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Neuntes Kapitel.

… O Empörung!
Verbirgst du selbst bei Nacht dein widrig Antlitz,
Wo jedes Uebel frei geht? O, wie willst
Du dann bei Tag, dich zu verbergen,
Ein Schlupfloch finden? Darum suche keins;
Des Lächelns Maske nimm, der Freundlichkeit:
Denn wenn du unverhüllt dein Antlitz zeigst,
So ist selbst Erebus nicht dunkel g'nug,
Vor Argwohn dich zu hüten.

Julius Cäsar.

Der wichtige Morgen war endlich angebrochen, wo der Verkündigung des Kaisers gemäß, der Kampf zwischen dem Cäsar und dem Grafen Robert von Paris ausgefochten werden sollte. Dies war ein für die Griechen fast ganz fremdes Schauspiel, von dem sie sich einen Begriff machten, wie etwa von den sogenannten Gottesurtheilen der Abendländer. Die Folge davon war eine zwar unbestimmte, aber sehr starke Bewegung unter dem Volk, welches das außerordentliche Schauspiel mit der großen und fürchterlichen Verschwörung, von der so viel heimlich geredet wurde, in Verbindung brachte.

Dem kaiserlichen Befehl gemäß waren für den Kampf regelmäßige Schranken errichtet worden, die für die beiden Gegner zwei einander gegenüberliegende Eingänge hatten, und es war stillschweigend angenommen worden, daß jeder der Kämpfenden nach dem Ritus seiner Religion den Beistand Gottes erflehen sollte. Diese Schranken befanden sich von der einen Seite an dem Ufer, das sich westlich an den Continent schloß. In nicht großer Entfernung erblickte man die Mauern der Stadt von verschiedener Bauart und mit nicht weniger als vierundzwanzig Thoren versehen, fünf Landthoren und neunzehn Wasserthoren. Dies Alles machte ein schönes Bild aus, von dem man noch heute Vieles sieht. Die Stadt selbst hat etwa neunzehn englische Meilen im Umkreis; sie erhebt sich hinter einem Ring der schönsten Cypressen mit ihren Zinnen, Obelisken und Minarets, die damals die Lage manches Christentempels bezeichneten, und jetzt größtentheils andeuten, wo mahomedanische Moscheen stehen.

Diese Schranken waren zur Bequemlichkeit der Zuschauer von allen Seiten von Reihen übereinanderliegender Sitze umgeben. In der Mitte dieser Sitze und dem Mittelpunkt der Schranken gerade gegenüber stand ein für den Kaiser errichteter hoher Thron, der von den öffentlichen Bänken durch hölzerne Pfähle geschieden war, die, wie ein Kennerauge leicht bemerkte, im Nothfall zur Vertheidigung dienen konnten.

Die Schranken waren sechzig Schritte lang, etwa vierzig breit, und räumig genug für den Kampf zu Roß und zu Fuß. Zahlreiche Haufen griechischer Bürger zogen mit Tagesanbruch aus den Stadtthoren, um den Bau der Schranken zu bewundern, die einzelnen Theile ihrer Beurtheilung zu unterwerfen, und sich eines Platzes für das Schauspiel zu versichern. Bald kam auch eine starke Schaar von den sogenannten römischen Unsterblichen. Diese kamen ohne Umstände herein, und besetzten zu beiden Seiten die Pfahlwand, welche den Thron des Kaisers einschloß. Einige nahmen sich größere Freiheit heraus: denn, indem sie sich stellten, als würden sie gegen die Pfahlwand gedrängt, suchten sie über dieselbe zu klettern. Aber jetzt zeigten sich einige alte Sklaven des Pallastes, um den für Alexius und seinen Hof abgesonderten Raum zu vertheidigen, und je unruhiger und stürmischer die Unsterblichen sich zeigten, desto mehr schienen die Vertheidiger des Platzes zu gewinnen.

Neben dem großen Thor, durch welches man von Außen zu dem kaiserlichen Sitz gelangte, befand sich noch ein anderer, kaum bemerkbarer, durch eine starke Thüre gesicherter Eingang, durch welchen verschiedene Personen zu dem unter den Sitzen des Hofes befindlichen Raum zugelassen wurden. Diese Leute waren, ihrem Körperbau, ihrer Kleidung von Pelzwerk und hauptsächlich ihrer Streitaxt nach zu urtheilen, Waräger, und obwohl sie weder ihr Prachtkleid noch ihre Kriegsrüstung trugen, so konnte man doch, wenn man genau nachsah, bemerken, daß sie ihre gewöhnlichen Waffen bei sich trugen. Sie kamen in kleinen, vereinzelten Häufchen, und gesellten sich zu den Sklaven des Pallastes, um die Unsterblichen von dem Sitze des Kaisers wegzutreiben. Zwei oder drei von den Unsterblichen, die über die Scheidewand geklettert waren, wurden von den kräftigen Warägern ohne Umstände wieder hinübergeworfen.

Das Volk umher und in den benachbarten Reihen, zum größten Theil Bürger in ihren Feierkleidern, machte seine Bemerkungen über diesen Auftritt, und schien geneigt, für die Unsterblichen Partei zu nehmen. Es sei eine Schande für den Kaiser, sagten sie, daß er diese Barbaren ermuthige, sich zwischen ihn und die unsterblichen Cohorten zu drängen, die doch gewissermaßen seine Kinder wären.

Der Ringer Stephanos, der wegen seiner Stärke und stämmigen Figur bei diesen Leuten angesehen war, sagte laut: »Wenn mir hier nur Zwei beistimmen wollen, wenn ich sage, daß man die Unsterblichen mit Unrecht von der Person des Kaisers verdrängt, so ist hier die Hand, die sie neben den kaiserlichen Thron stellen wird«

»Nicht so,« bemerkte ein Centurio der Unsterblichen, den der Leser unter dem Namen Harpax schon kennt; »nicht so, Stephanos; der schickliche Augenblick dazu wird kommen, ist aber noch nicht da, du Perle des Circus. Du weißt, es ist einer von den Grafen oder westlichen Franken, der kämpfen wird; da nun die Waräger Feinde jenes Volkes sind, so ist einiger Grund vorhanden, ihnen den Vorzug bei der Bewachung der Schranken nicht streitig zu machen. Sieh', Mann, wenn du nur halb so gescheid wärest, als du lang bist, so würdest du wissen, daß das schlechte Jäger sein müßten, die Hallo schreien, ehe das Wild in's Netz gegangen ist.«

Während der Ringer seine ungeheuren, grauen Augen verdrehte, den Sinn dieser Andeutung zu erforschen, sagte sein kleiner Freund, der Künstler Lysimachus, indem er sich bemühte, sich auf den Zehen zu halten, zu Harpax so heimlich als möglich: »Verlasse dich darauf, tapferer Centurio, daß dieser Mann von Knochen und Muskeln nicht wie ein bellender Hund falsche Witterung verfolgen, und, wenn das allgemeine Zeichen gegeben ist, stumm und träge sein wird. Doch sage mir,« fuhr er noch heimlicher fort, indem er sich auf eine Bank stellte, um dem Centurio bequem in's Ohr zu flüstern, »wäre es nicht besser gewesen, wenn eine starke Wache von den tapferen Unsterblichen in die hölzerne Festung dort gelegt worden wäre, um das Werk des Tags zu befördern?«

»Ohne Zweifel,« sagte der Centurio, »so war's bestimmt; aber diese Strolche von Warägern haben auf eigene Faust ihren Platz gewechselt.«

»Wär's nicht gut,« sagte Lysimachus, »wenn ihr, da ihr doch zahlreicher seid als die Barbaren, einen Kampf dran wagtet, ehe mehr von den Fremdlingen kommen?«

»Seid ruhig, Freund,« sagte der Centurio kalt, »wir kennen unsere Zeit. Ein voreiliger Angriff wäre schlimmer als Flucht, und wie sollte sich ein günstiger Augenblick zur Ausführung unseres Werkes finden, wenn jetzt voreilig eine Verwirrung entstände?«

So sagend, ging er zu seinen Soldaten, um ein verdächtiges Gespräch mit Leuten zu vermeiden, die nur in den bürgerlichen Theil der Verschwörung eingeweiht waren.

Als der Morgen vorrückte, und die Sonne höher am Himmel stand, sah man die Leute, welche Neugierde oder ein anderer Beweggrund zu dem Schauplatz führte, von verschiedenen Punkten aus der Stadt strömen, und sich beeilen, einen bequemen Platz in dem Umkreis der Schranken zu gewinnen. Auf ihrem Weg nach dem Kampfplatz hatten sie ein Cap zu ersteigen, das in den Bosporus auslief; die mit dem Ufer verbundene Höhe des Caps gewährte eine größere Aussicht über die Meerenge zwischen Europa und Asien, als man in der Nähe der Stadt oder auf dem tiefer liegenden Kampfplatz haben konnte. Die ersten Besucher des Kampfplatzes, die über diese Höhe kamen, hielten sich wenig oder gar nicht daselbst auf; aber später, als man sah, daß den Zuschauern auf dem Kampfplatz die Zeit lang werden mußte, verweilten sich die Nachkommenden auf der Höhe, um die Schönheit der Landschaft zu betrachten, oder um zu sehen, ob auf dem Wasser nichts vorginge, was Einfluß auf die Ereignisse auf dem Lande haben könnte. Einige Seeleute waren die Ersten, welche ein Geschwader kleiner, griechischer Schiffe (es war das Tankreds) bemerkten, die von Asien her bei Constantinopel zu landen suchten.

»Es ist seltsam,« sagte der Kapitän einer Galeere, »daß diese kleinen Fahrzeuge, die Befehl hatten, gleich nach Ausschiffung der Lateiner nach Constantinopel zurückzukehren, sich so lange bei Scutari verweilt haben, und erst den dritten Tag zurückkommen.«

»Wollte der Himmel,« sagte ein Anderer von dem nämlichen Stande, »daß sie allein kommen möchten. Es scheint mir, als ob ihr Flaggenstock, Bugspriet und Topmast mit denselben, oder fast mit den gleichen Zeichen geschmückt seien, welche die Lateiner aufzogen, als sie auf kaiserlichen Befehl über den Bosporus geschafft wurden; sie kommen wie Handelsschiffe zurück, die ihre Fracht am Ort ihrer Bestimmung nicht ausgeladen haben.«

»Es ist kein Vortheil dabei,« sagte ein Politikus, den wir schon bemerkt haben, »mit solcher Waare zu schaffen zu haben, es sei zu Aus- oder Einfuhr. Die große Fahne, die über der Hauptgaleere flattert, zeigt die Anwesenheit eines sehr vornehmen und mächtigen Anführers unter diesen Grafen an.«

Der Seemann fügte mit bedenklichem Gesicht hinzu: »Sie scheinen eine Höhe in der Straße genommen zu haben, die ihnen erlaubt, mit der Fluth das Cap, worauf wir stehen, zurückzulegen; doch warum sie so nahe unter den Wällen der Stadt landen wollen, wer mir das sagen kann, ist gescheider als ich.«

»Ihre Absicht ist gewiß keine gute,« versetzte sein Begleiter. »Der Reichthum der Stadt lockt dies arme Volk, welches sein Eisen bloß darum schätzt, weil es das Mittel ist, wodurch es sich das gewünschte Gold verschafft.«

»Aber, Bruder,« sagte der Politikus Demetrius, »siehst du nicht, daß in der Bucht, welche dies Cap bildet, sechs große Schiffe gerade an der Stelle, wohin diese Ketzer die Fluth treiben wird, vor Anker liegen, die nicht bloß Speere und Pfeile, sondern auch griechisches Feuer auszuspeien im Stande sind? Wenn dies Frankenvolk,

– propago
Contemptrix Superum sano, saevaeque avidissima caedis,
Et violenta,

von seiner Landung nicht absteht, so werden wir bald einen Kampf zu sehen bekommen, der merkwürdiger ist als der, welchen die große Trompete der Waräger verkündet. Mache mir den Spaß, und sehen wir uns hier einen Augenblick, um zu sehen, wie das abläuft.«

»Ein schöner Vorschlag, Freund,« sagte Lascaris, der andere Bürger; »bedenkst du nicht, daß wir hier den Geschoßen der Lateiner ausgesetzt sind, womit dieselben auf das griechische Feuer antworten werden?«

»Das ist nicht übel bemerkt, Freund,« sagte Demetrius; »doch ich bin schon mehr bei dergleichen Dingen gewesen; und wenn wir die Geschoße von der See her zu fürchten haben, so dürfen wir uns nur fünfzig Schritte landwärts zurückziehen, und so das Cap selbst zwischen uns und die Geschoße legen; dann wird auch ein Kind Alles ohne Furcht ansehen.«

»Du bist ein Schlaukopf, Nachbar,« sagte Lascaris, »und hast gerade Tapferkeit und Klugheit genug, daß ein Freund mit dir ohne Gefahr das Leben wagen kann. Da gibt's Andere, die uns nicht das Geringste zeigen können, ohne unser Leben auf's Spiel zu setzen, während du, werthester Freund, vermöge deiner militärischen Kenntnisse und aus Besorgniß für deinen Freund die Leute Alles sehen lässest, was zu sehen ist, ohne Jemanden in Gefahr zu bringen, der von Natur kein Waghals ist. – Aber, heilige Jungfrau! was bedeutet die rothe Flagge, die der griechische Admiral aufgesteckt hat?«

»Du siehst, Nachbar,« antwortete Demetrius, »daß die Ketzer dort immer näher kommen, obschon ihnen unser Admiral wiederholt Zeichen macht, es bleiben zu lassen, und nun zieht er die Blutfahne auf, das ist so viel, als wenn Einer die Faust ballt, und dabei sagt – Wenn du nicht aufhörst, so soll dich Dieser und Jener.«

»Bei St. Sophia!« sagte Lascaris, »das ist höflich gewarnt. Doch was wird der kaiserliche Admiral nun thun?«

»Lauf! Freund Lascaris, lauf,« sagte Demetrius, »wenn du nicht mehr sehen willst, als dir lieb ist.«

Um die Lehre durch sein Beispiel zu bekräftigen, gürtete Demetrius seine Lenden, und lief mit der erbaulichsten Eile nach der anderen Seite des Caps, während ein Theil der Versammlung, die dem Kampf, welchen der Neuigkeitskrämer versprochen hatte, zuschauen wollte, ihn um der eigenen Sicherheit willen begleitete. Was dem Ohr und dem Auge des Demetrius so schrecklich erschienen war, war die Absendung einer großen Masse griechischen Feuers, das man vielleicht am besten mit unseren congrevischen Raketen vergleichen kann, die am obern Theil mit einem kleinen Anker versehen sind, und sausend wie ein von einem unerbittlichen Zauberer abgesandter Höllengeist die Luft durchstürmen. Die Wirkung dieses Feuers war so schrecklich, daß Schiffe, die sich so angegriffen sahen, jede Vertheidigung aufgaben, und sich stranden ließen. Für einen Hauptbestandtheil dieses furchtbaren Feuers galt die Naphtha oder das an dem Ufer des todten Meeres gesammelte Judenpech, das, wenn es im Brand war, nur durch eine eigene Mischung gelöscht werden konnte, die nicht überall zur Hand war. Dies Feuer war von einem dicken Rauch und lauten Knall begleitet, und seine Flamme zehrte, wie Gibbon sagt, mit gleicher Stärke abwärts und seitwärts. Bei Belagerungen wurde es wie unsere Bomben in glühenden, eisernen oder steinernen Kugeln von den Wällen geworfen, oder es wurde in Flachs um Pfeile oder Speere gewickelt abgeschossen. Seine Bereitung wurde als ein Staatsgeheimniß betrachtet, und fast vier Jahrhunderte lang war es den Mahomedanern unbekannt. Endlich entdeckten die Saracenen seine Zusammensetzung, und gebrauchten es, die Kreuzfahrer zurückzuschlagen und die Griechen zu überwinden, deren erstes Vertheidigungsmittel es lange gewesen war. Einige Uebertreibung kann man dem barbarischen Zeitalter wohl zumuthen, im Ganzen mag aber die Beschreibung des Kreuzfahrers Joinville richtig sein: »Es kam durch die Luft geflogen,« sagt dieser gute Ritter, »wie ein geflügelter Drache, es hatte die Dicke eines Schweinskopfes, den Knall des Donners und die Schnelligkeit des Blitzes, und das Dunkel der Nacht verschwand vor seiner fürchterlichen Helle.«

Nicht allein der kühne Demetrius und sein Schützling Lascaris, sondern der ganze Haufe, der um sie stand, nahm mannhaft die Flucht, als der griechische Befehlshaber zum Erstenmal Feuer gab, und die anderen Schiffe seinem Beispiel folgten, so daß der Himmel wiederhallte, und die Luft durch Rauchwolken verdunkelt ward. Als die Flüchtlinge den Gipfel des Hügels erreichten, sahen sie den Seemann, den wir oben als Zuschauer kennen gelernt haben, in einem trockenen Graben versteckt liegen, wie in einer soliden Lebens- und Feuerversicherungsanstalt. Doch konnte er sich nicht enthalten, über die Kannengießer zu spotten.

»Holla!« rief er, »gute Freunde,« ohne sich über die Höhe seiner Bewahranstalt zu erheben, »wollt ihr nicht so lange stehen bleiben, bis ihr die lange Verlesung über Land- und Seeschlachten ganz beendigt habt? Glaubt mir, der Lärm da ist fürchterlicher als gefährlich; das Feuer hat eine ganz entgegengesetzte Richtung, und wenn ja einer dieser Drachen landwärts statt seewärts fliegen sollte, so kann nur der Mißgriff irgend eines Schiffsjungen, der beim Werfen mehr guten Willen als Geschick hat, schuld daran sein.«

Demetrius und Lascaris hörten gerade genug von der Rede des Seehelden, um auf die neue Gefahr aufmerksam zu werden; sie stürzten also an der Spitze eines vor Furcht bestürzten Haufens zu den Schranken hinunter, und verbreiteten schnell die Schreckensbotschaft, daß die Lateiner in Waffen von Asien zurückgekehrt seien, um die Stadt zu plündern und anzuzünden.

Das Getöse, das man unterdessen vernahm, verschaffte der Neuigkeit, obwohl sie übertrieben war, Glauben. Die Donnerschläge des griechischen Feuers folgten hinter einander, und jeder Schlag breitete eine Rauchwolke über die Landschaft, so daß endlich der ganze Gesichtskreis wie bei dem Feuer unserer Artillerie von Rauchwolken bedeckt war.

Das kleine Geschwader Tankreds lag ganz und gar verhüllt, und nur ein rother Schein, der sich da, wo der Dampf am dichtesten war, zeigte, ließ vermuthen, daß wenigstens eins von den Schiffen Feuer gefangen habe. Dennoch leisteten die Lateiner einen hartnäckigen Widerstand, wie er ihrem Muthe und dem Ruhm ihres Anführers angemessen war. Vortheilhaft waren ihnen auch ihre kleinen Fahrzeuge, die nicht tief im Wasser gingen; und der Umstand, daß die Griechen vor Rauchwolken ihrem Feuer kein festes Ziel geben konnten, kam ihnen ebenfalls zu statten.

Um diese Vortheile zu vermehren, ertheilte Tankred durch Boote und Signale seiner zerstreuten Flotte Befehl, daß jedes Fahrzeug, ohne auf die anderen zu warten, einzeln vordringen und landen sollte, wie und wo es immer anginge. Tankred selbst gab ein gutes Beispiel; er war an Bord eines ansehnlichen Schiffes, das gegen die Wirkung des griechischen Feuers durch rohe Häute, die erst kürzlich durchwässert worden waren, ziemlich gedeckt war. Dies Schiff war mit mehr als hundert tapferen Kriegern bemannt; viele Ritter, die unter ihnen waren, hatten die ganze Nacht das Ruder geführt, und seit dem Morgen Bogen und Armbrust ergriffen, welche eigentlich die Waffen geringerer Leute waren. Fürst Tankred gab seinem so bewaffneten und so bemannten Schiffe die ganze Schnelligkeit, die er ihm durch Wind, Fluth und Rudern geben konnte, und indem er es so stellte, daß seine Seemannskunde den größten Vortheil von dieser Stellung erwarten durfte, überflügelte er mit Blitzesschnelligkeit die Schiffe von Lemnos, von jeder Seite die Griechen mit Pfeilen, Speeren und anderen Geschoßen mit um so größerem Vortheil überschüttend, als dieselben im Vertrauen auf ihr künstliches Feuer jede andere Bewaffnung vernachlässigt hatten. Als der tapfere Kreuzfahrer mit so großem Ungestüm gegen die Griechen andrang, und ihnen ihr griechisches Feuer mit einem nicht weniger schrecklichen Hagel von Bolzen und Pfeilen zurückgab, begannen sie zu fühlen, daß ihr Vortheil nicht so groß sei, als sie gehofft hatten, und daß ihr Feuer gleich anderen Schrecknissen kaltem Trotz gegenüber die Hälfte seiner Kraft verlöre. Ueberdies zitterten die griechischen Seeleute bei dem Gedanken, mit den eisengeharnischten Lateinern, deren Schiffe sich näherten, handgemein zu werden.

Auf einmal drang Rauch aus den Seiten des großen kaiserlichen Kriegsschiffes, und Tankred verkündete seinen Leuten, daß das griechische Admiralschiff durch die Vernachlässigung der Brennstoffe, die es bei sich führte, Feuer gefangen habe, und daß sich Alle von ihm so weit entfernen sollten, als es die eigene Sicherheit erfordere. Bald sah man Funken und Flammen hier und da am Bord des großen Schiffes erscheinen; es war, als wenn das Element mit Bewußtsein die Plage weiter verbreiten und die Mannschaft, die noch auf die Befehle des Admirals hörte, unfähig machen wollte, dem Verderben zu begegnen. Die gefährlichen Brennstoffe, die an Bord waren, steigerten den Schrecken zur Verzweiflung; vom Bugspriet, vom Takelwerk, von den Segelstangen, von den Seiten und von allen Theilen des Schiffes ließ sich das unglückliche Schiffsvolk herabfallen, und die Meisten tauschten bloß einen Tod im Wasser gegen einen fürchterlicheren im Feuer ein. Die Mannschaft von Tankreds Schiff, die auf Befehl ihres edlen Führers aufgehört hatte, gegen Leute, die von Wasser und Feuer zugleich bedroht waren, zu kämpfen, brachte ihr Schiff an einer ruhigen Stelle der Bucht an's Ufer, und landete ohne Schwierigkeit; viele Pferde erreichten mit ihren Herren zu gleicher Zeit das Land. Tankred verlor keinen Augenblick, eine Phalanx von Lanzen zu bilden, die zuerst aus wenigen bestand, aber immer mehr und mehr anwuchs, so wie ein Schiff nach dem anderen landete.

Allgemach wichen die Rauchwolken dem Winde, und die Meerenge zeigte die Folgen des beendigten Kampfes. Hier schaukelten die Wogen die Trümmer von einem oder zwei lateinischen Schiffen, die beim Beginn des Kampfes verbrannt worden waren, während die Mannschaft derselben durch den Beistand der anderen Schiffe größtentheils gerettet worden war. Weiter unten zeigten sich die fünf übrigen Schiffe des Geschwaders von Lemnos, die sich zerstreut und mühsam nach dem Hafen von Constantinopel zurückzuziehen suchten. An dem Ort, wo der Kampf stattgefunden hatte, lag der Rumpf des griechischen Admiralschiffes bis zur Wasserfläche abgebrannt, und von den verkohlten Balken und Dielen stieg immer noch schwarzer Rauch auf. Die Flotte Tankreds, mit der Landung beschäftigt, lag hier und dort in der Bucht zerstreut, während die Mannschaft suchte, das Ufer zu gewinnen, und sich unter die Fahne ihres Führers zu stellen. Näher oder entfernter vom Ufer schwammen Gegenstände von schwarzer Farbe auf dem Wasser: es waren theils die Wracke zertrümmerter Schiffe, theils, was fürchterlicher war, die entseelten Leiber der im Kampf gefallenen Seeleute.

Die Standarte war von des Fürsten Leibpagen, Ernst von Apulien, nach dem Ufer getragen worden, sobald der Kiel von Tankreds Galeere den Sand berührt hatte. Sie wurde auf der Höhe des Caps zwischen Constantinopel und den Schranken aufgepflanzt, wo Lascaris, Demetrius und andere Klatschbrüder beim Beginn des Treffens ihren Stand genommen hatten, aber durch das griechische Feuer und die lateinischen Geschoße in die Flucht getrieben worden waren.



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