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Erstes Kapitel.

Der Müller war ein ganzer Mann,
Er ließ nicht mit sich spaßen.
Und banden Zehn sich mit ihm an,
Sie mußten Haare lassen.

Die Kirche im Grünen von Christ.

Es war, wie bereits bemerkt, nach Sonnenuntergang, als Halbert Glendinning zur väterlichen Wohnung zurückkam. Zu Mittag wurde hier gegessen um zwölf Uhr, das Abendmahl fand zu dieser Jahreszeit etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang statt. Das Mittagsmahl war diesen Tag genossen worden, ohne daß Halbert dabei erschien; doch dieß war nichts Ungewöhnliches, denn die Jagd oder sonstiger Zeitvertreib machte, daß er oft die Stunden nicht einhielt. Seine Mutter, obwohl ärgerlich, wenn sie ihn nicht bei Tisch sah, war so sehr an seine gelegentliche Abwesenheit gewöhnt und so wenig im Stande, ihn zu größerer Regelmäßigkeit zu bringen, daß eine mürrische Bemerkung Alles war, was auf solche Nachlässigkeiten erfolgte.

Dießmal jedoch stieg der Zorn der guten Dame Elspeth etwas höher als gewöhnlich, und zwar nicht bloß wegen des Schafskopfs und der Hammelsfüße und Fleischklöse und des Schöpsenbratens, mit welchem ihr Tisch besetzt war, sondern auch wegen der Ankunft eines wichtigen Mannes, Ruprecht Müllers, wie man ihn allgemein nannte, obwohl sein wahrer Name Happer war.

Der Zweck des Besuchs von Seiten des Müllers im Thurm von Glendearg war, ungefähr so, wie es bei den Gesandschaften großer Herren an fremde Höfe der Fall ist, theils ein angeblicher, theils ein geheimer. Angeblich kam Ruprecht, seine Freunde im Stift zu besuchen, Theil an den Erntefestlichkeiten zu nehmen und alte Bekanntschaft bei frischem Schmaus zu erneuern. In Wahrheit aber kam er auch, die Garbenhaufen zu beäugeln und sich solche Kunde von der Ernte eines jeden Hintersassen zu verschaffen, daß es unmöglich wurde, ihm die Mahlmetzen zu vertragen.

Bekanntlich sind die Landleute jeder Herrschaft in Schottland verbunden, ihr Korn zum Mahlen in die herrschaftliche Mühle zu bringen, wofür sie eine starke Vergütung zu entrichten haben. Wer von dem gebannten Grund und Boden sein Korn auf eine andere Mühle brachte, unterlag schweren Strafen. Nun lag eine solche andere Mühle auf dem Grund und Boden eines weltlichen Herrn in einer verführerischen Nähe von Glendearg, und der Müller war so artig und seine Preise so mäßig, daß Ruprecht gewaltig auf seiner Hut sein mußte, wenn er Umgehungen vorbeugen wollte.

Das wirksamste Mittel dagegen war für Ruprechten, sich das Anseh'n fröhlicher Geselligkeit und Freundnachbarlichkeit zu geben, und damit jeden Sommer in der Herrschaft herumzufahren, und alle Garbenhaufen zu zählen, ihren Gehalt nach Maltern zu berechnen und so sich in Stand zu setzen, später zu beurtheilen, ob das Korn alle in die rechte Mühle kam.

Dame Elspeth mußte wie ihre Mitunterthanen diese Haussuchungen als Aeußerungen theilnehmender Freundschaft aufnehmen. Bei ihr hatten sie indeß seit dem Tode ihres Mannes nicht stattgefunden, vermuthlich weil der Thurm etwas abgelegen war, und weil zu demselben nur ein unbedeutendes Stück Infeld gehörte. Dieses Jahr hatte der alte Martin die Speculation gemacht, einige Malter im Ausfeld zu säen, welche, da das Jahr gut gewesen, eine hübsche Ernte gegeben hatten. Vielleicht war es dieser Umstand, der den ehrsamen Müller veranlaßte, Glendearg in seiner heurigen Rundreise mitzubegreifen.

Dame Glendinning empfing mit Vergnügen einen Besuch, welchen sie sonst nur sich hatte geduldig gefallen lassen. Sie hatte ihre Ansicht von der Sache hauptsächlich, wenn nicht lediglich, deßwegen geändert, weil Ruprecht seine Tochter Gretel mitgebracht hatte, über deren Gesichtszüge sie dem Subprior so schlechte – und über deren Kleidung sie so genaue Auskunft hatte geben können.

Bis dahin war dieß Mädchen der guten Wittwe ziemlich gleichgültig gewesen. Allein des Subpriors genaue und etwas geheimnißvolle Fragen hatten veranlaßt, daß ihr die Gretel von der Mühle im Kopfe herumging, daß sie hier geradezu eine Frage that über das arme Kind, dort eine Anspielung auf sie machte, an einem andern Ort wieder dem Gespräch eine Wendung gab, daß auf sie die Rede kommen mußte. Und aus allen Fragen und Nachforschungen hatte sie so viel geschöpft, daß Gretel eine schwarzäugige, lachlustige Dirne war mit kirschrothen Wangen und einer Haut, so weiß, wie der feinste geschwungene Vorschuß, aus welchem des Abts Semmelbrod gebacken wurde. Ihre Gemüthsart betreffend, so sang und lachte sie von Morgen bis in die Nacht hinein; ihr Vermögen anlangend – einen wesentlichen Artikel – so war Gretel, abgeseh'n von dem, was der Müller mit seinem sprichwörtlichen goldenen Daumen zusammengekratzt haben mochte, einst Erbin eines hübschen Stückes Land, und hatte die Anwartschaft auf die Mühle und die Mühläcker, welche ihrem Mann unter billigen Bedingungen verliehen werden durften, wenn zu rechter Zeit dem Abt und dem Prior und dem Subprior und dem Küster u. s. w. ein gutes Wort gegeben wurde.

Ueber dem Hin- und Herüberlegen dieser Vortheile kam endlich Dame Elspeth zu der Ansicht, daß der einzige Weg, ihren Sohn Halbert vor einem Spor-, Speer- und Trensen-Leben, das heißt vor dem Gränzreiter-Leben, vor dem Schuß eines Ellenstockes oder vor einer Hanfschlinge zu bewahren, darin bestand, ihn heirathen und seßhaft werden zu lassen, und daß Gretel Happer seine Zukünftige sein sollte.

Fast wie gerufen kam Ruprecht der Müller auf seiner starken Stute angeritten. Gretel saß auf dem Hintersattel mit Rosenwangen, einer Fülle rabenschwarzen Haares und mit aller Munterkeit ländlicher Koketterie. Das charmante Ideal, welches Dame Glendinnings Einbildungskraft geschaffen, stand plötzlich verkörpert vor ihr in Gestalt der schelmischen Gretel Happer, über welche sie nach Ablauf einer halben Stunde im Reinen war, als über das Mädchen, welche den unruhigen und unbändigen Halbert an ein ordentliches Leben fesseln sollte. Freilich sah sie bald, daß Gretel wahrscheinlich eben so gern um einen Maien tanzen, als eine Haushaltung führen, und daß Halbert vermuthlich mehr Schläge austheilen als Säcke Korn mahlen würde. Allein ein Müller sollte ja auch immer ein ganzer Mann sein und ist auch immer so beschrieben worden seit den Tagen von Chaucer und Jakob I. Der zum Motto gewählte Vers ist aus einem Gedicht, welches Jakob dem Ersten von Schottland zugeschrieben wird. Was den Müller betrifft, der unter den Pilgern nach Canterbury vorkommt, so konnte sich dieser anderer Eigenschaften rühmen, welche alle, besonders aber die letzte, bewiesen, daß er mehr auf die Stärke der äußeren als der inneren Seite seines Schädels baute.
Der Müller war – und das ist wahr gesprochen –
Ein starker Kerl, voll Fleisch und voller Knochen.
Was männiglich daraus ersehen kann,
Daß er beim Ringen stets den Bock gewann.
Ein kurzer Knorr'n, breitschult'rig – stellt Euch vor –
Ja selber wohl einrannte mit dem Kopf u. s. w.
. Denn ein allen seinen Zwangskunden in den verschiedenen Ringerkünsten überlegener Müller hatte einen großen Vortheil bei Einziehung von Gebühren, welche die Leute geneigt waren, einem weniger furchtbaren Kämpen streitig zu machen. Und dann dachte sie, die Mängel der Müllersfrau könnten ja auch wohl durch die Thätigkeit ihrer Schwiegermutter aufgewogen werden. »Ich will selbst den jungen Leuten Haus halten, denn der Thurm ist gar zu einsam geworden, und näher bei der Kirche zu wohnen, wird mir in meinen alten Tagen wohl thun – und dann kann Edward sich mit seinem Bruder über die Feuerstelle abfinden, um so mehr, da er bei dem Subprior in Gunst steht, und dann mag er in dem alten Thurm wohnen, wie sein braver Vater vor ihm, – und wer weiß, ob nicht Maria Avenel, so hochadelig wie sie ist, ihren Schemel in die Kaminecke schiebt und es sich hier gefallen läßt? – Freilich hat sie Nichts, aber ihres gleichen an Schönheit und Verstand ist mir noch nicht vorgekommen – und ich hab' doch jedes Weibsbild im Stift gekannt – ja, und die Mütter, die sie geboren haben – ach, sie ist ein so liebes, gutes Ding, wie nur je eins ein Kopfband über braunes Haar gezogen hat, – ach, und dann enthält ihr freilich ihr Oheim ihr Eigenthum vor, allein ich sollte denken, der Gänsekiel möchte ein Loch in seinem Panzerhemde finden, wie in dem manches besseren Mannes – Gott steh uns bei! – Und wenn sie auf ihre Ahnen und ihren Adel halten sollten, so könnte Edward zu ihnen, d. h. zu ihrer adeligen Sippschaft sagen: Wer von Euch war ihr bester Freund, als sie an einem nebeligen Abend die Schlucht Glendearg herunterkam auf einem Thier, das eher sonst was gleich sah, als einem Gaul? Und wenn sie ihm Bauernblut vorwürfen, könnte Edward, abgesehen von dem Sprichwort:

Wer edel thut,
Hat edles Blut –

füglich einwenden, daß von Glendinning und von Brydon kein Bauernblut kommt; denn sagt Edward« – –

Hier weckte die heisere Stimme des Müllers die Dame aus ihren Träumen auf und nöthigte sie, zu bedenken, daß sie, um ihr Luftschloß zu verwirklichen, anfangen mußte, den Grund zu legen mit Höflichkeit gegen ihren Gast und dessen Tochter, welche beide sie in diesem Augenblick sonderbarer Weise vernachlässigte, obgleich ihr ganzer Plan sich darum drehte, ihre Gunst und gute Meinung zu gewinnen. Denn wirklich, während sie einen Plan zu einer so innigen Verbindung mit ihren Gästen entwarf, ließ sie dieselben unbeachtet in ihren Reitkleidern dasitzen, als ob sie sogleich wieder weg sollten. »Also,« schloß der Müller – den Anfang der Rede hatte sie überhört – »also wenn Ihr zu sehr mit Eurer Haushaltung oder sonst etwas beschäftigt seid, so will ich und Gretel wieder die Schlucht hinuntertraben zu Hans Broxmund, der uns recht freundlich eingeladen hat, bei ihm zu bleiben.«

Plötzlich auffahrend aus ihrem Traum von Hochzeiten, Wechselheirathen, Mühlland, Freiherrschaften – hatte Dame Elspeth einen Augenblick die Empfindung der Milchfrau in der Fabel, als sie den Topf fallen ließ, auf dessen Inhalt so viele goldene Träume gebaut worden waren. Allein die Grundlage von Dame Elspeths Hoffnungen war nur wankend gemacht, nicht zerstört, und sie beeilte sich, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Anstatt eine Entschuldigung für ihre Zerstreuung und ihren Mangel an Aufmerksamkeit für ihre Gäste vorzubringen, was seine Schwierigkeiten hatte, ging sie angriffsweise zu Werke, wie ein geschickter Feldherr, der im Nothfall auf diese Weise seine Schwäche verdeckt. Sie beklagte sich laut und bitter über die Unfreundlichkeit ihres alten Bekannten, der einen Augenblick an der Herzlichkeit ihres Willkomms habe zweifeln, und der gar daran habe denken können, mit seiner hoffnungsvollen Tochter zu Hans Broxmund zurückzukehren, während der alte Thurm noch auf dem alten Fleck stand und Raum hatte für einen oder zwei Freunde in der schlimmsten Zeit – er ein Nachbar, den sein Gevatter Simon selig immer für seinen besten Freund im Stift gehalten hatte! Und so ging es fort mit solchem Eifer, daß sie fast sich selber weis gemacht hätte, sie habe Grund sich zu beschweren, nicht bloß dem Müller, welcher nicht geneigt war, das Geschehene oder vielmehr das nicht Geschehene, übel zu nehmen, und, wünschend in Glendearg zu übernachten, auch mit einer weniger ungestüm gastlichen Aufnahme zufrieden gewesen sein würde.

Auf all' ihr Gepolter über die Unfreundlichkeit seines Erbietens, ihre Wohnung zu verlassen, erwiederte er ruhig: »Nun Dame, was wußte ich? Ihr hattet vielleicht andere Grütze zu mahlen, denn Ihr schautet drein, als ob Ihr uns gar nicht sähet. Gott weiß – vielleicht hattet Ihr meinen Wortwechsel mit Martin wegen der letzten Gerste im Sinn, denn ich weiß, trockne Mahlmetzen Wer sein Korn anderswo mahlen ließ, als in der Mühle, in welche er gebannt war, hatte eine Strafe zu entrichten, welche trockne Mahlmetze hieß. bleiben gern in der Kehle stecken. Man sucht blos, was Einem gehört, und doch halten Einen die Leute für Müller und Knecht, das heißt für Müller und schlecht.«

»Gott! – wie mögt Ihr so reden, Nachbar Ruprecht!« sprach Dame Glendinning; »oder wie mag Martin Worte mit Euch wechseln wegen der Mahlgebühren! Ich will ihm den Kopf dafür waschen, so wahr ich eine ehrliche Wittfrau bin, verlaßt Euch drauf. Ihr wißt ja, wie das Gesinde mit einer armen Wittwe umgeht.«

»Ei was, Dame,« sprach der Müller, seinen breiten Gürtel losschnallend, welcher seinen Rock zusammenhielt und zugleich einen gewichtigen Andres Ferrara Eine Art Schwert. trug, »grollt nicht mit Martin, ich groll' ihm auch nicht, denn es ist meines Amtes, mein Recht auf Mahlmetze und Zugabe zu behaupten. Warum sollt' ich nicht? Es heißt im alten Lied:

Von meiner Mühle leb' ich, Gott stärk' sie,
Sie ist Mutter mir, Weib und Kind.

Das arme alte Thier, ich verdank' ihr meinen Unterhalt und muß auf sie halten, wie ich zu meinen Mühlknappen sage, in Recht und Unrecht. So sollte jeder ehrliche Kerl zu seinem Brodverdiener halten. – Also Gretel, lege den Mantel ab, da unsere Nachbarin uns freundlich willkommen heißt. Ich denke, wir sind eben so sehr erfreut, sie zu sehen; Niemand im ganzen Stift entrichtet so treulich Mahlmetze, Zugabe, Hand und Spanndienst, wie's Brauch ist.«

Somit hing der Müller ohne Umstände sein weites Oberkleid auf ein mächtiges Hirschgeweih, welches die kahle Wand zierte und zugleich als Kleiderzapfen diente. Dame Elspeth half der Jungfer, die sie zu ihrer Schwiegertochter bestimmte, Hut, Mantel und sonstige Stücke ihrer Reitkleidung ablegen und ließ die muntere Tochter des reichen Müllers in ihrem gebührenden Putz erscheinen: einem weißen Rock, dessen Säume mit grüner von Silberfäden durchzogener Seidenschnur besetzt waren. Einen Späherblick warf sie auf das gutmüthige Gesichtchen, welches sich jetzt deutlicher erkennen ließ, lediglich von einer Fülle rabenschwarzen Haares beschattet, das zusammengehalten ward von einem grünseidenen silbergestickten Kopfband, entsprechend den Verzierungen des Rockes. Die Züge dieses Antlitzes waren recht hübsch: große, schwarze, schelmische Augen, kleiner Mund, wohlgeformte, wiewohl etwas volle Lippen, perlenweiße Zähne, im Kinn ein verführerisches Grübchen. Die Form voll und rund, die Farbe gesund und frisch. Diese Züge durften in einigen Jahren grob und männlich werden – der gewöhnliche Fehler schottischer Schönheit; allein jetzt in ihrem sechzehnten Jahr hatte Gretel das Ansehen einer Hebe. Die besorgte Elspeth konnte sich indeß nicht verhehlen, daß vielleicht selbst ein besserer Mann als Halbert schlecht mit dem Mädchen auskommen würde, denn sie sah ein wenig flatterhaft aus, und Halbert war noch nicht neunzehn Jahre alt. Allein auf der andern Seite war es Zeit, daß er seßhaft würde – auf diesen Gedanken kam sie immer wieder zurück – und hier war eine treffliche Gelegenheit.

Elspeths Schlauheit erschöpfte sich im Lob ihres schönen Gastes von der Kopfbinde bis zum umgewandten Schuh. Die ersten fünf Minuten hörte Gretel mit Vergnügen und erröthend zu, aber noch ehe zehn verlaufen waren, kamen ihr die schönen Worte der Alten mehr lächerlich als schmeichelhaft vor, denn bei aller ihrer Gutmüthigkeit war sie keineswegs auf den Kopf gefallen. Selbst Ruprecht fing an, sich bei der Lobrede auf seine Tochter zu langweilen und unterbrach sie mit den Worten: »Ja, ja, sie ist schon ein ganz hübsches Mädchen, und wär' sie fünf Jahr älter, so sollte sie ihren Sack Mehl auf einen Gaul legen, so gut wie irgend eine Dirne im Stift. Aber ich sehe mich nach Euren beiden Söhnen um. Da unten heißt's, Halbert sei ein wilder Springin'sfeld geworden, und wir würden vielleicht bald in einer schönen Mondnacht etwas von ihm aus Westmoreland hören.«

»Gott soll uns in Gnaden davor bewahren, lieber Nachbar!« sprach Dame Glendinning ängstlich, denn der Müller hatte die empfindlichste Seite ihres Herzens berührt durch die Andeutung, daß Halbert ein Freibeuter werden möchte, wie sie in dieser Zeit und in dieser Gegend so häufig waren. Besorgt indeß, sie möchte zu viel Angst verrathen haben, fügte sie sogleich hinzu: »Seit dem letzten Gemetzel bei Pinkie-Cleuch zittre ich an Arm und Bein, so wie ich nur von Büchse oder Spieß oder von Fechten höre; aber Gott und Unserer Lieben Frauen sei's gedankt, ich denke meine Söhne sollten als ehrsame ruhige Unterthanen des Stiftes sterben, wie ihr Vater wohl auch gethan haben würde, hätte die erschreckliche Heerfahrt nicht stattgefunden, an welcher er Theil nahm mit so manchem braven Mann, der nimmer zurückgekommen ist.«

»Ihr braucht mir nicht davon zu erzählen, Dame,« sprach der Müller, »ich bin selbst dabei gewesen und habe zwei Paar gute Beine (nicht meine, sondern die meiner Stute) ein Paar Hände gelten lassen. Ich sah, was da kommen würde, wie unsere Reihen sich auflöseten und durch das Ackerfeld liefen, und da sie mich hatten ausziehen lassen, so zog ich selber aus, so lange das Spiel noch gut war.«

»Ja, ja, Nachbar,« versetzte Elspeth, »Ihr seid immer ein kluger und vorsichtiger Mann gewesen; hätte mein Simon Euren Verstand gehabt, so könnte er jetzt auch hier sitzen und davon erzählen. Aber, daß Gott erbarm! da that er immer groß mit seinem guten Geblüt und mit seiner hohen Sippschaft, und mußte der Letzte sein, wo es Püffe gab, mit Grafen, Rittern und Edelknechten, die keine Weiber haben, sich um sie zu härmen, oder Weiber, die sich Nichts daraus machten, ob sie bald Wittwen wurden; das ist für Unseresgleichen nicht. Aber von meinem Sohn Halbert zu reden, für den kann man außer Sorgen sein; denn wenn er unglücklicher Weise in denselben Fall kommen sollte, so hat er das beste Fußwerk im ganzen Stift und könnte dann fast so schnell laufen, wie Eure Stute.«

»Ist er dieß hier?« fragte der Müller.

»Nein,« antwortete die Mutter, »das ist mein jüngster Sohn Edward, der schreiben und lesen kann wie der Gnädige Herr Abt selber, – wenn's nicht eine Sünde wäre, so zu sagen.«

»Aha,« sagte der Müller, »das ist der junge Gelehrte, auf den der Subprior so viel hält. Die Leute sagen, der Junge könnte es mit der Zeit weit bringen; wer weiß, er kann vielleicht dazu kommen, selber Subprior zu werden, wie auch wohl ein gebrochenes Schiff schon an's Land gekommen ist.«

»Um Prior zu sein, Nachbar Müller,« fiel Edward ein, »muß man erst Priester werden, und dazu fühl' ich wenig Beruf.«

»Er will den Pflugsterz ergreifen, Nachbar,« bemerkte die gute Dame, »und Halbert desgleichen. – Sag, Edward, wo ist dein Bruder?«

»Jagen, glaub' ich,« antwortete Edward; »wenigstens ist er diesen Morgen fortgegangen zum Herrn von Colmslie und dessen Hunden. Ich habe sie den ganzen Tag in der Schlucht bellen hören.«

»Nun, wenn ich diese Musik gehört hätte,« sprach der Müller, »hätte mir auch das Herz im Leibe gelacht, und ich wäre auf eine oder anderthalb Stunden von meinem Weg abgekommen. Als ich noch Knapp beim Müller von Morebattle war, da lief ich den Hunden von Eckford bis nach Hounam-law nach, folgte ihnen auf dem Fuß und jagte fort, während der Herr von Ceßford und seine Reiter allesammt in den Moosen und Spalten aus dem Sattel geworfen wurden. Ich brachte den Hirsch auf meinen Schultern nach Hounams-Kreuz, nachdem die Hunde ihn zusammengerissen hatten. Ich meine, ich sähe noch den alten Ritter vor mir, wie er aufrecht auf seinem mit Schaum bedeckten starken Streitroß saß. »Müller,« sagte er zu mir, »wenn du der Mühle den Rücken zukehren und mit mir gehen willst, so will ich einen Mann aus dir machen.« Allein ich zog es vor, bei der Klapper zu bleiben, und wohl mir! denn der stolze Percy hat fünf von des Freiherrn Knechten zu Alnwick hängen lassen, weil sie ein paar Hütten jenseits Fowberry verbrannt hatten, und das hätte mir eben so gut in den Garten wachsen können, wie einem Andern.«

»Ja, ja, Nachbar,« sprach Elspeth, »Ihr seid immer klug und bedächtig gewesen; aber wenn Ihr die Jagd liebt, dann muß ich sagen, Halbert ist der Junge, der Euch gefallen wird. All die schönen Waidmannsausdrücke von Falken und Hunden sind ihm so geläufig, wie dem Thomas mit dem Krötenschwanz, des Gnädigen Herrn Abts Wildmeister.«

»Jagt er nicht heimwärts zur Essenszeit, Dame?« fragte der Müller. »Wir zu Kennaquhair nennen zwölf Uhr die Essenszeit.«

Die Wittwe mußte zugeben, daß selbst um diese wichtige Tageszeit Halbert oft abwesend war. Der Müller schüttelte den Kopf und spielte auf das Sprichwort von Mac Farlane's Gänsen an, denen ihr Spiel lieber war, als ihr Futter Von einer Brut wilder Gänse, welche lange Zeit Inch-Tavoe, eine der obersten Inseln des Loch Lomond besuchte, hieße es, sie habe eine geheimnißvolle Verknüpfung mit den Besitzern der Insel, mit der alten Familie Mac Farlane, und sie sei seit dem Sturz und Erlöschen dieses Hauses nie mehr gesehen worden. Die Mac Farlanes hatten ein Haus und einen Garten auf Inch-Tavoe. Hier ward einst ein Jakob VI. von dem Häuptling bewirthet. Er hatte vorher mit vielem Vergnügen zugesehen, wie die Gänse sich einander über dem Loch verfolgten; als aber eine derselben, auf die Tafel gebracht, sich als zäh und mager erwies, machte der König die Bemerkung, daß Mac Farlane's Gänsen ihr Spiel lieber sei, als ihr Futter, und diese Bemerkung ist zu einem noch jetzt gangbaren Sprichwort geworden..

Damit die Verzögerung des Mittagessens des Müllers Geneigtheit, ein übles Vorurtheil gegen Halbert zu fassen, nicht vermehren möchte, rief Dame Glendinning hastig Marien von Avenel herbei, und übertrug ihr das Geschäft, Gretel Happer zu unterhalten. Sie selber rannte in die Küche und fing an, der Tibb Tacket in's Amt greifend, unter Schüsseln und Tellern herumzustören, riß Töpfe vom Feuer, stellte Pfannen und Roste auf und begleitete all' diese Thaten mit einer solchen Unzahl von Befehlen an Tibb, daß diese am Ende die Geduld verlor und sagte: »Das ist ein Wesen, um einen alten Müller zu empfangen, als sollte ein Herr aus dem Geschlecht von Bruce bewirthet werden!« Dame Glendinning nahm an, als habe dieß bei Seite gesprochen sein sollen und that, als hörte sie es nicht.



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