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Elftes Kapitel.

Wir werden nicht mit einem Mal ganz schlecht;
Der Strom des Bösen ist so schwach im Anfang,
Daß eines Kindes Hand den Quell könnt' stopfen.
Doch laß ihn wachsen, und Philosophie
Und selbst Religion, sie sind zu schwach,
Zu dämmen seinen Lauf.

Altes Schauspiel.

Die Templer waren von unserem Freunde Richard in einem besonderen Zimmer bei Beaujeu bewirthet worden. Er durfte sich jetzt schon in einem solchen Hause sehen lassen, denn er hatte seinen Bedientenrock mit einer anständigen Kleidung vertauscht, die freilich für einen älteren Mann passender gewesen wäre, als für ihn. Er hatte sich entschieden geweigert in dem Speisesaale zu erscheinen, – ein Punkt, zu welchem seine Gesellschafter ihn gar gern gebracht hätten; denn man kann sich denken, daß so lustige Vögel, wie Lowestoffe und sein Genosse, geneigt waren, sich einen Spaß auf Kosten des ungebildeten, pedantischen Schotten zu erlauben, und ihn beiläufig um einige Goldstücke leichter zu machen, die ihm in Menge zu Gebote zu stehen schienen. Allein selbst eine Anzahl Becher funkelnden Sectes, in welchem die Perlen tanzten, wie die Stäubchen in der Sonne, brachten keine Veränderung in Richards Schicklichkeitsgefühle hervor. Er behauptete den Ernst eines Richters, während er trank wie ein Fisch, theils aus angebornem Geschmacke für gutes Getränk, theils der Gesellschaft zu Liebe. Nachdem der Wein einige Veränderung in den Köpfen der Templer hervorgebracht hatte, machte Lowestoffe, der Wunderlichkeiten des immer schulmeisterhafter werdenden Richards müde, seinem Freunde den Vorschlag, den Schmaus zu beschließen und sich unter die Spieler zu mischen.

Der Kellner ward gerufen und Richard bezahlte nicht nur die Rechnung, sondern gab auch ein tüchtiges Trinkgeld, welches mit Verbeugungen und wiederholtem: »Danke gehorsamst, meine Herren!« angenommen ward.

»Ich bedaure, daß wir so schnell scheiden, meine Herren,« sagte Richard zu seinen Gesellschaftern. »Gern hätte ich euch noch eine Flasche ausstechen oder ein kleines Nachtmahl nebst einem Glase Rheinwein einnehmen sehen. Ich danke euch indessen, daß ihr meinem ärmlichen Imbiß insoweit Ehre angethan habt, und ich empfehle euch der Frau Fortuna auf euren eignen Wegen; denn mein Platz war, ist und wird nie das Speisehaus sein.«

»Lebewohl denn, hochweiser und spruchreicher Meister Moniplies,« erwiderte Lowestoffe. »Möchtet Ihr bald eine zweite Pfandschaft einzulösen haben, und ich dabei Zeuge sein, und möchtet Ihr dann einen eben so guten Kumpan spielen, wie an dem heutigen Tage.«

»Ihr seid allzugütig, meine Herren. Aber wenn ihr mich einige Worte der Ermahnung in Betreff dieses gottlosen Hauses sprechen lassen wolltet –«

»Spart die Lection, bis ich all mein Geld verloren habe,« erwiderte Lowestoffe, und zeigte ihm einen wohlgespickten Beutel, »und dann möchte Eure Predigt vielleicht einigen Eingang finden.«

»Und hebt mir einen Theil davon auf, Richard,« setzte der andere Templer hinzu, indem er einen fast leeren Beutel sehen ließ, »bis dieser Seckel wieder voll ist, und dann will ich versprechen, Euch geduldig anzuhören.«

»Ihr feinen Herren,« erwiderte Richard, »der volle und der leere gehen einen Weg, und der ist aschgrau. Aber die Zeit wird kommen –«

»Nein, sie ist schon gekommen,« fiel Lowestoffe ein. »Die Spieltische sind schon aufgestellt. Also, wenn Ihr durchaus nicht mitgehen wollt, Richard, so lebt wohl.«

»Lebt wohl, meine Herren,« erwiderte Richard und verließ das Haus.

Kaum war er einige Schritte von der Thür weg, versunken in Betrachtungen über Spiel, Speisehäuser und Sitten der Zeit, als ein nicht minder gedankenvoller Mensch wider ihn rannte, und auf seine Frage, ob er »ehrn« Etwa. eine Unhöflichkeit beabsichtige? mit einem Fluch über Schottland und Alles was dazu gehörte, antwortete. Schon eine minder unverholene Bemerkung würde unsern Richard jederzeit zum Zorne gereizt haben, um so mehr aber jetzt, wo er zwei Flaschen Canarienwein im Kopfe spürte. Er wollte eben eine derbe Antwort geben und dieselbe mit einer Handgreiflichkeit begleiten, als eine nähere Betrachtung seines Gegners sein Vorhaben änderte.

»Ihr seid gerade der Junge, den ich suchte,« sprach Richard.

»Und Ihr,« erwiderte der Ankömmling, »oder irgend Einer von Euren bettelhaften Landsleuten, seid die Letzten, die ich je sehen möchte. Ihr Schotten seid ewig freundlich und falsch; ein ehrlicher Mann kann auf keinen grünen Zweig kommen, so weit euer Auge reicht.«

»Was unsere Armuth betrifft,« versetzte Richard, »so steht es damit, wie's Gott gefällt. Was aber unsere Falschheit betrifft, so will ich Euch beweisen, daß ein Schotte ein so ehrliches Herz gegen seinen Freund hat, wie nur je eins unter einem englischen Wamse schlug.«

»Es liegt mir Nichts daran,« erwiderte der Andere. »Laßt mich gehen! Was haltet Ihr mich am Mantel? Laßt los, oder ich werfe Euch in die Gosse!«

»Ich glaube, ich könnte Euch das vergeben,« antwortete Moniplies, »weil Ihr mir einmal den Gefallen gethan habt, mich aus der Gosse aufzuheben.«

»So möchten denn meine Finger lahm werden, wenn ich es gethan hätte,« entgegnete der Andere. »Ich wollte, Euer ganzes Land läge nebst Euch darin, und verflucht sollte die Hand sein, die Euch aufheben hälfe! – Was sperrt Ihr mir den Weg?« fragte er grimmig.

»Weil es ein böser Weg ist, Meister Jan,« antwortete Richard. – »Nein, Ihr braucht nicht zurückzufahren; Ihr seht, ich kenne Euch. Wehe dem ehrlichen Manne, der so weit kommt, daß er bei Nennung seines Namens beben muß!«

Jan schlug sich mit der Faust vor die Stirn.

»Kommt,« fuhr Richard fort; »dieser Grimm führt zu Nichts. Sagt mir, wohin Ihr geht.«

»Zum Teufel!« antwortete Jin Vin.

»Das ist ein finsterer Weg, wenn Ihr es wörtlich meint,« bemerkte Richard. »Sprecht Ihr aber bildlich, so sage ich, es gibt schlimmere Plätze in dieser Stadt, als die Teufelsschenke, und es kommt mir nicht darauf an, Euch eine Maß gebrannten Sect zum Besten zu geben. Das würde der Rohigkeit in meinem Magen abhelfen und eine gute Vorbereitung auf ein kaltes Hühnchen sein.«

»Ich sag' es Euch in Gutem, laßt mich gehen,« erwiderte Jan. »Ihr meint es vielleicht gut mit mir, und ich wünsche Euch nichts Böses; allein ich bin in einer Laune, die für mich und Andere gefährlich werden kann.«

»Ich will es darauf ankommen lassen,« sprach der Schotte, »wofern Ihr mit mir gehen wollt. Hier ist ein passender Platz, einen Sprung näher als der Teufel, was weiter Nichts ist, als ein böser Name für eine Schenke. Dort drüben der Sanct Andres ist ein ruhiger Platz, wo ich mich zuweilen genetzt habe, als ich in der Nähe des Tempels mit Lord Glenvarloch wohnte. – Was Teufel ist denn das? Thut er nicht einen Ruck, als wollt' er sich und mich aufs Pflaster stürzen!«

»Nennt mir nicht den Namen dieses falschen Schotten, wofern Ihr mich nicht wahnsinnig machen wollt!« rief Jan. »Ich war ein glücklicher Mensch, ehe ich ihn gesehen habe; er ist die Ursache von allem Uebel, das mich betroffen hat; er hat einen Spitzbuben und Wahnsinnigen aus mir gemacht!«

»Wenn Ihr ein Spitzbube seid,« erwiderte Richard, »so habt Ihr einen Häscher gefunden, wenn Ihr toll seid, so habt Ihr einen Wächter gefunden, aber einen wohlmeinenden Häscher und Wächter. Seht, guter Freund, von diesem Herrn sind hundert Dinge gesagt worden, in welchen nicht mehr Wahrheit ist, als in den Lügen Mahomets. Das Schlimmste, was man von ihm sagen kann, ist, daß er nicht immer so leicht zur Befolgung guten Rathes zu bringen ist, wie ich es von ihm, von Euch und von jedem jungen Manne wünschte. Kommt mit mir, kommt mit, und wenn ein Bischen Geld und viel guter Rath Euch zu helfen vermögen, so kann ich sagen, Ihr habt glücklicher Weise Einen gefunden, der Euch Beides geben kann, und der sehr geneigt ist, es Euch zukommen zu lassen.«

Die Zähigkeit des Schotten trug den Sieg über die finstere Laune Vincents davon, der auf der andern Seite so verwirrt war, daß er, unfähig für sich selbst zu denken, sich leicht den Eingebungen eines Andern überließ. Richard schleppte ihn in die kleine Schenke, welche er vorher gelobt hatte, und setzte sich mit ihm in einen engen Bretterverschlag, wo bald eine Maß rauchender Sect und eine Düte mit Zucker ihnen vorgesetzt war. Pfeifen und Tabak wurden ebenfalls herbeigebracht, aber bloß von Richard benutzt, welcher sich seit Kurzem das Rauchen angewöhnt hatte, als eine Gewohnheit, welche die Wichtigkeit seiner Miene noch vermehrte und gewissermaßen die Worte der Weisheit, welche von seinem Munde flossen, in einen lieblichen Duft hüllte. Nachdem sie schweigend ihre Gläser gefüllt und ausgetrunken, wiederholte Richard die Frage an seinen Gast, wohin er habe gehen wollen, als sie sich glücklicher Weise getroffen.

»Ich habe es Euch gesagt,« antwortete Jan, »ich rannte in's Verderben, ich meine, in das Spielhaus. Ich bin entschlossen, diese drei Goldstücke zu wagen, um mein Ueberfahrtsgeld nach Amerika zu gewinnen. Capitain Sharker liegt bei Gravesend mit seinem Schiffe bereit; also, juchhe! ostwärts! Schon war mir ein Teufel begegnet, der mich von meinem Entschlusse abbringen wollte; aber ich habe ihn von mir gestoßen. Ihr seid vielleicht der zweite. Welchen Grad der Verdammniß schlagt Ihr mir vor? und was ist der Preis, den Ihr bietet?«

»Ihr müßt wissen,« antwortete Richard, »daß ich mit solchen Artikeln nicht handle, weder als Käufer, noch als Verkäufer. Wenn Ihr mir aber ehrlich die Ursache Eurer Noth sagen wollt, so will ich thun, was in meiner Macht steht, um Euch herauszuhelfen. Ich gebe keine großen Versprechungen, ehe ich die Sache kenne, gleichwie ein gelehrter Arzt nur dann seinen Rath gibt, wenn er die Anzeichen beobachtet hat.«

»Meine Angelegenheiten gehen keinen Menschen Etwas an,« erwiderte der arme Junge, legte die Arme auf dem Tische übereinander, und senkte den Kopf darauf mit der Abspannung des überladenen Lama, welches sich in Verzweiflung niederwirft, um zu sterben.

Richard Moniplies, wie alle Leute, welche eine hohe Meinung von sich haben, spielte gar gern den Tröster, denn als solcher stand er ja über dem zu Tröstenden. Ueberdem war es ein Anlaß, seine Gesprächigkeit zu entwickeln. Er hielt dem armen Büßer eine unbarmherzig lange Rede voll von den gewöhnlichen Redensarten über die Wandelbarkeit menschlicher Dinge, über die Vortheile der Geduld im Leiden, über die Thorheit, das zu bejammern, was nicht zu ändern ist, – über die Nothwendigkeit in Zukunft vorsichtiger zu sein, nebst etlichen sanften Vorwürfen über das Vergangene, welche er einfließen ließ, um die Hartnäckigkeit des Patienten zu überwinden, gleichwie Hannibal mit saurem Essig sich den Weg durch Felsen bahnte. Es wäre zu viel verlangt gewesen von der Natur, eine solche Wortfluth ruhig über sich ergehen zu lassen. Jin Vin, sei es, um das Eindringen derselben in seine Ohren zu hemmen, sei es, daß er Vertrauen faßte zu Richards Freundschaftsversicherungen (welche, wie Fielding sagt, die Unglücklichen stets geneigt sind zu glauben), sei es endlich, daß er seinen Schmerz in Worten auslassen wollte, – genug, Jin Vin erhob sein Haupt mit den rothen, geschwollenen Augen und sprach: »Ins Teufels Namen! halt' das Maul, ich will dir ja Alles sagen, und die einzige Freundschaft, um die ich dich dann bitte, ist, daß du mich laufen läßt. – Margarethe Ramsay – Ihr habt sie doch gesehen?« –

»Ein Mal,« antwortete Richard, »bei Meister Georg Heriot in der Lombardstraße. Ich war im Zimmer, als sie speiseten.«

»Ja, ich erinnere mich,« fügte Jan hinzu, »Ihr halfet die Teller wechseln. Also dies hübsche Mädchen – und ich behaupte, sie ist die Schönste zwischen der Paulskirche und der Barre – soll an Euren Lord Glenvarloch verheirathet werden, und dabei soll er die Schwerenoth kriegen!«

»Das ist unmöglich,« rief Richard. »Das ist baarer Unsinn. Man schickt euch Philister hier jeden Monat in den April. Lord Glenvarloch sollte die Tochter eines Londoner Handwerkers heirathen! Eben so leicht wollte ich glauben, daß der große Priester Johannes Titel des Beherrschers von Abessynien. die Tochter eines Schacherjuden heirathen werde.«

»Höre, Bruder,« bemerkte Jin Vin, »obwohl ich in Trübsal bin, will ich doch nicht leiden, daß Jemand mit Verachtung von der Stadt rede.«

»Bitte um Verzeihung,« erwiderte Moniplies; »es war nicht böse gemeint. Aber was die Heirath betrifft, die ist platterdings unmöglich.«

»Sie findet statt, sag' ich Euch. Der Herzog, der Prinz und sie Alle haben die Hände darin, vornehmlich aber der alte Narr von König, welcher erklärt, sie sei in ihrer Heimath eine vornehme Person, was, wie Ihr wißt, alle Schotten von sich behaupten.«

Jetzt war an Richard die Reihe, sich beleidigt zu finden. »Meister Vincent, wenn Ihr nicht in Trübsal wäret, so würde ich keine Bemerkungen über meine Nation anhören.«

Der betrübte Jüngling entschuldigte sich seinerseits und fuhr fort: »Es ist gewiß, daß der König sagt, Grethel sei eine Art Standesperson, und daß er bei der Kuppelei sehr betheiligt war, und wie ein alter Gänserich herumgelaufen ist und über das Grethchen gegackert hat, seitdem er sie in Wams und Hosen gesehen. – Freilich kein Wunder!« schloß er mit einem tiefen Seufzer.

»Das mag Alles wahr sein,« erwiderte Richard, »obwohl es mir sonderbar klingt. Aber, Freundchen, Ihr solltet nicht übel reden von Würdenträgern. Flucht nicht dem Könige, Jan, selbst nicht in Eurer Kammer. Die Wände haben Ohren. Niemand kann das besser wissen, als ich.«

»Ich fluche dem närrischen alten Manne nicht,« versetzte Jan. »Aber ich wollte, sie spannten die Saiten nicht zu hoch. Wenn sie im offenen Felde dreißigtausend solche Piken sähen, wie ich in den Geschützgärten gesehen habe, dann würden ihre langhaarigen Hofleute ihnen zu Nichts helfen.« Clarendon macht die Bemerkung, daß trotz der Spöttereien der Schauspieldichter die Waffenfertigkeit der Bürger sich den Cavalieren in dem Bürgerkriege schwer fühlbar machte. Nur stete Uebung konnte in der Schlacht von Newbury und anderwärts die Londoner befähigen, mit ihren Piken sich in geschlossenen Reihen zu behaupten gegen die wiederholten Angriffe des feurigen Prinzen Ruprecht und seiner tapferen Cavaliere.

»Hui! hui, Alter,« rief Richard; »bedenke, wo die Stewarts herstammen, und denke nicht, daß es ihnen je an Spießen und langen Schwertern fehlen werde. Aber lassen wir derlei Sachen bei Seite, von denen zu reden gefährlich ist, und sagt mir, was habt Ihr mit all dem zu schaffen?«

»Was ich damit zu schaffen habe!« wiederholte Jan. »Hab' ich nicht mein Auge auf Grethel Ramsay als mein Liebchen geworfen von dem Tage an, wo ich in ihres alten Vaters Laden gekommen bin? Hab' ich ihr nicht drei Jahre lang die Ueberschuhe und die Galoschen getragen und ihr das Gebetbuch in die Kirche geschleppt und ihr das Kniekissen abgebürstet, und hat sie mir je nein gesagt?«

»Ich wüßte nicht, warum sie es hätte thun sollen, wenn Ihr solche kleine Dienste und weiter Nichts ihr anbotet. Alter, es gibt wenige, sehr wenige Männer unter den Narren und unter den Weisen, welche wissen, wie man ein Weib leiten muß.«

»Hab' ich ihr nicht mit Gefahr meiner Freiheit und fast meines Lebens gedient? Hat sie nicht – nein, sie war es nicht, sondern die verfluchte Hexe, welche sie auf mich einwirken ließ – hat diese mich nicht für sie beredet, mich wie ein Narr in einen Fährmann zu verwandeln, um Eurem gnädigen Herrn – verdamm' ihn Gott! – nach Schottland zu helfen? Und er, anstatt ruhig hinunter nach dem Schiffe bei Gravesend zu fahren, hat er nicht den Eisenbeißer gespielt und seine Pistolen gezeigt, und mich genöthigt, ihn bei Greenwich zu landen, wo er dann einige Renommistenstreiche gemacht hat, die ihn und mich in den Tower brachten?«

»Aha!« rief Richard, indem er ein mehr als gewöhnlich kluges Gesicht zog; »also Ihr waret der grünjackige Schiffer, der den Freiherrn hinuntergefahren hat?«

»Leider!« antwortete Vincent. »Wär' ich kein Narr gewesen, so hätt' ich ihn ins Wasser geworfen. – Und ich habe ihnen nicht gestanden, wer ich wäre, obwohl sie mich bedrohten, mich die Tochter des Herzogs von Exeter umarmen zu lassen.«

»Was?« fragte Richard. »Tochter eines Herzogs, und Ihr fürchtet Euch davor? Das muß ein wüstes Stück sein.«

»Narr, es ist eine Folterbank,« erklärte Jan. »Wo seid Ihr denn aufgewachsen, daß Ihr nie Etwas von der Tochter des Herzogs von Exeter gehört habt? Uebrigens hätten alle Herzoge und Herzoginnen von England Nichts aus mir herausgebracht. Die Wahrheit kam auf eine andere Weise an den Tag, und ich ward in Freiheit gesetzt. Ich lief nach Hause, und hielt mich für einen der geschicktesten und glücklichsten Bursche im Stadtviertel. Und sie – sie wollte mich mit Geld bezahlen für all meinen treuen Dienst! Und sie sprach so süß und zugleich so kalt, daß ich mich in das tiefste Verließ des Towers wünschte. Ich wollte, sie hätten mich zu todte gefoltert, ehe ich gehört hätte, daß dieser Schotte mich bei meinem Liebchen ausgestochen hat!«

»Aber seid Ihr denn gewiß, daß Ihr sie verloren habt?« fragte Richard. »Es klingt mir wunderlich, daß der Freiherr von Glenvarloch die Tochter eines Handwerkers heirathen soll. Wiewohl ich gestehe, es kommen in London ungefügte Heirathen zu Stande.«

»Was wollt Ihr? Kaum war dieser Freiherr aus dem Tower heraus, so kommt er und Meister Heriot, um mit des Königs und was weiß ich wessen Zustimmung um sie zu werben, und reden von den herrlichen Aussichten auf Hofgunst für den Freiherrn, denn er hat keinen Morgen Land.«

»So!« sprach Richard. »Und was sagte der alte Uhrmacher? War er nicht, wie es ihm wohl zukam, geneigt, vor Freude aus der Haut zu fahren?«

»Er multiplicirte sechs Ziffern mit einander, nannte das Product und gab dann sein Jawort.«

»Und was thatet Ihr?«

»Ich rannte auf die Straße,« antwortete Jan mit rothen Augen, »und als ich wieder zur Besinnung kam, wo befand ich mich? Bei der Hexe Suddlechop. Und was schlägt sie mir vor? Mich auf den Weg zu legen.«

»Auf den Weg zu legen? Wie so?« fragte Richard.

»Hm! als Nickelspfaff, als Wegelagerer, wie Peto und Poins und die lustigen Brüder in dem Stücke. Und wer meint Ihr, wer mein Hauptmann sein sollte? – Denn sie hatte die ganze Geschichte herausgeschwatzt, ehe ich ein Wort reden konnte. Sie nahm mein Schweigen für Zustimmung; sie hielt mich für dergestalt verloren, daß mir kein Gedanke, der nach Seligkeit schmeckte, übrig wäre. – Also, wer meint Ihr, sollte mein Hauptmann sein? der Schuft, den Ihr mich habt prügeln sehen, als Ihr mit Lord Glenvarloch im Speisehause waret – ein feiger, betrügerischer, diebischer Prahler, der den Namen Colepepper führt.«

»Colepepper? Hm! ich weiß Etwas von dem Früchtchen,« sprach Richard. »Könnt Ihr mir sagen, wo Etwas von ihm zu erfahren ist, Meister Jan? Ihr könntet mir da einen großen Gefallen thun.«

»Er lebt verborgen,« antwortete Jan, »weil er wegen schlechter Streiche in Verdacht ist, ich glaube wegen des Mordes in Whitefriars oder Etwas der Art. Ich hätte seine Verhältnisse von Frau Suddlechop genau erfahren können. Sie sagte mir, ich sollte auf der Enfielder Jagd zu ihm kommen mit etlichen andern guten Gesellen, um einen Raub zu verüben an Einem, der mit einem Schatze gen Norden reiset.«

»Und Ihr seid auf den sauberen Anschlag nicht eingegangen?« fragte Moniplies.

»Ich fluchte ihr als einer Hexe und ging meines Weges hieher,« antwortete Jan.

»Hm! was sagte sie dazu?« fragte Richard. »Sie wird einen schönen Schrecken gekriegt haben.«

»Durchaus nicht,« antwortete Jan. »Sie lachte und behauptete, sie habe Spaß gemacht. Aber ich weiß ihren Teufelsspaß vom Ernst zu wohl zu unterscheiden. Dagegen weiß sie, daß ich sie nimmer verrathen werde.«

»Verrathen? Nein!« sprach Richard. »Aber seid Ihr irgendwie dem Spitzbuben Colepepper oder Peppercul (oder wie sie ihn nennen) verbunden, daß Ihr ihn einen Raub verüben lassen solltet an dem ehrlichen Manne, der gen Norden reiset, und der vielleicht ein herziger Schotte ist?«

»Ja wohl und mit einer Ladung englischen Goldes heimgeht,« antwortete Jan spöttisch. »Doch sei er, was er wolle; meinetwegen mögen sie alle Welt berauben, denn ich bin beraubt und zu Grunde gerichtet.«

Richard füllte seinem Freunde den Becher und bestand darauf, daß er ihn bis auf die Nagelprobe austrinke. »Diese Liebschaft,« sprach er sodann, »ist eben doch nur eine Kinderei für einen so munteren Gesellen, wie Ihr. Wenn Ihr schlechterdings eine Grille haben müßt, – wiewohl ich es für besser halte, Ihr machtet Euch an ein gesetztes Weibsbild – so gibt es noch eben so hübsche Mädel in London, wie diese Grethel Ramsay. Seufzt nicht so tief. In der See sind noch eben so gute Fische, als herausgeholt worden sind. Warum sollte ein so munterer Geselle wie Ihr das Maul hängen und nicht herzhaft einen Weg einschlagen, sein Glück zu bessern?«

»Ich sage Euch,« antwortete Jan, »ich bin so arm, wie irgend Einer von Euren Landsleuten. Ich habe meinen Lehrvertrag gebrochen und will auf und davon.«

»Ei nein!« sprach Richard. »Ich weiß aus eigner trauriger Erfahrung, Armuth raubt Muth, und wer ein Loch in den Hosen hat, sitzt still. Aber Muth gefaßt, Alter! Ihr habt mir früher einen Dienst erwiesen, und ich will es Euch jetzt vergelten. Wenn Ihr macht, daß ich mit diesem Hauptmanne zu sprechen komme, so soll dies das beste Tagewerk sein, das Ihr je verrichtet habt.«

»Ich merke, Meister Richard, wo Ihr hinaus wollt. Ihr möchtet Eures Landsmannes langen Beutel retten. Ich sehe nicht ab, wie mir das helfen kann, aber ich habe Nichts dagegen, mit dabei zu sein. Ich hasse den Prahler, den blutgierigen, feigen Eisenfresser. Wollt Ihr mir ein Pferd schaffen, so will ich Euch meinetwegen zeigen, wo er zu treffen ist. Aber nehmt Euch in Acht. Er selbst ist ein feiger Hund, aber er wird mehr als Einen handfesten Kerl bei sich haben.«

»Wir wollen einen Haftbefehl auswirken,« antwortete Richard, »und ein Halloh dazu.«

»Daraus wird Nichts, wenn ich mit Euch gehen soll,« versetzte Jan. »Ich liefere Niemand dem Häscher in die Hände. Wenn ich mitgehen soll, müßt Ihr die Sache mit eignem Muthe durchsetzen. Ich habe auf das Schlägerrecht geschworen und verkaufe Niemandes Blut.«

»Nun gut,« antwortete Richard; »einen eigensinnigen Kopf muß man gehen lassen. Ihr müßt wissen, ich bin geboren und erzogen, wo zerschlagene Köpfe häufiger waren als ganze. Ueberdem habe ich hier zwei edle Freunde, Meister Lowestoffe aus dem Tempel und seinen Vetter Meister Ringwood, die werden mit Vergnügen an dem Abenteuer Theil nehmen.«

»Lowestoffe und Ringwood?« wiederholte Jan. »Das sind flotte Burschen und eine zuverlässige Gesellschaft. Wißt Ihr sie zu finden?«

»Das versteht sich,« antwortete Richard. »Sie sitzen fest bei den Karten und Würfeln, bis die kurzen Stunden schlagen.«

»Sie sind zuverlässige Ehrenmänner,« bemerkte Jan, »und wenn sie die Sache gutheißen, so will ich dabei sein. Geht und bringt sie hieher, da Ihr so viel mit ihnen zu reden habt. Wir dürfen uns auf der Straße nicht beisammen sehen lassen. – Ich weiß nicht, wie das ist,« fuhr er fort mit aufgeheiterter Miene und seinerseits die Becher füllend, »aber ich fühle mein Herz erleichtert, seitdem ich über diese Geschichte nachgedacht habe.«

»Das kommt davon, wenn man Rathgeber hat, Meister Vincent,« erwiderte Moniplies. »Ich hoffe, Euch bald sagen zu hören, daß es Euch so leicht ums Herz ist, wie einer Lerche, und zwar, ehe Ihr viele Tage älter seid. Ihr braucht nicht zu lächeln und den Kopf zu schütteln. Ueberlegt, was ich Euch sage und wartet hier, bis ich die Burschen herbeigeholt habe. Ich wette, Karrenseile könnten sie nicht zurückhalten von einem solchen Spiele, wie ich ihnen vorschlage.«



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