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Dreizehntes Kapitel.

Edward ließ die Pferde anschirren, dann verabschiedete er sich von den Nachbarsleuten, die ihm zu Hilfe geeilt waren, und die über seinen so schnellen Aufbruch wie über die Wendung, die sich so schnell vollzogen hatte, nicht wenig überrascht waren.

»Hier ist es mit der Gastfreundschaft gar traurig bestellt,« meinte Dan von Howlet-Hirst zu seinen Kameraden, »soviel steht bei mir fest, die Glendinnings mögen sterben und aufwecken, soviel es ihnen paßt, ich setze wegen dieser Gesellschaft keinen Fuß mehr von meinem Gehöft.«

Martin redete ihnen gut zu und suchte sie durch Speise und Trank besser zu stimmen. Aber es wollte ihnen nicht schmecken, was Martin ihnen vorsetzte, und übellaunig zogen sie von dannen.

Die Familie hatte bald erfahren, daß Halbert Glendinning noch lebe. Die Mutter weinte bald, bald dankte sie dem Himmel für seine Gnade. Frau Tibbie meinte, sie hätte es sich niemals so recht denken können, daß Halbert sich von einem Piercie oder einem dieses Schlages umbringen ließe; man möge über die Englischen reden und denken, was man wolle, einem echten Schotten kämen sie doch einmal an Körperkraft und Ausdauer nicht gleich.

Auf Mary Avenel machten diese Ereignisse einen ungleich tiefern Eindruck. Sie hatte erst seit kurzer Zeit Trost im Gebete gesucht, und ihr war ganz so zu Mute, als seien ihre Gebete auf der Stelle erhört worden, als hätte die himmlische Gnade sich an ihr auf höchst seltsame Weise offenbart, kaum daß sie gelernt habe, sich an sie zu wenden; und wenn auch solchen Empfindungen ein bedenklicher Grad von Schwärmerei zu grunde liegen mochte, so ging dieselbe doch nur aus der lautersten Andacht hervor.

Das heilige Buch, das sie von nun ab als ihren besten Schatz betrachtete, wickelte sie in ein seidnes Tuch, eins der wenigen Sachen von wirklichem Wert, die sie ihr eigen nannte, und sie fühlte nur eins mit Schmerzen, daß ihr das heilige Buch, weil es ihr an einem geschickten Ausleger gebrach, wohl immer nur ein verschlossnes Buch, eine versiegelte Quelle bleiben werde.

Während Edward für die Pferde besorgt war, ersuchte Christie von Clinthill neuerdings um Weisung, was mit dem reformierten Prediger werden solle, und abermals suchte der Unterprior einen Ausweg zu finden aus dem Dilemma, in das ihn das Mitleid mit dem alten Freunde, die hohe Achtung, die er vor ihm fühlte, und die Pflicht, die er seiner Kirche gegenüber zu erfüllen hatte, stürzte. Die beträchtlichste Schwierigkeit war, wie ihm vorkam, durch Edwards unvermuteten Entschluß beseitigt worden, und darum durfte er den Prediger nicht in Glendearg lassen. »Ueberliefere ich diesen Wellwood oder Warden dem Kloster,« sprach er bei sich, »so muß er in seiner Ketzerei sterben, muß Leib und Seele verlieren; und wenngleich solches Verfahren ehedem für ratsam erachtet wurde, um Schrecken unter den Ketzern zu verbreiten, so ist doch ihre Macht jetzt so groß geworden, daß wir durch solches Vorgehen wohl nur ihre Wut entflammen, ihren Rachedurst wecken würden. Freilich hat er mir das Versprechen nicht gegeben, kein Unkraut mehr unter den Weizen säen zu wollen, aber der Boden ist doch anderseits viel zu dürr hier, daß Saat aufgehen könnte. Und daß er Einfluß auf die armen Frauen hier gewinnen könnte, brauche ich doch wahrlich nicht zu befürchten, denn sie sind ja in viel zu strengem Gehorsam gegen die Kirche als ihre Vasallen erzogen worden. Dagegen hätte Edwards scharfer, wißbegieriger Geist sich leicht an der neuen Lehre entzünden können, aber Edward ist nun fort von hier, und außer ihm bleibt nichts mehr hier gegenwärtig, was von der Flamme erfaßt werden könnte. Es wird mithin Warden einerseits alle Gelegenheit fehlen, seine verderblichen Lehren auszustreuen, anderseits ist sein Leben hier in Sicherheit; und wer weiß, ob nicht vielleicht seine eigne Seele aus dem Netze des Vogelstellers gerettet wird. Ließe sich Warden von seinen Irrtümern bekehren, so zöge die Kirche aus solcher geistigen Wiedergeburt hundertfältigen Vorteil, während ihr der zeitliche Tod des Mannes bloß schaden würde.«

Am Schlusse dieser Betrachtungen angelangt, die in demselben Maße von seiner Herzensgüte wie von der Beschränktheit seiner Anschauungen und auch einem gewissen Grade von Eigendünkel und Selbsttäuschung Zeugnis gaben, erteilte der Unterprior Befehl, den gefangenen Prediger vor ihn zu bringen.

»Heinrich,« sagte er, »alte Freundschaft und christliches Mitleid verbieten mir, das zu erfüllen, was mir das strenge Pflichtgefühl gebeut, und Dich dem sichern Tode zu überliefern. Du warst, wenn auch hart und unbeugsam in Deinen Entschlüssen, doch immer edlen Herzens. Ich verlange von Dir kein andres Versprechen, als daß Du Dein Wort gibst, nicht aus diesem Turme zu entfliehen, und Dich, der Ladung gehorsam, zu stellen.«

»Du hast einen Kunstgriff gefunden,« antwortete der Prediger, »mir die Hände fester zu binden, als es die schwersten Kerkerfesseln vermöchten. Selbstverständlich werde ich nichts tun, was Dich bei Deinen Obern in Mißkredit setzen könnte, und werde um so behutsamer vorgehen, als es mir bei weiteren Unterredungen doch am Ende noch gelingt, Deine Seele wie einen Brand aus dem Feuer zu retten, Dich aus den Klauen des Antichrists zu erlösen.«

Der Unterprior geriet ob dieser Meinung, die seiner eignen so vollständig gleich war, in hellen Zorn, und streitfertig rief er:

»Gott und die heilige Jungfrau seien gelobt, daß mein Glaube an jenem Felsen ankert, auf welchem der heilige Petrus seine Kirche gegründet hat.«

»Das ist eine Textverdrehung,« rief der eifrige Streiter Heinrich Warden, »die sich an ein bloßes Wortspiel klammert, und eine durchaus grundlose Redefigur.«

Es fehlte wenig, so hätte sich der Wortstreit wieder entzündet und vielleicht mit der Abführung Heinrich Wardens in den Klosterkerker geendigt, zum Glück aber warf jetzt Christie von Clinthill die Bemerkung dazwischen, daß es spät zu werden anfange und sie wohl gut täten, aufzubrechen, da sie ja noch durch das ganze Tal zu wandern hätten, das doch ziemlich berüchtigt sei, und das er nach Sonnenuntergang nicht gern noch passieren möchte. Der Unterprior bekämpfte deshalb seine Streitlust, erinnerte Heinrich Warden nochmals daran, daß er sich seiner Dankbarkeit und seines Edelsinns gewärtig halte, und verabschiedete sich von ihm.

»Du darfst Dich versichert halten, alter Freund,« erwiderte Warden, »daß ich mit Vorsatz und Willen nichts tun werde, was Dir nachteilig werden könnte. Sollte aber mein Meister mich zu einem neuen Werk auffordern, dann ist es für mich Gebot, Gott eher zu gehorchen als den Menschen.«

Die beiden Männer, die durch Gaben der Natur und durch einen erworbnen Schatz von Kenntnissen gleich hervorragend waren, hatten der gemeinsamen Berührungspunkte weit mehr, als sie sich zugestehen mochten. Worin sie von einander im Grunde genommen nur abwichen, war die Eigenschaft des einen als Katholik und die Eigenschaft des andern als Protestant. Der Katholik stritt für seinen Glauben, der wenig Raum für Gefühl und Empfindung litt, voll frommer Ergebenheit in die Gerechtigkeit seiner Sache mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen und zeigte sich weltklug, behutsam und listig ... der andre hingegen, den die starke Triebfeder einer im spätern Leben gewonnenen Ueberzeugung leitete, verfocht dieselbe mit dem gerechten Gefühl eines lebendigen Vertrauens, mit Feuer und Begeisterung und, bedingt hierdurch, mit einer gewissen Ueberhast. Wahrend der Katholik also, um sich soldatisch auszudrücken, der Defensive den Vorzug gab, trachtete der Protestant nach der Offensive; der Priester suchte hinzuhalten, der Prediger hingegen zu erringen. Aber sie konnten nicht von einander scheiden, ohne sich noch einmal die Hände zu reichen und mit einem Blicke ins Angesicht zu schauen, aus welchem sowohl Kummer als Liebe und Mitleid deutlich sprachen.

Pater Eustachius machte nun der Witwe Glendinning davon Mitteilung, daß der Prediger auf ein paar Tage bei ihr als Gast zu verweilen hätte, und untersagte ihr und allen Hausbewohnern, unter Androhung schwerer Kirchenbußen, sich mit ihm über Glaubenssachen in irgend welches Gespräch einzulassen, hingegen für seine sonstigen Bedürfnisse gewissenhaft Sorge zu tragen.

Frau Glendinning war über diese Mitteilung tief erschrocken und fand erst nach einer Weile die Fassung zu folgender Antwort:

»Verzeih mirs unsre liebe Frau, ehrwürdiger Vater, aber es ist schon in viele Häuser durch viele Gäste viel Verderben gekommen, und ich fürchte, es wird auch Glendearg nicht frommen, daß es fortwährend einen neuen Gast aufnehmen muß. Zuerst hat sich die Dame von Avenel hergefunden. Nun, ihre Seele möge in Frieden ruhen, aber sie hat einen solchen Schwarm von Geistern und Feen mitgebracht, daß in dem alten Turmgebäude Schrecken und Angst geherrscht haben bis zu ihrem Hinscheiden, und daß es uns allen vorkommt, als hätten wir die ganze Zeit nicht in Wirklichkeit gelebt, sondern nur im Traume. Dann ist der Ritter aus England gekommen, und wenn er auch meinen Halbert nicht gemordet hat, so hat er ihn doch dazu gebracht, daß er dem Vaterhause entwichen und in die weite Welt hinausgelaufen ist. Nun bringen mir Euer Ehrwürden noch gar einen Ketzer ins Haus, der wahrscheinlich den Satan selbst über uns alle bringen wird. Für den Satan ist ja jede Tür und jedes Fenster zu eng, und so wird er wohl ein ganzes Stück von unserm alten Turme mitnehmen. ... Indessen, ehrwürdiger Vater, an mir ist es, Euch und dem Kloster zu Diensten zu sein, und ich will es auch nicht fehlen lassen, diese Pflicht gewissenhaft zu erfüllen.«

»Laßt nur gut sein, Frau,« erwiderte hierauf der Priester, »was Ihr an Eurem Hause Schaden gelitten habt, dafür soll Euch das Kloster schadlos halten. Ich werde den Schatzmeister anweisen, Euch auszuzahlen, was Ihr zu fordern habt. Und wegen der Unruhe, die wir Euch bereitet haben, und wegen der Ausgaben, die Euch jetzt wieder entstehen, soll Euch ein Nachlaß am Lehnszins gewährt werden. Außerdem will ich nach dem Verbleib Eures Sohnes die sorgfältigsten Ermittelungen anstellen lassen.«

Die Witwe verneigte sich tief vor dem geistlichen Herrn und bat ihn noch, doch ja ihrem Gevatter, dem Müller Happer, sagen zu wollen, daß in betreff seiner Tochter und des Schicksals, das über sie hereingebrochen sei, sie selbst nicht die geringste Schuld träfe.

»Da erinnert Ihr mich noch an eine andre Angelegenheit, gute Frau,« nahm Pater Eustachius wieder das Wort, »die nicht verabsäumt werden darf, so viel ihrer mich zurzeit auch bedrängen. Dieser Ritter aus England muß aufgesucht und von diesem seltsamen Ereignis in Kenntnis gesetzt werden. Ebenso muß Sorge dafür getragen werden, daß dieses leichtsinnige Mädchen den Weg ins Vaterhaus zurück finde. Denn litte sie durch dieses Mißverständnis an ihrem Rufe, so könnte ich mich von Schuld an solchem Unglimpf nicht frei halten. Indessen weiß ich im geringsten nicht, wie sie wohl wieder aufzufinden sein könnten.«

»Mit Verlaub,« sagte da Christie, »diese Sorge will ich auf mich nehmen. Wenn Ihr mir auch niemals sonderlich freundlich gesinnt gewesen seid, so darf ich doch nimmer vergessen, daß ich ohne Eure Dazwischenkunft schwerlich noch unter den Lebenden weilte. Und wenn anderseits jemand im stande ist, ihre Spur ausfindig zu machen, so bin ich dieser Jemand. Das behaupte ich vor jedermann im ganzen Grenzgebiet. Zuvor aber habe ich noch etwas mit Euch abzutun von seiten meines Herrn, sofern Ihr mir erlauben wollt, mit Euch das Tal hinunter zu reiten.«

»Ich dachte, mein Lieber,« erwiderte der Mönch, »Du müßtest Dir allein sagen, daß ich keine rechte Ursache habe, einem Kameraden wie Dir in solch einsamer Gegend mit Vertrauen entgegenzukommen.«

»Ehrwürdiger Herr,« antwortete der Reiter, »wollt ich solchen Versuch noch einmal riskieren, so ginge es mir selbst doch am schlimmsten dabei. Habe ich Euch denn im übrigen nicht schon oft genug gesagt, daß ich Euch mein Leben zu verdanken habe? Solchen Dienst bleibt aber Christie von Clinthill niemand schuldig, früher oder später kommt so was zum Ausgleich. Zudem hab ichs verschworen, jemals durch das einsame Tal wieder allein zu ziehen, auch nicht mit meinen Reisigen, denn sie sind doch alle Belialskinder wie ich. Was anders ist es, wenn Euer Ehrwürden mit Psalter und Rosenkranz dabei sind, dann könnt Ihr alle bösen Geister in die Lüfte verjagen, während ich mit meinem Speere alle irdischen Widersacher über Stock und Stein jage.«

Edward trat herein mit der Meldung, daß die Pferde gesattelt seien. Dabei fiel sein Auge auf seine Mutter, und sein Entschluß geriet ins Wanken, als ihm einfiel, daß er nun Abschied nehmen müsse. Der geistliche Herr, seine Verwirrung wahrnehmend, kam ihm zu Hilfe.

»Liebe Frau,« sagte er, »ich hatte vergessen, Euch davon zu unterrichten, daß Euer Sohn Edward sich mit mir in das Kloster hinüber begibt und vor ein paar Tagen nicht heimkehren wird.«

»Ihr wollt gewiß bei der Suche nach dem Bruder helfen. Gott und die Heiligen mögen Euch dafür belohnen!«

Der geistliche Herr nahm den Segen, der ihm diesmal recht unverdienterweise in den Schoß fiel, mit auf den Weg und trat mit Edward die Reise an. Dicht auf dem Fuße folgte ihm Clinthill mit seinen Reisigen, so daß man deutlich merkte, wie viel ihm daran gelegen, war, auf seinem Ritte durch das Tal geistliches Geleit wahrzunehmen.

»Euer Ehrwürden,« redete er den Prior an, sobald er in seine Nähe gelangt war, »ich war der Meinung gewesen, Euch mit dem alten Evangelischen ein passables Präsent gemacht zu haben. Da Ihr ihm aber so geringe Rücksicht schenkt, scheint Euch wenig daran gelegen zu sein.«

»So dürft Ihr die Sache doch eben nicht nehmen,« antwortete der Mönch. »Das Kloster wird Eurem Herrn diesen Dienst hoch anrechnen und auch gut vergelten. Aber der alte Mann ist vormals ein guter Freund von mir gewesen, und ich rechne darauf, ihn vom Wege des Verderbens abzubringen.«

»So ist mirs freilich vorgekommen, als ich sah, wie sich die beiden Herren begrüßten. Aber das ist meinem Herrn ganz gleich. Heilige Jungfrau,« rief er plötzlich, »was ist denn das dort?«

»Ein Weidenzweig, der zwischen uns und dem Himmel über dem Wege hängt,« antwortete der Mönch.

»Gott helf uns!« erwiderte der Reiter, »es sah doch ganz so aus, wie eine Menschenhand mit einem Schwert. ... Aber, um wieder auf meinen Herrn zu kommen, der hat sich als vernünftiger Mann in unfrei schwierigen Zeit so lange in der Schwebe gehalten, bis er genau zu unterscheiden vermochte, wo sich für ihn die größte Sicherheit bietet. Die Lords von der Kongregation hatten ihm ja ganz verlockende Anträge gestellt, und um es Euch rund heraus zu sagen, er hat sich auch eine Zeitlang mit dem Gedanken getragen, mit diesen Herren, die bei Euch ja Ketzer heißen, zu paktieren, hat er doch recht gut gewußt, daß Lord James an der Spitze eines ansehnlichen Reiterhaufens die Straße hier entlang ziehen werde. Anderseits hat aber auch Lord James so bestimmt auf ihn gerechnet, daß er diesen Warden, oder wie er sonst heißt, voraus schickte, mit dem Ansinnen, ihn als Freund in Schutz zu nehmen. Unterwegs aber ist der Lord ...«

»Bewahr uns die heilige Jungfrau!« rief der Mönch.

»Amen!« ergänzte der Reiter. »Haben Euer Ehrwürden was gesehen?« setzte er ängstlich hinzu.

»Nicht das mindeste,« sagte der Mönch; »Deine Erzählung hat mir den Ausruf abgenötigt.«

»Na, da mögt Ihr wohl auch im Recht sein, wenn Ihr Euch sorgt,« meinte der Reiter, »denn wenn Lord James den Weg hierher nehmen wollte, dann ginge Euer Kloster wohl in Feuer und Flammen auf. Aber seid gutes Mutes! denn wie auf dem Schlosse Avenel verlautete, ist der Lord wohl auf dem Marsche, aber in westlicher Richtung, nicht hierher, weil die Aufforderung an ihn gelangt ist, dem Lord Semple gegen Cassilis und die Kennedys zu Hilfe zu marschieren.«

»Darum also ist dem Prediger Warden eine so frostige Aufnahme auf dem Schlosse bereitet worden?« fragte der Mönch.

»Der Grund ist wohl ein andrer gewesen,« sagte der Reiter, »denn mein Herr konnte sich lange nicht darüber schlüssig werden, wie er sich am besten verhielte, und hätte sich ganz gewiß nicht darauf eingelassen, so mit einem Manne zu verfahren, der ihm vom Lord James zugeschickt wurde, wenn nicht irgend ein rühriger Teufel dem Manne zugesetzt hätte, sich mit einer Sache zu befassen, die ihn gar nichts anging, mit dem Verhältnis nämlich, in welchem mein Herr sich zu der Dame Katharina von Newport befindet. Die beiden leben nämlich zusammen, sind aber nicht verheiratet, wohl aber, nach schottischem Hochlandsbrauch, auf ein Jahr zusammen versprochen. Dagegen fing der Prediger an zu eifern, und mein Herr ist darüber in Wut geraten, und darüber ists auf einmal zwischen meinem Herrn und Lord James zu bösem Verdruß gekommen, denn Lord James hat noch nie jemand eine Beleidigung oder Kränkung verziehen. Seitdem steht aber mein Herr Euch mit allem, was sein ist, zu Gebote. Es bleibt ihm ja auch kaum was andres übrig, muß er doch damit rechnen, daß Lord James nicht früher mit der Fehde aufhört, als bis er mit meinem Ritter vollständig fertig ist, das heißt, bis er denselben vom Erdboden getilgt hat und mit ihm das ganze Geschlecht Avenel, denn wenn man das arme Mädel nicht mitrechnet, das hinten in Glendearg hockt, ist doch Ritter Julian der letzte Avenel. Hiermit habe ich Euch wohl mehr mitgeteilt, als meinem Ritter selbst recht sein dürfte; Ihr habt mir aber noch einmal großmütig durchgeholfen, und es könnte sich wohl treffen, daß ich nochmals auf Euren Beistand zu rechnen habe.«

»Es soll Euch nicht zum Nachteil sein, daß Ihr uns so aufrichtig Bescheid erteilt habt,« versetzte der Mönch, »denn in solch unsichern Zeiten muß der Kirche natürlich viel daran liegen, zu erfahren, was ihre Nachbarn im Schilde führen, und durch welche Triebfeder sie in Bewegung gesetzt werden. Aber was erwartet Euer Herr als Entgelt für seine Dienste? Ich halte ihn nämlich für einen von jenem Schlage, auf die das alte Wort: Kein Geld, kein Schweizer, zutrifft.«

»Nun, das kann ich Euch ganz genau sagen,« antwortete Christie von Clinthill, »Lord James hatte ihm für seine Parteigängerschaft einen schmucken Landstrich zugesagt, der an seine Herrschaft Avenel stößt, und dazu den mitten in seinem Gebiete gelegenen Distrikt Cranberry-Moor. Weniger dürfte er also von Euch auch nicht erwarten.«

»Aber was sollte dann mit dem alten Gilbert von Cranberry-Moor werden?« fragte der geistliche Herr.

»Ich sollte doch meinen, das Kloster besäße Land genug, um Gilbert, der doch nur knapp über ein paar lahme, gebrechliche Bauern verfügt, anderswo hinzusetzen, wenn auch Cranberry-Moor sein alter Erbsitz sein mag. Aber gegen meinen Herrn, der über fünfzig Berittne kommandiert, die alle schneidig einexerziert sind, kann doch der alte Krippensetzer nicht aufkommen! Zum wenigsten wird Euch wohl der Entschluß zwischen beiden nicht schwer fallen.«

»Wir wollen überlegen, wie sich die Dinge einrichten lassen,« erwiderte der geistliche Herr, »und wie sich der tätige Beistand Eures Herrn für das Kloster gewinnen läßt.«

Sie langten jetzt an die Stelle, wo dem Sakristan das garstige Begegnis mit dem Geiste passiert war. Es war eine schöne Nacht, und sie setzten ohne Abenteuer und Fährlichkeit über. Aber kaum standen sie an der Pforte des Klosters, als ihnen der Pförtner entgegeneilte und an den Prior die Worte richtete:

»Ach, ehrwürdiger Vater, der Lord-Abt vergeht vor Ungeduld, Euch zu sprechen.«

»Führe diese fremden Männer hier in die große Halle und trage Sorge, daß sie ordentlich beköstigt und untergebracht werden. Doch erinnere sie daran, daß sie sich bescheiden und sittsam verhalten, wie es sich für Gäste einer frommen Stätte schickt.«

»Ehrwürdiger Bruder,« sagte Pater Philipp wieder, »Ihr müßt so freundlich sein, Euch sogleich zu dem Lord-Abt zu begeben, denn so trostlos und kleinmütig habe ich ihn seit der Schlacht bei Pinkie-Cleugh nicht mehr gesehen.«

»Ich komme, lieber Bruder, ich komme,« erwiderte Pater Eustachius. »Nur um eins noch bitte ich Dich: diesen Jüngling hier, Edward Glendening aus Glendearg, geleite in die Novizenzelle und überweise ihn dem Bruder Lehrmeister, Gott hat sein Herz gerührt, und er will ein Glied unsers heiligen Ordens werden. Da er gute Fähigkeiten mit Fleiß und Demut verbindet, so denke ich, daß er unserm Kloster dereinst zur Zierde gereichen wird.«

Ein andrer Klosterbruder kam herbeigestürzt, der Pater Nikolaus. »Mein allerwürdigster Bruder,« rief er, »begib Dich doch bitte, auf der Stelle, zum Lord-Abt! In solcher tiefen Sorge habe ich ihn noch nie gesehen. Seine Bestürzung ruft mir den Tag ins Gedächtnis, als Pater Ingilram die Unglücksbotschaft von Flodden-Field erhielt.«

»Ich komme, ich komme, ehrwürdiger Bruder,« versetzte Pater Eustachius und begab sich nun allen Ernstes zu seinem Obern.


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