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Vierzehntes Kapitel.

»Meine Brüder,« sprach der Abt, als sein Ratgeber, der Unterprior, mit dem Bruder Sakristan und dem alten Pater Nikolaus in sein Zimmer getreten war, wo er, neben sich die von kostbaren Steinen schimmernde altertümliche Mitra, den Rosenkranz und den prächtig verzierten Krummstab, in einem gewaltigen Armsessel saß, über dessen Lehne seine Hände unruhig hin und her fuhren ... »meine Brüder, ich darf doch wohl annehmen, daß Ihr mir gegenüber gelten lassen werdet, daß ich dem mir zugewiesenen Amte allezeit mit Eifer und Ehren vorgestanden habe. Auch habt Ihr immer Eure Nahrung hier gehabt, und ich habe die Einkünfte des Klosters niemals zu eitlen Genüssen verschwendet, habe niemals die eignen Verwandten oder fremdes Weibsvolk auf Kosten des Klosterschatzes unterhalten oder gar bereichert ...«

»Darüber ist niemals eine Beschwerde verlautbart,« antwortete, dem Obern in die Rede fallend, der Prior, »aber dürfen wir fragen, hochwürdiger Herr, welche neue Sorge Euch bedrückt? auf welche neue Sorge Eure Worte hinzudeuten scheinen?«

»Ihr wählt das richtige Wort, Pater,« erwiderte der Abt, »jawohl, eine neue Sorge! die Sorge um die Engländer, die unter Führung des Sir John Foster von Hexham im Anmarsch gegen das Kloster sind, und die Sorge, wie wir dem Lord James Stuart entrinnen sollen, der mit seinen Söldnerscharen von der andern Seite, Zerstörung und Verderben drohend, heranrückt.«

»Ich dachte, dieser Anschlag sei durch die Fehde zwischen Lord Semple und den Kennedys vereitelt worden?« fragte der Unterprior.

»Es ist gegangen, wie es immer geht,« versetzte der Abt, »die beiden strittigen Parteien haben sich auf Kosten des Klosters geeinigt. Der Earl von Cassilis soll die Landstriche bekommen, die eigentlich dem Hause Corseregal gehören, und demzufolge hat er sich dem Stuart angeschlossen, der sich jetzt Murray nennt. Hier sind die Briefe.«

Der Prior, nahm die durch einen Eilboten vom Fürst-Primas übersandten Schreiben und trat zur Lampe, um sie mit aufmerksamer Miene zu lesen. Der Sakristan und Pater Nikolaus sahen einander an mit solch jämmerlichen Mienen, wie ein Paar Hähne, wenn über ihrem Hofe der Habicht schwebt. Das Auge des Abtes, das unter der Last schwerer Sorge gebeugt saß, ruhte voll Bangigkeit auf dem Unterprior, wie wenn er aus dem Ausdruck seiner Mienen Trost zu schöpfen suchte; als er aber sah, daß sein Berater noch immer in Nachdenken versunken stehen blieb, fragte er in ängstlichem Tone:

»Was beginnen wir nun?«

»Was uns die Pflicht vorschreibt,« antwortete der Unterprior, »das übrige steht in Gottes Hand.«

»Unsre Pflicht!« wiederholte der Abt; »nun freilich, unsre Pflicht müssen wir tun, aber worin besteht sie? wozu soll sie uns frommen? ... wirds uns gelingen, die Feinde mit Glockengeläut, mit Büchern und Kerzen zu verjagen? Oder wird Murray sich um Chorgesänge und Psalmen was scheren?

oder kann ich für das heilige Stift fechten wie Judas Makkabäus gegen den ungläubigen Nikanor? oder kann ich den Sakristan aussenden gegen diesen neuen Holofernes, daß er mir sein Haupt im Korbe herbringe?«

»Wohl habt Ihr recht, Mylord-Abt,« erwiderte der Unterprior, »wir können nicht fechten mit weltlichen Waffen, denn das widerspräche unsrer Tracht ebenso wohl wie unserm Gelübde; allein wir können für unser Kloster und für unsern Orden in den Tod gehen.«

Der Bruder Sakristan und Pater Nikolaus sahen einander mit einem Ausdruck in ihren Mienen an, der von Entsetzen nicht mehr weit war.

»Indessen bleibt uns,« fuhr der Unterprior fort, »noch ein Mittel, nämlich, wir können diejenigen unter die Waffen rufen, die fechten können und fechten wollen. Die Engländer sind nur gering an Zahl und scheinen auf Murrays Beistand zu warten, dessen Marsch aber unterbrochen worden ist. Wagt es nun Foster mit seinen Banditen aus Cumberland und Hexamshire in Schottland einzudringen, in der Absicht, unser Stift zu plündern, so müssen wir unsre Vasallen aufbieten, und daß wir es an Stärke mit ihnen aufnehmen können, erscheint mir nicht zweifelhaft.«

»Im Namen unsrer heiligen Jungfrau,« erwiderte der Abt, »meint Ihr, ich sei ein Petrus, um mich als Heerführer an die Spitze einer Armee zu stellen?«

»Es gibt doch kriegsgewohnte Männer,« sagte der Unterprior, »zum Beispiel Julian Avenel ...«

»Ein schlechter Mensch, ein Lüdrian, ein echter Belialssohn!« erwiderte der Abt.

»Und doch müssen wir uns seiner zu solchem Amte bedienen, wozu er erzogen worden ist,« antwortete der Mönch, »zumal wir es ihm ja gut bezahlen können. Ich weiß schon, wie es sich mit seiner Abfindung dafür wird machen lassen. Es scheint wohl sicher, daß die Engländer in der Meinung heranrücken, sich des Ritters Piercie Shafton bemächtigen zu können, der sich zu uns geflüchtet hatte. Zum wenigsten werden sie diesen Vorwand benützen, um unser Kloster zu überfallen.«

»Ich habe niemals gewähnt, daß er uns mit seinem Firlefanz von Atlasgewändern und Helmschmuck und Federn sonderlich Gutes bringen, würde,« bemerkte der Abt.

»Und doch müssen wir, sofern es irgend angeht, uns auch seiner Hilfe versichern!« sagte der Unterprior. »Mag er doch den großen Piercie, mit dessen Huld und Freundschaft er sich brüstet, bestimmen, daß er zu unsrer Hilfe heranziehe! Dieser gute und getreue Lord könnte einen Foster schon bezwingen und all seine Absichten vereiteln. Ich gedenke, diesen Reitersmann noch heute zu ihm zu schicken.«

»Wohl möglich, daß Foster auf Murray wartet,« erklärte der Abt, »zumal dessen Zug gegen uns ja nur auf kurze Zeit verzögert weiden dürfte.«

»Das glaube ich nicht,« entgegnete der Unterprior, »denn dieser Foster ist ein zu verzweifelter Ketzer, der zu erpicht ist auf die Zerstörung unsrer Kirche. Als geborner Grenzer trachtet er nach den Schätzen der Kirche, und ein Einfall in Schottland wird ihm ein Gaudium sein! Außerdem hat er noch Beweggründe genug, sich sogleich über uns herzumachen, denn wartet er, bis ihm Murray beisteht, so geht ihm die Aussicht auf die Hälfte der Beute verloren; macht er die Sache allein ab, so fällt ihm alles zu. Ferner kann Julian Avenel den Foster nicht besehen, wie ich gehört habe. Sobald die sich sehen, geht die Hauerei los. Bruder Sakristan, holt doch unsern Vogt herbei! er soll das Verzeichnis der streitbaren Männer mitbringen, die dem Kloster zur persönlichen Hilfeleistung verpflichtet sind. Schickt auch zu dem Baron von Meigallot und laßt ihm sagen, daß sich das Kloster mit ihm wegen des Brückenzolls verständigen werde, falls er uns diesmal mit seinem Trupp helfen wolle. Endlich, Mylord, wollen wir uns an die Abschätzung unsrer Mannschaften und derjenigen des Feindes machen, damit nicht etwa umsonst Menschenblut vergossen werde. Wir wollen also einmal berechnen.«

»Mir ist von dem allen so dumm,« rief der Abt, »als ging mir ein Mühlrad im Kopfe herum!. Aber mein Entschluß steht fest, steht schon lange fest,« und bei diesen Worten stand er auf und trat mit all der Würde, die ihm seine stattliche Person vergönnte, einen Schritt vor, um dann fortzufahren: »Vernehmt zum letzten Male die Stimme Eures Abtes Bonifacius! Ich habe für Euch gearbeitet, so weit meine Kräfte es mir erlaubten. In ruhigeren Zeiten wäre mir manches wohl besser gelungen. Habe ich mich doch nur ins Kloster geflüchtet, um der Ruhe pflegen zu können, und das Kloster mußte gerade mir zu einer Stätte der Unruhe werden! Zudem wird es von Tag zu Tag in dieser Hinsicht schlimmer, und je höher ich im Alter herausrücke, desto geringer wird meine Fähigkeit, mich mit all dieser Plackerei zu befassen. Darum gebührt mir ein solcher Platz nicht mehr, denn ich kann die Pflichten, die er auferlegt, nicht mehr erfüllen. So habe ich mich denn entschlossen, mein Amt in die Hände des Paters Eustachius, unsers geliebten Priors, dem es nach der Rangordnung zunächst anheimfällt, niederzulegen. Ich freue mich, daß er noch nicht anderswo eine seinen Verdiensten angemessene Stellung zuerteilt bekommen hat, denn ich hoffe, daß er die Mitra und den Stab aus meinen Händen entgegennehmen werde.«

»Mylord-Abt,« nahm hierauf der Unterprior das Wort, »wenn ich von den Tugenden, die Euch bei Führung dieses hohen Amtes geziert haben, schwieg, so dürft Ihr nicht meinen, daß ich dieselben nicht zu würdigen wüßte. Gleich allen, die Euch kennen, bin ich mir des Umstandes wohl bewußt, daß kaum jemals ein Mitglied unsers Ordens zu diesem hohen Amt einen lauterern Willen besessen hat, allen Menschen wie allen Verhältnissen gerecht zu werden, und wenn auch Eure Amtszeit nicht ausgezeichnet war durch kühne Unternehmungen, wie diejenige manches Eurer Vorgänger, so sind hinwiederum Eurem Charakter die Fehler fremd gewesen, die den Charakter solcher Vorgänger verdunkelt haben.«

Der Abt richtete seine Blicke mit Verwunderung auf den Prior und sprach:

Daß auch Ihr, ehrwürdiger Vater, mir so viel Gerechtigkeit zu teil werden ließet, dessen bin ich mir nicht gewärtig gewesen.«

»Ich habe in Eurer Abwesenheit,« sagte der Prior, »diese Meinung noch kräftiger vertreten als in Eurer Gegenwart, und ich möchte nicht unterlassen, hochwürdiger Herr, Euch zu bitten, daß Ihr die gute Meinung, die allgemein über Euch herrscht, nicht dadurch beeinträchtigen möchtet, daß Ihr zu einer Zeit, da Eure Fürsorge gerade am notwendigsten ist, den Verzicht auf Euer Amt erklärt.«

»Aber, geliebter Bruder in Christo, ich trete doch mein Amt einem weit besser dafür geeigneten Mitgliede unsers heiligen Ordens ab!« sagte der Lord-Abt. »Zu einer Zeit, wie der jetzigen, bedarf unser Kloster einer kräftigeren Hand. Drum bestimme ich, daß Ihr noch heut abend Euer Amt als Abt antretet und alle notwendigen Anstalten trefft, damit morgen das Kapitel zusammentrete und Eure Wahl vollziehe! Und nun, geliebte Brüder, benedicite! Friede sei mit Euch! Ich bete mit Euch! Ich wünsche dem Anwärter der Abtswürde, daß er so sanft schlafen möge, wie der, welcher die Mitra niederzulegen im Begriffe steht.«


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