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Fünftes Kapitel.

Anton Foster war noch immer in Wortwechsel mit seiner schönen Schutzbefohlnen, die jeder Aufforderung, sich in ihr Zimmer zu begeben, mit Verachtung zurückwies – da ließ sich ein Pfeifen an der Eingangstür des Herrenhauses hören.

»Jetzt sind wir geliefert,« sagte Foster, »da draußen ist das Signal Euers Lords, und was wir zu der Unordnung, die jetzt hier herrscht, sagen sollen, bei meinem Gewissen, ich weiß es nicht.«

»Ruhe, Herr,« sagte die Dame, »und macht Euerm Gebieter das Tor auf. – Mylord! Mein treuer Lord!« rief sie dann und eilte nach dem Eingang des Zimmers; dann setzte sie im Tone der Enttäuschung hinzu: »Puh! Es ist bloß Richard Varney.«

»Ja, Madame,« sagte Varney und grüßte im Hereintreten die Dame mit einer respektvollen Verneigung, die sie halb nachlässig, halb mißvergnügt erwiderte. – »Es ist bloß Richard Varney, aber die erste graue Wolke, die im Osten aufleuchtet, sollte willkommen sein, weil sie die Nähe der gesegneten Sonne verkündet.«

»Wie! Kommt Mylord heute hierher?« fragte die Dame freudig, doch auch bestürzt; und Anton Foster haschte das Wort auf und wiederholte die Frage. Varney antwortete der Dame, sein Herr beabsichtige, ihr seine Aufwartung zu machen, und die Dame lief nach der Tür des angrenzenden Gemachs und rief laut: »Jeanette – Jeanette! Komm sofort in mein Boudoir!« Dann wandte sie sich wieder zu Varney und fragte, ob Mylord ihr sonst noch etwas bestellen ließe.

»Diesen Brief soll ich abgeben, geehrte Dame,« sagte er und zog aus der Brust ein kleines, in scharlachrote Seide gewickeltes Päckchen, – »und mit ihm ein Angebinde für die Königin seiner Liebe.«

Mit neugieriger Hast eilte die Dame, die seidene Schnur zu lösen, die das kleine Päckchen umschloß, und da es ihr nicht gelang, den Knoten so rasch aufzuknüpfen, zu dem sie verschlungen war, rief sie wieder laut nach Jeanette:

»Bring mir ein Messer – eine Schere – irgend was, womit dieser niederträchtige Knoten aufzukriegen ist!« »Kann nicht mein armseliger Dolch dazu dienen, geehrte Dame?« fragte Varney und bot ihr einen kleinen Dolch von hervorragender Arbeit an, der an seinem Schwertgurt von türkischem Leder hing.

»Nein, Herr,« versetzte die Dame, das Werkzeug, das er ihr bot, von sich weisend. »Ein stählerner Dolch soll keinen Liebesknoten von mir zerschneiden.«

»Und doch hat er schon viele zerschnitten,« sagte Anton Foster, halb beiseite, mit einem Blick auf Varney.

Mittlerweile war der Knoten ohne jede andre Hilfe als durch die feinen, flinken Finger der Jeanette aufgeknüpft worden – sie war ein schlicht gekleidetes Mädchen, die Tochter Anton Fosters, die auf den wiederholten Ruf ihrer Herrin herbeigeeilt war. Ein Halsband von orientalischen Perlen, das bei einem mit Wohlgeruch genetzten Briefe lag, wurde hastig von der Dame hervorgezogen. Sie reichte das Geschmeide nach einem flüchtigen Blick der Dienerin, während sie den Inhalt des Briefes las oder vielmehr verschlang.

»Jedes Wort in diesem Briefe wiegt dieses ganze Kleinod auf. Aber komm in mein Ankleidezimmer, Mädchen: wir müssen uns sputen und uns fein machen, Mylord kommt heute nacht hierher. – Er bittet mich, Euch meine Gunst zu schenken, Meister Varney, und für mich ist sein Wunsch Gesetz. – Ich lade Euch zu einer Mahlzeit in meinem Zimmer heute nachmittag, und auch Euch, Meister Foster. Gebt Befehl, daß alles in Ordnung gebracht wird und daß zum Empfang Mylords heute abend die gehörigen Vorbereitungen getroffen werden.«

Mit diesen Worten verließ sie das Gemach.

»Sie versteht sich schon aufs Vornehmtun,« sagte Varney, »und teilt die Gunst ihrer Gesellschaft aus, als wäre sie schon die ebenbürtige Gefährtin seiner Würde. – Nun ja, es ist weise, die Rolle, zu der das Schicksal uns bestimmt, vorher einzustudieren, – der junge Adler muß in die Sonne schauen, ehe er mit starken Schwingen ihr entgegenfliegen kann.«

»Sie trägt schon jetzt den Kopf hoch, Meister Varney,« sagte Foster, »und hört nicht mehr auf meinen Pfiff. Ich versichere Euch, sie kehrt sich schon gar nicht mehr an mich.«

»Daran bist Du selber schuld, Du griesgrämiger, unerfinderischer Gesell,« antwortete Varney, »Du weißt eben keine Methode der Zähmung als die rohe Gewalt. – Kannst Du ihr nicht das Heim angenehm machen mit Musik und Spielen? Kannst Du ihr nicht die Außenwelt zu einer Schrecknis machen, indem Du ihr Erzählungen von Gespenstern auftischst? Du wohnst doch hier dicht am Kirchhof und hast nicht einmal Witz genug, einen Geist heraufzubeschwören, der Deine Weibsbilder in guter Zucht halt?«

»Sprecht nicht so, Meister Varney, – die Lebenden fürchte ich nicht, aber ich treibe kein Spiel und keinen Spott mit meinen toten Nachbarn vom Kirchhofe da – ich sage Euch, es gehört schon ein gutes Herz dazu, so ganz in ihrer Nähe zu hausen.«

»Wie kam dieser Tressilian an die Hintertür?« fragte Varney.

»Tressilian? Was weiß ich von Tressilian? Ich habe den Namen noch nie gehört.«

»Du Schuft, es ist eben der Hanswurst aus Cornwallis, dem der alte Sir Hugh Robsart seine Tochter zugesagt hatte, und der hirnverbrannte Narr ist hierher gekommen, seinem weggelaufenen Schätzchen nachzuschauen. Zum Glück weiß er nichts von Mylord und denkt, er hat bloß mit mir zu tun. Aber wie zum Teufel ist er hierher gekommen?«

»Na, mit Michael Lambourne zusammen,« antwortete Foster.

»Und wer ist dieser Michel Lambourne?« fragte Varney. »Beim Himmel, Du tätest am besten dran, Du hängtest ein Schild über Deine Tür und lüdest jeden Landstreicher, der des Weges kommt, ein, sich anzusehen, was Du vor Sonne und Luft selber geheim halten solltest.«

»Ei, ei! Das ist so recht Höflingsmanier, mir den Euch geleisteten Dienst zu vergelten, Meister Richard Varney,« erwiderte Foster. »Habt Ihr mir nicht aufgetragen, für Euch einen Burschen ausfindig zu machen, der ein gutes Schwert und ein weites Gewissen hätte? Und habe ich mich nicht bemüht, einen passenden Mann zu finden – denn, dem Himmel sei Dank! Mein Umgang liegt nicht bei dieser Sorte von Kerlen – da will es der Himmel, und dieser lange Bursche, der in all seinen Eigenschaften so recht der Teufelskerl ist, den Ihr Euch wünscht, kommt hierher und zwingt mir in seiner haarsträubenden Unverschämtheit seine Bekanntschaft auf, und ich ließ mir das auch gefallen, weil ich dachte, ich tät Euch einen Gefallen damit, – und da sieht man nun, was mein Dank ist, daß ich mich selber entwürdigt habe, indem ich mich mit ihm abgegeben habe.«

»Na, da ist er wohl Deinesgleichen,« sagte Varney, »nur daß ihm Deine Gabe der Heuchelei fehlt, die so dünn über Deinem harten, ruchlosen Herzen liegt, wie Goldlack über rostigem Eisen – und hat er den muckernden, seufzenden Tressilian mitgebracht?«

»Zusammen sind sie gekommen, beim Himmel,« sagte Foster, »und Tressilian – um die Wahrheit des Himmels zu reden – hat einen Augenblick mit unserm hübschen Püppchen sprechen können, während ich abseits mit Lambourne verhandelt habe.«

»Unvorsichtiger Schurke! Wir sind beide geliefert!« sagte Varney, »sie hat in letzter Zeit manchen Blick zurück nach dem Hause ihres Vaters geworfen, wenn ihr Verehrer sie allein ließ. Wenn dieser salbadernde Schafskopf sie mit seinem flötenden Gewäsch in die alte Hürde zurücklocken sollte, dann ists um uns beide geschehen.«

»Darum laßt Euch nicht bange sein, Meister,« versetzte Anton Foster, »sie denkt nicht im mindesten daran, nach seiner Pfeife zu tanzen, denn als sie ihn sah, hat sie laut aufgekreischt, als wenn eine Otter sie gestochen hätte.«

»Das ist gut. – Kannst Du nicht von Deiner Tochter herausbekommen, was zwischen ihnen vorging, guter Foster?«

»Ich sage Euch rund heraus, Meister Varney,« sagte Foster, »meine Tochter soll nicht in unsre Pläne eingeweiht werden, noch unsre Wege wandeln. Mir selber machts nichts weiter aus, denn ich weiß mich mit dem Himmel wegen meiner Missetaten wieder auszusöhnen, aber ich will nicht, daß die Seele meines Kindes zu Euerm oder Mylords Gefallen irgend welcher Gefahr ausgesetzt werde. Ich selber kann zwischen Schlangen und Fallen einhergehen, weil ich vorsichtig bin, aber ich will nicht das arme Lamm zwischen sie lassen.«

»Du kannst doch auf Umwegen irgend etwas von Deiner Tochter erfahren, Du mißtrauischer Narr?«

»Das habe ich auch getan, und sie hat mir gesagt, ihre Lady härme sich um die Krankheit ihres Vaters.«

»Gut!« versetzte Varney. »Dieser Wink schon ist die Nachfrage wert, und ich will mich danach richten. Aber dieser Tressilian muß aus dem Lande – denn ich hasse ihn wie starkes Gift, seine Gegenwart ist Schierling für mich – und heute selber wäre ich ihn los geworden, nur daß mein Fuß ausglitt – und in Wahrheit, wenn Dein Kamerad hier nicht mir zu Hilfe gekommen wäre und seine Hand festgehalten hätte, so wüßte ich jetzt schon, ob wir beide den Pfad des Himmels oder der Hölle wandeln.«

»Und Ihr könnt so ruhig von solch einer Gefahr sprechen!« rief Foster. »Euch schlägt ein starkes Herz in der Brust, Meister Varney – ich für mein Teil, wenn ich nicht hoffte, noch viele Jahre zu leben und Zeit zu finden für das große Werk der Reue, ich ginge nicht eines Weges mit Euch.«

»O! Du willst so lange leben wie Methusalem,« sagte Varney, »und so großen Reichtum aufhäufen wie Salomo, und Du wirst so gottergeben bereuen, daß Deine Reue noch großartiger sein wird als Deine Verruchtheit – und das will viel sagen. Aber vor allem muß dafür gesorgt werden, daß dieser Tressilian verschwindet. Dein Raufbold da ist hinter ihm drein und spürt ihm nach. Unser beider Glück steht dabei auf dem Spiele, Anton.«

»Ja doch, ja doch,« sagte Foster mürrisch, »das kommt davon, wenn man sich mit jemand einläßt, der nicht einmal soviel von der heiligen Schrift weiß, daß der Arbeiter seines Lohnes wert ist. Wie gewöhnlich, muß ich wieder die ganze Schererei und die ganze Gefahr auf mich nehmen.«

»Gefahr! Und was ist denn die große Gefahr dabei, ich bitte Euch?« antwortete Varney. »Dieser Bursche wird schon noch einmal um unser Haus herumstrolchen oder gar hereinkommen, und wenn Ihr ihn für einen Einbrecher nehmt, was ist natürlicher, als daß Ihr ihn mit kaltem Stahl oder heißem Blei empfangt? Selbst ein Kettenhund reißt den nieder, der ihm zu nahe kommt, und wer wird ihn tadeln?«

»Ja, ich habe hier bei Euch die Arbeit eines Kettenhundes und kriege auch den Lohn eines Kettenhundes,« sagte Foster. »Ihr, Herr Varney, habt Euch da einen schönen Freisitz aus dieser alten Stiftung des Aberglaubens sichergestellt, und ich bin nur ein Pächter dieses Hauses unter Euch, der an die Luft gesetzt werden kann, sobald es Euer Gnaden beliebt.«

»Ei, und da möchtest Du gern Dein Pachtgut in einen Freisitz umwandeln – nun, es kann sich schon so fügen, Anton Foster, wenn Du uns gute Dienste leistest. Aber gemach, guter Anton – es ist nicht damit getan, daß Du ein paar Zimmer dieses Hauses dazu hergibst, den hübschen Papagei Mylords aufzunehmen – nicht indem Du bloß die Fenster und Türen zumachst, daß er nicht wegfliegen kann, verdienst Du Dir schon Dein Teil. Bedenke, der Zins und die Zehnten sind zu dem klaren jährlichen Betrag von neunundsiebenzig Pfund fünf Schilling und fünfeinhalben Penny angesetzt. Komm, komm, Du mußt vernünftig sein; mit großen und geheimen Diensten läßt sich dies beides und noch mehr verdienen. – Und nun mag Dein Bursche kommen und mir die Stiefel ausziehen. – Gib etwas zu essen und einen Becher von Deinem besten Wein.«

Sie trennten sich und kamen zur Mittagsstunde, die damals auch die Essenszeit war, bei Tische wieder zusammen. Als dann die Tafel abgedeckt worden war und sie sich wieder allein beieinander befanden, setzten sie ihr Zwiegespräch fort.

»Schwatzt ein wenig, guter Toni,« sagte Varney. »Sei es, was es sei, ich will es als Würze zu diesem Becher Alikante hinnehmen.«

»Nun, dann sagt mir,« sagte Anton Foster, »wäre nicht der Dienst unsers guten Lords und Gebieters besser versehen und seine Antichambre passender angefüllt mit bescheidnen, gottesfürchtigen Männern, die still und in aller Ruhe seinen Willen verrichten und ihren eignen Nutzen dabei verfolgen, ohne weltlichen Skandal zu machen, anstatt daß seine Mannschaft und seine Begleitung und sein Gefolge aus unverhohlenen Lüderianen und so hagebuchnen Messerhelden, wie Tidesly, Killigrew oder diesem Schurken Lambourne besteht oder ähnlichem Gesindel, das den Galgen im Gesicht und den Mord in der rechten Hand trägt?«

»Gebt Euch zufrieden, guter Meister Anton Foster,« antwortete Varney; »wer auf alle Arten Wild pirscht, muß auch alle Arten von Falken haben – gestutzte und langflüglige. Der Kurs, den Mylord steuert, ist nicht eben glattes Fahrwasser, und da muß er an allen Punkten zuverlässige Helfershelfer haben, die ihm alle Arten von Diensten verrichten können. Er muß seinen flotten Höfling haben, wie mich, der im Vorzimmer gut aufzutreten vermag und bloß die Hand an den Degen legt, wenn jemand von seiner Gnaden etwas Ehrenrühriges spricht. Er muß seine Anwälte haben, verschlagene, scharfsinnige Pioniere, die ihm seine Kontrakte aufsetzen, und er muß seine Aerzte haben, die einen Becher oder eine Suppe zu würzen verstehen – und dann muß er seine Hexenmeister haben, wie Dee und Allan, die den Teufel beschwören können, und die Messerhelden, die mit dem Teufel fechten können – und vor allen muß er so gottergebene, unschuldige, puritanische Seelen haben wie Dich, Anton, die vorm Satan gefeit sind und gleichzeitig doch das Werk des Satans tun können.«

»Ihr wollt doch nicht etwa sagen, Meister Varney,« sagte Foster, »daß unser guter Lord und Gebieter, den ich für vollkommen in allem Adel halte, so niedrige und sündige Mittel anwendete, um in die Höhe zu kommen?«

»Tatata, Mann,« erwiderte Varney, – »sieh mich nicht mit so finstrer Stirn an, Mensch, – Du fängst mich nicht und ich bin nicht in Deiner Gewalt, wie Du Dirs in Deinem schwachen Hirn einbilden magst, weil ich Dir offenherzig die Maschinen, Federn, Schrauben und Taue nenne, durch die die großen Männer in unruhigen Zeiten in die Höhe kommen. – Sagst Du, unser guter Lord ist vollkommen in allen adligen Eigenschaften? – Amen, und so ist es. Um so mehr aber tut es ihm not, Leute um sich zu haben, die sich ohne irgend welche Bedenken seinem Dienste weihen und, weil sie wissen, daß sein Fall auch sie mitreißen und vernichten wird, Blut und Hirn, Seele und Leib dransetzen müssen, ihn oben zu halten; und das sage ich Dir, weil es mir einerlei ist, wer es erfährt. Und hast Du all das in Ordnung gebracht, was Dir von London zugeschickt wurde, und die westlichen Zimmer so hergerichtet, daß Mylord daran Gefallen finden wird?«

»Ein König kann darin Hochzeit halten,« sagte Anton, »und ich versichere Euch, Dame Amy sitzt jetzt schon darin, so stolz und froh, als wäre sie die Königin von Saba.«

»Um so besser, guter Anton,« antwortete Varney, »wir müssen unser zukünftiges Glück auf ihrem Wohlwollen gründen.«

»Dann bauen wir auf Sand,« sagte Anton Foster, »denn gesetzt den Fall, sie segelt von hinnen, um in aller Würde ihres Lords zu prangen, – wie sollte sie auf mich zurückblicken, der ich hier sozusagen ihr Kerkermeister bin, der sie gegen ihren Willen festhält?«

»Fürchte nicht ihre Ungnade,« sagte Varney, »ich will ihr zeigen, daß alles, was Du getan hast, ein guter Dienst gewesen ist sowohl für Mylord wie für sie.«

»Da seht Euch nur vor, Meister Varney,« sagte Foster, »Ihr verrechnet Euch vielleicht arg in dieser Sache – sie hat Euch sehr frostig empfangen heute morgen, und ich glaube, sie sieht Euch wie mich mit feindseligen Augen an.«

»Ihr irrt Euch in ihr, Foster – Ihr verkennt sie ganz und gar. Mit festen Banden ist sie an mich geknüpft als an den, dem sie die Befriedigung ihrer Liebe und ihres Ehrgeizes verdankt. Wer war es, der die obskure Amy Robsart – die Tochter eines verarmten, schwachsinnigen Ritters – die erlesene Braut eines mondsüchtigen, faselnden Schwärmers wie Edmund Tressilians, von ihrem niedrigen Schicksal errettet und ihr Anwartschaft auf das höchste Glück in England, vielleicht in Europa, verliehen hat? Ich wars, Mann, ich, wie ich Dir schon oft gesagt habe, der ihnen Gelegenheiten zu ihren geheimen Zusammenkünften verschaffte. Ich wars, dem bis heute von ihrer Familie die Schuld an ihrer Flucht zugemessen wird. – Wer hat die Briefe zwischen ihnen besorgt? Ich. – Wer hat dem alten Ritter und Tressilian Sand in die Augen gestreut? – Ich. Wer hat den Plan zu ihrer Flucht entworfen? – Ich wars. Ich wars, mit einem Worte, ich, Dick Varney, der dieses kleine, hübsche Gänseblümchen aus dem niedern Winkel hervorgeholt und sie auf den stolzesten Hut in England gesteckt hat.«

»Sie muß Euch aber aus irgend welchem Grunde auf dem Striche haben,« sagte Foster; »ich sage Euch das, damit Ihr Euch rechtzeitig vorsehen könnt. Sie denkt wohl, Ihr seid daran schuld, daß sie hier so geheim und verborgen gehalten wird, weil Ihr dem Lord das geraten habt und weil auch ich darauf hingewirkt habe. Und so liebt sie uns beide, wie ein Verurteilter den Richter und den Gefängniswärter liebt.«

»Sie muß uns mehr lieben, ehe sie von hier wegkommt, Anton,« antwortete Varney. »Wenn ich aus gewichtigen Gründen geraten habe, sie eine Zeitlang hier zu halten, so kann ich andrerseits auch den Rat geben, daß sie in den vollen Glanz ihrer Würde emporgehoben werde. Aber ich müßte ja wahnsinnig sein, täte ich das, da ich Mylord so nahe stehe und sie meine Feindin ist. Diese Wahrheit flüstert ihr ins Ohr, wenn sich Gelegenheit bietet, Anton, und überlaßt es mir, Euch bei ihr herauszustreichen – eine Hand wäscht die andere – das ist ein Sprichwort, das in der ganzen Welt gilt. Die Lady muß ihre Freunde kennen und einsehen, was für Macht sie haben, wenn sie ihre Feinde sind. Inzwischen halte ein scharfes Auge auf sie – bewahre aber dabei, soweit es Dir bei Deiner vierschrötigen Natur möglich ist, den äußern Anstand. Doch horch, es pocht wer ans Tor. Sieh zum Fenster hinaus – laß niemand herein – es wäre nicht gut, wenn wir heute abend gestört würden.«

»Es ist der Mann, von dem wir vorm Mittagessen gesprochen haben,« sagte Foster, durchs Fenster guckend, – »es ist Michael Lambourne.

»O, den laß auf jeden Fall herein,« sagte der Höfling. »Er bringt uns Bescheid über Tressilian – und es liegt uns viel daran, zu erfahren, was dieser Bube vornimmt. Laß ihn herein, sag ich, aber bring ihn nicht hierher – ich werde gleich nach der Bibliothek kommen und Euch dort treffen.«

Foster ging hinaus, und der Höfling durchmaß ein paarmal in tiefen Gedanken das Zimmer, die Arme über der Brust gekreuzt.

»Es ist nur zu wahr,« sagte er bei sich selber, indem er plötzlich stehen blieb und die rechte Hand auf den Tisch stützte, an dem sie gesessen hatten, »dieser gemeine Kerl hat den wahren Grund, die ganze Tiefe meiner Furcht ermessen, und ich bin nicht imstande gewesen, ihm das zu verbergen. – Sie liebt mich nicht – ich wollte, es ließe sich ebenso wahr sagen, daß ich sie auch nicht liebte! – Ich Tor, der ich war, daß ich sie für mich selber zu gewinnen trachtete, da doch die Klugheit es erheischte, daß ich Mylord als treuer Kuppler diente! – Und dieser verhängnisvolle Irrtum war ein gefährlicher Fehltritt, und seit dieser Stunde kann ich sie nicht mehr ansehen, ohne daß Furcht und Haß und Liebe sich so seltsam in mir vermischen, daß ich nicht weiß, ob ich, wenn es mir frei stünde, sie besitzen oder zu Grunde richten möchte. Aber sie darf aus diesem Versteck nicht heraus, ohne daß ich mir Gewißheit verschafft habe, auf welchem Fuße wir ferner zueinander stehen sollen. Ich muß eine Anteilnahme in ihr erwecken, ob nun aus Liebe oder aus Furcht – und wer weiß, ob ich nicht noch die süßeste und vollste Rache ernte für ihre frühere Verachtung? – – das wäre in der Tat ein Meisterstück der Höflingskunst. Nur einmal laßt mich ihr Ratgeber sein – nur einmal soll sie mir ein Geheimnis vertrauen, beträfe es auch nur den Raub eines Hänflingnestes, und, schöne Gräfin, Du bist mein!«

Wieder durchschritt er das Zimmer schweigend, blieb stehen, goß sich einen Becher voll und trank ihn aus, wie um sich zu beruhigen, dann murmelte er: »Nun ein verschlossenes Herz und eine offene, glatte Stirn!« und ging hinaus.


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