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Achtes Kapitel.

Benedict. Das sieht nicht aus wie Hochzeit.

Viel Lärm um Nichts.

Kaum war Meister Georg Heriot in des Königs Gemach zurückgekehrt, so fragte Jakob den Thürwart Maxwell, ob der Graf von Huntinglen in der Nähe sei, und gab auf bejahende Antwort den Befehl, ihn vorzulassen. Der alte schottische Lord machte seine gewöhnliche Verbeugung; der König reichte ihm die Hand zum Kusse und begann in theilnehmendem Tone:

»Wir haben Ew. Herrlichkeit in Unserem geheimen, zum Zeichen der Erinnerung an Eure treuen Dienste eigenhändig abgefaßten Schreiben diesen Morgen angedeutet, daß Wir Euch eine Mittheilung zu machen haben, deren Anhörung von Eurer Seite Geduld und Seelenstärke erheische. Wir haben Euch darum aufgefordert, einige kräftige Stellen von Seneca und von Boethius de consolatione Vom Trost. zu lesen, auf daß, wie man sagt, der Rücken der Last gewachsen sei. Wir empfehlen Euch das aus eigner Erfahrung.

» Non ignara mala, miseris succurrere disco« Wohl mit dem Unglück vertraut, versteh' ich den Armen zu helfen.,

spricht Dido, und ich könnte in eigner Person sagen non ignarus; allein das Genus zu verändern, würde der Prosodie schaden, auf welche Unsere südländischen Unterthanen so strenge halten. Also, edler Herr von Huntinglen, ich hoffe, Ihr habt Unsern Rath befolgt und Geduld studirt, bevor Ihr sie bedürft. Venienti occurrite morbo – bereite die Arznei, wenn die Krankheit im Anzuge ist.«

»Erlaube Ew. Majestät,« sprach Lord Huntinglen, »ich bin mehr Krieger als Gelehrter, und wenn meine harte Natur mir nicht über ein Unglück hinaushilft, so hoffe ich auf Beistand aus der heiligen Schrift.«

»Ah, Aushülfe?« erwiderte der König. »Die Bibel« (er griff an die Mütze) »ist allerdings principium et fons Urquell., aber leider kann Ew. Herrlichkeit sie nicht in der Ursprache lesen. Zwar haben wir selber die Uebersetzung gefördert, wie Ihr in der Vorrede zu jeder Bibel lesen könnt, wo es heißt: »Man glaubte, handgreifliche Wolken der Finsterniß wollten das Land überschatten nach dem Untergange des westlichen Sterns, der Königin Elisabeth, aber das Erscheinen König Jakobs, gleich dem der Mittagssonne, verscheuchte diese gefürchteten Nebel!« – Ich sage also, zwar haben Wir, wie dort erwähnt, die Predigt des Evangelii und insbesondere die Uebersetzung der heiligen Schrift aus den Ursprachen befördert, allein nichtsdestoweniger gestehen Wir, selber einen Trost darin gefunden zu haben, sie in dem ursprünglichen Hebräisch zu lesen, – einen Trost, den Wir selbst nicht in der griechischen Uebersetzung der Septuaginta, geschweige in der englischen Uebertragung gefunden haben.«

»Verzeihe Ew. Majestät,« bemerkte der Graf, »wenn Dieselbe die Mittheilung der schlimmen Kunde, mit welcher Dero geehrtes Schreiben mich bedroht, verschieben will, bis ich im Stande bin, Hebräisch zu lesen, so fürchte ich, ich werde sterben unkundig des Unglücks, welches mein Haus betroffen hat, oder welches ihm bevorsteht.«

»Ihr werdet die Kunde leider nur zu früh erhalten,« erwiderte der König. »Es thut mir leid, es sagen zu müssen, aber Euer Sohn Dalgarno, den ich für einen wahren Heiligen hielt, da er so viel bei Steenie und Kindlein Karl war, hat sich als einen rechten Schurken bewährt.«

»Schurke?« wiederholte der Graf in einem Tone, daß der König zurückfuhr, als hätte er einen Schlag erhalten. Der Greis mäßigte seinen Ton und fügte hinzu: »Aber Ew. Majestät spricht dies Wort.« Der König erholte sich seinerseits von seinem Schrecken und sprach in dem ärgerlichen Tone, welcher gewöhnlich sein Mißvergnügen bezeichnete: »Ja, edler Herr, Wir haben es gesagt. Non surdo canis, Wir sind nicht taub. Wir bitten Euch, Eure Stimme im Gespräche mit Uns nicht zu steigern. Da ist die artige Denkschrift; leset und urtheilt selber.«

Mit diesen Worten schob er dem Greis ein Papier in die Hand, welches die Geschichte der Frau Hermione nebst Beweisstücken in solcher Kürze und Genauigkeit enthielt, daß die Schändlichkeit des Lord Dalgarno, des Liebhabers, von dem sie betrogen worden war, unleugbar schien. Aber ein Vater gibt nicht so leicht die Sache seines Sohnes auf.

»Geruhe Ew. Majestät, mich wissen zu lassen, warum diese Mähr nicht früher erzählt worden ist,« sprach der Graf. »Dies Weib ist seit Jahren hier. Warum hat sie den Anspruch auf meinen Sohn nicht in dem Augenblicke erhoben, wo sie den englischen Boden betrat?«

»Gürge, sagt ihm, wie das gekommen ist,« entgegnete der König.

»Ungern erwecke ich meinem gnädigen Herrn von Huntinglen Schmerz,« nahm Heriot das Wort: »aber die Wahrheit darf ich nicht verhehlen. Lange Zeit konnte Frau Hermione sich nicht mit dem Gedanken befreunden, ihre Lage bekannt zu machen, und als sie endlich ihren Sinn änderte, war es nothwendig, den Beweis der falschen Heirath und damit zusammenhängende Briefe und Papiere aufzutreiben, welche sie bei ihrer Ankunft zu Paris kurz vorher, ehe ich sie sah, bei einem dortigen Correspondenten ihres Vaters niedergelegt hatte. Dieser Correspondent wurde bankerott, die Papiere der Dame kamen in andere Hände, und erst vor wenigen Tagen habe ich sie ausfindig gemacht und wiedererlangt. Ohne diese Beweise würde es unklug von ihr gewesen sein, ihre Klage gegen Lord Dalgarno vorzubringen, der durch mächtige Freunde begünstigt wird.«

»Hört einmal, Ihr seid naseweis,« fiel der König ein. »Ich weiß, was Ihr sagen wollt. Ihr meint, Steenie würde das Gewicht seines Fußes in die Wagschalen der Gerechtigkeit gelegt und sie umgestülpt haben. Aber Ihr vergeßt, Gürge, wessen Hand diese Wage hält. Und Ihr thut dem armen Steenie um so mehr Unrecht, als er vor Uns und Unserm geheimen Rathe eingestanden hat, daß Dalgarno ihm, dem armen arglosen Jungen, das Weibsbild aufhängen wollte, indem er ihn glauben machte, sie sei eine Buhlschwester und daß er auf diesem Glauben blieb, selbst als er von ihr schied, obwohl Steenie hätte bedenken sollen, daß von solchem Geschmeiß nicht leicht eine ihm widerstanden haben würde.«

»Frau Hermione« – bemerkte Heriot – »hat dem Benehmen des Herzogs immer volle Gerechtigkeit widerfahren lassen und bezeugt, daß er, obwohl von einer ungünstigen Meinung gegen sie eingenommen, es verschmäht hat, ihre Noth zu mißbrauchen, vielmehr sie mit Mitteln versehen hat, sich aus Verlegenheiten zu ziehen.«

»Das sieht ihm ganz gleich! rief der König. »Segen über sein schönes Haupt! Ich habe die Erzählung dieser Dame um so bereitwilliger geglaubt, da sie nichts Böses über Steenie gesagt hat. Um es also kurz zu machen, edler Herr, es ist die Meinung Unseres Rathes und Unsere eigne, so wie die von Kindlein Karl und Steenie, daß Euer Sohn sein Unrecht dadurch gut machen möge, daß er diese Dame heirathet, oder aber daß er solche Ungnade und Unwillen erfahre, als Wir verhängen können.«

Der Angeredete war unfähig, eine Antwort zu geben. Regungslos und mit starren Augen stand er vor dem Könige, als ob er in eine Bildsäule aus der Ritterzeit verwandelt wäre, und eine Sekunde später brach er zusammen und sank stöhnend zu Boden, wie eben eine solche Bildsäule, die der Blitz getroffen hat. Der König rief erschrocken Heriot und Maxwell zu Hülfe, und da Geistesgegenwart nicht eben seine starke Seite war, rannte er in seinem Kabinet auf und ab unter den Ausrufungen: »Mein alter, lieber Diener, der Uns gerettet hat! Vae atque dolor! Ach und Weh! Edler Herr von Huntinglen, seht auf, seht auf, Alter! Euer Sohn mag die Königin von Saba heirathen, wenn er will.«

Mittlerweile hatten Maxwell und Heriot den alten Grafen aufgehoben und auf einen Stuhl gesetzt. Als der König sah, daß er wieder zu sich kam, fuhr er in seinen Tröstungen methodischer fort.

»Haltet den Kopf in die Höhe und hört auf Euren lieben angestammten Fürsten. Wenn Schande dabei ist, so kommt sie nicht mit leerer Hand, – es ist Münze vorhanden, um sie zu vergolden; ein hübsches Vermögen, das einer guten Herkunft nicht Eintrag thut. Wenn sie ein Lumpenmensch gewesen ist, so hat Euer Sohn sie dazu gemacht, und er kann sie auch wieder zur ehrlichen Frau machen.«

Diese Vorstellungen, so vernünftig sie auch im Allgemeinen waren, gaben dem Lord Huntinglen keinen Trost, wofern er sie überhaupt verstand. Aber das Schluchzen, mit welchem seines guten alten Herrn königliche Rede begleitet war und wodurch sie zuweilen unterbrochen ward, brachte eine schnellere Wirkung hervor. Große Thränen strömten unwillkürlich aus seinen Augen, als er die welken Hände küßte, welche der mit weniger Würde und Zurückhaltung weinende König ihm darreichte, erst eine um die andere, dann beide zugleich. Endlich gewannen die reinmenschlichen Gefühle im Gemüthe des Königs völlig die Oberhand über das Gefühl seiner Würde. Er faßte des Grafen Hände und schüttelte sie mit der Herzlichkeit eines Freundes.

» Compone lacrymas!« Laß die Thränen. rief der König. »Beruhigt Euch, Alter, beruhigt Euch. Der Rath und Kindlein Karl und Steenie mögen insgesammt zum Teufel gehen. Er soll sie nicht heirathen, da es Euch so sehr zu Herzen geht.«

»Er soll sie heirathen, bei Gott!« entgegnete der Graf, sich aufrichtend und mit Heftigkeit die Thränen aus den Augen wischend. »Verzeihe Ew. Majestät, er soll sie heirathen mit ihrer Schande als Brautschatz, und wäre sie auch die ärgste Hure aus Spanien. Wenn er sein Wort gegeben hat, so muß er es halten, und wär' es auch gegen eine Gassenläuferin. Er soll es, oder mein eigner Dolch soll ihm das Leben nehmen, das ich ihm gegeben habe. Wenn er sich zu so schändlichem Truge erniedrigen konnte, sei es auch gegen ein ehrloses Wesen, so mag er ein ehrloses Wesen heirathen.«

»Nein, nein,« versicherte der König, »so schlimm stehen die Sachen nicht. Steenie hat sie nie für eine Gassenläuferin angesehen, selbst als er das Schlimmste von ihr dachte.«

»Wofern es meinen gnädigen Herrn von Huntinglen zu trösten vermag,« bemerkte der Bürger, »kann ich denselben versichern, daß die Dame von guter Herkunft und von fleckenlosem Rufe ist.«

»Es thut mir leid,« erwiderte Lord Huntinglen, sprach aber den begonnenen Satz nicht aus, sondern verbesserte sich: »Gott verzeihe mir meinen Undank für einen solchen Trost; aber fast thut es mir leid, wenn sie so ist, wie Ihr sie schildert, so viel besser, als der Schurke sie verdient. Verurtheilt zu werden zur Vermählung mit Schönheit, Unschuld und edler Geburt –«

»Und Reichthum, und Reichthum,« fügte der König hinzu; »das ist ein besserer Spruch, als er verdient hat.«

»Schon lange« – bemerkte der gekränkte Vater – »habe ich ihn eigennützig und hartherzig gefunden. Aber daß er ein meineidiger Lügner wäre, – einen solchen Flecken hätte ich nicht an meinem Geschlechte zu finden erwartet. Ich will ihn nie mehr sehen.«

»Oho, edler Herr, oho!« rief der König. »Ihr mögt ihn gehörig vornehmen; Ihr mögt zu ihm reden mehr in der Weise Demea's als Mitio's, vi nempe et via pervulgata patrum Mit der gewöhnlichen Kraft und Art der Väter.. Aber ihn nicht mehr sehen zu wollen, ihn, Euren einzigen Sohn, das ist unvernünftig. Ich sage Euch (aber ich wollte nicht, daß Kindlein Karl es hörte), er dürfte die Hälfte aller Londoner Mädel hinter's Licht führen, ehe ich es über mich gewinnen könnte, solche harte Worte zu reden, wie Ihr über Euren Teufelsbraten Dalgarno gesprochen habt.«

»Geruhe Ew. Majestät, mir zu verstatten, daß ich mich entferne und die Sache Eurem königlichen Gerechtigkeitsgefühl gemäß ordne,« sprach der Graf von Huntinglen. »Eine Gunst wünsche ich nicht für ihn.«

»Nun ja, es sei so,« antwortete der König. »Und wenn Ew. Herrlichkeit Etwas ersinnen kann, was Euch zu trösten vermöchte –«

»Ew. Majestät gnädiges Mitgefühl« – bemerkte der Graf – »hat mich schon getröstet, so weit dies auf Erden möglich ist. Das Uebrige hängt vom König der Könige ab.«

»Ihm empfehle ich Euch, alter treuer Diener,« sprach Jakob gerührt, als der Graf sich entfernte. Er blieb einige Zeit in Nachdenken versunken, und sagte dann zu Heriot: »Klingender Gürge, Ihr kennt alle Heimlichkeiten Unseres Hofes, und habt seit dreißig Jahren wie ein weiser Mann gethan: Ihr hört und sehet und sagt Nichts. Eins möcht' ich nun wissen als einen Gegenstand philosophischer Untersuchung. Habt Ihr je von weiland der Gräfin von Huntinglen, der Gemahlin dieses edlen Herrn, gehört, daß sie ein wenig neben hinaus gegangen sei, einen Fehltritt gethan, einen Lägelreif Reif eines Milcheimers um den Leib gelegt, um Schwangerschaft zu verbergen. umgelegt habe oder dergleichen? Ihr versteht mich.«

»So wahr ich ein ehrlicher Mann bin, nie hab' ich den leisesten Verdacht gegen sie äußern hören,« antwortete der Goldschmied, etwas betroffen über diese Frage. »Sie war eine würdige Dame und lebte in gutem Vernehmen mit ihrem Gemahl, ausgenommen, daß sie etwas puritanisch war, und mehr die Gesellschaft von Predigern suchte, als dem Grafen lieb war, der, wie Ew. Majestät weiß, ein Mann von dem alten rauhen Schlage ist, und trinkt und flucht.«

»O Gürge,« rief der König, »das sind Schwächen des alten Schlags, von denen Wir selber Uns nicht ganz frei zu sprechen wagen. Aber die Welt wird von Tage zu Tage schlimmer, Gürge. Das junge Volk dieser Zeit kann wohl mit dem Dichter sagen:

» Aetas parentum, pejor avis, tulit
Nos nequiores –
« Die Zeit der Väter, schlimmer als die der Ahnen, hat uns hervorgebracht, die Schlechteren.

Dieser Dalgarno trinkt und flucht nicht so viel, wie sein Vater; aber er hurt und bricht Wort und Eid. Und was Eure Aeußerung in Betreff der Gräfin und der Prediger anlangt, so sind wir eben insgesammt schwache Geschöpfe, Priester und Könige so gut, wie Andere, und wer weiß, was der Grund der Verschiedenheit zwischen Dalgarno und seinem Vater ist? Der Graf ist ein grundehrlicher Mann, und kümmert sich um weltliches Gut nicht mehr, als ein edler Jagdhund um einen Stinkratz. Aber sein Sohn hätte uns fast mit seiner Frechheit zum Schweigen gebracht – Uns und Steenie und Kindlein Karl und Unsern Rath – bis er von dem Vermögen hörte, da fuhr er zu, wie ein Hahn auf ein Korn. Dies sind Verschiedenheiten zwischen Vater und Sohn, die sich nicht natürlich erklären lassen nach Baptista Porta, Michael Scott de secretis Von Geheimnissen. und Andern. Ja, klingender Gürge, wenn Kesselflicken, Klingeln auf Töpfen und Pfannen und Gefäßen von Metall jeglicher Art Euch nicht alle Grammatik aus dem Kopfe geklingelt hätte, dann könnten Wir über diesen Gegenstand viel mit Euch reden.«

Heriot war zu gerade, um viel Bedauern über den Verlust seiner grammatikalischen Kenntnisse auszusprechen. Aber nachdem er bescheiden angedeutet, daß er viele Männer gesehen habe, die ihres Vaters Hut nicht ausfüllten, obwohl Niemand im Verdachte sei, dieses Vaters Nachtmütze auf dem Kopfe gehabt zu haben, fragte er, ob Lord Dalgarno sich dazu bequemt habe, Frau Hermionen Recht widerfahren zu lassen?

»Traun, Alter,« antwortete der König, »ich zweifle nicht an seiner Geneigtheit. Ich habe ihm Euren Zettel gegeben, der das Verzeichniß ihres Vermögens enthält, und wir haben ihm eine halbe Stunde Zeit gelassen, ihn zu kauen und wiederzukauen. Das ist eine herrliche Lectüre, um ihn zur Vernunft zu bringen. Ich habe Kindlein Karl und Steenie bei ihm gelassen, um ihm ins Gewissen zu reden. Wenn er ihren Zureden widerstehen kann, dann müßte er mich erst lehren, wie ich mit ihm sprechen soll. O Gürge, klingender Gürge, es war großartig, zu hören, wie Kindlein Karl die Verwerflichkeit der Heuchelei auseinandersetzte, und wie Steenie eine Predigt über die Schmach der Unenthaltsamkeit hielt.«

»Ich fürchte,« bemerkte der Goldschmied unbedachtsam, »es hätte mir dabei das Sprichwort vom Satan einfallen können, der die Sünde tadelt.«

»Hol' mich der Teufel!« rief der König erröthend, »Ihr nehmt kein Blatt vor's Maul! Ich gebe Euch Erlaubniß, frei zu reden, und, bei meiner Seele, Ihr laßt das Vorrecht nicht non utendo Durch Nichtgebrauch. verloren gehen. Es wird keine negative Verjährung in Euren Händen erleiden. Meint Ihr, Kindlein Karl solle seine Gedanken von aller Welt durchschauen lassen? Nein, nein! Der Fürsten Gedanken sind arcana imperii. Qui nescit dissimulare nescit regnare Reichsgeheimnisse. Wer sich nicht zu verstellen weiß, versteht nicht zu regieren.. Jeglicher Unterthan ist schuldig, dem Könige die ganze Wahrheit zu sagen; aber diese Verpflichtung ist keine wechselseitige. Und wenn Steenie seiner Zeit zuweilen ein lockerer Geselle gewesen ist, kommt es Euch zu, ihm das vorzuwerfen, Euch, seinem Goldschmied, dem er eine unerschwingliche Summe schuldig ist?«

Heriot fühlte keinen Beruf, den Zeno zu spielen, und sich in Vertheidigung der Sache sittlicher Wahrheit selbst aufzuopfern. Indessen ward er ihr nicht untreu durch Zurücknahme seiner Worte, sondern er beschränkte sich darauf, sein Bedauern darüber auszudrücken, daß er Se. Majestät verletzt habe. Damit begnügte sich der versöhnliche König.

»Und nun, Gürge,« sprach er, »wollen Wir zu dem Schuldigen und hören, was er zu sagen hat, denn ich will diesen Spaß heute ins Reine gebracht sehen. Ihr könnt mit mir kommen, denn Euer Zeugniß könnte vonnöthen sein.«

Der König ging voran in ein größeres Gemach, wo der Prinz, der Herzog von Buckingham und zwei Geheimräthe an einem Tische saßen. Vor dem Tische stand Lord Dalgarno mit so ungezwungener und gleichgültiger Haltung, als bei der Steifheit der Tracht und Manieren jener Zeit möglich war. Alle standen ehrerbietig auf, als der König seinem Sessel zuhumpelte und Heriot ein Zeichen gab, sich hinter ihn zu stellen.

»Wir hoffen,« sprach der König, »Lord Dalgarno ist bereit, dieser unglücklichen Frau und seiner eigenen Ehre Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«

»Dürft' ich fragen,« begann Dalgarno, »welches die Strafe ist in dem Falle, daß ich es unmöglich fände, Ew. Majestät Begehren zu entsprechen?«

»Verbannung von Unserm Hofe,« antwortete der König, »von Unserm Hofe und Angesichte.«

»Ich unglücklicher Verbannter!« rief Dalgarno im Tone unterdrückter Ironie. »Wenigstens will ich Ew. Majestät Bild mitnehmen, denn nimmer werde ich einen zweiten solchen König sehen.«

»Und Verbannung aus Unserem Gebiete,« fügte der Prinz zornig hinzu.

»Das muß in gesetzlicher Form geschehen, erlaube Ew. königliche Hoheit zu bemerken,« erwiderte Dalgarno mit dem Anschein tiefer Ehrfurcht. »Ich habe von keinem Statut gehört, welches uns bei solcher Strafe zwingen könnte, jedes Weib zu heirathen, mit welchem wir getollt haben. Vielleicht kann Se. Gnaden, der Herzog von Buckingham, es mir sagen.«

»Ihr seid ein Schurke,« fuhr der stolze Günstling heraus.

»Pfui, edler Herr, pfui! gegen einen Gefangenen und in Gegenwart Eures königlichen und väterlichen Gevatters!« sprach Lord Dalgarno. »Aber ich will dieser Berathung kurz ein Ende machen. Ich habe diesen Zettel überblickt, enthaltend das Verzeichniß des Vermögens von Erminia Pauletti, Tochter weiland des edlen – ja er ist edel genannt, wenn ich nicht falsch lese, – des edlen Giovanni Pauletti und der nicht minder edlen Frau Mathilde Olifaunt aus dem Hause Glenvarloch. Wohlan, ich erkläre, daß ich mich in Spanien mit dieser edlen Dame verlobt habe, und daß zwischen uns eine gewisse praelibatio matrimonii Vorschmack der Ehe. stattgefunden hat. Was verlangt nun weiter diese ehrwürdige Versammlung von mir?«

»Daß Ihr das gröbliche und schmähliche Unrecht, so Ihr der Dame angethan habt, gut macht, indem Ihr sie zur Stunde heirathet,« antwortete der Prinz.

»Ach, erlaube Ew. königliche Hoheit,« entgegnete Dalgarno, »ich stehe in einem unbedeutenden Verwandtschaftsverhältnisse mit einem alten Grafen, der sich meinen Vater nennt, und der eine Stimme bei dieser Geschichte in Anspruch nehmen könnte. Leider hat nicht jeder Sohn das Glück, einen gehorsamen Vater zu besitzen!« Bei diesen letzten Worten wagte er einen Seitenblick nach dem Throne zu werfen.

»Wir haben selber mit Lord Huntinglen geredet und sind befugt, in seinem Namen die Bewilligung auszusprechen,« erklärte der König.

»Ich hätte kaum diese Dazwischenkunft eines proxeneta (welchen das gemeine Volk Freiwerber nennt) von so hohem Range erwarten dürfen,« erwiderte Dalgarno, ein höhnisches Lächeln kaum unterdrückend. »Und mein Vater hat seine Zustimmung gegeben? Ehe wir Schottland verließen, pflegte er zu sagen, das Blut von Huntinglen und von Glenvarloch würde sich nicht vermischen, würde es auch in dasselbe Becken gegossen. Vielleicht hat er Lust das Experiment zu machen.«

»Edler Herr,« sprach Jakob, »Wir wollen nicht länger Possen anhören. Wollt Ihr augenblicklich und sine mora Ohne Verzug. diese Dame in Unserer Kapelle zum Weibe nehmen?«

» Statim atque instanterSogleich den Augenblick. antwortete Lord Dalgarno; »denn ich sehe ein, daß ich damit in den Stand gesetzt werde, dem Gemeinwesen große Dienste zu leisten. Ich komme dadurch zu Vermögen, um den Bedürfnissen Ew. Majestät abzuhelfen, und zu einem schönen Weibe, welches Sr. Herzoglichen Gnaden zu Diensten steht.«

Der Herzog stand auf, ging an das Ende des Tisches, wo Lord Dalgarno stand, und flüsterte ihm in's Ohr: »Ihr habt mir seiner Zeit eine schöne Schwester zur Verfügung gestellt.«

Dieser Vorwurf erschütterte Dalgarno's erzwungene Ruhe. Er fuhr zusammen, als hätte ihn eine Otter gestochen, aber er sammelte sich sogleich wieder, warf auf den lächelnden Herzog einen Blick unaussprechlichen Hasses und deutete mit dem Zeigefinger auf den Griff seines Degens, jedoch so, daß es kaum von Jemand, außer dem Herzog, bemerkt werden konnte. Der Herzog warf ihm einen zweiten hohnlächelnden Blick zu, und kehrte zu seinem Sitze zurück, dem Gebot des Königs gehorchend, der fortwährend rief: »Setz' dich, Steenie! setz' dich, ich befehl' es dir! Wir wollen hier keine Thätlichkeiten haben!«

»Ew. Majestät braucht nicht für meine Geduld zu fürchten,« sprach Lord Dalgarno. »Und um sie desto besser zu bewahren, will ich in Eurer Gegenwart kein anderes Wort aussprechen, als diejenigen, welche mir auferlegt sind in dem Theile des Gebetbuchs, welches beginnt mit: ›Vielgeliebte‹ und endigt mit ›Entsetzen‹.«

»Ihr seid ein verhärteter Bösewicht, Dalgarno,« erwiderte der König, »und wär' ich das Mädel, so wollt' ich lieber den Schimpf ertragen, Eure Beischläferin gewesen zu sein, als Euer Weib werden. Doch sie soll unter Unserem besonderen Schutze stehen. – Kommt, edle Herren. Wir wollen selber diese feine Hochzeit sehen.« Damit erhob er sich und ging nach der Thür, und die Uebrigen folgten. Lord Dalgarno sprach zu Niemandem, und Niemand sprach zu ihm. Sein Gang und seine Geberden waren so unbefangen, als ob er wirklich ein glücklicher Bräutigam wäre.

Durch einen geheimen Gang von den königlichen Gemächern aus erreichten sie die Kapelle. Der Bischof von Winchester stand im Ornat neben dem Altar. Auf der andern Seite stand, gestützt auf Monna Paula, die bleiche, halb leblose Gestalt von Hermione oder Erminia Pauletti. Lord Dalgarno machte ihr eine tiefe Verbeugung. Der Prinz bemerkte, mit welchem Entsetzen sie ihn betrachtete. Er ging auf sie zu und sagte ihr mit vieler Würde: »Madame, bevor Ihr Euch unter die Gewalt dieses Mannes stellt, laßt mich Euch bemerken, daß er vollkommen Eure Ehre in Betreff Eures früheren Verhältnisses ins Klare gesetzt hat. Es ist nun an Euch, zu erwägen, ob Ihr Euer Vermögen und Euer Glück in die Hände eines Menschen legen wollt, der sich jedes Vertrauens unwürdig gezeigt hat.«

Hermione fand mit Mühe Worte, um zu erwidern: »Ich verdanke Sr. Majestät Güte den Vorbehalt eines Theils meines Vermögens zu meinem anständigen Unterhalte. Das Uebrige kann nicht besser verwendet werden, als zur Einlösung des guten Rufes, dessen ich beraubt bin, und zur Erkaufung der Freiheit, mein Leben in Frieden und Abgeschiedenheit zu beschließen.«

»Der Vertrag,« bemerkte der König, »ist unter Unsern eignen Augen aufgesetzt worden. Die potestas maritalis Gewalt des Ehegatten. ist ausdrücklich beseitigt, und es ist ausgemacht, daß sie getrennt leben. Schnallt sie denn zusammen, gnädiger Herr Bischof, so schnell wie Ihr könnt, damit sie um so schneller wieder von einander kommen.«

Der Bischof schlug sein Buch auf und las die Vermählungsformeln unter Umständen, die so ungewöhnlich und so wenig glückverheißend waren. Die Antworten der Braut wurden blos durch Neigungen des Hauptes und des Körpers ausgedrückt, wogegen die des Bräutigams keck und deutlich gesprochen wurden in einem Tone, der wie Leichtsinn, wenn nicht wie Hohn klang. Nachdem die Feier vollendet war, trat Lord Dalgarno vor, um die Neuvermählte zu begrüßen. Da er aber sah, daß sie entsetzt zurückwich, begnügte er sich mit einer tiefen Verbeugung gegen sie. Sodann richtete er sich stolz empor und streckte in anmuthiger Weise die Glieder, als wolle er die Kraft derselben erproben. »Ich könnte noch Capriolen machen,« äußerte er, »obwohl ich in Banden bin. Aber sie sind von Gold und tragen sich leicht. – Nun, ich sehe, alle Augen blicken kalt auf mich, und es ist Zeit, daß ich mich entferne. Die Sonne scheint auch außerhalb Englands! Aber erst muß ich fragen, wie die gnädige Frau Dalgarno untergebracht wird. Mich dünkt, es ziemte sich, daß ich es wüßte. Wird sie in den Harem meines gnädigen Herrn, des Herzogs geschickt werden? Oder soll dieser ehrsame Bürger, wie zuvor – –«

»Halt' dein schamloses Maul!« rief der Graf von Huntinglen, welcher sich während der Feier im Hintergrunde gehalten hatte. Er trat vor, faßte die junge Frau beim Arme und wandte sich gegen ihren unwürdigen Gemahl. »Die Freifrau von Dalgarno,« sprach er, »soll als Wittwe in meinem Hause bleiben. Als Wittwe betracht' ich sie, gleich als ob das Grab sich über ihrem entehrten Gemahle geschlossen hätte.«

Lord Dalgarno schien einen Augenblick ganz verblüfft und beschämt, und erwiderte in unterwürfigem Tone: »Wenn Ihr, gnädiger Herr, mich todt wünschen könnt, so kann ich, obwohl Euer Erbe, das Compliment nicht erwidern.« Und schnell sich sammelnd, fügte er hinzu: »Wenige Erstgeborne in Israel können dies in Wahrheit sagen. Aber ich will Euch beweisen, bevor ich gehe, daß ich der ächte Abkömmling eines Hauses bin, das wegen seines guten Gedächtnisses bei Beleidigungen berühmt ist.«

»Ich begreife nicht, wie Ew. Majestät ihn noch weiter anhören kann,« bemerkte Karl von Wales. »Mich dünkt, wir hätten genug von seiner Frechheit gehört.«

Allein Jakob, der wie eine Gevatterin auf diesen Auftritt gespannt war, konnte unmöglich dem Wortwechsel ein Ende machen, sondern legte seinem Sohne Stillschweigen auf mit den Worten: »Still! Kindlein Karl. Das ist ein lieber Junge. Still! Ich muß doch hören, was der schamlose Lump sagen kann.«

»Blos das,« antwortete Dalgarno. »Wäre nicht in diesem Zettel eine gewisse Zeile, dann würde alles Uebrige mich nicht vermocht haben, die Hand dieses Weibes in die meinige zu nehmen.«

»Diese Zeile ist wahrscheinlich die Summa summarum,« bemerkte der König.

»Nein, Sire,« antwortete Dalgarno. »Die Gesammtsumme hätte allerdings selbst für einen schottischen König vor noch nicht langer Zeit ein Gegenstand der Berücksichtigung sein können. Aber für mich hätte sie einen geringen Reiz gehabt, wenn ich nicht hier einen Satz gefunden hätte, der mir die Macht gibt, Rache zu üben an der Familie Glenvarloch. Jene blasse Neuvermählte kann Euch sagen, daß sie, indem sie die Brautfackel in meine Hand gab, mir die Macht verlieh, das Haus ihrer Mutter zu Asche zu verbrennen.«

»Wie ist das?« fragte der König. »Was meint er, klingender Gürge?«

»Dieser freundliche Bürgersmann« – nahm Dalgarno das Wort – »hat eine meiner Gemahlin und jetzt, Gott sei Dank, mir gehörende Summe aufgewendet, um einen Pfandbrief über die Herrschaft Glenvarloch zu erwerben, welcher Pfandbrief, wofern er nicht bis morgen Mittag eingelöset ist, mich in Besitz der schönen Güter Derjenigen bringt, so sich einst die Nebenbuhler unseres Hauses nannten.«

»Sollte dies wahr sein?« fragte der König den Goldschmied.

»Leider nur zu wahr, allergnädigster Herr,« antwortete Heriot. »Frau Hermione hat das Geld zur Befriedigung des ursprünglichen Gläubigers vorgeschossen. Dafür war ich als ehrlicher Mann verbunden, die Rechte dieses Gläubigers auf sie übertragen zu lassen, welche nun ohne Zweifel auf ihren Gemahl übergehen.«

»Aber die Anweisung, Freund? die Anweisung auf Unsern Schatz?« entgegnete der König. »Konnte sie dem Jungen nicht die Mittel zur Einlösung verschaffen?«

»Leider, allergnädigster Herr, hat er sie verloren oder verschleudert. Sie ist nicht zu finden. Er ist der unglücklichste junge Mensch unter der Sonne.«

»Das ist eine saubere Geschichte!« rief der König, und fing an herumzuwandeln und zum Zeichen seiner Verlegenheit mit den Nesteln seines Wamses und seiner Hosen zu spielen. »Wir können ihm nicht helfen, ohne ihm Unsere Schuld zwei Mal zu bezahlen, und bei dem jetzigen Stande unseres Schatzes vermögen wir es kaum ein Mal.«

»Ihr habt mir da etwas Neues gesagt,« bemerkte Dalgarno. »Aber ich will keinen Gebrauch davon machen.«

»Thue es nicht,« sprach sein Vater. »Sei ein kühner Bösewicht, wenn du denn einmal einer sein mußt, und suche Rache mit dem Schwerte und nicht mit der Waffe des Wucherers.«

»Verzeiht, gnädiger Herr,« erwiderte Dalgarno. »Feder und Dinte sind jetzt die sichersten Rachemittel, und mehr Land wird von den Rechtsgelehrten erkämpft mit der Schafshaut, als von dem Flamberg mit dem Schafskopf am Griffe. Aber, wie gesagt, ich will keinen Gebrauch davon machen. Ich will morgen in der Stadt am Coventgarten es abwarten, ob Jemand die Einlösungssumme meinem Schreiber bezahlt, bei dem die Urkunden liegen. Geschieht es, dann desto besser für Lord Glenvarloch. Geschieht es nicht, so reise ich übermorgen ab und eile gen Norden, um Besitz zu ergreifen.«

»Nimm deines Vaters Fluch mit, Elender!« rief Graf Huntinglen.

»Und den Fluch eines Königs, der pater patriae Vater des Vaterlandes. ist,« fügte Jakob hinzu.

»Ich hoffe, nicht schwer an beiden zu tragen,« antwortete Lord Dalgarno, verbeugte sich nach allen Seiten, und verließ die Kapelle. Alle Anwesenden, welche sich durch seine entschlossene Frechheit wie eingeschüchtert gefühlt hatten, athmeten freier auf, nachdem sie seiner Gegenwart entledigt waren. Lord Huntinglen richtete an seine Schwiegertochter einige Worte des Trostes und entfernte sich gleichfalls mit ihr. Der König aber kehrte mit seinem Geheimenrathe, den er nicht entlassen hatte, in das Rathszimmer zurück, obwohl es schon spät am Tage war. Heriot erhielt Befehl mitzugehen; zu welchem Ende ward ihm nicht gesagt.



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