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Zehntes Kapitel.

Der Ritter zu dem Manne eilt,
Der in Rechtshändeln Rath ertheilt.
Er sitzt an seinem Pult, wo Geld
Und Bücher sind zur Schau gestellt,
Als Nestei für Clienten, die
Er lockt und rupft wie Federvieh.

Hudibras.

Unsere Leser erinnern sich wohl noch eines glattzüngigen, schlichthaarigen, in Steifleinwand gekleideten, schottischen Schreibers oder Notars, der in den ersten Kapiteln dieser Geschichte als ein Schützling von Georg Heriot erschienen ist. Zu seiner Wohnung kehren wir zurück und finden, daß sich die Zeiten bei ihm geändert haben. Die ärmliche Bude hat sich in ein ansehnliches Zimmer verwandelt, das Linnengewand ist mit schwarzem Sammet vertauscht. Der Mann selber hat seine puritanische Demuth und Höflichkeit beibehalten gegen Clienten von Bedeutung; die übrigen sieht er von oben herab an mit der Miene eines reichen Mannes und behandelt sie mit aller Unverschämtheit eines solchen. Diese Veränderungen hatten erst seit Kurzem stattgefunden, so daß sich die Person noch nicht ganz darein finden konnte. Unter anderen Anschaffungen, die auf Wohlstand deuteten, war auf dem Tische zu sehen eine der besten Uhren von David Ramsay. Der Eigenthümer beobachtete häufig die Umdrehungen des Zeigers, und ein Knabe, den er zum Schreiben verwandte, wurde gelegentlich ausgeschickt, um den Gang dieser Uhr mit dem der Thurmuhr auf der Dunstanskirche zu vergleichen.

Der Schreiber schien in einem Zustande der Aufregung zu sein. Er holte aus einer Geldkiste ein Bündel Pergamente, las mit großer Aufmerksamkeit in denselben und begann folgendes Selbstgespräch: »Da ist kein Ausweg, den das Gesetz darböte, – durchaus keiner. Wenn die Güter von Glenvarloch nicht vor Schlag zwölf Uhr eingelöst werden, so hat Lord Dalgarno dieselben um einen Spottpreis. Sonderbar, daß er am Ende im Stande gewesen ist, seinem Gönner Trotz zu bieten und für sich selbst die Herrschaft zu gewinnen, mit der Aussicht, auf welche er dem mächtigen Buckingham so lange geschmeichelt hat. – Könnte nicht Andres Skurliewhitter ihn eben so fein hinter's Licht führen? Er ist mein Gönner gewesen – das ist wahr – aber nicht mehr als Buckingham der seinige, – und er kann es jetzt nicht mehr sein, denn er reist nach Schottland ab. Es ist mir lieb. Ich hasse und fürchte ihn. Er kennt zu viele von meinen Geheimnissen und ich zu viele von den seinigen. – – Aber nein, nein! Ich darf es nicht unternehmen. Es gibt kein Mittel, ihn zu übervortheilen. – He, Wilm! was ist die Glocke?«

»Eben elf Uhr durch.«

»Gehe hinaus an Deinen Pult. – Was nun weiter? Ich verliere die ehrliche Praxis des alten Grafen und, was schlimmer ist, die schmutzige seines Sohnes. Der alte Heriot versteht sich zu gut auf die Geschäfte, um mir mehr als die gewöhnlichen armseligen Gebühren zu verstatten. Die Geschäfte in Whitefriars waren einträglich, aber sie sind mißlich geworden seit – Pah! wie kommt mir das gerade jetzt in den Kopf? Ich kann kaum die Feder halten. Wenn mich Jemand in diesem Zustande sähe! – Wilm! einen Becher gebranntes Wasser. – Ah! – So! jetzt kann ich dem Teufel in's Angesicht sehen.«

Er sprach die letzten Worte laut und in der Nähe der Thür. Die Thür ging auf, und hereintrat Richard Moniplies, begleitet von zwei Herren und von zwei Trägern mit Geldsäcken. »Wenn Ihr dem Teufel in's Angesicht sehen könnt, Meister Skurliewhitter,« sprach Richard, »so ist um so weniger zu vermuthen, daß Ihr etlichen Geldsäcken den Rücken kehren werdet, welche ich Euch zu bringen mir die Freiheit nehme. Satanas und Mammon sind nahe verwandt.« Während dieser Worte setzten die Träger die Säcke auf den Boden.

»Ich – ich –« stotterte der Notar – »ich weiß nicht, was Ihr wollt, werther Herr.«

»Ich sage, ich bringe Euch hiermit von Lord Glenvarloch das Geld zur Einlösung einer gewissen Pfandschaft auf sein Erbe. Und hier ist Meister Reginald Lowestoffe und ein anderer ehrenwerther Herr aus dem Tempel als Zeugen des Geschäfts.«

»Ich – ich sollte denken,« sprach der Notar, »der Zeitpunkt wäre verstrichen.«

»Verzeiht, Meister Notarius,« erwiderte Lowestoffe, »auf jeder Uhr in der Stadt ist es erst ein Viertel auf zwölf. Ihr sollt uns nicht hinter's Licht führen.«

»Ich muß Zeit haben, das Geld zu zählen und zu wiegen,« wandte Andreas ein.

»Das könnt Ihr nach Eurer Bequemlichkeit thun,« versetzte Lowestoffe. »Wir haben den Inhalt von jedem Sacke zählen und wiegen lassen und unsere Siegel darauf gedrückt. Hier stehen sie in einer Reihe, ihrer zwanzig, jeder dreihundert Goldammer enthaltend. Wir bezeugen, daß sie gebührend angeboten sind.«

»Meine Herren,« sagte der Notar, »diese Verschreibung gehört einem mächtigen Herrn. Ich bitte Euch, mäßigt Eure Hast und laßt mich nach Lord Dalgarno schicken, – oder vielmehr, ich will selber zu ihm laufen.«

Mit diesen Worten griff er nach dem Hute. Allein Lowestoffe rief: »Freund Moniplies! halte die Thüre zu, wenn Du ein Mann bist. Er will blos die Zeit verstreichen lassen. – Kurz gesagt, Andres, – Ihr könnt meinetwegen nach dem Teufel schicken, welcher der mächtigste Herr ist, den ich kenne; aber Ihr selber geht nicht von der Stelle, bis Ihr Antwort gegeben habt auf unser Erbieten, entweder daß Ihr das gehörig angebotene Lösegeld annehmt, oder daß Ihr es zurückweiset. Hier liegt es. Nehmt es oder laßt es liegen, wie Ihr wollt. So viel weiß ich, daß das Gesetz mächtiger ist, als irgend ein Herr in Britannien. So viel habe ich wenigstens im Tempel gelernt. Und spaßt nicht mit dem Gesetze, auf daß es nicht Eure langen Ohren um einen Zoll kürzer mache, Meister Skurliewhitter.«

»Nun, meine Herren, wenn Ihr mich bedrohet, kann ich dem Zwange nicht widerstehen.«

»Keine Drohung, durchaus keine Drohung, Andreserl!« versetzte Lowestoffe. »Nur eine freundliche Erinnerung. Vergeßt nicht, ehrlicher Andres, daß ich Euch im Elsaß gesehen habe.«

Der Notar erwiderte kein Wort, setzte sich nieder und fertigte in bester Form einen Empfangschein für das dargebotene Geld aus. »Ich nehme es auf Euer Wort an, Meister Lowestoffe,« bemerkte er. »Ich hoffe, Ihr werdet nicht vergessen, daß ich weder auf Wiegen noch Zählen bestanden habe. Ich bin artig gewesen. Wenn Etwas daran fehlt, muß ich zu Schaden kommen.«

»Wirf ihm ein Goldstück an den Kopf, Richard!« sprach der Templer. »Nimm die Papiere, und laß uns nun lustig gehen zu speisen, du weißt wo.«

»Wenn ich die Wahl hätte,« bemerkte Richard, »so dürfte es nicht dort in dem hundsföttischen Speisehause sein. Aber da Ihr es so wollt, so mag das Tractament gegeben werden, wo Ihr es wünscht.«

»Im Speisehause,« sprach der eine Templer.

»Bei Beaujeu,« fügte der andere hinzu. »Es ist das einzige Haus in London, wo es reine Weine, gewandte Kellner, ausgesuchte Schüsseln –«

»Und starke Zechen gibt,« ergänzte Richard. »Aber wie gesagt, meine Herren, Ihr habt das Recht, mir in diesem Stücke zu befehlen, da Ihr mir so ehrlich Eure Dienste in diesem Geschäftchen angeboten habt, ohne andere Bedingung, als einen kleinen Schmaus.«

Der letztere Theil dieses Gespräches fand auf der Straße statt. Gleich darauf begegneten sie dem Lord Dalgarno. Er schien eilig zu sein. Er griff leicht an den Hut, um Lowestoffe zu grüßen, welcher seinen Gruß nachlässig erwiderte, und mit seinen Gefährten langsam vorwärts ging. Gegen Richard machte der Freiherr ein gebietendes Zeichen, stehen zu bleiben, und Richard gehorchte wider Willen, aber mit einer instinctmäßig wirkenden Ehrfurcht vor hohem Range, die ihm durch die Erziehung eingeprägt war.

»Wessen Nachtreter bist du, Bursche?« fragte der Freiherr.

»Dessen, der vor mir geht, edler Herr,« antwortete Moniplies.

»Sei nicht naseweis, Kerl!« versetzte Dalgarno. »Ich will wissen, ob du noch Nigel Olifaunts Diener bist.«

»Ich bin der Freund des Freiherrn von Glenvarloch,« antwortete Richard mit Würde.

»Richtig,« entgegnete Dalgarno, »dieser hochgeborne Freiherr ist so tief gesunken, daß er seine Freunde unter Lakaien sucht. Indessen, – höre mich an – indessen wenn er noch desselben Sinnes ist, wie das letzte Mal, wo wir zusammengetroffen sind, so thue ihm zu wissen, daß ich morgen Nachmittag um vier Uhr nördlich von der Enfielder Jagd vorüberkomme. Ich werde eine schwache Begleitung haben, denn ich gedenke mein Gefolge über Barnet gehen zu lassen. Ich will langsam durch den Wald reiten und eine Weile bei dem Camleter Graben halten. Er kennt den Platz, und wofern er mehr ist, als ein Elsasser Prahler, so wird er den Ort zu einem gewissen Geschäft geeigneter finden, als den Park. Ich höre, er ist frei, oder wird es binnen Kurzem. Wenn er mich nicht an dem genannten Platze trifft, so muß er mich in Schottland suchen, wo er mich im Besitze von seines Vaters Herrschaft finden wird.«

»Hm!« erwiderte Richard, »zu diesem Handel gehören zwei Worte.« Er sann auf einen Witz, um auszudrücken, daß er die Mittel in Händen habe, um Dalgarno's Erwartung zu Schanden zu machen. Allein der Freiherr warf ihm einen so zornigen Blick zu, daß er diesmal Klugheit dem Witze vorgehen ließ und sich begnügte zu sagen: »Gott gebe, daß Ew. Herrlichkeit ihr neuer Erwerb wohl bekomme, – wenn Ihr dazu gelangt. Ich will Eure Botschaft an meinen gnädigen Herrn ausrichten, – das ist,« fügte er in Gedanken hinzu, »er soll kein Wort davon durch Richard erfahren. Ich werde mich hüten, ihn in solche Gefahr zu bringen.«

Lord Dalgarno sah ihn einen Augenblick scharf an, als wollte er den Sinn des trockenen ironischen Tones ergründen, in welchem Richards Antwort, trotz seiner Ehrfurcht, gegeben war, und winkte ihm dann fortzugehen. Er sah ihm einige Augenblicke nach, bis er das Kleeblatt aus dem Gesichte verlor, und ging dann mit raschen Schritten nach der Thür des Notars zurück, an welcher er vorbeigegangen war. Er klopfte an und wurde eingelassen.

Der Freiherr fand den Mann des Gesetzes bei den Geldsäcken stehend und bemerkte, daß er bei seinem Eintreten in ängstliche Unruhe gerieth.

»Hoho!« rief er, »hast du kein salbungsreiches Compliment für mich wegen meiner glücklichen Heirath? Kein Wort philosophischen Trostes wegen meiner Ungnade am Hofe? Oder hat mein Antlitz, als das eines Hahnreis und gestürzten Günstlings, die Eigenschaft des Gorgonenhauptes, der turbatae Palladis arma Der Waffe der zürnenden Pallas., wie Se. Majestät sagen würde?«

»Gnädiger Herr, ich bin erfreut – gnädiger Herr, ich bedauere« begann der zitternde Schreiber, welcher die Lebhaftigkeit Dalgarno's kannte, und die Folgen der ihm zu machenden Mittheilung fürchtete.

»Bin erfreut? bedauere?« erwiderte Dalgarno. »Das heißt warm und kalt aus einem Munde blasen. Höre, du personificirter Diebstahl, wenn du bedauerst, daß ich ein Hahnrei bin, so vergiß nicht, daß ich nur mein eigener bin, Schuft! Sie hat zu wenig Blut in den Wangen, um sonst nebenaus getrieben zu werden. Je nun, ich will meinen Geweihschmuck tragen, so gut ich kann. Gold soll ihn vergolden, und was meine Ungnade betrifft, Rache soll sie versüßen. Ja, Rache – eben schlägt die Glücksstunde.«

Von S. Dunstan erscholl in diesem Augenblicke der Glockenschlag zwölf. »Brav geklopft, ihr Hämmer!« jauchzte Dalgarno. »Land und Herrschaft Glenvarloch sind mit diesen Schlägen zerschmettert. Wenn morgen meine Klinge so gut thut, wie heute eure Eisenkolben, so wird der arme Herr ohne Land das, wovon ihr ihn abgeschnitten habt, nicht sonderlich vermissen. – Die Papiere, die Papiere, Schlingel! Morgen geht's gen Norden. Um vier Uhr Nachmittags muß ich am Camleter Graben sein auf der Enfielder Jagd. Heute Nacht bricht der größte Theil meiner Leute auf. Die Papiere! Mach' schnell!«

»Gnädiger Herr, die – die Papiere – die Pfandbriefe – über Glenvarloch – ich – ich habe sie nicht.«

»Habe sie nicht?« hallte Dalgarno nach. »Hast du sie in meine Wohnung geschickt, du Bengel? Habe ich dir nicht gesagt, daß ich hieher kommen würde? – Was willst du mit dem Deuten auf dies Geld? Welchen Schurkenstreich hast du dafür gethan? Es ist zu viel, um ehrlich erworben zu sein.«

»Ew. Herrlichkeit weiß es ja,« antwortete der Notar in großer Verwirrung. »Das Geld ist Euer. Es ist – es ist –«

»Doch nicht das Lösegeld für das Gut Glenvarloch?« rief Dalgarno. »Unterstehe dich nicht, das zu sagen, sonst will ich auf der Stelle deine Rabulistenseele von deinem aashaften Körper scheiden!« Mit diesen Worten faßte er den Notar beim Kragen und schüttelte ihn so heftig, daß der Kragen vom Rocke losriß.

»Gnädiger Herr! ich muß um Hülfe rufen!« wimmerte der Elende, der in diesem Augenblicke eine wahre Todesangst fühlte. »Das Gesetz hat es gethan, nicht ich. Was konnte ich machen?«

»Das fragst du mich? Verdammter Jämmerling! war dein ganzer Vorrath von Eiden, Kniffen und Lügen erschöpft? Oder hältst du dich für zu gut, sie in meinem Dienste anzuwenden? Du hättest, lügen, trügen, die leibhaftige Wahrheit über den Haufen schwören sollen, eher als Dich zwischen mich und meine Rache zu stellen! – Merke es wohl, ich weiß mehr von deinen Streichen, als hinreicht, dich zu hängen. Eine Zeile von meinem General-Anwalt und du bist hin.«

»Was verlangt Ihr von mir, gnädiger Herr?« flehte der Wicht. »Alles, was Gesetz und Kunst vermag, will ich versuchen.«

»Ah! bist du bekehrt? Thue das, oder dein Leben ist verfallen. Vergiß nicht, daß ich nie mein Wort breche. Behalte also dies verfluchte Gold. Oder warte, ich will es dir nicht anvertrauen. Schicke es mir augenblicklich nach Hause. Ich reise nach Schottland, und es müßte schlimm gehen, wenn ich nicht Schloß Glenvarloch wider den Eigenthümer behaupten könnte mit der Munition, die er selber mir geliefert hat. Du bist bereit, mir zu dienen?«

Der Schreiber erklärte seinen unbedingten Gehorsam.

»Also vergiß nicht, die Stunde war verstrichen, als die Zahlung angeboten ward, und schaffe Zeugen, die ein gutes Gedächtniß haben, um das zu beweisen.«

»Gnädiger Herr, ich will noch mehr thun,« rief Andreas wieder auflebend. »Ich will beweisen, daß Lord Glenvarlochs Freunde mich bedroht und die Degen gegen mich gezogen haben. Meinte Ew. Herrlichkeit, ich wäre so undankbar gewesen, sie Etwas zu Dero Nachtheil thun zu lassen, wenn sie mir nicht das Messer an die Kehle gesetzt hätten?«

»Genug gesagt,« erwiederte Dalgarno. »Du bist ein ganzer Kerl. Vergiß nicht, so zu bleiben, wofern du meinen Grimm vermeiden willst. Ich lasse meinen Pagen an der Thüre. Bestelle Träger und laß sie augenblicklich mit dem Gelde nachkommen.«

Mit diesen Worten verließ Lord Dalgarno die Wohnung des Notars.

Skurliewhitter schickte seinen Jungen fort, um Träger zu bestellen, und sann nach, wie er sich des grimmigen, rachgierigen Freiherrn entledigen könne, der gefährliche Sachen von ihm wußte und die Macht hatte, ihn zu Grunde zu richten. Er hatte zwar den eilig entworfenen Plan der Besitznahme der eingelöseten Herrschaft gut geheißen, allein er sah voraus, daß derselbe unausführbar sei. Auf der andern Seite bebte seine schmutzige Seele vor den Folgen von Dalgarno's Zorne zurück. In der Hand eines liederlichen großen Herrn zu stehen, seinen Launen und Erpressungen ausgesetzt zu sein in dem Augenblicke, wo seine Betriebsamkeit den Weg zum Reichthum gefunden hatte – dies war der grausamste Streich, den das Schicksal dem beginnenden Wucherer spielen konnte.

Während der Notar in solcher Seelenangst schwebte, klopfte es an die Thür. Er rief: herein! und es erschien ein Mann in einem Reitermantel von grobem ungeschornen Wiltshirer Tuche und mit einem breiten Ledergurt mit messingener Schnalle, so wie Landleute sie damals trugen. Skurliewhitter glaubte einen Clienten vom Lande zu erblicken, mit welchem Etwas zu machen sei, und öffnete den Mund, um ihn sitzen zu heißen. In diesem Augenblicke schob der Fremde die Frieskapuze zurück, welche er über das Gesicht gezogen hatte, und ließ den Notar Züge sehen, welche demselben wohl bekannt waren, bei deren Anblick er aber eine Anwandlung von Ohnmacht fühlte.

»Seid Ihr es?« fragte er mit schwacher Stimme, während der Fremde die Kapuze wieder vorzog.

»Wer sollt' es sonst sein?« erwiderte der Besucher.

»Du Sohn des Pergaments, vom Dintenfaß
Mit einer Actentasch' erzeugt, du kannst
Den Kiel wohl Vater und die Dinte Mutter,
Den Schandpfahl endlich deinen Vater nennen.
Erweise Ehre mir, der mehr als du bist!«

»Noch immer nicht über die Berge, trotz aller Warnung?« sprach der Notar. »Glaubt nicht, daß Ihr mit Eurem Hirtenmantel und mit Euren Fetzen von Komödien durchkommt.«

»Hm! Was verlangt Ihr von mir?« entgegnete der Hauptmann. »Wollt Ihr, daß ich Hungers sterben soll? Wenn ich fliehen soll, müßt Ihr meine Flügel mit einigen Federn flicken. Ihr könnt sie entbehren.«

»Ihr habt schon Mittel, – Ihr habt zehn Goldstücke bekommen. Was ist aus ihnen geworden?«

»Sie sind fort,« antwortete Hauptmann Colepepper; »wohin, das ist gleichgültig. Ich hatte Lust zu beißen und bin gebissen worden: das ist das Ganze. Ich glaube, meine Hand zitterte bei dem Gedanken an die Arbeit der vorhergegangenen Nacht. Ich habe die Doctoren geschüttelt wie ein Kind.«

»Und habt also Alles verloren? – Da, nehmt dies und geht,« sprach der Notar.

»Was? zwei armselige Schmelzer? Der Teufel hole Eure Freigebigkeit! Vergeßt nicht, daß Ihr so tief drin seid, wie ich.«

»Bei Gott, nein!« versetzte der Schreiber. »Ich dachte nur daran, dem Alten einige Papiere und ein Bischen Geld abzunehmen, und Ihr habt ihn um's Leben gebracht.«

»Wenn er jetzt noch die Wahl hätte,« antwortete Colepepper, »so wurde er lieber das Leben als das Geld verlieren. – Aber das ist nicht die Frage, Meister Skurliewhitter. Ihr habt die geheimen Riegel des Fensters geöffnet, als Ihr ihn den Tag vor seinem Tode in gewissen Geschäften besuchtet. Glaubt mir daher, daß, wenn man mich fängt, ich nicht allein baumeln werde. Schade, daß Hans Hanffeld todt ist; das verdirbt den alten Chor:

Und drei lustige Leut', und drei lustige Leut',
Und drei lustige Leute sind wir.
Ein Trio so schön, wie's nur je ward geseh'n,
Als des Dreibalkens stattliche Zier.«

»Um Gottes willen, nicht so laut!« bat der Notar. »Ist dies eine Zeit und ein Ort, um Eure mitternächtlichen Chöre anzustimmen? – Wie viel braucht Ihr? – Ich sage Euch, meine Kasse ist schlecht bestellt.«

»Das ist eine Lüge,« versetzte der Eisenfresser, »eine handgreifliche Lüge. – Ihr fragt, wie viel ich brauche? Ich antworte: Vorläufig wird einer von diesen Säcken genügen.«

»Ich schwöre Euch,« sprach der Notar, »daß sie nicht zu meiner Verfügung sind.«

»Ehrlicher Weise vielleicht nicht,« erwiderte Colepepper; »aber das macht bei uns nichts.«

»Ich schwöre Euch,« fuhr der Notar fort, »daß sie in keiner Weise zu meiner Verfügung stehen. Sie sind mir dargezählt worden, und ich habe sie dem Lord Dalgarno zu überliefern, dessen Junge auf sie wartet. Nicht ein Goldstück könnt' ich daraus wegstipitzen, ohne zu wagen, als Dieb verfolgt zu werden.«

»Könnt Ihr nicht die Ablieferung verschieben?« fragte der Gauner, dessen große Hand fortwährend an einem der Säcke herumspielte, als ob die Finger derselben Lust verspürten, ihn zu packen.

»Unmöglich,« antwortete der Notar. »Er reiset morgen nach Schottland.«

»Hm!« sprach der Eisenfresser nach augenblicklichem Besinnen. »Reiset er gen Norden mit einer solchen Ladung?«

»Er hat eine starke Begleitung,« fügte der Notar hinzu. »Indeß –«

»Indeß – nun was?« fragte der Gaudieb.

»Ich habe Nichts im Sinne gehabt,« antwortete der Notar.

»Allerdings – Du hast Wind von etwas Gutem,« entgegnete Colepepper. »Ich habe gesehen, du hast inne gehalten, wie ein Vorstehhund. Du wirst so wenig sagen und ein so sicheres Zeichen geben, wie ein wohlgezogener Wachtelhund.«

»Ich wollte weiter Nichts sagen, Hauptmann, als daß seine Dienerschaft über Barnet geht, und daß er mit seinem Pagen den Weg durch die Enfielder Jagd nimmt. Gestern sprach er davon, daß er gemach reiten wolle.«

»Ah! kommst du mir so, mein Junge?«

»Und daß er eine Weile am Camleter Graben halten wolle.«

»Hm! das ist besser als ein Hahnengefecht!« bemerkte der Hauptmann.

»Ich sehe nicht ein, welchen Vortheil Ihr daraus ziehen könnt,« entgegnete der Schreiber. »Indeß, sie können nicht schnell reiten, denn sein Page reitet das Saumroß, welches dies ganze Gewicht da zu tragen hat. Lord Dalgarno sieht scharf auf weltliches Gut.«

»Das Roß wird es Denjenigen Dank wissen, die es seiner Bürde entledigen,« bemerkte der Gauner. »Prr! er ist zu treffen. Er hat doch noch seinen Pagen – den Lutin – den Kobold? Dieser Junge hat mir seiner Zeit Wild gestellt. Ueberdem habe ich noch eine alte Rechnung aus dem Speisehause an ihn zu berichtigen. – Wart' ein Mal – der schwarze Feltheim, der Dietrich Schuttelsack – wir brauchen noch einen Vierten. Ich gehe gern sicher. Die Beute verträgt wohl eine Theilung, abgesehen von dem, was ich ihnen noch abluchse. – Notar, leiht mir zwei Goldstücke. – Wacker gehandelt, edelmüthig mitgetheilt! Guten Abend!« Und sich in seine Verkleidung hüllend ging er weg.

Als er sich entfernt hatte, rang der Notar die Hände und rief: »Noch mehr Blut? noch mehr Blut? Ich hatte gedacht, ich wäre darüber hinaus. – Aber dies Mal fällt mir Nichts zur Last, und ich ziehe in jedem Falle Vortheil davon. Fällt dieser Spitzbube, so hat sein Zupfen an meinem Geldbeutel ein Ende. Stirbt Lord Dalgarno – was sehr wahrscheinlich ist, denn dieser Kerl, der vor kaltem Eisen läuft, wie der Schuldner vor dem Manichäer, thut einen tödtlichen Schuß hinter einem Busche hervor – stirbt Dalgarno, dann bin ich geborgen – geborgen – geborgen!«



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