ritter. – »Er steckt die Zeichnung in die Tasche.«

»Frisch daran, John Mowbray, – tränkt's ihm ein,« flüsterte Sir Bingo.

»Ich bedanke mich schön, Sir Bingo,« sagte der Squire eben so leise. – »Winterblossom ist Einer von uns, – war wenigstens Einer von uns, und möchte sich's nicht gefallen lassen. Er hat seine Handgriffe noch immer, die zu seiner Zeit vortrefflich waren, und kann's mit dem Besten von uns aufnehmen, – aber halt, sie hetzen den Pfarrer.«

Wirklich war man von allen Seiten bemüht, Herrn Chatterley zum Besuche bei dem unbekannten Genie zu bewegen, aber obgleich er lächelte, und jungherrlich that, und durchaus nicht nein sagen konnte, so bat er doch in aller Demuth, den Auftrag ablehnen zu dürfen. »Die Sache sei diese,« führte er zu seiner Entschuldigung an, »daß er eines Tags das alte St. Ronans habe besuchen wollen, und auf dem Rückweg durch die Altstadt habe er an der Thüre der Hakenschenke angehalten, um irgend eine Erfrischung zu bekommen; er hätte auch seinen Wunsch geäußert, und ziemlich laut angepocht, als plötzlich ein Schiebfenster aufgegangen sei, und ehe er noch hätte gewahren können, was erfolgen solle, sei er mit einer Fluth von Wasser, wie er sagte, überschüttet worden, wobei die Stimme einer alten Hexe von innen ihn versicherte, wenn das ihn noch nicht abkühle, so stehe noch mehr bereit, – eine Weisung, die ihn vermocht hatte, in aller Eile sich einem zweiten Gußbade zu entziehen.«

Alles lachte über des Kaplans Mißgeschick, das er nur mit Widerstreben zu erzählen schien, weil er doch einen gewichtigen Grund angeben mußte, weßhalb er der Lady Befehle ablehnte. Aber der Squire und der Baronet trieben die Lustigkeit weiter, als der Anstand gestattete, warfen sich in die Sessel zurück, steckten die Hände in die Seitentaschen, und lachten mit aufgesperrten Mäulern ausgelassen, bis der zornige und außer Fassung gebrachte Leidensbruder, indem er sich das Ansehen geben wollte, als blicke er mit Verachtung darauf, ein nochmaliges allgemeines Gelächter veranlaßte.

Als es Herrn Winterblossom gelungen war, einigermaaßen die Ordnung herzustellen, fand er, daß der Unfall des jungen Gottesgelehrten eben so einschüchternd, als spaßhaft sei. Keiner von der Gesellschaft wollte demnach als außerordentlicher Gesandter sich in die Besitzungen der Königin Meg begeben, von welcher anzunehmen war, daß sie die heilige Person eines Gesandten nicht sonderlich respektiren würde. Was aber noch schlimmer war, als man beschloß, daß dem Fremden statt des Besuchs, eine höfliche Karte von Herrn Winterblossom gesendet werden solle im Namen der Gesellschaft, so bemerkte Dinah, daß sich gewiß aus dem Hause Keiner hergeben würde, um einen solchen Brief zu überbringen, denn als vor zwei Jahren ein solcher Fall eingetreten, habe Meg, die dieß für einen Versuch gehalten, ihren Gast abspenstig zu machen, den Bauernjungen, der den Brief überbracht, so behandelt, daß er sich schnell davon gemacht, und sich nicht eher für sicher gehalten habe, als bis er zehn Meilen davon in einem Dorfe gewesen sei, wo er, wie man nachher erfuhr, sich anwerben ließ, und lieber gegen die Franzosen zu Felde ziehen, als sich noch einmal Megs Unwillen aussetzen wollte.

Als man eben diese neue Schwierigkeit erwog, ließ sich draußen ein furchtbares Geschrei vernehmen, welches, wie die Gesellschaft anfangs besorgte, Meg zu sein schien, die in allen ihren Schrecken der vorgeschlagenen Einladung zuvorkommen wollte. Bei näherer Nachfrage ergab es sich indeß, daß es ihre Gevatterin, die trabende Nelly oder Nelly Traber sei, die sich, trotz der vereinten Anstrengung der ganzen Dienerschaft des Hotels, die Treppe hinauf Bahn brach, um Dods Gemälde, wie sie es nannte, zurück zu fordern. Darüber erzitterte der Schatz in der Tasche des Kenners, der schnell eine halbe Krone in Tobiesens Hand warf, und ihm befahl, diese ihr zu geben, und sie wo möglich zurückzuhalten. Tobies, der Nelly schon kannte, steckte die halbe Krone in seine eigene Tasche, und stipitzte ein halbes Nößel Whisky vom Seitentische weg. So bewaffnet trat er keck dem Mannweib entgegen, und legte ein Moratorium ein, das der armen Nelly entschlossensten Lauf hemmen mußte; es gelang ihm auch, nicht nur den unmittelbaren Sturm, der die Gesellschaft im allgemeinen und Herrn Winterblossom insbesondere bedrohte, abzuwehren, sondern er brachte auch den Gästen die angenehme Nachricht, die trabende Nelly habe, wenn sie in der Scheune ihr Schläfchen gemacht haben werde, sich willig finden lassen, ihre Aufträge an den Unbekannten in der Hakenschenke zu befördern.

Nachdem nun Herr Winterblossom sein Verfahren beurkundet hatte, indem er in das Tagebuch des Ausschusses den ihm gewordenen Auftrag eintrug, schrieb er seine Karte in dem besten diplomatischen Style, und siegelte sie mit dem Brunnensiegel, das etwas wie eine Nymphe vorstellte, welche neben einer seinsollenden Urne saß.

Die rivalisirenden Parteien aber trauten dieser offiziellen Einladung nicht ganz. Lady Penelope war der Meinung, man müsse ein Mittel ersinnen, woraus der Fremde, ganz unbezweifelt ein Mann von Talent, ersehen müsse, daß in der Gesellschaft, zu der er eingeladen war, auserlesenere Geister seien, die sich würdig fühlten, sich in seine Einsamkeit einzudrängen.

Demzufolge gab die Lady dem eleganten Herrn Chatterley den Auftrag, den Wunsch der Gesellschaft, den unbekannten Künstler zu sehen, in einem sauber geschriebenen Gelegenheitsgedicht auszudrücken. Die Muse des armen Herrn ließ sich ungnädig vernehmen, denn in einer halben Stunde brachte er nicht mehr als zwei Zeilen zusammen, welche wir nebst den Veränderungen aus der beklecksten Handschrift beifügen, wie Dr. Johnson Pope's Verbesserung in seiner Uebersetzung der Iliade beidrucken ließ:

(Damen)
(Mädchen) (gesellet)
Die Nymphen, vereint in Ronans Thal,
(Hirten)
Der Jüngling, der Zeichner und Dichter zumal.
– – – – – – freundlichem Mahl.

In Abwesenheit der himmlischen Muse mußte man demnach nothwendig zur Beredtsamkeit eines prosaischen Billets seine Zuflucht nehmen, und dieß ward heimlich der trabenden Nelly anvertraut. Dieselbe treue Botin erhielt, nachdem sie ihr Schläfchen auf Erbsenstroh gemacht, und ihren Wagen zur Rückkehr an die Seeküste, wo sie über die Altstadt mußte, wieder angeschirrt hatte, noch eine von Sir Bingo Binks, wie er gedroht hatte, selbst geschriebene Karte; er hatte sich nämlich diese Mühe gegeben, um die Wette fest zu machen, in der Voraussetzung, daß ein Mann mit gefälligem Aeußern, der zwölf Ellen Angelschnur so genau auf einmal auswerfen konnte, Winterblossoms Einladung für das Geschwätz eines alten Narren nehmen, und sich eben so wenig um die Gnade einer affectirten ästhetischen Dame und ihr Kränzchen bekümmern würde, deren Unterhaltung nach Sir Bingo's Meinung nur nach schwachem Thee und Butterbrod schmeckte. So erhielt der glückliche Herr Franz Tyrrel, zu seinem nicht geringen Erstaunen, nicht weniger als drei Einladungen auf einmal von dem St-Ronans-Brunnen.



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