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Elftes Kapitel.

»Ich wurde zum Grobschmied erzogen,« begann der Schwarzkünstler seine Erzählung, »und ich verstand meine Kunst so gut wie nur je ein rußiger Jünger dieser edeln Zunft. Aber ich wurde des ewigen Gehämmers überdrüssig und zog hinaus in die Welt, wo ich mit einem berühmten Schwarzkünstler bekannt wurde, dessen Finger aber mit der Zeit zu steif wurden zu seinem Hokuspokus und der gern einen Gehilfen in seiner edeln Kunst haben wollte. Ich diente ihm sechs Jahre, bis ich selber Meister in meinem Fache war. Nicht lange nachdem ich bei Sir Hugh Robsart im Beisein Eurer Gnaden eine Vorstellung gegeben hatte, ging ich zur Bühne und habe mit den besten Schauspielern um die Wette agiert – aber ich weiß nicht, es gab in diesem Jahre sehr viel Aepfel, und die Rangen auf der Galerie bissen immer nur ein Stückchen ab und warfen dann den Rest dem Schauspieler, der gerade auf der Bühne war, an den Kopf. So kriegte ich denn auch das satt – verzichtete auf meinen Gewinnanteil – gab meinen ganzen Kram an Kostümen meinen Kameraden – und schüttelte den Staub des Theaters von meinen Füßen. Darauf wurde ich halb Assistent, halb Diener eines sehr kundigen, aber nicht eben vermögenden Mannes, der dem ärztlichen Berufe oblag. Wir trieben unsere Praxis in etwas abenteuerlicher Weise, und die Medikamente, die ich in meinen ersten Studien in der Pferdeheilkunde erlernt hatte, wurden oft genug für menschliche Patienten verschrieben. Aber der Same, aus dem alle Krankheit erwächst, ist immer der gleiche, und wenn Terpentin, Teer, Pech und Rindertalg, vermischt mit Gelbwurz, Mastix und einer Knoblauchknolle das Pferd heilen kann, das sich an einem Nagel verwundet hat, so sehe ich nicht ein, warum dasselbe nicht auch einem Menschen gut tun sollte, der mit einem Schwerte gekitzelt worden ist. Aber meines Meisters Praxis wie auch seine Kenntnisse waren den meinen weit überlegen, und er ließ sich auch in gefährlichere Dinge ein. Er machte nicht nur physikalische Experimente der kühnsten und gewagtesten Art, sondern er war auch, wenns gerade mal so sein sollte, auch ein Schwarzkünstler, der in den Sternen las und nach dem Horoskop das Schicksal der Menschen erkundete. Er kannte alle Geheimnisse der Kräutermischung und der Chemie – stellte allerlei Versuche an, Quecksilber zu fixieren und hatte seiner Ueberzeugung nach um ein Haar sogar den Stein der Weisen gefunden. Ich habe selber noch eine schematische Ausstellung von ihm über die diesbezüglichen Experimente.«

Er reichte Tressilian eine Pergamentrolle, auf der am Kopfe, am Fuße und an der Seite die Zeichen der sieben Planeten standen, seltsam vermischt mit kabbalistischen Zeichen und griechischen und hebräischen Brocken. In der Mitte standen ein paar lateinische Verse, die so deutlich geschrieben waren, daß Tressilian sie sogar in der undeutlichen Helle des Gewölbes entziffern konnte.

»Ich muß gestehen,« sagte Tressilian, »ich kann von dem Kauderwelsch nichts weiter verstehen, als daß die letzten Worte ungefähr bedeuten: »Nimm, was Du kriegen kannst.«

»Dies,« sagte der Schmied, »war auch der Grundsatz dieses würdigen Freundes und Meisters Doktor Doboobie, und ihm ist er immer treu geblieben, bis er an seinen eignen Phantastereien zum Narren wurde und im Dünkel auf seine Kunst in der Chemie Verschwender wurde und sich selber um das Geld betrog, das er andern abgaunerte. Auch mich versuchte er zu betrügen, aber obgleich ich ihm nie Unannehmlichkeiten machte und mich nie mit ihm entzweite, so sah er doch, daß ich zu viel von seinen Geheimnissen wußte, um noch länger ein harmloser und ungefährlicher Genosse zu sein. Inzwischen wurde er immer berühmter oder richtiger berüchtigter, und seine vermeintliche Kenntnis aller okkulten Wissenschaften zog ihm die geheime Kundschaft von Männern ein, die zu mächtig sind, als daß ich sie nennen dürfte, und die ihn zu Zwecken brauchten, die zu unheimlich sind, als daß ich sie verraten dürfte. Die Menschen verfluchten und bedrohten ihn und gaben mir, dem unschuldigen Gehilfen seiner Studien, den Beinamen Teufelsfaktotum, und ein Steinhagel empfing mich, sobald ich mich auf der Straße sehen ließ. Endlich verschwand mein Herr plötzlich – er wollte mir weis machen, er ginge auf sein Laboratorium in Farringdon, und verbot mir, ihn zu stören, ehe noch zwei Tage herum wären. Als nun diese verstrichen waren, wurde mir bange, und ich ging nach Farringdon ins Laboratorium und fand die Feuer ausgelöscht und alles Gerät in wirrer Unordnung, und ein Schreiben war da von Doktor Doboobie, denn so unterschrieb er sich, in welchem er mir mitteilte, daß wir uns nie wiedersehen würden. Er gebe seine ganzen chemischen Apparate in meine Hände, wie auch das Pergament, das ich eben Euch habe lesen lassen, und legte mirs dringend ans Herz, seinem Geheimnis fleißig weiter nachzuspüren – ich würde dann unfehlbar zur endlichen Entdeckung des großen Magisteriums gelangen.«

»Und hast Du diesen weisen Rat befolgt?« fragte Tressilian.

»Verehrter Herr, nein,« antwortete der Schmied. »Ich bin von Natur vorsichtig und mißtrauisch, ich war es um so mehr, da ich ja wußte, mit wem ich es zu tun hatte – so habe ich alles so genau und so oft durchsucht, ehe ich auch nur ein Feuer anzuzünden wagte, daß ich endlich ein Fäßchen Schießpulver entdeckte, das sorgfältig unter dem Herde versteckt war, gewiß zu keinem andern Zwecke, als daß mit dem Augenblick, wo ich das große Werk der Verwandlung von Metallen in Angriff nehmen würde, die Explosion das Gewölbe und alles in einen Haufen von Trümmern verwandeln sollte, der mich unter sich hätte begraben müssen. Das hat mich von der Alchimie kuriert, und gern wäre ich zu meinem ehrlichen Hammer und Ambos zurückgekehrt, aber wer hätte wohl ein Pferd zum Beschlagen zu mir, dem Teufelsfaktotum, gebracht? Inzwischen hatte ich aber schon die Gunst dieses meines ehrlichen Popanzes hier erworben, denn er war damals in Farringdon mit seinem Magister, dem weisen Erasmus Feiertag. Ich hatte ihm ein paar Geheimnisse mitgeteilt, wie sie Jungen seines Alters Spaß machen; und nachdem wir viel mit einander beraten hatten, kamen wir zu dem Entschlusse, da ich auf ehrliche Weise keine Arbeit finden würde, es zu versuchen, ob ich unter den unwissenden Menschen Beschäftigung finden könnte, indem ich auf ihren albernen Aberglauben spekulierte. Und dank meinem guten Popanz, der wacker dafür sorgte, daß mein Ruf sich im Lande verbreitete, hat es mir auch an Kundschaft nicht gefehlt. Aber ich habe diese Kundschaft unter zu großen Gefahren erworben, und ich fürchte, sie werden mich endlich als einen Hexenmeister aufgreifen, und ich warte nur auf eine günstige Gelegenheit, diese Höhle zu verlassen, sobald ich auf den Schutz eines ehrenwerten und angesehenen Mannes gegen die Wut der Bevölkerung, falls sie mich erkennen sollten, rechnen darf.«

»Und bist Du,« fragte Tressilian, »vollkommen bekannt mit den Wegen in diesem Landstrich?«

»Ich würde mich um Mitternacht zu Pferde zurecht finden,« antwortete Wieland, der Schmied.

»Du hast aber kein Pferd,« sagte Tressilian.

»Verzeiht,« versetzte Wieland, »ich habe einen ganz guten Gaul – ich vergaß zu sagen, daß dieses Pferd das beste war an dem ganzen Vermächtnis des Arztes.«

»Dann wasche Dich und kämme Dich,« sagte Tressilian, »kleide Dich ordentlich an, so gut es geht, lege diese grotesken Lumpen ab, und wenn Du verschwiegen und treu sein willst, so sollst Du auf kurze Zeit bei mir bleiben, bis Dein Hokuspokus hier vergessen ist. Ich habe etwas vor, was Geschicklichkeit und Mut erheischt, und ich glaube, Dir fehlt es an beidem nicht.«

Wieland, der Schmied, nahm begierig den Vorschlag an und gelobte seinem neuen Herrn Treue und Ergebenheit. In ein paar Minuten hatte er seine frühere Erscheinung so wesentlich umgeändert, indem er die Kleidung wechselte und sich Haar und Bart schor und kämmte, daß Tressilian selber zugeben mußte, er bedürfe eigentlich kaum eines Beschützers, da seine alten Bekannten ihn in dem neuen Aufzuge nicht erkennen würden.

Wieland schritt voran aus der Höhle. Dann rief er Popanz, der nach kurzem Zögern mit dem Sattelzeug des Pferdes erschien. Wieland machte die Falltür zu und breitete sorgfältig das Gestrüpp darüber hin, um sie unsichtbar zu machen. Er würde die Höhle vielleicht im Notfalle noch einmal brauchen können, bemerkte er, auch sei das Werkzeug nicht ohne Wert. Auf einen Pfiff kam ein Gaul heran, der gemächlich auf der Gemeindewiese weidete und an das Zeichen gewöhnt war. In wenigen Minuten waren Tressilian und Wieland zur Reise fertig.

Da kam Schlamm herbei, um ihnen Lebewohl zu sagen.

»Also wollt Ihr mich verlassen, mein alter Spielkamerad,« sagte der Junge, »und so ist unser Possenspiel und all unser Jux mit den feigen, furchtsamen Dummerianen, die ich hierher an Eure Teufelsschmiede brachte, ein- für allemal zu Ende?«

»So ist es,« sagte Wieland, der Schmied, »die besten Freunde müssen sich trennen, Popanzchen, Du aber, mein Junge, bist das einzige, was ich in diesem Tale von Whitehorse eigentlich mit Bedauern zurücklasse.«

»Nun, ich sage Dir auch gar nicht Lebewohl,« sagte Dickie Schlamm, »denn Du wirst doch an dem Feste teilnehmen, denk ich, und wenn mich Magister Feiertag nicht mitnimmt, dann beim Lichte des Tages, das wir dort in der dunklen Höhle nicht sehen konnten, dann gehe ich allein hin.«

»Kommt Zeit, kommt Rat,« sagte Wieland, »ich bitte Dich nur, handle nie vorschnell und unbedacht.«

»Ei, wollt Ihr denn jetzt auf einmal ein Kind aus mir machen – ein ganz gewöhnliches, alltägliches Kind, daß Ihr mir vorhaltet, wie gefährlich es sei, ohne Gängelband zu gehen? Aber ehe Ihr eine Meile weg seid, sollt Ihr an einem sichern Zeichen erkennen, daß ich mehr vom Popanz an mir habe, als Ihr glauben mögt.«

Die Reiter saßen auf und entfernten sich in flottem Trabe, nachdem Tressilian seinem Führer die Richtung angegeben hatte. Als sie fast eine Meile geritten waren, äußerte Tressilian zu seinem Gefährten, es falle ihm auf, daß sein Pferd weit leichter gehe als am Morgen.

»Verspürt Ihr das?« sagte Wieland lächelnd. »Das macht mein kleines Geheimnis. In eine Handvoll Hafer habe ich Eurem Pferde etwas beigemischt, daß Euer Gnaden sechs Stunden lang mindestens ihm keine Sporen zu geben brauchen. Medizin und Arzneikunde habe ich nicht umsonst studiert.«

»Wird Eure Mixtur auch meinem Pferde nichts schaden?«

»Nicht mehr als ihm die Milch der Stute geschadet hat, die es geworfen hat,« antwortete der Tausendkünstler.

Er wollte noch weiter über die Vorzüglichkeit seines Rezeptes sprechen, aber ein lauter und furchtbarer Knall, wie der einer Mine, die die Wälle der umlagerten Stadt sprengt, unterbrach ihn. Die Pferde scheuten, und die Reiter waren gleichfalls überrascht. Sie wandten sich um, nach der Richtung zu schauen, in der der Donnerkrach erschollen war, und sahen genau auf dem Flecke, den sie vor kurzem erst verlassen hatten, eine große, dunkle Rauchsäule hoch in die klare, blaue Atmosphäre des Himmels emporsteigen.

»Meine Behausung ist vernichtet,« sagte Wieland, dem die Sache sofort klar war, »ich war ein Narr, daß ich erzählt habe, was der Doktor mit mir in seinem Laboratorium geplant hatte – wenigstens hätte ich es nicht vor diesem Taugenichts, diesem Popanz, sagen sollen. Ich hätte mir gleich denken können, daß es ihn an allen Fingern jucken würde, einen solchen Streich zur Ausführung zu bringen. Aber laßt uns rasch unsers Weges eilen, sonst treibt der Knall die ganze Bevölkerung an den Fleck.«

Mit diesem Worte gab er seinem Pferde die Sporen, und Tressilian hielt Schritt mit ihm. Die Nacht verbrachten sie in einem kleinen Gasthofe. Früh am nächsten Morgen brachen sie auf und gelangten nun ohne weitere Zwischenfälle nach Wiltshire und Somerset, und am Abend des dritten Tages, nachdem Tressilian Cumnorplace verlassen hatte, langten sie in dem an der Grenze von Devonshire gelegenen Landsitze Lidcote-Hall des Ritters Hugh Robsart an.


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