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Zweites Kapitel.
Der Gast.

Quis novus hic hospes?

Dido bei Virgil.

Einfältig Ding! der Herr im vordern Zimmer!

An einem schönen Sommertage ritt ein einsamer Reisender zu dem altmodischen Thorweg herein, stieg im Hofe von Megs Gasthof ab, und übergab die Zügel seines Pferds dem buckligen Postillon. »Bring' meinen Mantelsack in's Haus,« sagte er, »oder – halt, – ich glaube, ich kann ihn besser tragen, als Du.« Nun half er dem alten magern Stallknecht die Riemen losschnallen, welche dieß geringe und jetzt verachtete Reisegeräth festhielten, und gab unterdeß strengen Befehl, daß sein Pferd abgezäumt, in einen reinlichen und bequemen Stall gestellt, die Gurten losgemacht, und ihm eine Decke übergeworfen werden solle, der Sattel aber dürfe nicht abgenommen werden, bis er selbst dabei sei.

Der Reisegenoß schien dem Hausknecht allerdings diese Sorgfalt zu verdienen, denn es war ein starkes, rüstiges Pferd, für Straße und Feld gut, aber doch von der langen Reise etwas abgemagert, obgleich aus der Haut sich ergab, daß man es äußerst sorgfältig gehalten habe. Während der Hausknecht des Fremden Befehle vollzog, ging dieser mit seinem Mantelsack über dem Arm in die Küche des Gasthofs.

Hier traf er die Wirthin selbst nicht eben in der besten Laune. Die Küchemagd war nach etwas weggeschickt, und Meg machte unterdessen bei einer genauen Musterung des Küchengeschirrs die unangenehme Entdeckung, daß etliche Teller zerbrochen oder gesprungen, Töpfe und Brühnäpfe nicht so sorgfältig gescheuert waren, als ihre strengen Begriffe von Reinlichkeit forderten, was nebst einigen andern Entdeckungen geringfügigerer Art ihre Galle nicht wenig aufregte, so daß sie, während sie das Topfbrett in Unordnung und wieder in Ordnung brachte, halblaute Klagen und Drohungen gegen die abwesende Verbrecherin brummte.

Sie ließ sich durch den Eintritt des Gastes in dieser angenehmen Unterhaltung nicht stören, – sie blickte bloß auf, wandte ihm dann kurzweg den Rücken zu, und fuhr in ihrer Arbeit und ihrem klagenden Selbstgespräch fort. Sie glaubte nämlich in dem Fremden einen jener nützlichen Sendlinge der Handelschaft zu erkennen, welche sich selbst Reisende par excellence nennen und von den Aufwärtern nennen lassen, von andern aber Musterreiter und Mantelsackritter genannt werden. Gegen diese Art von Kunden hatte Meg besondere Vorurtheile; denn da in dem alten Dorfe Ronans keine Kaufläden waren, so nahmen besagte Handelsemissäre zum bessern Betrieb ihres Gewerbs ihr Absteigequartier immer im neuen Wirthshaus oder Hôtel, in dem neuentstehenden Nebenbuhlerdorfe, St. Ronansbrunnen genannt, wenn nicht etwa ein Streifzügler zufällig oder aus trauriger Nothwendigkeit in dem alten Dorf, wie nun allmählig Megs Wohnort allgemein genannt wurde, einkehren mußte. Kaum hatte sie daher diesen vorschnellen Schluß gemacht, daß das fragliche Individuum zu dieser verwerflichen Klasse gehöre, so nahm sie ihr erstes Geschäft wieder vor, und fuhr fort zu monologisiren und ihre abwesenden Mägde anzureden, ohne scheinbar Kunde von seiner Gegenwart zu nehmen.

»Die schlumpige Hanne, – die Trulle Eppie, – das Teufelsmensch! – schon wieder ein Teller hin, – sie brechen mich noch von Haus und Hof!«

Der Reisende, der mit seinem Mantelsack auf einer Stuhllehne ruhte, und stillschweigend auf einen Laut des Willkommens gewartet hatte, sah nun, daß er wohl oder übel zuerst sprechen müsse, wenn er Antwort haben wolle.

»Seid Ihr nicht meine alte Bekannte, Frau Meg Dods?« fragte der Fremde.

»Warum nicht, und wer seid Ihr denn, der fragt?« sagte Meg in einem Athem, und begann einen kupfernen Leuchter noch stärker, als vorher zu reiben, – während der trockene Ton, in dem sie sprach, unverholen bewieß, wie wenig Antheil sie an dem Geschäft nahm.

»Ein Reisender, gute Frau Dods, der hier ein Paar Tage bleiben will.«

»Ihr seid wohl im Irrthum,« sagte Meg; »hier ist kein Platz für Mantelsäcke und Mähren, – Ihr habt die Straße verfehlt, Nachbar, – Ihr müßt Euch noch ein wenig weiter den Berg hinab bemühen.«

»Ich sehe, Ihr habt meinen Brief nicht erhalten, Frau Dods,« sagte der Gast.

»Wie sollt ich denn auch, Herr?« antwortete die Wirthin; »man hat ja die Post von hier weggenommen, und sie hinunterverlegt nach dem Spaawasser dort, wie man's nennt.«

»Nun, das ist ja nur ein Schritt,« bemerkte der Gast.

»Um so bälder seid Ihr dort,« antwortete die Wirthin.

»Wohl,« sagte der Gast, »aber wenn Ihr nur nach meinem Briefe gesendet hättet, so würdet Ihr erfahren haben« – – –

»Ich brauche nichts zu erfahren in meinen Jahren,« sagte Meg. »Hat mir Jemand was zu schreiben, so mag er den Brief an den Fuhrmann John Hislop geben, der seit vierzig Jahren auf diesem Wege fährt. Briefe aber an die Postmeisterin dort unten, da können sie passen an ihrem Schiebfenster und Hellerkram bis zum dritten Mai, ehe ich sie einlöse. Ich will meine Finger nicht damit besudeln. Postmeisterin! freilich – die aufgeblasene Trine! ich erinnere mich sehr wohl, wie sie Buße that für vorhoch« – –

Lachend, aber noch zu rechter Zeit für die Ehre der Postmeisterin unterbrach der Fremde Meg, und versicherte sie, er habe seine Angelruthe und Koffer an ihren vertrauten Freund, den Fuhrmann, gegeben, und hoffe doch, sie werde einen alten Bekannten nicht aus dem Hause weisen, besonders da er glaube, er könne fünf Meilen in der Runde in keinem Bette schlafen, wenn er wisse, daß ihr blaues Zimmer unbesetzt sei.«

»Angelruthe! – alter Bekannter! blaues Zimmer!« wiederholte Meg mit einigem Erstaunen, und betrachtete den Fremden mit Theilnahme und Neugier vom Kopf bis zu den Füßen, – »so seid Ihr ja am Ende gar kein Mantelsackritter.«

»Nein,« sagte der Fremde, »seit ich den Mantelsack aus der Hand gelegt, nicht.«

»Nun, ich kann nicht anders sagen, als daß mich das freut, – ich kann das läppische Englischradbrechen dieser Leute nicht leiden. – Freilich habe ich auch ordentliche Bursche unter ihnen gekannt, – warum das nicht? Das war aber, als sie noch hier anhielten, wie andere gesetzte Leute; seitdem sie aber dahinunter gezogen sind, der ganze Zug, wie ein Flug wilder Gänse, in das neumodische Hôtel, da sollen sie in der Passagierstube, wie sie's nennen, so tolle Streiche machen, als wäre sie voll betrunkener junger Lairds.«

»Das macht, weil Ihr sie nicht mehr in der Zucht haltet, Frau Meg.«

»Meint Ihr?« erwiederte Meg; »Ihr seid ein rechter Fuchs, daß Ihr meint, mich mit solchen Schmeicheleien zu kirren!« und damit wendete sie sich nach ihrem Gaste um, und beehrte ihn mit einer noch genauern und aufmerksamern Besichtigung, als vorher.

Alles, was sie sah, war nach ihrer Meinung dem Fremden günstig. Er war ein wohlgebauter Mann, eher über, als unter Mittelgröße, dem Anschein nach zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren, denn obwohl er auf den ersten Blick das letztere Alter erreicht zu haben schien, so machte man doch bei näherer Prüfung die Bemerkung, daß wohl die brennende Sonne eines heißern Landstrichs, als Schottland, vielleicht auch Anstrengung des Körpers und Geistes Spuren der Sorge und des männlichen Alters seinem Gesichte aufgeprägt hätten, ohne den Lauf der Jahre abzuwarten. Seine Augen und Zähne waren vortrefflich, seine übrigen Züge konnten zwar kaum schön genannt werden, drückten aber Verstand und Scharfsinn aus; in seinem Wesen war jene Ungezwungenheit und Ruhe, die gleich fern von Ungeschlachtheit und Ziererei den gebildeten Mann bezeichnet, und obgleich weder die einfache Kleidung, noch der völlige Mangel an der gewöhnlichen Dienerschaft einen reichen Mann in ihm vermuthen ließ, so zweifelte Meg doch gar nicht, daß er im Range höher stehe, als ihre gewöhnlichen Kunden. Während die gute Wirthin diese Bemerkungen machte, kamen ihr allerlei dunkle Erinnerungen, daß sie den Mann schon gesehen habe, aber wann und bei welcher Gelegenheit konnte sie sich durchaus nicht entsinnen. Besonders verlegen machte sie der kalte, sarkastische Ausdruck des Gesichts, den sie gar nicht mit den Erinnerungen, die es weckte, vereinigen konnte. Endlich sagte sie mit aller Höflichkeit, deren sie fähig war: – »Entweder habe ich Euch schon gesehen, Sir, oder Jemand der Euch gleicht! – Ihr kennt das blaue Zimmer, und seid doch fremd in diesem Lande?«

»Nicht so fremd, als Ihr vielleicht glaubt, Meg,« sagte der Gast in einem vertraulichen Tone, – »ich heiße Franz Tyrrel.«

»Tyrl!« rief Meg verwundert aus, – »es ist unmöglich! Ihr könnt nicht Franz Tyrl, der wilde Bursche sein, der vor sieben oder acht Jahren hier fischte, und Vogelnester ausnahm. – Es kann nicht sein, – Franz war nur ein Bürschchen!«

»Setzt aber sieben oder acht Jahre zu eines solchen Bürschchen Leben hinzu,« sagte der Fremde ernst, – »dann habt Ihr den Mann, der jetzt vor Euch steht.«

»Ja, ja,« sagte Meg mit einem Blick auf den Wiederschein Ihres eigenen Gesichts in den kupfernen Kaffeekessel, den sie eben so blank gescheuert hatte, daß er den Dienst eines Spiegels verrichtete, – »ja so ist's, man wird alt oder stirbt. – Aber Herr Tyrl, denn ich darf Euch, glaube ich, nicht mehr Franz nennen – – –«

»Nennt mich, wie Ihr wollt, gute Frau; ich habe mich lange nicht bei einem Namen nennen hören, der wie frühere Freundlichkeit klang, so daß er mir lieber ist, als ein Lords-Titel.«

»Gut denn, Herr Franz, – wenn es Euch also nicht beleidigt, – ich hoffe, ihr seid kein Nabob?«

»Gewiß nicht, das kann ich Euch versichern, meine alte Freundin, – doch wenn ich's nun wäre?«

»Ei nun, da müßt ich Euch bitten, weiter zu gehen, um Euch schlechter bedienen zu lassen. – Ja, ja, die Nabobs! das Land ist mit ihnen geplagt. Sie haben die Eier und Hühner vertheuert auf zwanzig Meilen in der Runde. – Was habe ich aber zu thun? – Sie brauchen fast alle den Brunnen da unten, – sie müssen wohl, um ihre Kupfergesichter zu reinigen, die eben so gescheuert sein wollen, wie meine Brühnäpfe, die Niemand rein machen kann, als ich selbst.«

»Gut, meine liebe Freundin,« sagte Tyrrel, »das Ende vom Liede ist, daß ich hier bleibe und hier zu Mittag esse.«

»Warum das nicht?« erwiederte Frau Dods.

»Und daß ich das blaue Zimmer auf eine oder zwei Nächte bekomme, – vielleicht auf länger?«

»Ich weiß das nicht,« sagte die Wirthin. – »Das blaue Zimmer ist das beste, – und die das nächste Beste bekommen, denen geht es nicht schlimm in der Welt.«

»Macht das, wie Ihr wollt,« sagte der Fremde. – »Ich überlasse das alles Euch. – Inzwischen will ich nach meinem Pferde sehen.«

»Der gute Mensch,« sagte Meg, »als ihr Gast die Küche verlassen hatte, »er erbarmt sich seines Viehes. – Er hatte immer so was an sich, das Bürschchen. – Aber, du meine Güte, das ist eine schlimme Veränderung in seinem Gesicht, seit ich ihn das Letztemal sah! – Nun, er soll ein gutes Essen bekommen, um alter Zeiten willen, dafür steh' ich!«

Meg machte nun die Vorbereitungen mit aller ihrer angeborenen Rüstigkeit, die jetzt so sehr auf die Besorgung der Küche ging, daß ihre zwei Mägde, als sie nach Hause kamen, den bittern Vorwürfen über ihre Schlumperei und Nachlässigkeit, die sie schon zum Voraus eingeübt hatte, entgingen. Ja, ihre Gefälligkeit ging so weit, daß sie, als Tyrrel durch die Küche ging, um seinen Mantelsack zu holen, Hannen ein faules Ding schalt, weil sie des Herren Sachen nicht auf sein Zimmer trug.

»Ich danke Euch,« sagte Tyrrel; »ich habe einige Zeichnungen und Farben in diesem Mantelsack, und trage ihn daher immer lieber selbst.«

»Und Ihr gebt Euch immer noch mit dem Malen ab?« sagte Meg; »ehedem pinseltet Ihr wohl viel in's Zeug hinein.«

»Ich kann nicht leben ohne das,« sagte Tyrrel, nahm seinen Mantelsack, und wurde von der Magd in ein schmuckes Zimmer geführt, wo er bald die Freude hatte, ein ausgezeichnetes Gericht gehackter Kälberschnitten mit Gemüse, und einen Krug vortrefflichen Biers von den sorgsamen Händen Meg's selbst sich vorgesetzt zu sehen. Er konnte ehrenhalber nicht weniger thun, als Meg um eine Flasche mit gelbem Siegel bitten, wenn noch von diesem herrlichen Claret etwas übrig sei.

»Uebrig? – Freilich ist noch übrig, – eine ganze Menge,« sagte Meg; »davon gebe ich nicht Jedermann. – Ach, Herr Tyrl, Ihr könnt doch Eure alten Streiche nicht lassen! – Gewiß, wenn Ihr malt, um davon zu leben, wie Ihr sagt, so wäre ein wenig Rum und Wasser wohlfeiler, und würde Euch eben so gut thun. Aber heute sollt Ihr Euren Willen haben, wenn auch sonst nie wieder.«

Und fort trollte Meg, mit den Schlüsseln im Gehen klappernd, und nachdem sie viel umher gestöbert hatte, kehrte sie mit einer Flasche Claret zurück, wie kein modisches Weinhaus sie aufzeigen könnte, und würde sie von einem Herzog gefordert oder herzoglich bezahlt. Auch schmunzelte sie nicht wenig, als ihr Gast sie versicherte, er gedenke dieser herrlichen Blume gar wohl. Nach diesen Beweisen ihrer Gastlichkeit zog sie sich zurück, und ließ den Fremden die köstlichen Sachen, die sie ihm aufgetischt hatte, in Ruhe genießen.

Aber in Tyrrel's Gemüth war etwas, das der belebenden Kraft einer guten Mahlzeit und eines guten Weins trotzte, der das Herz des Menschen nur dann erfreut, wenn in diesem Herzen kein stiller Kummer entgegen wirkt. Tyrrel befand sich an einem Orte, den er in jener Wonnezeit geliebt hatte, wo Jugend und hochfliegender Muth alle die schmeichelnden Träume wecken, die dem Manne so schlecht gehalten werden. Er zog seinen Stuhl in die Vertiefung des altmodischen Fensters, öffnete das Schiebfenster, um der frischen Luft zu genießen, und weilte im Geiste bei früheren Tagen, während sein Auge über Gegenstände hinstreifte, die er seit mehreren ereignißreichen Jahren nicht gesehen hatte. Vor seinem Blicke lag der untere Theil des verfallenen Dorfs, dessen Trümmer aus dem dichten Laube hervorblickten, das sie verhüllte. Noch tiefer unten auf dem kleinen Holme, der den Kirchhof bildete, zeigte sich die Kirche von St. Ronans; noch weiter hin nach der Gegend, wo St. Ronansborn sich mit dem Fluß im breitern Thale verbindet, sah er die emporragenden Häuser, die um den Heilquell her theils eben vollendet waren, theils noch gebaut wurden, von der sinkenden Sonne erhellt.

»Die Zeit ändert Alles um uns,« war die natürliche, wenn auch alltägliche Betrachtung, die durch Tyrrel's Gemüth zog, – »warum sollte Liebe und Freundschaft länger dauern, als unsere Wohnungen und Denkmale?« In diesen düstern Betrachtungen störte ihn der Eintritt seiner geschäftigen Wirthin.

»Ich dachte Euch eine Tasse Thee anzubieten, Herr Franz, um alter Bekanntschaft willen. Ich will ihn von dem Mädchen herbringen lassen, und ihn selbst aufgießen. – Aber Ihr seid ja mit dem Weine noch nicht fertig.«

»Doch, Frau Dods,« antwortete Tyrrel, »und ich bitte Euch, die Flasche wegzunehmen.«

»Die Flasche wegnehmen, und der Wein ist nicht halb ausgetrunken!« sagte Meg mit Unmuth auf der Stirne; »ich will doch hoffen, daß an dem Weine nichts auszusetzen ist, Herr Tyrl?«

Auf diese fast in einem trotzigen Tone ausgesprochene Antwort erwiederte Tyrrel demüthig, an dem Claret sei nicht nur nichts auszusetzen, sondern er sei ganz vortrefflich.

»Und warum trinkt Ihr ihn denn nicht?« sagte Meg schneidend; »man muß nicht mehr Getränk verlangen, als man eben vertragen kann. Ihr denkt wohl, es geht bei uns her wie an der Table d'hôte, wie sie dort unten ihren neumodischen Speisetisch nennen, wo die Essigfläschchen in einen Schrank zurückgesetzt werden, wie es heißt, mit den Paar Tröpfchen Spühlicht drin, und einen Zettel am Halse, um zu wissen, welchem Gaste sie gehören, – da stehen sie, wie Arzneigläser, und nicht ein ehrliches schottisches Nößel hält eine ihrer Flaschen, und wäre sie noch so voll.«

»Vielleicht,« sagte Tyrrel, auf den Unmuth und das Vorurtheil seiner alten Bekannten eingehend, – »vielleicht ist der Wein dort nicht so gut, daß man ein volles Maaß wünschen mag.«

»Da mögt Ihr wohl recht haben, – und doch trägt's denen, die ihn verkaufen, ein Erkleckliches ein, denn sie machen ihn selbst, der meiste hat Frankreich oder Portugal nie gesehen. Aber was ich sagen wollte, – das hier ist nicht der Ort, wo der Wein für die, die ihn nicht trinken können, zurückgesetzt wird, – wenn der Kork von der Flasche ist, muß der Wein ausgetrunken werden, – und warum denn nicht? – außer er schmeckt nach Kork.«

»Ihr habt ganz Recht,« sagte der Gast, »aber mein heutiger Ritt hat mich etwas erhitzt, – und ich glaube, die Tasse Thee, die Ihr mir versprochen habt, wird mir besser thun, als wenn ich die Flasche vollends ausleere.«

»Nun denn, so wird's das Beste sein, was ich thun kann, daß ich sie bei Seite setze, zur Brühe für die wilde Ente morgen, denn Ihr habt mir ja, glaube ich, gesagt, Ihr bliebet einige Tage da.«

»Das ist allerdings meine Absicht, Meg,« versetzte Tyrrel.

»So mag es denn sein,« sagte Meg; »und der Wein ist ja nicht verloren; es hat wohl selten solcher Claret in der Bratpfanne gebrodelt, das glaubt mir nur, – und ich erinnere mich noch recht wohl der Zeit, wo Ihr mit oder ohne Kopfweh den Boden der Flasche sehen mußtet, und vielleicht noch einen zweiten, wenn Ihr sie mir ablisten konntet. Damals half Euch freilich Euer Vetter mit, – ach! das war ein lustiger Junge, der Valentin Bulmer! – nun, Ihr gebt ihm auch nichts nach, Herr Franz, und ich hatte genug zu thun, um Euch beide in Ordnung zu erhalten, wenn Euch der Rummel ankam. Aber Ihr waret doch ein klein wenig gesetzter, als Valentin, – das war ein prächtiger Junge, Augen wie Diamanten, Wangen wie Rosen, – einen Kopf wie eine Heidedolde, – er war der erste, den ich sah, der mit abgeschnittenen Haaren ging, jetzt aber prellt alle Welt den Friseur, – und lachen konnt' er, als sollte er die Todten auferwecken! – Mochte man über ihn schimpfen oder lachen, so lange Valentin im Hause war, konnte man an Niemand anders denken. Und wie steht's denn um Euren Vetter, Valentin Bulmer, Herr Franz?«

Tyrrel blickte zu Boden, und antwortete nur mit einem Seufzer.

»Ei – ist's also wirklich wahr?« sagte Meg; »mußte der arme Junge so bald aus dieser elenden Welt fort? – Ja, ja, – wir müssen alle diesen Weg gehen, – zersprungene Flaschen, – verletzte Fässer, lecke Krüge sind wir alle, und können den Lebenssaft nicht halten. – Das sei Gott geklagt! War der arme Junge aus der Bulmer Bucht, wo man den holländischen Branntwein landet? nicht wahr? – Dort läuft man auch lange um ein bischen Thee, – ich hoffe, der ist gut, den ich Euch gemacht habe, Herr Franz?«

»Vortrefflich, meine liebe Freundin,« sagte Franz Tyrrel, aber mit einer Stimme, welche bewies, daß sie einen Punkt berührt habe, der unangenehme Erinnerungen erweckte.

»Wann starb denn der arme Junge?« fuhr Meg fort, die von Eva's Eigenschaften auch ihren Theil bekommen, und zu wissen wünschte, was ihren Gast so besonders bewege, aber er wich ihr aus, und schlug zugleich eine andere Saite bei ihr an, indem er sich gegen das Fenster wandte, und auf die fernen Gebäude von St. Ronans-Brunnen hinblickte. Als sähe er diese neuen Gegenstände zum Erstenmal, sagte er zu Meg in gleichgültigem Tone: »Ihr habt dort etliche lustige neue Nachbarn bekommen.«

»Nachbarn!« sagte Meg in aufsteigendem Zorn, wie immer, wenn auf diesen verdrießlichen Gegenstand die Rede kam; »Ihr könnt sie Nachbarn nennen, wenn es Euch beliebt, aber für Meg Dods mag der Teufel die Nachbarschaft holen!«

»Ich glaube,« sagte Tyrrel, als ob er ihren Unmuth nicht bemerkte, »dort drüben ist das Fuchs-Hôtel, von dem man mir sagte.«

»Der Fuchs!« sagte Meg; »ja wohl ist es der Fuchs, der alle meine Gänse gestohlen hat. – Ich könnte mein Haus schließen, wenn ich davon leben müßte, – ich, die all' unserer vornehmen Leute Kinder gesehen, ihnen Pfefferkuchen und Zuckerbrod meist mit eigener Hand gegeben hat. Sie hätten meines Vaters Dachstuhl herunter fallen, und mich ersticken sehen können, ehe sie einen Heller darum gegeben hätten, es zu stützen, – aber da drüben am Brunnen ein Hôtel aufzubauen, dazu konnten sie alle fünfzig Pfund hergeben, – und viel hat es ihnen eingetragen, die bankerotte Sandy Lawson hat ihnen vier Fristen lang keinen Heller Zins bezahlt.«

»Gewiß, wenn der Brunnen seiner Heilkraft wegen wirklich so berühmt wurde, so wäre das Wenigste, was die Herren thun konnten, gewesen, Euch zur Priesterin zu machen.«

»Mich zur Priesterin! Ich bin keine Quäkerin, so viel ich weiß, Herr Franz; und ich habe auch nie von einer Bierwirthin gehört, welche Predigerin geworden wäre, außer Luckie Buchan im Westen. Und sollte ich predigen, so glaube ich, ich hätte zu viel schottischen Geist, um in demselben Zimmer zu predigen, wo man alle Abende in der Woche, den Sonnabend selbst nicht ausgenommen, tanzt bis Nachts zwölf Uhr. Nein, nein, Herr Franz, dergleichen überlasse ich dem Herrn Simon Chatterley, wie der prälatistische Sprosse der Geistlichkeit dort unten heißt, der Karten spielt, und sechs Tage in der Woche tanzt, und am siebenten das allgemeine Gebetbuch im Tanzsaale liest mit Tom Simson, dem betrunkenen Barbier, als Küster.«

»Ich glaube, ich habe von diesem Herrn Chatterley gehört,« sagte Tyrrel.

»Ihr meint gewiß die Predigt, die er hat drucken lassen,« sagte das zornige Weib, »wo er die Kothlache vom Brunnen dort unten mit dem Teiche Bethesda vergleicht, – der losmäulige, fuchsschwänzige, schwachköpfige Narr! Er hätte wissen sollen, daß der Platz alle seine Berühmtheit in den Zeiten des schwarzen Pabstthums bekam, und obgleich sie ihn mit dem Namen St. Ronan taufen, so glaube ich doch nie, daß der ehrliche Mann etwas dabei zu thun hatte, denn ich habe mir von einem, der es wissen muß, sagen lassen, daß er kein Römer war, sondern nur ein Cuddie oder Culdee oder so was. – Aber wollt Ihr nicht noch eine Tasse Thee, Herr Franz? und ein bischen Gesundheitsbrod in meiner eigenen frischen Butter aufgebacken, Herr Franz? nicht bei brenzlichtem Kuchenfeuer, wie die Kümmelkuchen da drüben beim Kuchenbäcker, worauf eben so viele todte Flöhe sind, als Kümmel. Und der gibt sich für einen Kuchenbäcker aus! Mit Roggenmehl für einen Pfennig und eben so viel Syrup und zwei oder drei Kümmelkörnern will ich besseres Confekt machen, als je aus seinem Ofen kam.«

»Ich zweifle nicht daran, Frau Dods,« sagte der Gast; »und ich möchte nur wissen, wie sich die Leute einem Hause von so altem Ruf, als das Eure, gegenüber niederlassen konnten? Es muß doch die Heilkraft des Brunnens sein, aber wie bekam nur das Wasser mit einemmale diese Kraft?«

»Ich weiß es nicht, – sonst hielt man es für zu nichts gut, als hie und da für armer Leute Kinder, die die Drüsen hatten, und nicht einen Pfennig an Salz rücken konnten. Aber Lady Penelope Penfeather ist krank geworden, wahrscheinlich wie Niemand sonst, und so mußte sie auch auf eine Weise kurirt werden, wie Niemand je kurirt wurde, das war nicht mehr wie billig, – und die Lady, wie Ihr wißt, ist gescheit, und versammelte alle gescheiten Leute aus Edinburg in ihrer Wohnung da drüben, was die Lady das Lustschloß zu nennen beliebt, – und alle haben so ihre eigenen Gaben, denn die einen können Verse zusammen stoppeln, so gut als Robert Burns oder Allan Ramsay, – andere rennen bergauf und thalab, schlagen die Kieselsteine mit Hämmern entzwei, wie toll gewordene Straßenarbeiter, – sie sagen aber, es sei um zu sehen, wie die Welt gemacht wäre! – Einige spielen auf allen Arten zehnsaitiger Instrumente, – Andere wieder zeichnen, die kann man, wie die Krähen auf jeder Felsenspitze im Lande sitzen sehen, um Euer Gewerbe zu treiben, Herr Franz; dazu Leute, die in der Fremde gewesen sind, oder gewesen sein wollen, was, wie Ihr wißt, auf eins heraus kommt, und vielleicht zwei oder drei schlepptragende Mädchen, welche die Tollheiten wieder von vorn angefangen, mit denen man längst fertig ist, wie ihre Zofen ihre abgelegten Kleider tragen. Nun, nach der Lady glücklicher Genesung kam denn der ganze Schwarm wilder Gänse herunter, und ließ sich beim Brunnen nieder, um auf dem bloßen Boden zu speisen, wie die Kesselflicker; und da hatten sie Gesänge, Musik, und brachten Gesundheiten aus, ohne Zweifel zum Lobe der Quelle und der Lady Penelope Penfeather; zuletzt tranken sie alle feierlich einen Becher aus dem Brunnen, wobei sie einen gräulichen Lärm verführt haben sollen, und gingen dann nach Hause. Das nannten sie ein Pickenick, daß sie der Henker holen möchte! So begann also der Tanz nach der Lady Pfeife, und seitdem ist mancher tolle Tanz getanzt worden; denn da kamen hinunter Maurer und Fratzenschneider, Prediger und Komödianten, Bischöfliche und Methodisten, Narren und Geiger, Päpstler und Pastetenbäcker, Doctoren und Marktschreier; dazu kamen die Krämer, die Plunder und Lumpenkram auf das theuerste verkaufen, – kurz, so kam der leidige neue Brunnen auf, und der alte gute Flecken St. Ronans verfiel, wo gar viele hübsche Leute lustig gewesen waren manchen Tag lang zuvor, ehe einer von Jenen geboren wurde, oder solche lustige Schwindeleien in ihren tollen Köpfen spukten.«

»Was sagte denn Euer Gutsherr, der Laird von St. Ronans, zu alle dem?«

»Nach meinem Gutsherrn fragt Ihr, Herr Franz? – Der Laird von St. Ronans ist nicht mein Gutsherr, und ich glaube, Ihr hättet Euch dessen erinnern können. – Nein, nein, Gott sei Dank, Meg Dods ist Gutsherrin und Wirthin. Schlimm genug, daß ich meine Thüren offen lasse, Pfingsten und Martini nicht zu gedenken. – Da ist eine alte Ledertasche in einem von den Taubenlöchern des würdigen Bindloose, des Amtsschreibers, in seinem Taubenschlag von Zimmer in der Burg, darin ist Freibrief und Besitzurkunde, alles was nöthig ist, – Ihr könnt selbst nachsehen, wenn Ihr wollt.«

»Ich hatte ganz vergessen, daß das Wirthshaus Euch eigen gehörte,« sagte Tyrrel, »obwohl ich mich jetzt besinne, daß Ihr eine bedeutende Grundeigenthümerin seid.«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht,« erwiederte Meg, – »und wenn ich's bin, warum denn nicht? – Was aber der Laird, dessen Großvater meines Vaters Gutsherr war, zu dem neuen Wesen da drüben sagte, – er sprang nach dem baaren Gelde, wie der Hahn nach einer Beere, und ließ den schönen Holm neben der Quelle, das beste Land in seiner Besitzung, aufhauen und graben und hacken, wie es der Maurer wollte, der sich einen Architekten nannte, – es hat gar kein Ende mit diesen neuen Wörtern in dieser neuen Welt, und das ist auch noch eine Plage für alte Leute, wie ich. Es ist eine Schande für den jungen Laird, daß er sein altes Erbe gehen läßt, wie es eben geht, und mir thut das Herz weh', wenn ich es sehen muß, obgleich ich mich weiter nicht darum zu kümmern habe, was aus ihm und den Seinigen wird.«

»Ist das noch derselbe Mowbray, der das Gut hat?« fragte Tyrrel; »der alte Herr, mit dem ich, wie Ihr wißt, einen Streit hatte« – – –

»Ueber die Sumpfvögeljagd auf dem Moor über dem Brunnen,« sagte Meg. – »Nun, da zog Euch der wackere Herr Bindloose hübsch aus der Schlinge. Nein, der ehrliche Mann lebt nicht mehr, es ist sein Sohn Johann Mowbray, – Jener hat sich vor sechs oder sieben Jahren schlafen gelegt im St. Ronans-Kirchhof.«

»Hinterließ er,« fragte Tyrrel mit etwas bebender Stimme, »kein anderes Kind, als den jetzigen Laird?«

»Keinen andern Sohn,« sagte Meg, »und es ist an dem genug, wenn er keinen bessern hinterlassen konnte.«

»Er starb also, diesen Sohn ausgenommen, ohne Kinder?«

»Mit Eurer Erlaubnis, nein,« sagte Meg; »es ist noch Fräulein Clara da, die hält dem Laird Haus, wenn man das Haushalten nennen kann, denn er ist fast immer unten am Brunnen, – da ist denn eine kleine Küche genug.«

»Fräulein Clara hat also wohl schlimme Zeit dort während ihres Bruders Abwesenheit?« fragte der Fremde.

»O nein, er läßt sie mit all den lustigen Narren, die da hinunter kommen, herumschwenken, und an ihren Tänzen und Thorheiten Theil nehmen. Ich hoffe, daß nichts Schlimmes dabei heraus kommt, aber es ist immer eine Schande für die Tochter eines solchen Vaters, daß sie mit Krethi und Plethi von Studenten, Schreiberlehrlingen, Mantelsackrittern und dergleichen Gesindel umgeht, wie sich's dort am Brunnen einfindet.«

»Ihr seid strenge, Meg,« erwiederte der Gast. »Gewiß kann man Clara bei ihrer Aufführung jede Freiheit gestatten.«

»Ich sage nichts gegen ihre Aufführung,« sagte die Wirthin, »und es ist auch gar kein Grund da, irgend etwas zu sagen, – aber ich denke doch immer, gleich und gleich, Herr Franz. Ich habe nie über den Ball gezankt, den die Herren vom Adel vor nun schon geraumer Zeit in meinem Hause hielten, – wenn sie da ankamen in ihren Kutschen, die alten Leute, mit langschweifigen Rappen, und ein Paar muntere junge Leute auf ihren Jagdpferden, und manch anständige Lady hinter ihrem Ehegemahl, manch hübsches loses Mädchen auf ihrem Klepper, wer war da so froh, wie diese Leute? – und warum auch nicht? Hernach da war der Pächterball mit den derben Bauersöhnen in den neuen blauen Röcken und bockledernen Hosen, – das heiß ich anständige Gesellschaft, das waren auch lauter Söhne und Töchter, die einander kannten, – Pächter tanzten mit Pächterstöchtern auf dem einen, und Edelleute mit Edeltöchtern auf dem andern, wenn nicht etwa einer der Herrn aus dem Kilnakelty-Club mit mir bloß zur Kurzweil einen Rundtanz fegte, und ich vor Lachen nicht darüber schelten konnte. Nein, gewiß, ich habe nie über dergleichen unschuldige Freuden gezankt, wenn schon es mir vielleicht eine Woche Aufräumens kostete, ehe ich wieder in Ordnung kam.«

»Aber, liebe Freundin,« sagte Tyrrel, »dergleichen Förmlichkeiten möchten doch für Fremde, wie ich, etwas hart sein; wo sollten denn wir in Euern Familienkreisen Tänzerinnen für uns bekommen?«

»Darum laßt Euch kein graues Haar wachsen, Herr Franz,« entgegnete die Wirthin mit einem pfiffigen Blick. – »Jeder Birne ist ihr Stiel gewachsen, mag die Welt gehen, wie sie will, und im schlimmsten Fall ist es doch besser, einige Mühe zu haben, eine Tänzerin zu finden für die Nacht, als mit einer angejocht zu sein, die man früh nicht wieder los werden kann.«

»Trifft sich denn das zuweilen?« fragte der Fremde.

»Trifft sich? – Ihr meint doch, unter dem Brunnenvolke?« rief die Wirthin. »War's nicht in der letzten Brunnenzeit, wie sie's nennen, um nicht weiter zurückzugehen, daß der junge Sir Bingo Binks, der englische Bursche mit dem rothen Rock, der eine Postkutsche hält, und selber fährt, an Fräulein Rachel Bonnyrigg, der alten Lady Loupengirth langbeiniger Tochter hängen blieb, – sie tanzten so lange mit einander, daß man mehr davon sagte, als man hätte sagen sollen, – der Junge wäre gern wieder los gewesen, aber die alte Lady hielt ihn fest, und der Gerichtshof und noch Jemand machten sie zur Lady Binks, trotz Sir Bingos Herzen, und er hat sich nie getraut sie bei seinen Freunden in England aufzuführen, darum lebt er seitdem Sommer und Winter am Brunnen, – und dazu ist der Brunnen gut!«

»Und hat denn Clara, – ich wollte sagen, Fräulein Mowbray, Umgang mit solchen Weibern?« fragte Tyrrel mit einer Theilnahme, die er im Fortgang der Frage unterdrückte.

»Was kann sie machen, das arme Ding! Sie muß den Umgang haben, den ihr Bruder hat, denn sie ist ganz abhängig. – Doch da fällt mir ein, was ich noch zu thun habe, ehe es dunkel wird, und das ist nicht wenig. – Ich habe zu lange mit Euch geplaudert, Herr Franz.«

Und so zog sie entschlossenen Schritts ab, und bald hörte man ihre Stimme in gellenden Octaven die Mägde ermahnen.

Tyrrel blieb einen Augenblick in tiefen Gedanken, dann nahm er seinen Hut, besuchte den Stall, wo sein Pferd ihn mit gespitzten Ohren und dem leisen freundlichen Gewieher empfing, womit dieß Thier die Nähe eines liebenden und geliebten Freundes anerkennt. Da er sah, daß das treue Geschöpf auf alle Weise abgewartet wurde, benützte er das noch verweilende Zwielicht, um das alte Schloß zu besuchen, was früher sein Lieblings-Abendspaziergang gewesen war. Er blieb, so lange das Licht es gestattete, bewunderte die Aussicht, die wir oben zu beschreiben versuchten, und verglich, wie in seinen frühern Träumen, die verblichenen Farben der dämmernden Landschaft mit denen des Menschenlebens, wenn Jugendlust und Muth sie nicht mehr vergolden.

Ein rascher Gang nach dem Gasthofe und ein leichtes Abendessen von geröstetem Käse und der Wirthin selbst gebrautem Bier erregten in ihm lebhaftere, wenigstens minder düstere Gedanken, – und das blaue Schlafzimmer, womit er beehrt worden war, erhielt an ihm einen, wenn nicht gerade heitern, doch zufriedenen Bewohner.



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