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Viertes Kapitel.

Ein Hofmann eigner Art, der durch die Auswahl
Von Speis und Trank, durch mäßige Bewegung,
Musik und fleiß'ges Baden und durch Wechsel
Von Hemd und Wams zu jeder Stund' vermeinet
Unsterblichkeit dem Leib zu geben, – schätzend
Als seines Glückes Wesenheit den Hofputz.

Die magnetische Dame.

Während der Gnädige Herr Abt plötzlich und stolz aus den Augen seiner harrenden Unterthanen verschwand, machte der Subprior die Nachlässigkeit seines Oberen wieder gut durch liebreiche und freundliche Begrüßung aller Glieder der Familie, besonders der Dame Elspeth, ihrer Pflegetochter und ihres Sohnes Edward. Ja er ließ sich sogar herab, zu fragen: »Wo ist der nichtsnutzige Nimrod Halbert? Hoffentlich hat er doch noch nicht, wie sein großes Vorbild, seinen Jagdspieß gegen Menschen gekehrt?«

»O nein, erlauben Ew. Ehrwürden,« antwortete Dame Glendinning. »Halbert ist die Schlucht hinauf, Wildpret zu holen, sonst würde er gewiß nicht abwesend sein, wo ein solcher Tag der Ehre über mich und die Meinen aufgegangen ist.«

»Ah, eine schmackhafte Speise zu holen, wie sie Unsere Seele liebt,« murmelte der Subprior; »sie ist zuweilen eine angenehme Gabe gewesen. Guten Morgen, gute Dame, ich muß zu Sr. Gnaden, dem Herrn Vater Abt.«

»Ach, ehrwürdiger Herr,« sprach die Wittwe, ihn zurückhaltend, »wenn Ihr so gütig sein wolltet, das Wort für uns zu nehmen, wenn Etwas nicht in der Ordnung ist, oder wenn Etwas fehlt, zu sagen, daß es gleich kommt, oder eine Entschuldigung vorzutragen, wie sie Eure Gelehrtheit am besten zu machen weiß. Von Silbergeschirr ist uns kein Stückchen geblieben seit Pinkie Cleuch, wo ich den armen Simon verlor, – ach das war das Allerbitterste.«

»Laßt das gut sein, seid unbesorgt,« entgegnete der Subprior, sanft sein Kleid aus der Hand der ängstlichen Elspeth losmachend; »der Tafeldecker hat des Abtes Silbergeschirr und Becher mitgebracht. Seid versichert, was an der Bewirthung fehlt, wird angesehen werden als reichlich ersetzt durch Euren guten Willen.«

Mit diesen Worten machte er sich von ihr los und begab sich in die Speisekammer, wo, so gut es die Eile verstattete, Vorbereitungen zum Mittagsimbiß des Abtes und des englischen Ritters getroffen wurden. Der Abt saß in dem gewaltigen Lehnstuhl Simon's, den ein aus alten Mänteln des Hauses bereitetes Kissen ihm nicht zu einem hinreichend weichen und behaglichen Sitz zu machen vermochte. » Benedicite!« sprach der Hochwürdige. »O pfui über diese harten Bänke; sie sind so unbequem, wie die scabella unserer Novizen. Sanct Judas steh' uns bei! Herr Ritter, wie habt Ihr es angefangen, um die Nacht in diesem Kerker zuzubringen? Wenn Euer Bett nicht weicher war, als Euer Sitz, hättet Ihr eben so gut auf dem steinernen Lager von Sanct Pacomius schlafen können. Wenn man seine vollen vier Meilen geritten ist, braucht der Mensch einen weicheren Sitz, als den, welcher als mein hartes Loos mir zu Theil geworden ist.«

Küster und Tafeldecker eilten mit theilnehmender Miene herbei, den gnädigen Herrn Abt aufzuheben und den Sitz nach seinem Gefallen zurecht zu machen, was halb und halb gelang, wiewohl er immer noch dann und wann bald über seine Beschwerden klagte, bald sich Glück wünschte, eine schwere Pflicht erfüllt zu haben. »Ihr irrende Ritter,« sprach er zu Herrn Piercie, »könnt nun sehen, daß Andere eben so wohl ihre Mühe und Noth haben, wie Eure verehrte Facultät. Von mir und von den Streitern von S. Marien, deren Hauptmann ich mich nennen mag, von uns darf ich sagen, daß wir uns nicht dem Dienst entziehen oder den guten Kampf aufgeben. Nein, bei S. Marien! – kaum hatte ich erfahren, daß Ihr hier seiet und aus Gründen nicht wagtet, in's Kloster zu kommen, wo wir Euch mit eben so viel gutem Willen und mit viel größerer Bequemlichkeit hätten aufnehmen können, als ich auch mit meinem Hammer auf den Tisch schlug, einen Bruder herbeirief und sprach: ›Timotheus, lasse Benedict, lasse meinen schwarzen Zelter satteln und entbiete dem Subprior und etwa zehn Begleitern, morgen nach der Mette in Bereitschaft zu sein – wir wollen nach Glendearg reiten.‹ Bruder Timotheus riß die Augen auf und dachte vermuthlich, seine Ohren hätten ihn getäuscht. Allein ich wiederholte meine Befehle und sprach: ›Laß den Küchenmeister und den Tafeldecker vorausgehen, damit sie den armen Unterthanen, denen das Haus gehört, helfen einen passenden Imbiß bereiten.‹ Sonach, Herr Piercie, werdet Ihr unsere beiderseitigen Beschwerden ermessen und das Mangelhafte entschuldigen.«

»Meiner Treu,« sprach Herr Piercie Shafton, »hier ist Nichts zu entschuldigen. Wenn Ihr geistliche Streiter Euch den harten Beschwerden unterzieht, die Ew. Gnaden erwähnen, würde es mir, einem sündigen weltlichen Mann, übel anstehen, über ein Bett zu klagen, welches so hart ist, wie ein Brett, über eine Suppe, welche schmeckt, als wäre sie aus verbrannter Wolle gemacht, über ein Fleisch, welches mit seinem schwarzen verbrannten Aussehen mich auf gleichen Fuß mit Richard Löwenherz zu stellen schien, welcher den Kopf eines Mohren als Karbonade verspeisete – und über andere Gerichte, welche nach der Ungeschlachtheit dieser nordischen Gegend schmecken.«

»Bei den guten Heiligen, Herr Ritter,« sprach Abt Bonifacius, der hier einen kleinen Schatten auf den Ruhm seiner Gastfreiheit geworfen sah, einer Tugend, die er treu und fleißig übte, »es thut mir in der Seele wehe, daß Ihr unsere Untergebenen nicht besser zu Eurem Empfang vorgesehen gefunden habt. Doch bitte ich mir die Bemerkung zu erlauben, daß wenn Herrn Piercie Shafton's Verhältnisse ihm verstattet hätten, uns die Ehre seiner Gesellschaft in unserm armen Hause zu S. Marien zu schenken, derselbe alsdann weniger in Betreff der Bequemlichkeiten zu klagen gehabt haben würde.«

»Ew. Gnaden die Gründe anzugeben,« sprach Sir Piercie, »warum ich für dies Mal nicht Eurer Wohnung nahen, oder von Dero wohlbekannter und unzweifelhafter Gastfreundschaft Gebrauch machen konnte, erheischt entweder einigen Aufschub oder« – hier blickte er umher – »eine kleinere Zahl von Zuhörern.«

Augenblicklich erließ der Abt sein Gebot an den Tafeldecker: »Geschwind in die Küche, Bruder Hilarius, und frage Unseren Bruder Küchenmeister, bis wann er gedenkt, Unseren Imbiß fertig zu haben, denn Sünde und Schande wäre es in Betracht der Beschwerden dieses edlen und wackeren Ritters, ganz der von Uns erduldeten zu geschweigen, wenn wir die Stunde des Mahles früher oder später ansetzen wollten, als die Bereitschaft der Speisen verstattet.«

Bruder Hilarius eilte geschäftig fort, den Willen seines Oberen zu vollstrecken, und brachte die Zusicherung zurück, daß Schlag ein Uhr nach Mittag der Imbiß bereit sein würde. »Früher,« fügte der pünktliche Tafeldecker hinzu, »würden die Waffeln, Windbeutel und Pasteten kaum den gehörigen Grad von Hitze gehabt haben, welchen gelernte Köche als den dem Magen zuträglichsten vorschreiben; über ein Uhr hinaus, wär' es auch nur zehn Minuten, meint der Bruder Küchenmeister, würde der Ziemer leiden, trotz der Geschicklichkeit des kleinen Bratenwenders, welchen er Ew. Hochwürden so sehr gerühmt hat.«

»Wie? ein Ziemer?« fragte der Abt. »Woher dieser Leckerbissen?«

»Beliebe Ew. Hochwürden Gnaden zu bemerken,« antwortete der Küchenmeister, »daß ein Sohn der Hauswirthin das Wild erlegt und hergeschickt hat; es ist frisch geschossen. Da die thierische Wärme aus dem Körper noch nicht heraus ist, so will der Küchenmeister gut dafür stehen, daß es so zart sein soll, wie ein junges Huhn. Dieser Junge hat eine besondere Geschicklichkeit in Erlegung von Rothwild; nie fehlt er das Hirn oder das Herz, so daß das Blut nicht durch das Fleisch getrieben wird, wie es so oft bei uns geschieht. Es ist ein fetter Hirsch; Ew. Hochwürden hat selten noch einen solchen Ziemer gesehen.«

»Still, Bruder Hilarius,« sprach der Abt, den Mund wischend; »es ziemt unserem Orden nicht, mit solchem Eifer von Speisen zu reden, absonderlich da unsere leiblichen Kräfte oft durch Fasten erschöpft werden und da wir (doch immer nur Sterbliche) leicht dazu kommen, Zeichen der Begehrlichkeit von uns zu geben,« – hier wischte er abermals den Mund – »wie sie unwillkührlich zum Vorschein kommen, wenn einem hungrigen Menschen von Speise gesprochen wird. Merke indessen den Namen dieses Jünglings auf – Verdienst muß belohnt werden und er soll hinfüro frater ad succurrendum Dienender Bruder. in der Küche und Speisekammer sein.«

»Ach, Hochwürdiger Vater,« entgegnete der Tafeldecker, »ich habe mich erkundigt nach dem Jüngling, und erfahren, daß er den Helm der Kaputze vorzieht und die Waffen des Fleisches den Waffen des Geistes.«

»Wenn das ist,« sprach der Abt, »so sieh, daß du ihn als Unterförster und Reisigen annimmst, anstatt als Laienbruder, denn unser Förster Langhans wird blödsüchtig und hat zwei herrliche Rehböcke verdorben durch ungeschickte Schüsse in die Hüfte. O es ist abscheulich, durch schlechtes Abthun, schlechte Zurichtung schlechten Appetit oder auf sonstige Weise zu verschulden, daß einem die Gottesgabe nichts nutzt. Darum, Bruder Hilarius, sorge, daß dieser junge Mensch in unseren Dienst kommt, in der Art, wie es ihm am besten zusagen mag. – Und nun, Herr Piercie Shafton, da das Schicksal uns den Zeitraum von fast einer Stunde gesetzt hat, bevor wir hoffen dürfen, mehr als den Duft oder Vorschmack unseres Mahles zu genießen, darf ich Euch höflichst bitten, mir die Ursache Eures Besuches mitzutheilen und vor Allem, warum Ihr nicht unserem angenehmeren und besser ausgestatteten hospitium nahen wollt?«

»Hochwürdiger Vater und Gnädigster Herr,« sprach Herr Piercie, »Eurer Weisheit ist wohlbekannt, daß es steinerne Wände gibt, die Ohren haben, und daß man auf Heimlichkeit halten muß, wo es sich um eines Mannes Kopf handelt.«

Der Abt gab seinen Begleitern, mit Ausnahme des Subpriors, ein Zeichen, das Gemach zu verlassen, und sprach dann: »Ew. Gestrengen, Herr Piercie, darf undenklich Ihr Herz ausschütten vor unserem treuen Freund und Rath, Pater Eustachius, dessen heilsamen Rath wir vielleicht bald werden auf immer entbehren müssen, dieweil seine Verdienste ihm bald zu einer höheren Stellung verhelfen werden, in welcher ich ihm den Segen eines eben so schätzbaren Freundes und Rathgebers, wie er mir gewesen ist, wünschen möchte. Denn in Wahrheit kann ich mit unserem Klosterreim von ihm sagen:

» Dixit Abbas ad Prioris,
Tu es homo boni moris,
Quia semper sanioris
Mihi das consilia.
« Diese Knittelverse, deren Fortsetzung in Fosbrooke's gelehrtem Werk über den britischen Monarchismus zu finden ist, würden verdeutscht etwa folgendermaßen lauten:
Und der Abt zum Prior sprache,
Ueber dich kann Niemand klage,
Denn du gibst mir alle Tage
Sicherlich den besten Rath.

In der That, die Stelle eines Subprior ist zu gering für die Fähigkeiten Unseres theuren Bruders, und zu der des Prior können Wir ihn nicht erheben, weil dieselbe aus Gründen unbesetzt gelassen wird. Also kurz, Pater Eustachius ist im vollen Besitz Unseres Vertrauens, und des Eurigen würdig, und unbedenklich kann man von ihm sagen: » Intravit in secretis nostris. Er ist eingeweiht in unsere Geheimnisse.«

Herr Piercie Shafton verbeugte sich vor den ehrwürdigen Brüdern, holte einen tiefen Seufzer, als wollte er seinen Stahlpanzer zersprengen, und begann also:

»Sicherlich, Ehrwürdige Herren, habe ich Grund, sothanen Seufzer zu holen, sintemal ich gleichsam den Himmel mit dem Fegefeuer vertauscht habe, indem ich die lichte Sphäre des königlichen Hofes von England verlassen habe, um mich in einen fernen Winkel dieser unzugänglichen Wüstenei zurückzuziehen – dem Turnierplatz Valet gesagt habe, wo ich stets bereit war, unter meines Gleichen eine Lanze zu brechen aus Liebe zur Ehre oder zu Ehren der Liebe, meinen ritterlichen Speer einsetzend wider gemeine und diebische besognio's und Buschklepper, – vertauscht habe die hellerleuchteten Hallen, in welchen ich leichtfüßig den raschen Coranto tanzte oder mit höherer Anmuth mich im ernsteren Galliard bewegte, mit diesem kahlen, verfallenen Kerker von rostfarbenem Stein, – verlassen habe das reichgeschmückte Theater, um in dem einsamen Kaminwinkel einer schottischen Hundshütte zu weilen – ausgetauscht habe die Töne der entzückenden Laute und der Liebe erweckenden Gambe für das mißtönende Gequäke eines nordischen Dudelsacks – vornehmlich aber vertauscht habe das Lächeln der Schönheiten, welche eine Milchstraße bilden um den Thron Englands, mit der kalten Verbeugung eines ungebildeten Mädchens und mit dem verwirrten Starrblick einer Müllerstochter. Weiter könnte ich sagen, daß ich statt der Unterhaltung mit wackeren Rittern und schmucken Hofleuten von meinem Stande und meinen Fähigkeiten, deren Witzfunken glänzen und strahlen wie der Blitz, nun mit Mönchen und Geistlichen zu verkehren habe, – doch es würde unhöflich sein, auf diesen Punkt einzugehen.«

Der Abt horchte auf diese Erzählung von Beschwerden mit großen runden Augen, welche kein genaues Verständniß der Meinung des Redners verriethen. Als der Ritter inne hielt, um Athem zu schöpfen, warf er dem Subprior einen zweifelnden und fragenden Blick zu, denn er wußte nicht in welchem Tone er auf einen so sonderbaren Eingang antworten sollte. Der Subprior übernahm es, ihn aus seiner Verlegenheit zu ziehen.

»Wir fühlen lebhafte Theilnahme für Euch, Herr Ritter, wegen der mannigfaltigen Verdrießlichkeiten und Beschwerden, denen das Geschick Euch preisgegeben hat, und besonders, daß Ihr in die Gesellschaft Derer verschlagen seid, welche, als wüßten sie, daß sie die Ehre der Eurigen nicht verdienten, gar kein Verlangen nach derselben getragen haben. Alles dieß indeß hilft wenig, den Anlaß dieses großen Jammers zu erklären oder deutlicher gesprochen, die Ursache, welche Euch in eine Lage gebracht hat, die so wenig Reiz für Euch besitzt.«

»Gütiger und Ehrwürdiger Herr,« versetzte der Ritter, »verzeiht einem Unglücklichen, welcher bei Erzählung seines Mißgeschicks sich weitläufig über dasselbe ausläßt, gleichwie der Blick dessen, der in einen Abgrund gefallen ist, aufwärts schweift, um die Höhe zu ermessen, von welcher er herabgestürzt ist.«

»Ja,« sprach Eustach, »aber ich dächte, es wäre klüger von ihm, denen, die da kommen, ihn aufzuheben, zu sagen, welchen Knochen er gebrochen hat.«

»Ihr habt, Ehrwürdiger Herr,« versetzte der Ritter, »beim Zusammentreffen unseres beiderseitigen Witzes einen richtigen Stoß gethan, während von mir gesagt werden dürfte, daß ich meine Lanze schlecht gebrochen habe. Verzeiht, Ehrbarer Herr, daß ich die Sprache des Turnierplatzes rede, welche ohne Zweifel Eurem ehrwürdigen Ohr fremd klingt. O herrlicher Sammelplatz der Edeln, der Schönen und Wohlgeschmückten! O Thron der Liebe und Burg der Ehre! O himmlische Schönheiten, durch deren strahlende Augen er verherrlicht wird! Nimmer hinfort wird Piercie Shafton vorreiten als Zielpunkt Eurer leuchtenden Blicke, die Lanze einsetzen und seinem Roß die Sporen geben beim Geschmetter der mutherweckenden Trompeten, welche in einem edlen Bild die Stimme des Krieges genannt werden, – nimmer wird er das Anrennen seines Gegners kühnlich vereiteln, geschickt seine Lanze brechen und, herumreitend in dem holden Kreis, den Dank empfangen, mit dem Schönheit das Ritterthum belohnt!«

Hier hielt er inne, rang die Hände, blickte aufwärts und schien in Betrachtungen über sein zerstörtes Glück versunken zu sein.

»Verrückt, ganz verrückt,« flüsterte der Abt dem Subprior zu; »ich wollte, wir wären ihn mit guter Manier los; denn wahrlich, ich erwarte, er wird von Tollheit zu Unheil übergehen. Wär' es nicht besser, die anderen Brüder herauf zu rufen?«

Der Subprior wußte besser als sein Oberer, den Schnack unnatürlicher Ziererei von der Raserei des Wahnsinns zu unterscheiden, und obwohl die Leidenschaft des Ritters wirklich an Tollheit zu streifen schien, so wußte Eustach doch zu gut, zu welchen Uebertreibungen die Mode ihre Verehrer führen kann. Er gab also den Hochgefühlen des Ritters zwei Minuten Zeit, sich zu erschöpfen, und erinnerte ihn dann mit Ernst, daß der Gnädige Herr Abt eine seinem Alter und seinen Gewohnheiten wenig zusagende Reise unternommen habe, lediglich um zu erfahren, worin er Herrn Piercie Shafton zu Diensten sein könne, und daß derselbe schlechterdings Nichts für ihn zu thun vermöge, ohne genau die Umstände zu kennen, unter welchen der Ritter Zuflucht in Schottland gesucht habe. »Der Tag verstreicht,« bemerkte er, nach dem Fenster blickend, »und wenn der Herr Abt genöthigt sein sollte, nach dem Kloster zurückzukehren, ohne die nöthige Auskunft erlangt zu haben, dann möchte das Bedauern beiderseitig, die Unannehmlichkeit aber vermuthlich ganz auf Seiten Herrn Piercie's sein.«

Dieser Wink ging nicht verloren. »O Göttin der Höflichkeit,« rief der Ritter, »wie konnte ich so sehr Deine Gebote außer Augen setzen, daß ich dieses guten Prälaten Zeit und Bequemlichkeit meinen eitelen Klagen aufopferte! Wisset denn, würdiger und nicht minder als ich geehrter Herr, daß ich, Euer armer Besucher und Gast, nahe verwandt bin mit jenem Piercie von Northumberland, dessen Ruf so weit verbreitet ist durch alle Theile der Welt, wo Englands große Männer bekannt sind. Nun dieser jetzige Graf von Northumberland, dessen kurze Geschichte ich Euch geben will« –

»Ist ganz und gar nicht nöthig,« unterbrach ihn der Abt; »wir kennen ihn als einen guten und ächten Edelmann, als einen geschwornen Aufrechthalter unseres katholischen Glaubens, trotz dem ketzerischen Weibe, welches gegenwärtig auf dem Thron von England sitzt. Und gerade als seinen Verwandten und als Genossen seines frommen und treuen Glaubens und seiner Anhänglichkeit an unsere heilige Mutter Kirche, heißen Wir Euch, Herr Piercie Shafton, herzlich willkommen, und versichern Euch, daß, wenn Wir wüßten wie, Wir Uns bemühen wollten, Euch in Eurer Noth behülflich zu sein.«

»Für sothanes gütiges Anerbieten bleibe ich Euer gehorsamster Schuldner,« versetzte der Ritter. »Für jetzt brauche ich weiter Nichts zu sagen, als daß mein Ehrenfester Vetter von Northumberland mit mir und einigen Anderen, den ausbündigsten Köpfen unserer Zeit, überlegt hatte, wie und durch welcherlei Mittel der Dienst Gottes nach Vorschrift der katholischen Kirche wiederum möchte eingeführt werden in dies zerrissene Königreich England – gleichwie Jemand mit seinem Freund überlegt, wie ein Roß, so ausgerissen ist, einzufangen und zu zäumen sei. Es gefiel demselben, mir so großes Vertrauen bei diesen Mittheilungen zu schenken, daß meine persönliche Sicherheit auf's innigste mit denselben zusammenhängt. Indessen bekamen wir plötzlich Grund zu glauben, daß diese Fürstin Elisabeth, welche eine Art Rathgeber unterhält, geschickt in Ausspürung aller Plane, ihren Titel ihr streitig zu machen oder die katholische Kirchenzucht wieder einzuführen, – daß diese Elisabeth genaue Kunde von unserer Zündlinie hatte, ehe wir dieselbe anbrennen konnten. Da hielt mein Ehrenfester Vetter von Northumberland es für's Beste, daß ein Mann Schimpf und Schande für die Uebrigen auf sich nähme, und legte die ganze Last dieses Handels auf meinen Rücken, welche Last ich in Zufriedenheit trage, sintemal der Graf sich immer als einen gütigen und ehrenwerthen Verwandten gegen mich erwiesen hat, und angesehen mein Gut, ich weiß nicht warum, seit der letzteren Zeit nicht ganz zureichen wollte, den Glanz zu bestreiten, durch welchen wir auserwählte Geister uns vor dem gemeinen Haufen auszeichnen müssen.«

»Daß also vielleicht,« bemerkte der Subprior, »Eure Vermögensverhältnisse Euch eine Reise in's Ausland weniger unbequem gemacht haben, als eine solche es für den edlen Grafen, Euren sehr würdigen Vetter, gewesen sein würde?«

»Ihr habt recht, ehrwürdiger Herr,« sprach der Hofmann; » rem acu – Ihr habt den rechten Fleck mit der Nadel getroffen. Meine Ausgaben waren wirklich etwas verschwenderisch gewesen bei den letzten Aufzügen und Turnieren, und die plattmützigen Bürger hatten sich nicht gewillt gezeigt, meine Taschen zu füllen für neue Prunkereien zu Ehren der Nation sowohl, wie zu meinem persönlichen Ruhm – und die Wahrheit zu sprechen, es war theilweise die Hoffnung, diese Angelegenheiten verbessert zu sehen, die mich eine neue Welt in England wünschen ließ.«

»Also das Mißlingen Eures Unternehmens und die Zerrüttung Eurer Vermögensverhältnisse haben Euch vermüßigt, in Schottland Zuflucht zu suchen?« schloß der Subprior.

» Rem acu, auch diesmal,« antwortete Herr Piercie, »und gewiß hatte ich guten Grund. Denn wäre ich geblieben, so hätte mein Hals in den Umkreis einer Hanfschlinge gerathen können. Darum war meine Abreise so hastig, daß ich nur eben Zeit hatte, mein dick mit Gold belegtes Wams von pfirsichfarbenem Genueser Sammet mit diesem von Bonamico aus Mailand verfertigten Panzer zu vertauschen. Ich eilte also nach dem Norden und dachte, es möchte gut sein, meinen Ehrenfesten Vetter von Northumberland auf einem seiner vielen Schlösser zu besuchen. Als ich aber auf Alnwick zuritt mit der Schnelligkeit eines Sternes, der aus seiner ursprünglichen Sphäre wild abwärts schießt, begegnete mir bei Northallerton ein gewisser Heinrich Vaughan, ein Diener meines ehrenfesten Verwandten, und ließ mich wissen, daß ich jetzt nicht wohl vor ihm erscheinen könnte, angesehen derselbe in Gemäßheit der Weisungen von seinem Hof genöthigt war, Haftbefehle gegen mich zu erlassen.«

»Dies,« sprach der Abt, »ist ein wenig arg von Seiten Eures ehrenfesten Verwandten.«

»Es mag so angesehen werden,« versetzte der Ritter; »nichtsdestoweniger will ich die Ehrenhaftigkeit meines Ehrenfesten Vetters von Northumberland auf Leben und Tod behaupten. Heinrich Vaughan gab mir anbei von meinem besagten Vetter ein gutes Pferd und einen Beutel Goldes nebst zwei Gränzstechern, wie man sie nennt, zu Führern, und diese geleiteten mich auf Seitenwegen, wie seit den Tagen von Herrn Lancelot und Herrn Tristrem nicht gesehen worden sind, in dies Königreich Schottland und zu dem Hause eines gewissen Freiherrn, oder eines sich so nennenden Menschen, Julian Avenel, bei welchem ich solche Aufnahme fand, wie der Ort und die Person sie gewähren konnten.«

»Und die muß recht erbärmlich gewesen sein,« bemerkte der Abt; »denn nach dem Hunger zu schließen, den Julian zeigt, wenn er außer Hause ist, möchte er zu Hause keinen großen Ueberfluß haben.«

»Ihr habt Recht, Herr; Ew. Ehrwürden ist keineswegs im Irrthum,« fuhr Herr Piercie fort; »Wir hatten nur schmale Kost und bei der Abreise eine Zeche zu zahlen. Denn obwohl dieser Julian Avenel Uns keine Rechnung machte, so bewunderte er doch so unmäßig die Arbeit an meinem Dolch, dessen silberner Griff herrlich in Silber gravirt, und der überhaupt ein wundersam gearbeitetes Gewehr ist, daß ich von Schanden wegen nicht umhin konnte, ihm denselben anzubieten, und er, mir die Mühe einer wiederholten Bitte ersparend, steckte ihn sofort in seinen schmierigen Büffelgurt, wo derselbe, glaubt mir, Hochwürdiger Herr, eher dem Schlachtmesser eines Fleischers, als dem Dolch eines Edelmanns gleich sah.«

»Ein solches Geschenk,« sprach Pater Eustachius, »hätte Euch doch wenigstens auf ein paar Tage Gastfreiheit verschaffen sollen.«

»Ehrwürdiger Herr,« versetzte Herr Piercie, »wäre ich bei ihm geblieben, so wäre mir der Rest meiner Garderobe noch abkomplimentirt worden, – förmlich geschunden wäre ich worden, das schwöre ich bei den gastlichen Göttern! Herr, er nahm mein zweites Wams zu Hemde und griff nach meinen Hosen; – ich mußte zum Rückzug blasen, ehe ich ganz abgetakelt würde. Der Grenzdieb, sein Knecht, rupfte mich ebenfalls und führte sich einen Scharlachrock und einen Panzer zu Gemüthe, der meinem Leibdiener gehörte, welchen ich hatte zurücklassen müssen. Zu rechter Zeit noch erhielt ich einen Brief von meinem Ehrenfesten Vetter, der mich benachrichtigte, daß er meinethalben an Euch geschrieben und Euch zwei Felleisen mit Kleidern zugeschickt habe: mein karmesinseidenes Wams mit Goldstoff ausgepufft, welches ich auf dem letzten Ball trug, mit entsprechenden Verzierungen und Gürtel, – ferner zwei Paar schwarzseidene Pumphosen mit herabhängenden Kniebändern von fleischfarbener Seide, – item das fleischfarbene seidene Wams mit Pelzverzierungen, in welchem ich den wilden Mann beim Mummenschanz in Grey's-Inn getanzt hatte; – item« –

»Herr Ritter,« unterbrach der Subprior, »ich bitte, erspart uns die fernere Aufzählung Eurer Garderobe. Die Mönche zu S. Marien sind keine Hochgeborene Freibeuter. Was von Euren Kleidungsstücken in unser Haus gekommen ist, das ist heute getreulich hieher gebracht worden, sammt den Felleisen, welche sie enthielten. Aus dem Gesagten und aus den Andeutungen des Grafen von Northumberland darf ich doch wohl schließen, daß Eure Absicht ist, für jetzt so unbekannt und unbemerkt zu bleiben, als es sich mit Eurer Würde nur immer vertragen mag?«

»Ach, Ehrwürdiger Vater,« versetzte der Hofmann, »eine Klinge in der Scheide kann nicht blinken, ein Diamant im Kästchen kann nicht strahlen, und Würde, wenn sie durch Umstände genöthigt ist, sich in Dunkelheit zu verbergen, kann nicht die Beobachtung auf sich ziehen, in meiner Einsamkeit kann mir nur die Bewunderung der Wenigen zu Theil werden, welchen mich zur Schau zu stellen, die Umstände erlauben.«

»Ich sehe, verehrter Vater und Herr,« sprach der Subprior zum Abte, »daß Eure Weisheit diesem edlen Ritter ein Benehmen vorzeichnen muß, wie es sich mit seiner Sicherheit und mit dem Wohle unseres Stiftes verträgt. Denn Ihr wißt wohl, daß in diesen Tagen der Verwegenheit gefährliche Schritte gethan worden sind zur Vernichtung aller geistlichen Stiftungen, und daß unser Gotteshaus zu wiederholten Malen bedroht worden ist. Bis jetzt haben sie noch kein Makel an unserem Gewand gefunden; allein eine Partei, befreundet der Königin von England sowohl, wie den ketzerischen Lehren der schismatischen Kirche oder wohl gar milderen und schlimmeren Formen der Ketzerei, hat jetzt entschiedenen Einfluß am Hof unserer Herrscherin, welche nicht wagen darf, ihrer leidenden Geistlichkeit den Schutz zu gewähren, den sie ihr so gern vergönnen möchte.«

»Gnädiger Herr Abt und Ehrwürdiger Herr Subprior,« sagte der Ritter, »ich will Euch meiner Gegenwart entheben, während Ihr diese Angelegenheit erwägt. Die Wahrheit zu sagen, bin ich auch begierig, zu sehen, in welchem Zustand der Kämmerer meines hohen Verwandten meine Garderobe gefunden, wie er sie verpackt, und ob dieselbe durch die Versendung nicht gelitten hat. Es sind vier Anzüge, so geschmackvoll, wie nur je einer die Phantasie einer schönen Frau entzückt hat, und bei jedem befinden sich dreierlei Bänder, Verzierungen und Fransen zum Umwechseln, womit man im Nothfall jeden derselben neu zurichten und so aus den vieren zwölf machen kann. Es befindet sich dabei auch mein dunkelfarbiges Reitkleid und drei Spitzenhemden mit liegendem Kragen – ich bitte Euch, verzeiht mir – ich muß ohne Zeitverlust sehen, wie es damit steht.«

So sprechend verließ er das Gemach. Der Subprior, ihm bedeutungsvoll nachblickend, äußerte: »Wo Euer Schatz ist, da ist auch Euer Herz.«

»Sanct Maria bewahre unseren Verstand!« sprach der Abt. »Ist je eines Menschen Hirn so voll von Seide, Tuch, Spitzen und Gott weiß was noch gewesen? Was in aller Welt konnte den Grafen von Northumberland bestimmen, einen solchen Gecken als geheimen Rath in wichtigen und gefährlichen Sachen anzunehmen?«

»Wäre er anders, als er ist, Ehrwürdiger Vater,« versetzte der Subprior, »so hätte er sich weniger zur Rolle des Sündenbocks geeignet, zu welcher ihn sein Ehrenfester Vetter vermuthlich von Anfang an bestimmt hatte für den Fall, daß der Anschlag mißlänge. Ich weiß Einiges von den Verhältnissen dieses Piercie Shafton. Die Reinheit der Abstammung seiner Mutter von der Familie Piercie, derjenige Punkt, auf den er am meisten hält, ist in Frage gestellt worden Toller Muth und übertriebene neumodische Ritterlichkeit, womit er seinen Ansprüchen auf hohe Abkunft Geltung zu verschaffen gesucht hat, sind ihm nie abgesprochen worden. Er ist aber auch weiter Nichts als ein Renommist, wie Roland Yorke, Stukeley »Yorke,« sagt Camden, »war ein geborner Londoner, ausschweifend und verwegen, berühmt unter den Renommisten dieser Zeit, als der Erste, welcher zum Staunen Vieler zuerst in England das gefährliche Fechten mit dem Rappier bei Zweikämpfen aufgebracht hat. Denn früher fochten die Engländer mit langen Schwertern und mit Schilden meist auf den Hieb, und ein Stoß oder Hieb unter den Gürtel galt für unehrlich.«
Als Befehlshaber in den Niederlanden ging Yorke zu den Spaniern über und starb eines elenden Todes, wie man glaubt, vergiftet von seinen neuen Freunden. Drei Jahre später wurden seine Gebeine auf Befehl der Generalstaaten ausgegraben und an den Galgen gehängt.
Thomas Stukeley, ein andrer Held nach der Mode, war der Sohn eines reichen Tuchmachers im Westen und ein gelernter Kaufmann. Er heirathete die Tochter und Erbin des reichen Londoner Rathsherren Curtis, nach dessen Tod er ihr Vermögen verschwendete. Seine Frau machte ihm Vorstellungen, daß er sich doch mehr aus ihr machen sollte. »Ich will,« antwortete er, »mir so viel wie möglich aus dir machen,« und er hielt Wort, denn er machte selbst ihre Kleider zu Geld, bevor er sie endlich sitzen ließ.
Er floh nach Italien, versuchte dem Papst einen Plan zu einem Einfall in Irland aufzuschwatzen, warb auch Söldner an und machte anderweitige Zurüstungen dazu. Am Ende aber trat er mit seinen Truppen in den Dienst des Königs Sebastian von Portugal, begleitete diesen auf seinem unglücklichen Zug nach der Barbarei und fiel mit ihm in der Schlacht von Alcazar.
Stukeley, seiner Zeit ein Held des Tages, hatte die Ehre erlangt, im Lied verewigt zu werden, wie im dritten Band der Alten Balladen, herausgegeben von Evans 1810, zu finden ist. Auch kommt er vor in einem, dem Georg Peel zugeschriebenen Trauerspiel, »die Schlacht von Alcazar,« aus welchem Dryden die Idee zu seinem Don Sebastian geschöpft haben soll. Wäre Letzteres wahr, so wäre zu verwundern, daß er einen, der Zeit Karls II. so entsprechenden Charakter, wie der witzige, tapfere und lüderliche Stukeley war, weggelassen hat.
und Andere, welche in nichtigen Prahlereien ihr Vermögen verjubeln und ihr Leben auf's Spiel setzen, um den Ruf von Helden des Tages zu gewinnen, und welche dann ihre Umstände dadurch wieder zu verbessern suchen, daß sie sich in verzweifelte Anschläge und Verschwörungen einlassen, die von schlaueren Köpfen ausgesonnen sind. Um mich einer seiner eignen gesuchten Vergleichungen zu bedienen: solche herzhafte Narren gleichen Falken, welche der verständigere Verschwörer mit der Kappe über den Augen auf der Faust hält, bis das Wild auffliegt, und sie dann losläßt.«

»Heilige Maria,« sprach der Abt, »er wäre ein schlimmer Gast in unserem stillen Hause. Unsere jungen Mönche machen schon Wesens genug und mehr, als sich für Diener Gottes schickt um ihre Kleidung! – dieser Ritter könnte ihnen allen die Köpfe verdrehen, vom Vestiarius bis zum Küchenjungen.«

»Etwas Schlimmeres könnte erfolgen,« bemerkte der Subprior. »In diesen heillosen Tagen wird das Kirchengut preisgegeben, für verwirkt erklärt und zerrissen, als wäre es der ungeweihte Grund eines weltlichen Landherren. Bedenkt, welche Strafe unserer wartete, falls wir überwiesen würden, einen Empörer gegen die sogenannte Königin von England zu beherbergen! Es würde nicht an schottischen Hungerleidern fehlen, die sich die Ländereien des Stiftes ausbitten würden, noch an einem englischen Heere, das Gotteshaus zu verheeren und zu zerstören. Ehemals waren die Männer von Schottland Schotten, fest und einig in der Liebe zu ihrem Vaterland, jede andere Rücksicht bei Seite setzend, wenn die Gränze bedroht war. Jetzt sind sie – wie soll ich sagen? die Einen französisch, die Anderen englisch, und betrachten ihr Vaterland als eine Bühne für Klopffechter, auf welcher Ausländer willkommen sind, um ihre Streitigkeiten auszumachen.«

» Benedicite!« sprach der Abt, »das sind wahrlich gefährliche und schlimme Zeiten.«

»Und darum,« fuhr der Subprior fort, »müssen wir vorsichtig handeln, – wir dürfen zum Beispiel diesen Mann nicht in unser Gotteshaus bringen.«

»Aber was dann mit ihm anfangen?« sprach der Abt. »Bedenkt, daß er um der heiligen Kirche willen leidet, – daß sein Beschützer, der Graf von Northumberland, unser Freund ist, und daß derselbe, als unser Nachbar, uns Wohl oder Wehe bereiten kann, je nachdem wir mit seinem Verwandten verfahren.«

»Eben darum,« versetzte der Subprior, »und zur Erfüllung der heiligen Pflicht christlicher Barmherzigkeit, möchte ich diesen Mann beschirmen und pflegen. Laßt ihn nicht zurückkehren zu Julian Avenel; dieser gewissenlose Freiherr würde keinen Anstand nehmen, den heimathlosen Fremdling auszuplündern. Laßt ihn hier bleiben. Der Platz ist abgelegen, und wenn es ihm hier an Bequemlichkeit fehlt, so steht auch auf der anderen Seite Entdeckung weniger zu befürchten. Wir wollen thun, was wir können, um seine Lage erträglich zu machen.«

»Denkt Ihr, er wird sich bereden lassen?« fragte der Abt. »Ich will ihm mein Feldbett hier lassen und ihm einen bequemen Lehnstuhl heraufschicken.«

»Mit solchen Annehmlichkeiten darf er nicht klagen,« versetzte der Subprior. »Bedroht ihn dann eine plötzliche Gefahr, so kann er hinunter kommen in unsere Freistätte, und dort wollen wir ihn verborgen halten, bis Mittel und Wege gefunden sind, ihn sicher wegzubringen.«

»Wär' es nicht besser,« fragte der Abt, »ihn an den Hof zu senden, und so seiner auf's Kürzeste los zu werden?«

»Das würde auf Kosten unserer Freunde geschehen,« entgegnete Eustach. »Dieser Schmetterling mag seine Flügel zusammenlegen, und eingehüllt in der kalten Luft von Glendearg liegen. Wäre er zu Holyrood, so würde er, und sollte es sein Leben kosten, seine Flitter vor der Königin und vor dem Hof zur Schau tragen, wohl gar um die Liebe unserer gnädigen Herrscherin werben, wenn er gar kein anderes Mittel wüßte, von sich reden zu machen. Alle Welt würde während dreier Tage auf ihn sehen, und der Friede der beiden Hälften dieser Insel würde auf's Spiel gesetzt werden um eines Wesens willen, das gleich einer dummen Motte es nicht lassen kann, um ein Licht herumzuflattern.«

»Du hast mich überzeugt, Bruder Eustachius; ich will noch mehr thun, als du sagst. Ich will heimlich nicht nur Hausgeräth, sondern auch Wein und Semmelbrod heraufschicken. Hier ist ein junger Bursch, der Wildpret zu schießen versteht. Ihm will ich die Weisung geben, zu sorgen, daß es dem Ritter nicht daran fehlt.«

»Jede Annehmlichkeit, welche nicht eine Entdeckung herbeiführen kann, sind wir schuldig ihm zu verschaffen,« bemerkte der Subprior.

»Ja, ja,« sprach der Abt, »augenblicklich will ich einen Diener zu Unserem Kleiderkämmerer senden, damit derselbe noch diesen Abend heraufschickt, was der Ritter etwa bedarf. Sorge daß es geschieht, lieber Bruder.«

»Das will ich thun,« antwortete Eustach. »Ich höre den Tropf rufen, daß ihm Jemand seine Nestel schnüren soll Die Hosen wurden mit Nesteln an den Wams angeschnürt.. Er wird von Glück sagen können, wenn er hier Jemanden findet, der ihm den Kammerdiener macht.«

»Ich wollte, er stellte sich ein,« sprach der Abt; »denn hier kommt der Tafeldecker mit dem Imbiß. Meiner Treu, der Ritt hat mir starken Appetit gemacht.«



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