Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel.

In der Nacht seines plötzlichen Verschwindens hatte Tressilian sich zur Ruhe gelegt und lag in trüben Gedanken, als er die Tür seiner Stube knarren hörte und ein Licht hereinschimmern sah. Er sprang sofort aus dem Bette und ergriff sein Schwert, aber er ließ es ruhig in der Scheide, als er die Worte hörte:

»Seid nicht so ungestüm mit Euerm Degen, Herr Tressilian. Ich bin es, Euer Wirt, Giles Gosling,«

Gleichzeitig entfernte er den Schirm der Blendlaterne, die nur einen undeutlichen Schimmer verbreitet hatte, und die behäbige Gestalt des Wirtes vom »Schwarzen Bären« stand vor seinem erstaunten Gast.

»Was ist das für ein Mummenschanz, Herr Wirt?« fragte Tressilian. »Habt Ihr wieder einen fidelen Abend gehabt und Euch in der Kammer geirrt? Oder ist Mitternacht eine Zeit, daß Ihr in den Zimmern Eurer Gäste Maskeraden treibt?«

»Herr Tressilian,« versetzte der Wirt, »ich weiß genau, wo ich hingehöre, und kenne auch meine Zeit so gut, wie nur je ein lustiger Wirt. Aber mein Neffe, dieser Teufelskerl, hat Euch scharf bewacht, wie nur je ein Kater eine Maus bewacht hat, und dann habt Ihr entweder mit ihm oder mit einem anderen gefochten, und ich fürchte, Ihr seid von ernster Gefahr bedroht.«

»Geht, geht, Ihr seid nicht recht gescheit,« sagte Tressilian, »Euer Vetter hat nur einen Groll auf mich, und woher wollt Ihr denn wissen, daß ich mit irgend wem einen Zweikampf gehabt hatte?«

»O, Herr,« antwortete der Wirt, »Ihr habt einen roten Fleck auf der Wange gehabt, der von kurz vorher ausgefochtenem Streite zeugte, auch Euer Gürtel hat sich verschoben, und Ihr wart in wilder Hast.«

»Nun, guter Wirt, wenn »ich den Degen habe, ziehen müssen,« sagte Tressilian, »warum soll das Euch zu dieser Nachtzeit aus Euerm warmen Bette treiben? Ihr seht ja doch, alles Unheil ist vorüber.«

»Das eben, mit Verlaub, bezweifle ich. Anton Foster ist ein gefährlicher Mensch, der am Hofe von starker Gönnerschaft unterstützt wird, und mein Neffe – na, ich habe Euch ja schön gesagt, was das für ein Früchtchen ist, und wenn diese Halunken ihre alte Bekanntschaft erneuert haben, so wünschte ich nur, mein ehrenwerter Gast, es wäre nicht auf Eure Kosten geschehen.«

»Ihr seid ein ehrlicher Mann, Herr Wirt,« sagte Tressilian, »und ich will Euch reinen Wein einschenken. Wenn diese Männer etwas Böses wider mich im Schilde führen, – und ich gebe gern zu, daß das möglich ist – so tun sie das nur als die Helfershelfer eines weit mächtigen Bösewichts.«

»Damit meint Ihr Richard Varney, nicht wahr?« fragte der Wirt. »Er ist gestern nach Cumnorplace gekommen, und wenn er auch noch so insgeheim hergekommen ist, so hat ihn doch jemand gesehen und es mir gesagt. Da seid nur ja auf Eurer Hut, Herr Tressilian. Dieser Varney ist der Gönner und Beschützer von Anton Foster, und durch seine Gunst ist ihm das Herrenhaus da in Pacht gegeben worden. Dein Varney ist ein großer Teil der Ländereien der Abtei von Abingdon von seinem Herrn, dem Grafen von Leicester, überlassen worden. Da habt Ihr Euch einen gar gefährlichen Feind auf den Hals gehetzt. Weil Richard Varney einen so großen Einfluß auf den Grafen besitzt – man sagt, er habe ihn vollständig in der Hand – so fürchten sich die Leute fast, seinen Namen zu nennen, geschweige denn, irgendwie sich seinen Plänen entgegenzustellen. Und dabei denken doch alle Leute, daß er hinter diesem Geheimnis mit der hübschen Dirne stecke. Aber vielleicht wißt Ihr selber davon mehr als ich.«

»Allerdings weiß ich mehr von dieser unglücklichen Dame als Ihr, mein freundlicher Wirt, und in diesem Augenblick entbehre ich so gänzlich aller Freunde und jedes guten Rates, daß ich Euch gern zu meinem Ratgeber machen und Euch die ganze Geschichte erzählen möchte, um so mehr, als ich Euch am Schluß um eine Gefälligkeit ersuchen möchte.«

»Guter Herr Tressilian,« sagte der Wirt, »ich bin bloß ein armer Gastwirt, der einen solchen Gast wie Euch wohl kaum einen guten Rat wird geben können, aber ich bin ein ehrlicher Mann und als solcher gewiß Euers Vertrauens wert.«

Tressilian sann eine Weile nach, wie er seine Erzählung beginnen sollte.

»Ich muß, um mich verständlich zu machen, ein wenig zurückgreifen,« begann er dann, »Ihr habt gewiß von der Schlacht von Stoke gehört und wohl auch von Sir Roger Robfart. In dieser Schlacht nun wurde mein Großvater, der, wie viele andre Edelleute aus Cornwallis dem Hause York treu ergeben war, von eben diesem Sir Roger Robfart gefangen genommen. Der edle Ritter entließ ihn aber ohne Lösegeld, doch konnte er ihn nicht vor dem Zorne des Königs schützen, der ihm eine so schwere Geldbuße auferlegte, daß er zum armen Manne wurde. Der gute Ritter tat alles, ihm seine Sorgen zu erleichtern, und so wurden beide so innige Freunde, daß mein Vater wie ein Bruder des jetzigen Sir Hugh Robsart des einzigen Sohnes Rogers, auferzogen wurde. Dieser Sir Hugh Robsart hatte eine einzige Tochter. Und hiermit fängt mein Anteil an der Geschichte an. Als mein Vater vor einigen Jahren gestorben war, wollte der gute Sir Hugh mich gern zu seinem Nachfolger machen, und damit war ich völlig einverstanden, denn die große Schönheit, zu der Amy Robsart mit der Zeit heranwuchs, konnte mir nicht entgehen, da ich bei dem vertrauten Verhältnis zu ihrem Vater fast ständig um sie war. Mit einem Worte, ich liebte sie, und ihr Vater bemerkte das wohl. Er nahm meine Bewerbung mit großer Freude an, – aber leider erwiderte seine Tochter meine Liebe nicht. Sie begegnete mir freilich wohl mit Achtung und machte mir auch Hoffnung, daß mit der Zeit aus diesem Gefühl sich eine wärmere Neigung entwickeln werde. Auf ihres Vaters Veranlassung wurde zwischen uns abgemacht, daß wir uns heiraten sollten, aber auf ihr dringendes Ersuchen wurde die Vollziehung dieses Kontraktes auf ein volles Jahr hinausgeschoben. Während dieser Zeit erschien in der Gegend Richard Varney, wußte sich bei Sir Hugh beliebt zu machen und lebte bald dort, als wenn er zur Familie gehörte. Damit fing das Unglück an, aber es folgte eins dem andern so seltsam, daß ich jetzt die Reihenfolge nicht mehr Fall für Fall verfolgen kann– kurz, mit einem Male war die ehedem so glückliche Familie zugrunde gerichtet. Eine. Zeitlang begegnete Amy Robsart Varneys Aufmerksamkeiten mit Gleichgültigkeit, dann schien sie ihn mit Mißfallen, ja mit Widerwillen zu betrachten – dann aber schien sich plötzlich eine ganz neue Art von Bekanntschaft zwischen ihnen zu entwickeln – und bald schien Einverständnis und eine gewisse Vertraulichkeit zwischen ihnen zu herrschen – und dann eines Tages verschwand Amy plötzlich aus ihres Vaters Hause– Varney verschwand zu derselben Zeit – und heute erst habe ich sie als seine Maitresse wiedergesehen, in demselben Hause, das dieser schmutzige Foster innehat.«

»Und daher seid Ihr auch miteinander handgemein geworden? Aber sagt mir nur, wie habt Ihr nur die Wohnung dieser Dame, oder vielmehr ihr Versteck ausfindig machen können?«

»Es war mir bekannt geworden, daß Varney große Güter, die ehemals den Mönchen von Abingdon gehörten, verwaltete, und als dann Euer Neffe die Absicht aussprach, seinen alten Bekannten Foster zu besuchen, gab mir das Gelegenheit, mich durch eignen Augenschein zu überzeugen.«

»Und was gedenkt Ihr nun zu tun?«

»Ich will mich an den Grafen von Leicester wenden,« sagte Tressilian, »er soll selber die Schändlichkeit seines Günstlings richten. Wenn ihm sein eigner Ruf am Herzen liegt, darf er meine Bitte nicht abweisen. Sonst will ich mich an die Königin selber wenden.«

»Sollte Leicester,« sagte der Wirt, »seinen Günstling in Schutz nehmen wollen (und er soll ja mit ihm ein Herz und eine Seele sein), so werden sie beide zur Vernunft kommen, wenn Ihr Euch an die Königin selber wendet. Ihre Majestät versteht keinen Spaß in solchen Dingen. Sie wird lieber einem Dutzend Höflingen Pardon geben, wenn sie sich in sie verlieben, als einem, wenn er einem andern Weibe den Vorzug gibt. Also corragio, mein lieber Gast! Wenn Ihr eine Bittschrift von Sir Hugh dem Throne zu Füßen legt, so wird der so hoch in Gunst stehende Graf lieber in die Themse springen, wo sie am breitesten und tiefsten ist, als Varney in einer solchen Angelegenheit zu schützen. Aber um einigermaßen mit Erfolg vorzugehen, müßt Ihr ganz formell dabei zu Werke gehen. Und vor allem müßt Ihr unverzüglich nach Devonshire, müßt dem Sir Hugh eine Bittschrift aufsetzen und Euch möglichst viele Freunde werben, die bei Hofe ein Wort für Euch einlegen können.«

»Ihr habt wohl gesprochen, mein guter Wirt,« antwortete Tressilian, »und ich werde Euer« Rat befolgen. Ihr aber seid so gut und habt ein Auge darauf, was im Hause Fosters vorgeht. Schickt mir schriftliche Mitteilungen darüber durch die Person, die Euch diesen Ring hier zeigen wird – keinem andern Menschen vertraut etwas an.«

»Gut, Sir,« erwiderte der Wirt. »Ich beklage von Herzen den guten Edelmann, dem seine Tochter, die Stütze seines Alters, durch solch einen Habicht wie diesen Varney geraubt worden ist, und ich will Euch dabei behilflich sein, das Mädchen dem alten Manne wiederzugeben, soweit ich Euch bei der Sache als guter Kundschafter dienen kann. Aber ich muß mich darauf verlassen können, daß Ihr reinen Mund haltet? denn es könnte dem Renommee des »Schwarzen Bären« schaden, wenn man seinem Besitzer nachsagte, daß er sich in solche Angelegenheiten mische. Auch hat Varney Einfluß genug, das schöne Schild über meiner Tür herunterreißen zu lassen und mir die Konzession, zu entziehen.«

»Ihr könnt Euch auf meine Verschwiegenheit verlassen, Herr Wirt,« sagte Tressilian. »Ich werde Euch allzeit dankbar sein für Eure Gefälligkeit – und vergeßt nicht, daß dieser Ring hier ein Zeichen von mir sein soll. Nun aber lebt wohl – ich will die Nacht noch fort.«

»So folgt mir,« sagte der Wirt »und tretet so leise auf, als ginget Ihr auf Eiern, statt auf Dielen. Niemand darf wissen, wie und wann Ihr aufgebrochen seid.«


 << zurück weiter >>