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Erstes Kapitel.
Eine Wirthin von altem Schrot.

Zum Schluß ich erzähl:
Gut brauet sie Ale,
Verkaufte ohne Fehl.

Stelton.

Wiewohl wenig Länder in Europa, oder keines, so schnell in Wohlstand und Anbau sich gehoben haben, als Schottland während der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, so hätten doch Sultan Mahmuds Eulen zu jeder Frist während dieser blühenden Periode in Caledonien ihr Witthum von verfallenen Dörfern finden können. Zufall oder örtliche Vortheile haben gar oft die Bewohner alter Weiler aus Gegenden, welche ihre Vorfahren mehr der Sicherheit, als der günstigen Lage wegen wählten, in andere versetzt, wo ihr steigender Verkehr und ihre Industrie sich leichter ausbreiten konnten; darum sind manche Oerter, welche in der schottischen Geschichte ausgezeichnet sind, und auf David Macphersons vortrefflicher historischer Karte prangen, von dem Moorgrund nur noch durch das Grün, das ihre ehemalige Stelle bekleidet, oder durch zerstreute hürdenähnliche Trümmer zu unterscheiden, welche die Stätte ihres vorigen Daseins bezeichnen.

Das kleine Dorf St. Ronans war zwar noch nicht zu dieser völligen Vergessenheit herabgesunken, näherte sich aber derselben seit etwa zwanzig Jahren mit eiligen Schritten. Seine Lage hatte so etwas Romantisches, daß jeder vorüberziehende Reisende versucht war, den Griffel in die Hand zu nehmen, und wir wollen daher versuchen, sie in Worten zu beschreiben, die wohl kaum unverständlicher sein werden, als manche Zeichnungen, wobei wir uns aber aus Gründen, die uns von Gewicht zu sein scheinen, wohl hüten, seine Lage genauer anzugeben, als daß es südlich vom Forth, und nicht über dreißig Meilen von der englischen Gränze lag.

Ein ziemlich beträchtlicher Fluß strömt durch ein Thal, dessen Breite von zwei bis zu einer halben Meile wechselt, und dessen reicher angeschwemmter Boden, seit langer Zeit eingehegt, ziemlich stark bewohnt ist, und mit alter schottischer Feldbaukunde bearbeitet wird. Das Thal ist auf beiden Seiten durch eine Hügelreihe begränzt, welche, auf der rechten Seite besonders, fast Berge genannt werden können. Kleine Bäche entspringen darin, und jeder bildet für sich ein kleines Thal, das den betriebsamen Landmann einladet. Einige davon sind mit schönen hohen Bäumen bewachsen, die bis jetzt noch der Art entgangen find, die meisten dagegen sind stellenweis mit Unterholz bedeckt, neben welchem die nackten Ufer des Flusses sich erheben, etwas öde in den kältern Monaten, aber im Sommer glänzend von dunkelrothem Heidekraut oder goldgelbem Pfriemenkraut und Ginster. Dieser Schmuck ist den Gegenden eigen, welche, wie Schottland, reich an Bergen und Flüssen sind, und wo der Reisende oft nach verworrenen Gängen unerwartet eine einfache Waldschönheit entdeckt, die ihn um so mehr erfreut, da sie ganz das Eigenthum des ersten Entdeckers scheint.

Auf solch einem heimlichen Plätzchen und so nah' an seinem Eingang, daß es die Aussicht auf den Fluß, das breitere Thal und die gegenüber liegende Hügelkette hat, stand und steht noch, in soweit nicht Vernachlässigung und Auswanderung ihr Werk vollendet haben, das alte verfallene Dorf St. Ronans. Die Lage war ganz besonders malerisch, weil der Dorfweg sich eine steile Anhöhe hinaufwand, an deren Seite die Hütten auf kleinen Terrassen gleichsam angeklebt waren, die, wie in den schweizer Alpenstädten, einander überragten bis zu den Trümmern eines alten Schlosses hinan, das noch immer auf der Spitze thronte, und dessen Festigkeit unstreitig die Umwohner veranlaßt hatte, sich unter den schützenden Mauern zu vereinigen. Es muß auch in der Thal ein furchtbarer Wehrplatz gewesen sein, denn auf der von dem Dorfe abgelegenen Seite stiegen seine Mauern vom Rande eines fürchterlichen Abgrundes gerade empor, dessen Fuß vom St. Ronansborn, wie man den Bach nannte, bespült war. Auf der Südseite, wo der Abhang minder steil war, war der Boden sorgsam zu auf einanderfolgenden Terrassen geebnet, welche bis zum Gipfel hinanstiegen, und mit rohverzierten Steintreppen verbunden gewesen waren. In friedlichen Zeiten bildeten die Terrassen die Gärten des Schlosses, in Kriegszeiten verstärkten sie seine Vertheidigungsfähigkeit, denn eine beherrschte die andere, so daß sie einzeln und nach einander vertheidigt werden konnten, und alle dem Feuer aus dem Platze selbst ausgesetzt waren, – einem massiven, viereckigen Thurm von sehr großem Umfang, der, wie gewöhnlich, mit niedrigern Gebäuden und einer hohen, mit Zinnen versehenen Mauer umgeben war. Auf der nördlichen Seite lag ein beträchtlicher Berg, von dem die Anhöhe, worauf das Schloß stand, nur ein abgerissenes Stück schien; der Abhang dazwischen war durch drei ungeheure Gräben hinter einander noch mehr vertieft worden. Ein anderer, sehr tiefer Graben war vor dem Haupteingang von Osten her gezogen, wo der Thorweg das Ende der Straße bildete, welche, wie oben bemerkt wurde, von dem Dorfe hinauf lief, und diese letzte Vertheidigungslinie vollendete die Festungswerke des Thurms.

In den alten Gärten des Schlosses und auf allen Seiten, die steile westliche ausgenommen, hatten große alte Bäume Wurzel geschlagen, welche den Felsen und die alten zerfallenen Mauern mit ihrem dunkeln Laub bedeckten, und den Eindruck des alten zertrümmerten Gebäudes, das sich aus der Mitte emporthürmte, verstärkten.

Auf der Schwelle dieses alten Gebäudes hatte man eine vollständige Aussicht auf das verfallene Dorf, und einer lebhaften Einbildungskraft hätte es vorkommen können, als ob die Häuser mitten im jähen Sturz den Berg hinab plötzlich aufgehalten, und wie durch Zaubergewalt in der seltsamen Reihe, die sie jetzt bildeten, festgehalten worden wären. Eine plötzliche Pause schien eingetreten zu sein in einem von Amphions ländlichen Tänzen, als die Hütten, welche das künftige Theben bilden sollten, nach seiner Laute hüpften. Aber bei einem solchen Beobachter lähmte auch bald die durch den öden Anblick des Dorfs angeregte Trauer jeden fröhlichern Aufschwung der Einbildungskraft. Der größte Theil dieser Hütten, ursprünglich so armselig gebaut, als es vor hundert Jahren in Schottland gewöhnlich war, war lange verlassen, und die eingestürzten Dächer, geschwärzten Giebel und niedersinkenden Mauern zeigten den Triumph des Verfalls über die Armuth. In einigen Hütten standen noch ganz oder zum Theil, die mit Ruß überglänzten Querbalken wie Gerippe, und einige wenige, spärlich mit Stroh gedeckt, schienen noch bewohnt, wiewohl kaum bewohnbar, denn der Rauch der Torffeuer, wobei die Bewohner ihr geringes Mahl bereiteten, stahl sich aufwärts, nicht bloß aus den Rauchfängen, seinem regelmäßigen Ausgang, sondern auch aus mehreren andern Rissen in den Dächern. Indessen ergänzte die immerwechselnde, aber im Wechsel stets erneuernde Natur durch die Macht des Pflanzenwuchses die verfallenen und versinkenden Spuren menschlicher Arbeit. Kleine abgestutzte Bäume, ehemals um die Gärtchen herumgepflanzt, waren jetzt zu mächtigen, hohen Waldbäumen herangewachsen; die Obstbäume breiteten ihre Aeste über die kleinen Hofräume aus, und die Hecken waren zu großen unregelmäßigen Büschen aufgeschossen, während Kletten, Nesseln und Schierling in Menge die zerfallenen Mauern überwuchernd geschäftig die ganze Zerstörungsscene in eine malerische Wildniß verwandelten.

Zwei Gebäude in St. Ronans waren noch in einem leidlichen Zustande, beide wesentlich, das eine für das geistige Wohl der Dorfbewohner, das andere für die Bequemlichkeit der Reisenden: das Pfarrhaus und das Wirthshaus. Von dem erstern brauchen wir bloß zu sagen, daß es der durchgängigen Regel gemäß war, nach welcher die Gutsbesitzer von Schottland ihren Geistlichen nicht bloß das wohlfeilste, sondern auch das unpassendste Haus, das Maurerwitz ersinnen kann, zur Wohnung anweisen. Es hatte die gewöhnliche Anzahl von Kaminen, – zwei nämlich, – welche gleich Eselsohren an beiden Enden emporstanden, und dem Zwecke, wozu sie bestimmt waren, so schlecht wie gewöhnlich entsprachen. Es hatte ferner die gewöhnlichen Lecke und Risse, um der Wuth der Elemente Einlaß zu verleihen, worüber gewöhnlich ein schottischer Pfründner gegen seine Brüder im Presbyterium sich zu beklagen pflegt, und, um das Gemälde zu vollenden, so hatten die Schweine, da der Pfarrer unverehlicht war, ungehinderten Zugang in den Garten und den Hofraum; zerbrochene Fenster waren mit braunem Papier ausgebessert, und das unordentliche, schmutzige Aussehen eines von einem verdorbenen Pächter bewohnten Hauses verunstaltete die Wohnung des Geistlichen, der noch überdieß ein gelehrter, gebildeter, wiewohl etwas seltsamer Mann war.

Neben dem Pfarrhause stand die Kirche von St. Ronans, ein kleines, altes Gebäude mit einem Lehmboden und einem Haufen armseliger Kirchenstühle, ursprünglich aus geschnitztem Eichenholz, jetzt aber sorgfältig mit weißem Föhrenholze ausgeflickt. Die äußern Umrisse der Kirche waren jedoch zierlich, da sie in katholischen Zeiten gebaut worden war, wo wir den Formen der Kirchenbaukunst die Anmuth nicht absprechen können, die wir als gute Protestanten ihrer Lehre versagen. Das Gebäude hob kaum sein graues gewölbtes Dach über die einsinkenden Grabhügel empor, die es umgaben, und war auch wirklich von so geringem Umfange, und verlor durch die Grabsteine an der Außenseite, die bis zur Hälfte der kleinen altsächsischen Fenster hinanragten, so sehr an Höhe, daß man es für ein bloßes Grabgewölbe oder Mausoleum größerer Art ansehen konnte. Nur sein kleiner, viereckiger Thurm mit der alten Glockenstube unterschied es von einem solchen Denkmal. Wenn aber der grauköpfige Kirchner die Schlüssel mit zitternder Hand drehte, so betrat der Alterthumsliebhaber ein altes Gebäude, dessen Entstehen, nach der Bauart und einigen Denkmälern der Mowbrays von St. Ronans zu schließen, die der alte Mann zu zeigen pflegte, gewöhnlich in's dreizehnte Jahrhundert gesetzt ward.

Diese Mowbrays von St. Ronans scheinen einst eine sehr mächtige Familie gewesen zu sein. Sie waren mit dem Hause Douglas verbunden und befreundet, zur Zeit als die Uebermacht dieses Heldengeschlechts die Stuarts auf Schottlands Throne zittern machte. Da nun, wie unser naiver Geschichtschreiber sich ausdrückt, »Niemand mit einem Douglasdiener zu streiten wagte, und sicher den Kürzern zog, wenn er es that,« so folgte daraus, daß die Familie von St. Ronans ihre Wohlfahrt theilte, und in den Besitz fast des ganzen reichen Thals kam, dessen Aussicht ihre Wohnung beherrschte. Als aber unter der Regierung Jakobs II. das Glück sich wandte, wurde sie dieser schönen Besitzungen größtentheils beraubt, und spätere Ereignisse schwächten ihre Macht noch mehr. Nichts desto weniger waren sie in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts immer noch eine bedeutende Familie, und Sir Reginald Mowbray zeichnete sich nach der unglücklichen Schlacht von Dunbar durch eine hartnäckige Vertheidigung des Schlosses gegen die Waffen Cromwells aus, der, erzürnt über den unerwarteten Widerstand in einem so unbekannten Winkel, die Veste schleifen und in die Luft sprengen ließ.

Nach diesem Unfall ließ man das alte Schloß verfallen, als aber Sir Reginald nach der Revolution zurückkehrte, baute er sich ein Haus nach Art jener spätern Zeit, und legte es klüglich dem gesunkenen Wohlstand seiner Familie gemäß an. Es lag ungefähr in der Mitte des Dorfs, dessen Nähe in jenen Tagen gar nicht für ungesund galt, auf einem etwas ebneren Boden als die übrigen Gebäude, welche auf der Seite des Hügels gleichsam angekleckst waren, mit wenig mehr ebenem Boden umher, als der Fleck, den sie eben einnahmen. Des Lairds Haus hingegen hatte einen Hofraum vorn, und einen kleinen Garten hinten, der wieder mit einem zweiten Garten in Verbindung stand, welcher drei Terrassen einnahm, und, wetteifernd mit den Gärten des alten Schlosses, fast bis zu den Ufern des Flusses sich herabzog.

Die Familie bewohnte dieß neue Gütchen bis ungefähr fünfzig Jahre vor dem Anfang unserer Geschichte, wo es durch eine zufällig ausgebrochene Feuersbrunst sehr beschädigt wurde, und der damalige Laird, entschlossen, die Wohnung seiner Ahnen zu verlassen, eine angenehmere und bequemere Wohnung etwa drei Meilen vom Dorfe bezog. Da er zu derselben Zeit ein Stück Wald, mit vielen alten Krähennestern (vielleicht um die Kosten des Abzugs zu bestreiten), niederhauen ließ, so wurde es eine gemeine Sage unter dem Landvolk, der Verfall von St. Ronans habe begonnen, als der Laird Lorenz und die Krähen davon flogen.

Indessen wurde das verlassene Herrenhaus nicht den Eulen und Vögeln der Wüste preisgegeben, im Gegentheil ging es dort viele Jahre lang weit lustiger und festlicher her, als da es noch der düstre Aufenthalt eines ernsten schottischen Barons aus der alten Zeit war. Kurz, es ward zu einem Wirthshause mit einem ungeheuern Aushängeschild, das auf der einen Seite den heiligen Ronan, der mit seinem Krummstab dem Teufel das Bein festhält, wie dieß in der wahrhaftigen Legende zu lesen ist, auf der andern Seite das Mowbray'sche Wappen darstellte. Es war weit das besuchteste Wirthshaus in der Nachbarschaft, und man erzählte sich tausend Geschichten von den dort gehaltenen Gelagen und den unter dem Einfluß seiner Getränke verübten kurzweiligen Streichen. Alles dieß war aber jetzt lange vorbei.

Ein lust'ger Ort solls einst gewesen sein,
Jetzt hängt etwas daran, – er ist verflucht.

Das würdige Paar (Diener und Günstlinge der Familie Mowbray), welche zuerst das Wirthshaus besaßen, waren, nachdem sie lange ihr blühendes Gewerbe getrieben hatten, ziemlich wohlhabend gestorben, und hatten eine einzige Tochter hinterlassen. Sie hatten nach und nach nicht bloß das Wirthshaus, das sie anfangs bloß pachtweise besaßen, sondern auch einige vortreffliche Wiesengründe am Bache an sich gekauft, welche die Herren von St. Ronans in kleinen Geldverlegenheiten stückweise veräußert hatten, da ihnen dieß der beste Weg schien, eine Tochter auszustatten oder einem jüngern Sohne eine Offizierstelle zu verschaffen. Meg Dods hatte also, wie sie ihr Erbe antrat, ansehnliches Vermögen, und somit die Ehre, drei reichen Pächtern, zwei Bonnetlairds und einem Roßkamm, welche ihr nacheinander Anträge gemacht hatten, Körbe auszutheilen.

Viele Wetten wurden gemacht auf des Roßkamms glückliche Bewerbung, aber selbst die Pfiffigen fanden sich betrogen. Meg war entschlossen, das Vorderpferd selbst zu reiten, und wollte keinen Eheherrn, der bald sein Herrenrecht geltend machen konnte; so lenkte sie denn in seliger Ehestandlosigkeit mit der ganzen Herrschsucht der Königin Elisabeth Alles mit eigener hoher Hand, nicht nur ihre Knechte und Mägde, sondern auch den Fremdling in ihren Thoren, der, wenn er es wagte, sich Megs oberherrlichem Willen und Belieben zu widersetzen, oder andere Kost, andere Bedienung zu wünschen, als die sie ihm angedeihen ließ, sogleich mit der Antwort hinausgewiesen wurde, die, wie Erasmus uns sagt, alle Klagen in den deutschen Wirthshäusern seiner Zeit zum Schweigen brachte: quaere aliud hospitium, oder, wie Meg sich ausdrückte, »packt Euch fort in ein anderes Wirthshaus.« Da dieß so viel war, als eine Verbannung auf sechzehn Meilen von Megs Residenz, so blieb dem Unglücklichen, über den sie ausgesprochen worden war, nichts übrig, als den Zorn seiner Wirthin zu besänftigen, und sich unbedingt in ihren Willen und in sein Schicksal zu fügen. Doch muß man Meg das Recht widerfahren lassen, daß ihre Herrschaft zwar streng und fast despotisch war, jedoch nicht tyrannisch genannt werden konnte, da sie im Ganzen immer zum Besten der Unterthanen ausgeübt wurde.

Die Kellergewölbe des alten Lairds waren selbst zu seinen Lebzeiten nicht mit trefflicheren Weinen angefüllt gewesen; die einzige Schwierigkeit war nur, Meg zu vermögen, daß sie gerade den Wein herbeischaffte, den man verlangte; dazu kam noch, daß sie oft störrig wurde, und nichts mehr hergeben wollte, wenn sie glaubte, eine Gesellschaft hätte so viel, als ihr gut sei. Ihre Küche war ihr Stolz und Ruhm, bei dem Zurichten einer jeden Speise war sie selbst gegenwärtig, und bei einigen durfte Niemand Hand anlegen, als sie. Dahin gehörte der Hahn mit Lauchbrühe, und die schmackhaften kleinen Kälberschnitten, die in ihrer Art selbst mit den Kalbs-Côtelettes unserer alten Freundin Frau Hall zu Ferrybridge wetteiferten. Megs Tisch- und Bettzeug u. s. w. war alles selbst gesponnen, von bester Qualität und in der besten Ordnung; und für das Stubenmädchen war es ein schlimmer Tag, wenn Megs Luchsauge nur den mindesten Verstoß gegen die strenge Reinlichkeit entdeckte, die sie ohne Unterlaß einschärfte. In der That, wenn man Megs Vaterland und Beruf erwägt, so kann man ihre außerordentliche, gewissenhafte Reinlichkeit nur dadurch erklären, daß sie ihr den schicklichsten und häufigsten Vorwand lieh, ihre Mägde auszukeifen, wobei sie so viel Beredtsamkeit und Kraft entwickelte, daß wir annehmen müssen, dieß sei ihre liebste Uebung gewesen.

Wir haben nur noch Megs billiger Rechnungen zu gedenken, die am Schlusse des Mahls oft die Besorgnisse des aufstehenden Gastes hoben, statt ihm sein Herz schwer zu machen. Ein Schilling für das Frühstück, drei Schillinge für das Mittagsmahl, mit Einschluß eines Nösels alten Portweins, achtzehn Pence für ein ordentliches Abendessen – dieß war der Ansatz im Gasthause zu St. Ronans unter dieser Wirthin von altem Schrote, selbst noch im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts; und dabei wurden die Rechnungen noch immer mit der frommen Erinnerung überreicht, daß ihr guter Vater nie halb so viel angesetzt, die schlechten Zeiten aber eine billigere Zeche unmöglich machten.

Trotz aller dieser vortrefflichen und seltenen Eigenschaften theilte doch der Gasthof von St. Ronans den Verfall des Dorfs, wozu er gehörte. Der Grund davon war in mancherlei Umständen zu suchen. Die Straße war seitab vom Orte verlegt worden, weil der steile Dorfweg, wie die Postillons versicherten, der Tod ihrer Pferde war. Man hat zwar behauptet, Megs strenge Weigerung, sie mit Branntwein zu bewirthen, oder sich einen Austausch des Hafers für ihre Pferde gegen Porter und Whisky gefallen zu lassen, habe auf die Meinung dieser ehrenwerthen Herren keinen geringen Einfluß gehabt, und ein wenig Aushauen und Ebnen hätte wohl die Auffahrt hinlänglich bequem gemacht, aber das mag dahin gestellt sein. Es war eine Beleidigung, die Meg den Landedelleuten umher, die sie meistens noch als Kinder gekannt hatte, nicht vergab. »Ihre Väter,« sagte sie, »hätten so was einem ledigen Frauenzimmer nicht gethan.« Dann der Verfall des Dorfs selbst, welches ehemals mehrere Lehnsleute und Bonnetlairds zählte, die unter dem Namen der lustigen Gesellschaft wenigstens zwei oder dreimal in der Woche mit Branntwein oder Whisky versetztes Zweipfennigbier tranken, war auch ein kleiner Verlust.

Die Gemüthsart und das Benehmen der Wirthin verscheuchte alle Kunden jener zahlreichen Klasse, welche Originalität nicht als Entschuldigung des verletzten Anstands gelten lassen, und, zu Hause vielleicht an wenig Aufmerksamkeit gewöhnt, im Wirthshaus gerne den großen Herrn spielen, und eine Menge Bücklinge, unterwürfiger Reden und Entschuldigungen für die Ehre erwarteten, die sie dem Hause, der Aufwartung und der Dienerschaft durch ihren Besuch angedeihen ließen. Die, welche diesen Tauschhandel in dem Wirthshaus von St. Ronans einzuführen anfingen, wurden allerdings von Meg Dods bezahlt, aber mit ihrer eigenen Münze, und waren froh, wenn ihnen die Augen nicht ganz ausgekratzt wurden, und ihre Ohren nicht tauber wurden, als wären sie in einer förmlichen Schlacht gewesen.

Zu derlei Gefechten hatte die Natur die ehrliche Meg gebildet, und da ihr edles Gemüth sich daran ergötzte, so entsprachen auch natürlicherweise ihre äußeren Eigenschaften dieser Neigung. Sie hatte ein Haar, das zwischen Schwarz und Grau schillerte, und, wenn sie in heftige Bewegung gerieth, gern sich in wilden Flechten unter ihrer Mütze hervorstahl, lange dürre Hände, die in derbe Klauen ausliefen, graue Augen, dünne Lippen, einen starken Bau, eine breite, wiewohl flache Brust, einen vortrefflichen Athem, und eine Stimme, die es mit einem Chor Fischweiber aufnahm. Sie pflegte in sanftern Stimmungen wohl von sich selbst zu sagen, ihr Bellen sei ärger als ihr Beißen; aber welche Zähne hätten es auch mit einer Zunge aufnehmen können, die, wenn sie in vollem Gange war, laut Zeugnissen, von der Kirche bis in das Schloß St. Ronans vernehmlich war.

Diese ausgezeichneten Gaben hatten indeß für die Reisenden jener leicht- und schwindelfüßigen Zeit keinen Reiz, und Megs Gasthof wurde immer weniger und weniger besucht. Das Schlimmste dabei aber war, daß eine launenhafte Dame von Stand in der Nachbarschaft durch den Gebrauch einer Mineralquelle anderthalb Meilen vom Dorfe zufälligerweise von einigen eingebildeten Beschwerden befreit wurde; ein Modedoktor fand sich, der eine Analyse des Heilquells nebst einem Verzeichniß mehrerer Heilungen schrieb, und ein spekulativer Belustiger nahm ein Stück Land in Lehen, und hatte Wohnhäuser, Läden und selbst Straßen angelegt. Endlich brachte man gar die Unterschriften zu einer Tontine zusammen, um ein Wirthshaus zu errichten, das Zierlichkeits halber ein Hôtel genannt wurde; so wurde Meg Dods immer mehr verlassen.

Indessen hatte sie immer noch ihre Freunde und Gönner, von denen viele glaubten, sie werde als ein lediges Frauenzimmer, das sich schon in der Welt zu bewegen wisse, weislich sich aus dem öffentlichen Leben zurück, und ein Zeichen einziehen, das nicht länger ein Zauber für Gäste war. Aber Megs Geist verschmähte jede mittelbare oder unmittelbare Demüthigung. »Ihres Vaters Thor solle der Heerstraße offen stehen,« sagte sie, »bis ihres Vaters Kind hingestreckt läge, und mit den Füßen voraus hinausgetragen würde. Es sei nicht um des Gewinnes willen, – der Gewinn sei gering, – Gewinn? – es sei baarer Verlust dabei, – aber sie wolle sich von Niemand werfen lassen. Müssen sie ein Hôtel haben? und eine ehrliche Wirthin kann sie nimmer bedienen! Sie mögen meinetwegen hoteliren, aber sie sollen sehen, daß Gevatter Dods so lang hoteliren kann, als Einer, – ja, und ob sie es gleich auf eine Dumtine angelegt, und so viel sie nur Lebensathem in den Nüstern haben, zusammennehmen Alle nach einander, wie ein Flug Gänse, und der Ueberlebende Alles bekommt, was doch eine sündhafte Vermessenheit ist, so wolle sie es doch mit Jedem aufnehmen, so lange nur ihr Athem ausreiche.« Ein Glück war es für Meg, da sie einmal diesen Entschluß gefaßt hatte, daß zu gleicher Zeit, wie ihr Gasthof an Kundschaft verlor, ihre Ländereien so im Werth gestiegen waren, daß sie den Verlust in ihren Büchern mehr als ausglichen, und bei ihrer Vorsicht und Sparsamkeit sie in den Stand setzten, ihren stolzen Vorsatz durchzuführen.

Sie setzte ihr Gewerbe mit aller Bedachtnahme auf das verminderte Einkommen fort, schloß die Fenster der einen Hälfte ihres Hauses zu, um die Fenstersteuer zu ersparen, verminderte ihr Geräth, schaffte ihre zwei Postpferde ab, entließ den alten Postillon, der sie besorgt hatte, seines Dienstes, behielt ihn aber als Gehülfen eines noch ältern Hausknechts bei sich. Um sich für die Einschränkungen zu trösten, die ihren Stolz heimlich verwundeten, kam sie mit dem berühmten Richard Tinto überein, ihres Vaters Schild aufzufrischen, das ganz unkenntlich geworden war; Richard vergoldete demnach des Bischofs Krummstab, und malte den Teufel so furchtbar, daß er ein Schrecken der gesammten Schuljugend und eine Art sichtbarer Erläuterung der Schrecken des Erzfeindes wurde, welche der Geistliche den kindlichen Gemüthern einzuprägen strebte.

Unter diesem erneuten Sinnbild ihres Gewerbes wurde Meg Dods oder Trotz, wie sie ihrer störrischen Gemüthsart wegen unter dem Volke hieß, von einigen beharrlichen Kunden immer noch begünstigt. Dieß waren die Mitglieder der Kiunakelty Jagd, einst berühmt auf Feld und Haide, jetzt eine Gesellschaft ehrwürdiger grauköpfiger Waidmänner, die von Fuchshunden zu Spür- und Hetzhunden herabgekommen, und auf ihren sanftmüthigen Kleppern ganz geruhig zum Mittagessen bei Meg hintrabten. »Eine Gesellschaft ehrlicher, anständiger Leute,« sagte Meg; »haben ihren Sang und ihren Spaß, und warum sollten sie nicht? Ihr Satz im Trinken sei eben ein schottisches Nößel, und ein Quart hinterdrein, und Niemand merkte ihnen darum etwas an. Die süßlichen Burschen heutiges Tages seien von einem armseligen Viertelchen mehr übernommen, als diese gesetzten Leute von einer ganzen Kanne.«

Ferner war die eine Gesellschaft alter Angelbrüder aus Edinburgh, welche im Frühjahr und Sommer St. Ronans häufig besuchten, eine ganz besonders willkommene Gattung von Gästen, denen Meg darum auch in ihrem Hause mehr einräumte, als Andern. »Das seien alte kluge Leute,« sagte sie, »die wohl wüßten, auf welcher Seite ihr Brod mit Butter bestrichen sei. Keiner von ihnen gehe zu der Quelle, wie sie den alten stinkenden Brunnen dort nennen. Nein, – die seien früh Morgens auf, äßen ihren Pudding von Habermehl, tränken vielleicht ein Gläschen Schnaps dazu, und gingen dann an die Berge; da äßen sie ihre kalte Küche auf der Haide, und kämen Abends heim mit einem Korb voll frischer Forellen, bekämen diese zum Essen, dazu ihr Krügelchen Ale, und ihr Tröpfchen Punsch, da sängen sie denn ihre Lieder und Rundgesänge bis zehn Uhr, und gingen dann mit: Gott behüt' Euch! zu Bette, und – warum sollten sie nicht?«

Drittens müssen wir noch einiger wüsten Zechbrüder erwähnen, welche auch aus der Hauptstadt nach St. Ronans kamen, angezogen durch Megs Keifsucht, und noch mehr durch ihre vortrefflichen Getränke und mäßigen Rechnungen. – Dieß waren Mitglieder des Holterpolter- und Lauffeuer-Clubs und anderer Gesellschaften, deren vorzüglicher Zweck es war, sich aller Sorge und Nüchternheit zu entschlagen. Solche Lärmgeister machten viele Unruhe in Megs Hause, und manchen Sturm in ihrem Gemüthskalender. Mannigfach waren die Künste der Schmeichelei und Gewalt, womit sie sich noch mehr Getränk zu verschaffen suchten, wenn Meg das Gewissen sagte, daß sie schon zu viel hätten. Zuweilen mißglückte dieß, der Holterpolterhäuptling wurde zum Beispiel mit Glühwein verbrüht, bei einem unglücklichen Versuche, dieß furchtbare Mannweib zu küssen, und der vortreffliche Präsident des Lauffeuer-Clubs trug von den Kellerschlüsseln einen blutigen Kopf davon, als er sich dieser Zeichen der Hausgewalt bemächtigen wollte. Aber – dergleichen überschwengliche Kurzweil in Megs Art und Weise ließen sich diese unerschrockenen Großbeamten wenig anfechten, das waren für sie nur »Schönfränzchens Tücke« – dulces Amaryllidis irae. Und Meg ihrerseits nannte sie zwar manchmal »versoffene Thunichtgut und ausgemachte Spitzbuben,« dennoch aber durfte in ihrer Gegenwart Niemand schlimm von ihnen sprechen. »Es seien tolle Bursche,« sagte sie, »und damit gut, – wenn sie den Trunk hinein hätten, so sei ihr Verstand heraus, – man kann nicht einen alten Kopf auf junge Schultern setzen, – junge Füllen wollen springen, sei es nun bergauf oder bergab, – und warum sollten sie nicht?« war ihre unabänderliche Schlußrede.

Auch dürfen wir unter Megs standhaften Kunden »gläubig erfunden unter den Ungläubigen,« den kupfernasigen Gerichtsschreiber der Grafschaft nicht vergessen, der, wenn er Amts halber in diese Gegend kommen mußte, noch warm von der Erinnerung an ihr Doppelale und edles Magenelixier, stets bekannt machte, daß seine Verhöre oder Abrechnungen, oder was sonst eben zu thun war, an dem und dem Tage, zu der und der Stunde im Hause Meg Dods, Weinschenkin zu St. Ronans, vorgenommen würden.«

Weiter haben wir nur noch Megs Benehmen gegen zufällige Reisende zu erwähnen, die, weil sie keine nähere oder modischere Bewirthung kannten, oder vielleicht mehr ihren Beutel, als ihren Geschmack zu Rathe zogen, auf ihr Gasthaus zustolperten. Die Aufnahme von solchen war so zweideutig, als die Gastfreundschaft eines wilden Volks gegen Seeleute, die an ihrer Küste Schiffbruch gelitten haben. Schien es ihr, daß die Gäste aus freier Wahl bei ihr einkehrten, oder gefiel ihr das Aeußere derselben (und hierin war ihr Geschmack sehr launenhaft) – vor Allem aber, wenn sie zufrieden schienen mit dem, was sie bekamen, nichts tadelten oder Unruhe machten, so war Alles gut. Kamen sie aber nach St. Ronans, weil es im Brunnenhause besetzt war, oder mißfiel ihnen etwa der Aushängeschild (der Schnitt ihres Bugspriets würde ein Seemann sagen), – oder wollten sie gar an der Bedienung etwas ausstellen, so war Niemand so fertig, ihnen die Thür zu weisen, als Meg, denn dergleichen Leute rechnete sie zu jenen Ungroßmüthigen und Undankbaren, um derentwillen sie ihr Haus mit offenbarem Verluste hielt, und welche sie ein Opfer ihres Eifers für das öffentliche Wohl hatten werden lassen.

Daher entstunden denn die verschiedenen Berichte über den kleinen Gasthof von St. Ronans, den einige Reisende als den saubersten und bequemsten der guten alten Zeit in Schottland priesen, wo man gute Aufwartung und gutes Essen um billigen Preis bekomme, indeß andere minder glückliche nur über die finsteren Zimmer, die garstigen alten Möbeln und die abscheuliche Keifsucht der Wirthin, Meg Dods, klagten.

Wenn du, mein Leser, von der sonnigern Seite des Tweeds kommst, oder auch, wenn du ein Schotte und so glücklich bist, in den letzten fünfundzwanzig Jahren geboren zu sein, so möchtest du vielleicht diese Schilderung der Königin Elisabeth in Frau Quicklys aufgekrämptem Hut und grüner Schürze etwas übertrieben finden. Aber ich berufe mich auf meine Zeitgenossen, welche Fahr-, Reit- und Fußwege so ein dreißig Jahr lang kennen, ob sie sich nicht an Meg Dods, oder eine Ihresgleichen erinnern. Es ist dieß in der That so häufig der Fall, daß ich um die Zeit, wovon ich spreche, mich ordentlich gefürchtet hätte, fast in jeder Richtung einen Ausflug aus der schottischen Hauptstadt zu wagen, weil ich auf eine aus der Schwesterzunft der Frau Quickly hätte fassen können, die mich in Verdacht gehabt hätte, als hätte ich sie unter dem Bilde der Meg Dods dem Publikum vorgeführt. Obgleich es auch noch jetzt hie und da eine oder die andere von dieser besondern Art wilder Katzen geben mag, so müssen doch ihre Klauen vor Alter ziemlich stumpf geworden sein, und ich glaube, sie können nicht viel mehr thun, als gleich dem Riesen Papst in des Pilgrims Reise an der Thüre ihrer unbesuchten Höhlen sitzen, und die Pilger angrinsen, an denen sie früher ihren Despotismus übten.



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