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Zweites Kapitel.

Gib gute Fahrt uns, sanfter Strom. Wir stören
Nicht deine Ruh' mit jubelndem Gelärm',
Erwecken nicht das Echo deiner Ufer
Durch Flöt' und Horn. Wir wollen lediglich
Auf deiner klaren Fläche in der Still'
Erreichen eine Freistatt.

Die Doppelhochzeit.

Ein graues oder vielmehr gelbliches Licht begann durch die Nebel von Whitefriars zu dämmern, als ein leises Klopfen an der Hausthür des unglücklichen Geizhalses Nigeln die Ankunft des Fährmanns verkündete. Er eilte hinunter und fand den Mann, welcher in der verflossenen Nacht bei ihm gewesen war, begleitet von einem Andern.

»Kommt, kommt, Meister,« flüsterte der Eine dringend. »Zeit und Fluth warten auf keinen Menschen.«

»Sie sollen nicht auf mich warten,« erwiderte Lord Glenvarloch; »aber ich habe Verschiedenes mitzunehmen.«

»Siehst du, Hans,« sagte der eine Schiffer. »Wenn heutzutage Jemand ein Paar Ruder miethet, so hat er gewiß im Sinne, den Nachen wie einen sechsspännigen Wagen vollzuladen. Wenn sie nicht Schiff und Geschirr mitnehmen, behelfen sie sich gewiß mit einer Suppenschüssel – hol' sie der Teufel! Macht, macht! Wo ist Euer Plunder?«

Einer der Männer hatte sich bald, wenigstens nach seiner Meinung, hinlänglich beladen mit Lord Glenvarlochs Koffer und einigen Kleinigkeiten, und trollte damit nach der Tempeltreppe. Sein Gefährte, welcher der Obere zu sein schien, versuchte das Schatzkästchen aufzuheben, setzte es aber sogleich wieder nieder, indem er fluchend betheuerte, eben so vernünftig würde es sein, von einem Manne zu verlangen, er solle die Paulskirche auf den Buckel nehmen. Die Tochter des Geizhalses trat eben ein, vermummt in einen langen dunkeln Kapuzenmantel, und rief Lord Glenvarloch zu: »Wenn sie nicht wollen, mögen sie es stehen lassen. Laßt es stehen und laßt uns nur von diesem gräulichen Ort entfliehen.«

Nigel empfand lebhaftes Mitleid und Unwillen, und erregt von diesen Gefühlen, bewies er seine außerordentliche Körperkraft. Er faßte das Kästchen an dem Stricke, den er darum geschlungen hatte, hob es auf die Schulter und ging entschlossen vorwärts unter einer Last, welche wenigstens drei Stutzer unserer entarteten Zeit zu Boden drucken würde. Der Fährmann folgte ihm erstaunt und rief ihm zu: »Ei, Meister, Ihr könnt mich ja wohl das andere Ende davon fassen lassen!« Nigel fühlte sich alsbald geneigt, dies Anerbieten anzunehmen. Er war fast erschöpft, als er den Kahn erreichte, welcher versprochenermaßen an der Tempeltreppe hielt. Als sie das Kästchen hineinhoben, senkte sich die Spitze des Fahrzeugs unter dem Gewicht so tief, daß es beinahe umgeschlagen wäre.

»Das wird eine so schwere Fracht geben, als wenn wir einen Bankerottirer mit dem, was er auf die Seite geschafft hat, übersetzten. – He! he! Weibchen! was wollt Ihr im Nachen? Unser Schanddeck liegt tief genug im Wasser, ohne daß wir noch lebendigen Ballast brauchten.«

»Diese Person begleitet mich,« bemerkte Lord Glenvarloch. »Sie steht vorläufig unter meinem Schutze.«

»Macht, macht, Meister!« erwiderte der Gesell, »das liegt außer meinem Auftrage. Ihr dürft mir die Fracht nicht verdoppeln. Sie kann den Landweg nehmen – und was den Schutz betrifft, so wird ihr Gesicht sie beschützen von Berwick bis zum Lands-End.«

»Ihr werdet Nichts gegen Verdoppelung der Fracht haben, wenn ich das Frachtgeld verdoppele,« erwiderte Nigel, entschlossen, das unglückliche Weib in keinem Falle hülflos zurückzulassen. Er hatte bereits einen Plan für sie ausgedacht, und dieser schien jetzt durch die bekannte Rohheit der Fährleute auf der Themse vereitelt werden zu sollen.

»Bei Gott! ich werde allerdings Etwas dagegen haben,« antwortete der Kerl in der grünen Plüschjacke. »Ich überlade mein Fahrzeug weder aus Gefälligkeit noch für Geld. Mein Kahn ist mir so lieb wie mein Weib und noch ein Bischen lieber.«

»Geh', geh',« sagte sein Gefährte, »das ist keine Wassersprache. Für doppelten Lohn müssen wir eine Hexe in ihrer Nußschale rudern, wenn sie es verlangt. Also drück' ab, Hans, und schwatz nicht weiter.«

Sie ruderten in das Fahrwasser und schwammen, obwohl sie schwer geladen hatten, ziemlich rasch den Strom hinunter. Die leichteren Nachen, welche ihnen begegneten, sie einholten oder vor ihnen vorüberfuhren, überschütteten sie mit jenem lärmenden Spott, den man damals Wasserwitz nannte, und der sich in diesem Falle hauptsächlich um das überaus häßliche Gesicht der Jungfer Martha im Vergleich mit der hübschen Gestalt und dem jugendlich blühenden Aussehen Nigels drehte. Erst wurden sie begrüßt als eine Krämersfrau, die mit ihrem ältesten Ladendiener eine Lustpartie mache, dann als ein altes Weib, das seinen Enkel in die Schule führe, endlich als ein junger irischer Lümmel, der eine alte Jungfer entführt habe und mit ihr nach Redriffe fahre zu Dr. Schmus, der Bettler für ein Kopfstück und einen Schnaps zusammenkuppele. All' dieser Schimpf wurde in dem entsprechenden Tone erwidert von Grünjack und seinem Gefährten, welche den Witzkampf mit derselben Munterkeit aufnahmen, wie er ihnen angeboten war.

Mittlerweile fragte Nigel seine trostlose Gefährtin, ob sie sich auf einen Ort besonnen habe, an welchem sie mit ihrem Eigenthume sichere Unterkunft finden könne. Sie erklärte mit mehr Ausführlichkeit als früher, daß der Ruf ihres Vaters ihr keine Freunde gelassen, und daß sie von der Zeit an, wo er, um den gesetzlichen Folgen seiner Gewinnsucht zu entgehen, sich nach Whitefriars zurückgezogen, in völliger Abgeschlossenheit von der Welt gelebt habe, da sie weder Lust gehabt, mit der Nachbarschaft in Verkehr zu treten, noch ihr Aufenthalt im Elsaß und ihres Vaters Sparsamkeit ihr sonstige Gesellschaft verstattet habe. Sie wünsche vor allen Dingen eine anständige Wohnung bei ehrlichen, wenn auch geringen Leuten. Alsdann wolle sie sich nach einem Rechtsbeistand umsehen, um Gerechtigkeit für den Mord ihres Vaters zu erlangen. Sie nahm keinen Anstand, die Schuld auf Colepepper (gewöhnlich Peppercull genannt) zu werfen, von dem sie wußte, daß er eben so sehr zu jeder Handlung hinterlistiger Grausamkeit fähig sei, als feig, wo wirkliche Mannhaftigkeit erfordert ward. Er war schon früher in dringendem Verdachte von zwei Raubanfällen, von denen der eine mit einem empörenden Morde verknüpft war. Sie gab zu verstehen, er habe Ansprüche auf ihre Hand gemacht, als den leichtesten und sichersten Weg, in den Besitz von ihres Vaters Reichthum zu kommen, und nachdem sie seine Anträge, wenn dieselben überhaupt so genannt werden könnten, auf's Entschiedenste zurückgewiesen, habe er Andeutungen fallen lassen, daß er sich rächen wolle. Diese Drohungen und einige erfolglosen Angriffe auf das Hans hätten sie in steter Besorgniß um ihr und ihres Vaters Leben erhalten.

Nigel hätte hier einen Umstand, der zur Bestätigung ihres Verdachtes dienen konnte, mittheilen können, wenn nicht sein Zartgefühl der Unglücklichen gegenüber ihn abgehalten hätte. Er erinnerte sich der Andeutung Hildebrods in der vergangenen Nacht, daß eine Aeußerung von ihm an Colepepper die Catastrophe beschleunigt habe. Nichts war wahrscheinlicher, als daß diese Mittheilung von Hildebrods Plan einer Heirath zwischen Nigel und der Erbin von Trapbois in dem gemeinen Schurken die Besorgniß erregt hatte, eine Gelegenheit, sein Glück zu machen, unwiederbringlich zu verlieren, und daß der Grimm getäuschter Hoffnung ihn zu der Missethat bewogen hatte. Lord Glenvarlochs Theilnahme für die von ihm gerettete Person wurde erhöht durch die Erwägung, daß sein Name mit der Ursache dieser That verbunden war, und er faßte im Stillen den Entschluß, alles Mögliche zur gerichtlichen Verfolgung dieser Sache zu thun, sobald seine eigenen Angelegenheiten einigermaßen geordnet seien.

Nachdem er gefunden, daß Martha nicht wußte, wohin sie sich wenden solle, empfahl er ihr, einstweilen ihre Wohnung bei seinem alten Hauswirthe, dem Schiffkrämer Christie an der Paulslände zu nehmen, indem erste versicherte, daß derselbe mit seiner Frau eine ehrbare Haushaltung führe. »Entweder,« sagte er, »nehmen sie Euch bei sich auf oder sie empfehlen Euch an Jemand, für den sie bürgen, bis Ihr Zeit gefunden habt, Euch selber nach einer besseren Wohnung umzusehen.«

Das arme Weib nahm diesen, in ihrer hülflosen Lage so willkommenen Rath mit kurzem aber so herzlichen Danke an, wie sich kaum von ihrem starren Wesen erwarten ließ. Lord Glenvarloch erklärte ihr weiter, daß Gründe seiner persönlichen Sicherheit ihn unverzüglich nach Greenwich riefen, daß es ihm mithin unmöglich sei, sie nach Christie's Haus zu begleiten, was er sonst mit Vergnügen gethan haben würde. Aber er riß ein Blatt aus seiner Schreibtafel und schrieb darauf einige Zeilen an seinen Hauswirth. Er schilderte diesem, als einem Manne von Ehre und Gefühl, die Ueberbringerin als eine zeitweiligen Schutzes und Rathes bedürftige Person, die vermögend sei, Gefälligkeiten reichlich zu belohnen, und bat ihn, als seinen alten Freund, sie für einige Zeit unter seinem Dache wohnen zu lassen, oder, wenn das nicht angehe, ihr eine passende Wohnung anzugeben. Er schloß mit dem etwas schwierigeren Auftrage, ihr einen ehrlichen oder wenigstens in gutem Rufe stehenden Sachwalter zur Führung eines wichtigen Rechtsgeschäftes zuzuweisen. Er unterzeichnete sein Schreiben mit seinem wahren Namen und übergab es der von ihm Beschützten, welche es mit einem herzlichen, mehr als tausend gedrechselte Phrasen besagenden »Ich danke Euch« in Empfang nahm. Darauf gebot er den Fährleuten, an der Paulslände, welcher sie sich jetzt näherten, anzuhalten.

»Wir haben keine Zeit dazu,« erwiderte Grünjack, »wir können nicht jeden Augenblick still halten.«

Nigel bestand auf seinem Verlangen, und sobald er erklärte, daß der Zweck sei, die Dame an's Land zu setzen, erklärten die Schiffer, sie wollten lieber ihren Platz als ihre Gesellschaft haben, und fuhren an der Lände bei. Zwei Lastträger, welche an solchen Orten immer zu haben sind, übernahmen es, den schweren Kasten zu tragen und ihr als Führer zu Christie zu dienen, der in der Nachbarschaft wohl bekannt war.

Der bedeutend erleichterte Kahn ging mit verhältnißmäßig vermehrter Schnelligkeit den Fluß hinunter. Allein wir müssen ihn vorläufig aus dem Gesichte verlieren und sehen, welchen Erfolg Lord Glenvarlochs Empfehlung hatte.

Jungfer Martha Trapbois kam wohlbehalten an den Laden an, und wollte eben hineintreten, als das niederschlagende Gefühl der Ungewißheit ihrer Lage und der Hinblick auf die peinliche Aufgabe, ihre Geschichte zu erzählen, sie überwältigten und bestimmten, einen Augenblick auf der Schwelle der empfohlenen Zufluchtsstätte zu zögern. Sie überlegte, wie sie am besten der von ihrem Freunde in der Noth ausgestellten Empfehlung Nachdruck geben könne. Hätte sie die Welt gekannt, von der sie so lange abgeschlossen gewesen, so würde sie gewußt haben, daß ihr Geld, wenn sie klug damit umging, ihr als Paß in die Häuser großer Herren und in die Paläste von Fürsten dienen konnte. Allerdings kannte sie im Allgemeinen die Macht des Geldes, welche sich in so mannigfaltiger Weise äußert, allein sie war so unerfahren, daß sie glaubte, die Art und Weise, auf welche ihr Reichthum zusammengebracht worden sei, könne sie von dem Hause eines geringen Bürgers ausschließen. Während sie aus dieser Ursache zögerte, ergab sich ein triftigerer Grund.

In dem Hause erhob sich ein Lärm und Zank, der immer lauter wurde, je mehr sich die Streitenden der Hausthür näherten. Ein großer knochiger Mann mit harten Zügen trat aus dem Laden, zwar eilends, aber nicht mit schnellen Schritten, sondern wie ein erzürnter Spanier, welcher Hast für unanständig haltend, dieselbe durch die Länge seiner Schritte zu ersetzen sucht. Sobald er sich auf der Gasse befand, kehrte er sich um wider seinen Verfolger, einen anständigen ältlichen Bürgersmann, Hans Christie, den Eigentümer des Hauses, welcher in ungewöhnlicher Aufregung zu sein schien.

»Ich will Nichts weiter davon hören,« rief der Mann, welcher zuerst zum Vorschein gekommen war, »ich will Nichts weiter davon hören. Es ist nicht nur eine unverschämte Erdichtung, wie ich bezeugen kann, – es ist auch ein Scandâlum Magnatum. Ja, ein Scandâlum Magnatum!« Beleidigung eines Standesherrn. wiederholte er mit gedehnter Betonung der zweiten Sylbe des ersten Wortes, wie man sie in Edinburgh und Glasgow hört, und worüber König Jakob weidlich gelacht haben würde, wenn er zugegen gewesen wäre, sintemal er strenger auf die vermeintliche ächt römische Aussprache hielt, als auf die königlichen Vorrechte, auf denen er zuweilen so nachdrücklich in seinen Reden an das Parlament bestand.

»Ich gebe kein Loth faulen Käs darauf, wie Ihr es benamt,« erwiderte Hans Christie; »aber es ist die Wahrheit, und ich bin ein freier Engländer und habe das Recht, die Wahrheit in meinen eigenen Angelegenheiten zu sagen, und Euer Herr ist nicht viel besser, als ein Schuft, und Ihr seid nichts weiter, als ein prahlerischer Narr. Ich gebe Euch Eins auf den Kopf, wie Ihr schon einmal Eins aus geringerem Anlaß bekommen habt.«

Mit diesen Worten schwang er das Kratzeisen, mit welchem er die Freitreppe vor seinem Laden zu reinigen pflegte, und welches er als die ihm zunächst zur Hand seiende Angriffswaffe gefaßt hatte. Der vorsichtige Schotte (denn als solchen bezeichnete ihn seine Aussprache und sein steifes Wesen) zog sich vor dem andringenden Krämer zurück, aber mit finsterem Blicke und mit der Hand am Schwerte, mehr wie Einer, dem die gewohnte Geduld ausgeht, als wie Einer, der sich vor einem in jeder Beziehung schwächern Gegner fürchtet.

»Bleibt zurück, Meister Christie!« rief er; »bleibt zurück, und hütet Euch vor Schaden. Ich habe es unterlassen, Euch in Eurem eigenen Hause zu schlagen, obwohl ich heftig gereizt war, dieweil ich nicht weiß, wie hier die Gesetze über Einbruch und Heimsuchung lauten, und dann möchte ich Euch auch selbst auf offener Straße, die frei ist für uns Beide, kein Leid zufügen, weil ich Eurer Freundlichkeit von vormals gedenke und Euch zum Theil als ein armes, getäuschtes Geschöpf betrachte. Aber der Teufel soll mich holen! – ich bin nicht gewohnt, zu fluchen – wenn Ihr meine schottische Schulter mit Eurem Schäuflein berührt, so sollen sechs Zoll von meinem Flamberg sich verteufelt genau mit Euren Gedärmen bekannt machen, Nachbar.«

Mit diesen Worten zog er, obwohl stets vor der geschwungenen Schaufel zurückweichend, ein Drittel seines breiten Schwertes aus der Scheide.

»Ich sollte Prügel heraus über dich rufen und dich an der Lände tauchen lassen,« erwiderte der Krämer, sein Kratzeisen senkend, – »als einen elenden Prahler, der sein Bischen kaltes Eisen hier gegen einen ehrlichen Bürger vor dessen eigenem Hause zieht. Aber gehe, und rechne auf einen Farrenschwanz als dein Abendessen, wenn du noch einmal in die Nähe meines Hauses kommst. Ich wollte, es wäre auf dem Grunde der Themse gewesen, als es zuerst glattzüngige, falsche schottische Diebe beherbergte.«

»Ein schlechter Vogel, der sein eigenes Nest besudelt,« versetzte der Gegner, vielleicht um so mehr ermuthigt, da er den Streit eine friedlichere Wendung nehmen sah. »Es ist ein Jammer, daß ein braver Schotte je auswärts geheirathet und einen geldstolzen, bloßköpfigen, dickwanstigen, kleingehirnten Südländer gezeugt hat, wie Ihr seid, Meister Christie. Aber lebt wohl, lebt wohl für ewig und einen Tag, und wenn Ihr wieder mit einem Schotten zankt, so sagt so viel Böses von ihm, wie Ihr wollt, aber nichts von seinem Herrn und seinem Lande, sonst wird Eure Plattmütze schwerlich Eure langen Ohren vor Verkürzung durch ein Hochländermesser schirmen.«

»Und wenn Ihr mit Eurer Frechheit vor meiner Thür noch einen Augenblick länger fortfahrt,« versetzte Christie, »so will ich den Constabel rufen und Eure schottischen Knöchel mit englischen Holzschuhen Bekanntschaft machen lassen.«

Mit diesen Worten und mit der Miene eines Siegers wandte er sich nach seinem Laden zurück, denn sein Gegner, wie tapfer er auch sein mochte, bezeugte kein Verlangen, die Sache auf's Aeußerste zu treiben, – vermuthlich in der Ueberzeugung, daß der Vortheil, den er im Zweikampfe mit Hans Christie gewinnen könne, reichlich aufgewogen werden dürfte durch eine Berührung mit den Behörden von Altengland. Diese Behörden waren damals eben nicht zur Parteilichkeit für ihre neuen Mitunterthanen geneigt, wo es sich um die damals so häufigen Streitigkeiten zwischen den beiden stolzen Nationen handelte, die mehr ihren mehrhundertjährigen Zwist, als ihre kürzliche Vereinigung unter einem Könige berücksichtigten.

Jungfer Martha Trapbois hatte zu lange im Elsaß gewohnt, als daß der Streit, dessen Zeugin sie gewesen war, sie hätte wundern oder erschrecken sollen. Sie wunderte sich nur, daß der Zank nicht mit einer Thätlichkeit endigte, wie es in der Freistätte gewöhnlich war. Als die Streitenden sich trennten, hielt sie Meister Christien beim Eintritte in seinen Laden auf und überreichte ihm den Brief von Lord Glenvarloch. Sie ließ sich nicht einfallen, daß der eben beendigte Wortwechsel einen tiefern Grund haben könne, als diejenigen Zänkereien, welche sie sonst so oft angehört hatte. Wäre sie besser mit dem Leben bekannt gewesen, so würde sie mit ihrem Briefe gewartet haben, bis die Hitze des Krämers sich gelegt hatte. Sie hatte ihre Eile zu bereuen. Christie begnügte sich, die Unterschrift des Briefes anzusehen, warf ihn zur Erde, trat ihn verächtlich mit Füßen und ging, ohne der Ueberbringerin ein Wort weiter zu sagen, als einen Fluch, der mit seinem ehrbaren Aeußeren nicht zusammenstimmte, zurück in seinen Laden und machte die Halbthüre zu.

Mit unaussprechlichem Schmerze sah das verlassene, freundlose Weib seine einzige Hoffnung auf Hülfe und Schutz auf einmal schwinden, ohne daß es die Ursache begreifen konnte. Der Gedanke, daß ihr Freund, den sie unter dem Namen Nigel Grahame kannte, sie getäuscht habe, kam ihr nicht in den Sinn, obwohl derselbe sehr nahe lag. So wenig es sich auch mit ihrer Gemüthsart vertrug, sich zu Bitten herabzulassen, so konnte sie sich doch nicht enthalten, dem zornigen Krämer nachzurufen: »Guter Meister, hört mich nur einen Augenblick an, um Gottes Barmherzigkeit willen.«

»Barmherzigkeit von ihm?« fiel der Schotte ein, welcher, ohne den Rückzug seines Gegners zu beunruhigen, den Kampfplatz behauptete. »Eben so gut könnt Ihr Branntwein von Bohnenstroh, oder Milch aus einem blauen Trappfelsen erwarten. Der Mann ist toll, horntoll.«

»Ich muß den Brief an den unrechten Mann gebracht haben,« sprach Martha, und bückte sich, das so übel aufgenommene Papier aufzuheben. Der Schotte kam ihr höflich zuvor, und warf dabei, was nicht zur Etikette gehörte, einen verstohlenen Blick auf das Papier, so daß er, als er es der Jungfer überreichte, die Unterschrift herauslas. »Glenvarloch!« rief er betroffen. »Nigel Olifaunt von Glenvarloch! Kennt Ihr den Lord Glenvarloch, Madame?«

»Ich weiß nicht, von wem Ihr sprecht,« antwortete Jungfer Martha. »Ich habe das Papier von einem gewissen Meister Nigel Gram bekommen.«

»Nigel Grahame! Hm! Ja, ja! Ganz recht, ich hatte das vergessen,« sprach der Schotte. »Ein großer, wohlgestalteter, junger Mann, etwa von meiner Größe, mit hellen, blauen Augen, wie ein Falk; angenehm im Reden, mit einem Anklange von der gemüthlichen nordischen Aussprache, aber nicht viel, weil er viel außer Landes gewohnt hat?«

»Das ist Alles richtig,« erwiderte die Tochter des Geizhalses; »aber was ist damit?«

»Haare von der Farbe der meinigen?«

»Die Eurigen sind roth,« bemerkte Martha.

»Still,« versetzte der Schotte. »Ich wollte sagen von der Farbe der meinigen, jedoch mehr dem Kastanienbraun sich nähernd. Madame, ich habe den Mann richtig errathen. Er ist Einer, mit dem ich sehr genau bekannt und vertraut bin und gewesen bin, dem ich sogar seiner Zeit manchen Dienst erwiesen habe, und wenn ich am Leben bleibe, erweisen werde. Ich habe es ernstlich gut mit ihm gemeint, und ich glaube, er hat mich sehr vermißt, seitdem wir von einander sind; aber der Fehler liegt nicht an mir. Da nun dieser Brief Euch nichts bei Dem hilft, an welchen er gerichtet ist, so mögt Ihr denken, daß der Himmel ihn an mich gebracht hat, der ich eine ganz besondere Rücksicht für den Schreiber habe. Ueberdem habe ich so viel Barmherzigkeit und Ehrlichkeit in mir, als ein Mann brauchen kann, wenn er sich sein Brod schaffen will, und ich bin bereit, jeder nothleidenden Creatur zu helfen, die meines Freundes Freund ist, sowohl mit Rath, wie auf sonstige Art, – vorausgesetzt, daß es mir nicht zu viel Kosten macht, denn ich bin im fremden Lande wie ein armes Lämmchen, das sich aus seiner Heerde verlaufen hat und immer eine Flocke von seiner Wolle in jedem verdammten südländischen Dornbusche läßt, an dem es vorbeistreift.« Während er so sprach, las er zugleich, ohne um Erlaubniß zu fragen, den Brief, und als er damit zu Ende war, fuhr er fort: »Ist das Alles, was Ihr braucht, mein Täubchen? Nichts weiter als eine sichere und anständige Wohnung und Verpflegung auf Eure eigenen Kosten?«

»Nichts weiter,« antwortete sie. »Wenn Ihr ein Mann und ein Christ seid, werdet Ihr mir dazu verhelfen.«

»Daß ich ein Mann bin, seht Ihr,« erwiderte der förmliche Schotte, »und einen Christen darf ich mich wohl nennen, obwohl einen unwürdigen und obwohl ich wenig reine Lehre gehört habe, seitdem ich hierhergekommen bin. Hier ist Alles durch Menschensatzungen entstellt. Hm! – Nun gut, wenn Ihr ein ehrlich Weib seid« (hier sah er ihr unter die Kapuze) – »ja, ein ehrlich Weib scheint Ihr zu sein, – wiewohl, beiläufig gesagt, dergleichen eine in den Straßen dieser Stadt nicht eben häufig anzutreffende Sorte Vieh sind – haben mich doch zwei Strunzen gestern – nein, es war früher – beinahe mit meinem Halskragen erdrosselt, indem sie mich mit Gewalt in eine Kneipe schleppen wollten, – also wenn Ihr ein ehrlich Weib seid,« (hier that er abermals einen Blick und überzeugte sich, daß das Gesicht auf nichts weniger als eine Buhlschwester schließen ließ,) »wie Ihr in der That zu sein scheint, so will ich Euch in ein anständiges Haus weisen, wo man Euch gegen billige Vergütung gut verpflegen wird, und wo Ihr gelegentlich meines Rathes genießen könnt, – das heißt, von Zeit zu Zeit, wenn meine andern Geschäfte es erlauben.«

»Darf ich, ohne Unvorsichtigkeit, ein solches Anerbieten von einem Unbekannten annehmen?« warf Martha ein.

»Ich wüßte nicht, was Euch hindern sollte,« erwiderte der gute Schotte. »Ihr könnt Euch den Platz ansehen und dann thun, was Ihr für gut findet. Uebrigens sind wir einander nicht so wildfremd, denn ich kenne Euren Freund und Ihr scheint den meinigen zu kennen, und diese beiderseitige Kenntniß ist eine Art Bindemittel zwischen uns, gleichwie der mittlere Theil einer Schnur die beiden Enden verbindet. Doch davon mehr unterwegs, wenn Ihr die beiden faulen Schlingel dort Euer Kistel aufpacken lassen wollt, das ein ächter Schotte unter dem Arme tragen würde. Merkt Euch, Madame, Euer Gold wird in London bald ein Ende mit Schrecken nehmen, wenn Ihr zwei Schlingel miethet, um die Arbeit von einem zu thun.«

So sprechend ging er davon, und Jungfer Martha Trapbois folgte ihm. Das Schicksal, welches die Tochter des alten Wucherers mit Reichthum überhäuft hatte, verstattete ihr in diesem Augenblicke keinen weiseren Rathgeber und keinen vornehmeren Beschützer, als einen abgedankten Bedienten, den ehrlichen Richard Moniplies.



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