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Sechzehntes Kapitel.

Es strahlte Pownell's Leuchtthurm roth,
Auf Skiddaw brannten drei;
Und über Moor und Berg erscholl
Das Lärmhorn auch dabei.

James Hogg.

Der Wächter, welcher auf dem Hügel aufgestellt war, um nach Birnam zu schauen, glaubte wahrscheinlich selber zu träumen, als er zuerst den verhängnißvollen Wald sich gen Dunsinane in Bewegung setzen sah. Eben so ging es dem alten Caxon, als er in seiner Warte stak und in dem Gedanken an die nahe Heirath seiner Tochter schwelgte; er gedachte der Ehre, der Schwiegervater des Leutnant Taffril zu werden, wobei er denn auch gelegentlich einen Blick nach dem nächsten Posten warf, welcher mit seinem eignen correspondirte, und nicht wenig staunte er, als er in dieser Richtung ein Licht bemerkte. Er rieb sich die Augen, blickte wieder hin und suchte über die Richtung mittelst eines Stabes Gewißheit zu erlangen, welcher so angebracht war, daß er gerade nach dem andern Posten wies. Und siehe da, das Licht ward größer, wie ein Komet vor dem Auge des Astronomen, der darin den Umsturz von Nationen zu entdecken fürchtet.

»Der Herr steh' uns bei!« sagte Caxon, »was ist nun zu thun? Aber da mögen weisere Köpfe als der meinige zusehen, ich will meine Leuchte anzünden.«

Und er zündete sein Wachtfeuer an, welches in einer flackernden Säule gen Himmel stieg, die Seevögel aus ihren Nestern scheuchend und weit unten auf den gerötheten Wogen der See sich abspiegelnd. Die Amtsbrüder Caxons auf den andern Warten waren eben so wachsam, bemerkten und erwiederten sein Signal. Die Lärmfeuer schimmerten auf allen Vorgebirgen, Klippen und Bergen des innern Landes, und die ganze Gegend kam durch das Signal des feindlichen Einfalls in Aufruhr.

Unser Antiquar, sein Haupt warm in zwei Nachtmützen gehüllt, lag in süßer Ruhe, als diese plötzlich durch das Geschrei seiner Schwester, Nichte und zweier Mägde unterbrochen wurde.

»Was der Teufel bedeutet das?« sagte er, aus dem Bett fahrend, – »Weibsbilder in meinem Zimmer in so später Nacht! – seid ihr toll?«

»Der Wachtthurm, Oheim!« sagte Miß M'Intyre.

»Die Franzosen kommen, um uns zu morden!« schrie Miß Griselda.

»Der Wachtthurm! der Wachtthurm! die Franzosen! die Franzosen! – Mord, Mord! und Schlimmeres als Mord!« riefen die beiden Mägde, gleich dem Chor in einer Oper.

»Die Franzosen?« sagte Oldbuck, aufspringend – »Schert euch aus dem Zimmer, ihr Weibsbilder, bis ich meine Sachen anhabe. Und, hört wohl, bringt mir meinen Degen.«

»Welchen denn, Monkbarns?« rief seine Schwester, in der einen Hand ein römisches Schwert von Erz, in der andern einen Andreas Ferrara ohne Griff bringend.

»Den längsten, den längsten!« schrie Jenny Rintherout, ein zweibändiges Schwert aus dem zwölften Jahrhundert hereinschleppend.

»Weibsbilder,« sagte Oldbuck in größter Bestürzung, »seid gefaßt, und gebt keiner eiteln Furcht nach. Wißt ihr's denn gewiß, daß sie kommen?«

»Gewiß! gewiß!« schrie Jenny, – »nur allzugewiß! – Alle Seesoldaten und alle Landwehrmänner, und die Freiwilligen und alle Landleute sind auf den Beinen und jagen nach Fairport hin, was Roß und Mann nur aushält – der alte Mucklebackit ist auch mitgegangen – der wird wie ein Teufel fechten. – Ach! heute wird man ihn vermissen, der dem König und dem Vaterland am besten gedient hätte!«

»Gebt mir,« sagte Oldbuck, »den Degen, den mein Vater Anno fünf und vierzig trug – Er hat zwar keine Koppel, – aber dafür will ich schon sorgen.«

Mit diesen Worten steckte er den Degen durch seine Hosentasche. In diesem Augenblick trat Hektor ein, welcher auf einer benachbarten Anhöhe gewesen war, um sich zu überzeugen, ob der Lärm wirklichen Grund hätte.

»Wo sind deine Waffen, Neffe?« rief Oldbuck. »Wo ist deine Doppelflinte, die doch nie aus deiner Hand kam, als sie gar nicht nöthig war?«

»Ei was, Oheim!« sagte Hektor, – »wer wird eine Vogelflinte zum Gefecht nehmen? Ich habe meine Uniform angezogen, wie Sie sehn; ich denke ich werde mehr nützen können, wenn ich mich zu ihrem Befehlhaber mache, als wenn ich zehn Doppelflinten trüge. – Sie aber, Sir, müssen nach Fairport gehen, um für Quartier und Beköstigung der Leute und Pferde zu sorgen und Verwirrung zu verhüten.«

»Du hast Recht, Hektor, – ich glaube ich werde ebensoviel mit meinem Kopfe thun, als mit meiner Hand; aber hier kommt Sir Arthur Wardour, der, unter uns gesagt, mit beiden nicht viel anzufangen weiß.«

Sir Arthur war wahrscheinlich ganz anderer Meinung; denn er war in seine Leutnantsuniform gekleidet und unterwegs nach Fairport; er sprach hier nur ein, um Mr. Oldbuck mitzunehmen, weil seine Meinung von dessen Scharfsinn durch die letzten Ereignisse bedeutend erhöhet war. Und trotz der Bitten der Weibsbilder, daß der Alterthümler zum Schutze von Monkbarns zurückbleiben möchte, gingen Mr. Oldbuck und sein Neffe doch sogleich auf Sir Arthur's Vorschlag ein.

Nur diejenigen, die eine solche Scene selbst mit angesehn haben, können sich einen Begriff von dem lärmenden Gewühl in Fairport machen. Die Fenster waren von hundert Lichtern erhellt, welche, erscheinend und verschwindend, die Verwirrung anzeigten, die in den Häusern herrschte. Die Weiber der niedern Stände versammelten sich und schrieen auf dem Markte. Die Landleute, aus ihren verschiedenen Dörfern herbeiströmend, sprengten durch die Straßen, theils einzeln, theils in Truppen von fünf oder sechs Mann, je nachdem sie einander auf der Straße getroffen hatten. Die Trommeln und Pfeifen der Freiwilligen riefen zum Generalmarsch und mischten sich mit den Stimmen der Officiere, dem Schall der Hörner und dem Geläut der Glocken vom Thurme. Die Schiffe im Hafen waren erleuchtet und die Boote der bewaffneten Fahrzeuge vermehrten den Lärm, indem sie Leute und Geschütz an's Land brachten, welche zur Vertheidigung des Platzes bestimmt waren. Dieser Theil der Zurüstungen ward mit vieler Umsicht von Leutnant Taffril geleitet. Einige leichte Fahrzeuge hatten bereits die Anker gelichtet und waren in See gegangen, um den vermeinten Feind zu entdecken.

So sah es auf dem Schauplatze dieser allgemeinen Verwirrung aus, als Sir Arthur Wardour, Oldbuck und Hektor sich mit Mühe ihren Weg nach dem Hauptplatze bahnten, auf welchem das Rathhaus stand. Es war erleuchtet und der Magistrat war, nebst vielen Edelleuten aus der Nachbarschaft, versammelt. Hier nun, wie bei vielen ähnlichen Gelegenheiten in Schottland, sah man deutlich, wie der gute Wille und der Muth des Volkes fast allen Mangel an Erfahrung ersetzt.

Die Magistratspersonen wurden von den Quartiermeistern der verschiedenen Truppen um Quartierzettel für Mannschaft und Pferde bedrängt. »Laßt uns doch,« sagte der Richter Kleinhans, »die Pferde in unsere Niederlagen und die Leute in unsre Wohnstuben nehmen, – wir können unsre Mahlzeit mit den einen und unsre Futtervorräthe mit den andern theilen. Wir sind unter einer freien und väterlichen Regierung in Wohlstand gekommen, und nun ist die Zeit da, zu zeigen, daß wir ihren Werth zu schätzen wissen.«

Laut und freudig stimmten alle Anwesenden bei, und alle Stände opferten gern ihre Habe der Vertheidigung des Vaterlandes.

Capitain M'Intyre übernahm bei dieser Gelegenheit die Rolle eines militärischen Rathgebers und Adjutanten des ersten Rathsmannes, und entfaltete eine Geistesgegenwart und Sachkenntniß, die seinen Oheim in Erstaunen setzte, welcher, seiner gewöhnlichen Sorglosigkeit und Hast gedenkend, von Zeit zu Zeit voll Bewunderung auf ihn blickte, während er die verschiedenen Vorsichtsmaßregeln angab, die ihn seine Erfahrung lehrte, und Weisung ertheilte, wie sie auszuführen wären. Er fand die verschiedenen Corps in guter Ordnung, wenn man die unregelmäßige Weise erwog, in welcher sie zusammengesetzt waren; überdies waren sie zahlreich und voll Muth und Vertrauen. Militärische Erfahrung überwog jedoch in diesem Augenblicke so sehr alle andern Rücksichten, daß selbst der alte Edie, statt daß man ihn, gleich Diognes von Sinope, ruhig sein Faß fortrollen ließ, während sich alle andern zur Vertheidigung rüsteten, jetzt die Aufsicht bei der Vertheilung der Munition erhielt, wobei er denn auch mit vieler Umsicht zu Werke ging.

Zwei Dinge wurden noch mit Besorgniß erwartet: die Ankunft der Freiwilligen von Glenallan, welche, in Betracht des Einflusses der Familie, ein besonderes Corps gebildet hatten, und dann das Erscheinen des oben erwähnten Officiers, dem vom Oberfeldherrn die Maßregeln zur Vertheidigung dieser Küste übertragen waren und dem somit zugleich die Verfügung über all' diese Truppen zustand.

Endlich ließen sich die Hörner der Mannschaft von Glenallan hören, und der Graf selbst erschien, zum Staunen aller, die seine Gewohnheiten und seinen Gesundheitszustand kannten, an ihrer Spitze in Uniform. Es war eine hübsche und gut berittene Schwadron, einzig aus den Unterthanen des Grafen gebildet; ihnen folgte ein Regiment von fünfhundert Mann, vollständig nach hochländischer Weise gekleidet, die der Graf aus den obern Thälern herbeigerufen hatte und die nun beim Schall ihrer Sackpfeifen einherzogen. Das nette und kriegerische Ansehn dieser Schaar erregte Capitain M'Intyre's Bewunderung; aber noch erstaunter war sein Oheim über die Art, wie in diesem Augenblicke der Gefahr der alte kriegerische Geist seines Hauses die verfallene Gestalt des Grafen, des Führers der Schaar, zu beseelen und zu stärken schien. Er beanspruchte und behauptete für sich und seine Gefährten den Posten, welcher der gefährlichste zu sein schien, zeigte große Gewandtheit bei den nöthigen Anordnungen und entfaltete vielen Scharfsinn, wenn es die Zweckmäßigkeit jener zu beweisen galt. – Während der kriegerischen Berathungen in Fairport brach der Morgen an, und noch waren alle eifrig beschäftigt, die Vorbereitungen zur Vertheidigung zu vollenden.

Endlich verkündigte ein Geschrei unter dem Volke: »da kommt der tapfere Major Neville mit noch einem Offizier;« eine Postchaise mit vier Pferden fuhr auf den Platz, begrüßt von dem Hurrah der Freiwilligen und Einwohner. Die Magistratspersonen eilten nebst den Beisitzern aus der Nachbarschaft an die Thür des Rathhauses, um den Erwarteten zu empfangen; aber wie groß war das Staunen aller Anwesenden, vorzüglich aber das des Alterthümlers, als sie inne wurden, daß die hübsche Uniform und der Militairhut die Gestalt und das Gesicht des friedlichen Lovel bekleideten! Eine herzliche Umarmung und ein warmer Druck der Hand waren nothwendig, um Oldbuck zu überzeugen, daß ihn sein Auge nicht täuschte. Sir Arthur war nicht weniger überrascht, in Lovel's, oder vielmehr Major Neville's Begleiter seinen Sohn, Capitain Wardour, zu erkennen. Die ersten Worte der jungen Officiere enthielten die bestimmte Versicherung, daß alle Anwesenden den Muth und Eifer, den sie bewiesen, völlig weggeworfen hätten, insofern man dabei von dem dankenswerthen Beweis absehe, wie wohlgesinnt und schnell bereit Alle seien.

»Der Wächter auf dem Halketfelsen,« sagte Major Neville, »war, wie wir auf unserm Wege hieher in Erfahrung brachten, auf sehr natürliche Art durch ein Feuer irre geleitet, welches einige müßige Leute auf dem Hügel oberhalb Glenwithershins angezündet hatten, und zwar gerade in der Richtung nach jener Warte, die mit der auf dem Halketfelsen correspondirte.«

Oldbuck gab Sir Arthur einen bedeutsamen Wink, welchen dieser mit einem ähnlichen, so wie mit einem Achselzucken erwiederte.

»Es müssen die Maschinen gewesen sein, die wir in unserm Zorne zum Feuer verdammten,« sagte der Alterthümler, der sich ein Herz faßte, aber sich zugleich nicht wenig schämte, einen solchen Aufruhr veranlaßt zu haben – »daß doch den Dousterswivel der Teufel holen möchte! Ich glaube, er hat uns ein Vermächtniß von dummen Streichen und Unheil hinterlassen, und vermuthlich eine lange Reihenfolge davon; ich bin neugierig, was für eine Rakete zuerst unter unsern Beinen losgehen wird. – Aber dort kommt der kluge Caxon. – Den Kopf in die Höhe, Sie Esel – gescheidtere Leute müssen sich Ihretwegen schämen – hier, nehmen Sie das Ding an sich,« (er übergab ihm mit diesen Worten seinen Degen) – »Ich möchte wissen, was ich gestern einem geantwortet hätte, der mir sagte, daß ich heut' ein solches Anhängsel an meine Seite binden würde.«

Hier nahm ihn Lord Glenallan sanft beim Arme und führte ihn in ein besonderes Zimmer. »Um Gottes willen, wer ist der junge Mann, der so sprechend ähnlich« –

»Der unglücklichen Eveline,« unterbrach ihn Oldbuck. »Beim ersten Anblick fühlt' ich mein Herz zu ihm hingezogen, und Ew. Herrlichkeit haben den Grund errathen.«

»Aber wer – wer ist er?« fuhr Lord Glenallan fort, den Alterthümler krampfhaft am Arme haltend.

»Früher nannte ich ihn Lovel, aber nun hat er sich in den Major Neville verwandelt.«

»Den mein Bruder als seinen natürlichen Sohn erzog – den er zu seinem Erben machte – barmherziger Himmel! der Sohn meiner Eveline!«

»Halt, Mylord – halt!« sagte Oldbuck, »trauen Sie nicht zu vorschnell einer solchen Vermuthung – welche Wahrscheinlichkeit ist da vorhanden?«

»Wahrscheinlichkeit? keine! Es ist Gewißheit! absolute Gewißheit. Der Geschäftsführer, dessen ich gegen Sie erwähnte, schrieb mir die ganze Geschichte – erst gestern bekam ich den Brief. Führen Sie ihn her, um Gottes willen, damit ihn eines Vaters Augen segnen, ehe er scheidet.«

»Es sei; aber um Ihret- und seinetwillen, geben Sie ihm einige Augenblicke zur Vorbereitung.«

Entschlossen, erst noch genauer zu forschen, eh' er einer so seltsamen Geschichte völligen Glauben schenkte, suchte er Major Neville auf und fand ihn beschäftigt, die nöthigen Anweisungen zu geben, wie sich die versammelten Truppen zerstreuen sollten.

»Bitte, Major Neville, überlassen Sie dies Geschäft einen Augenblick dem Capitän Wardour und Hektor, mit dem Sie hoffentlich völlig versöhnt sind,« (Neville lachte und reichte Hektor die Hand über den Tisch,) »und schenken Sie mir einen Augenblick Gehör.«

»Sie haben das Recht, dies von mir zu fordern, Mr. Oldbuck, wären meine Geschäfte auch noch so dringend,« sagte Neville, »weil ich mich Ihnen unter einem falschen Namen aufdrängte und Ihre Gastfreundschaft durch die Verwundung Ihres Neffen belohnte.«

»Sie lohnten ihn nach Verdienst,« sagte Oldbuck, »wiewohl er denn doch heute viel Kopf und Muth gezeigt hat. Ja, wenn er nur seine Studien zusammen nähme, und den Cäsar und Polybius, und die Stratagemata Polyaeni läse, so würde er gewiß in der Armee avanciren und ich würd' ihm auch sicherlich dabei behilflich sein.«

»Das verdient er in der Thal,« sagte Neville; »und es freut mich, daß Sie mich entschuldigen; Sie können dies um so eher, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich so unglücklich bin, auf den Namen Neville, durch den ich allgemein geehrt werde, kein besseres Anrecht zu haben, als auf Lovel, als welchen Sie mich kennen lernten.«

»Wirklich! nun, dann hoff' ich, wir werden einen für Sie ausfindig machen, auf den Sie festen und rechtmäßigen Anspruch haben.«

»Sir! ich hoffe, Sie halten das Mißgeschick meiner Geburt nicht für einen passenden Gegenstand« –

»Keineswegs, junger Mann,« unterbrach ihn der Antiquar, – »ich glaube mehr von Ihrer Geburt zu wissen, als Sie selbst; – um Sie davon zu überzeugen: Sie wurden doch erzogen als ein natürlicher Sohn des Geraldin Neville von Nevilleburgh in Yorkshire, und auch vermuthlich zu seinem Erben bestimmt?«

»Verzeihen Sie – solche Aussichten wurden mir nicht eröffnet; freigebig sorgte man für meine Erziehung und half mir durch Geld und Empfehlung in der Armee vorwärts; aber ich glaube, mein vermeinter Vater unterhielt lange den Gedanken an eine Heirath, obwohl er ihn nie verwirklichte.«

»Sie sagen, Ihr vermeinter Vater? – Was läßt Sie vermuthen, daß Mr. Geraldin Neville nicht ihr wirklicher Vater war?«

»Ich weiß, Mr. Oldbuck, daß Sie diese Fragen, die einen so zarten Gegenstand berühren, nicht thun, um nur eine müßige Neugier zu befriedigen. Daher will ich Ihnen aufrichtig sagen, daß ich, als wir im vorigen Jahr eine kleine Stadt im französischen Flandern besetzten, in einem Kloster, in dessen Nähe ich einquartirt war, ein Weib fand, welches sehr gut englisch sprach. Sie war eine Spanierin – ihr Name Teresa D'Acunha. Bei unserer fernern Bekanntschaft entdeckte sie, wer ich war, und gab sich selbst als die Person zu erkennen, die mich als Kind gerettet hatte. Sie gab mehrere Winke von einem hohen Range, zu dem ich berechtigt sei, und von einem mir angethanen Unrecht; zugleich versprach sie mir vollkommene Aufschlüsse, sobald eine Dame in Schottland gestorben sein würde, während deren Leben sie ihr Geheimniß nicht brechen wollte. Auch vertraute sie mir, daß Mr. Geraldin Neville mein Vater nicht sei. Wir wurden vom Feinde angegriffen und aus der Stadt getrieben, welche die Republicaner mit wilder Wuth ausplünderten. Die Klöster waren vorzüglich ein Gegenstand ihres Hasses und ihrer Grausamkeit. Das dortige ward verbrannt, wobei mehrere Nonnen umkamen und unter diesen auch Teresa. Mit ihr verschwand alle Aussicht, hinsichtlich meiner Geburt Aufklärung zu erlangen. Mit tragischen Umständen muß sie jedenfalls verknüpft sein.«

» Raro antecedentem scelestum, oder, wie ich hier sagen kann, scelestam,« sagte Oldbuck, » deseruit poena – selbst Epikuräer geben das zu. Und was thaten Sie nun?«

»Ich suchte brieflich bei Mr. Neville um Aufklärung nach, aber ohne Erfolg. Dann wirkt' ich mir Urlaub aus, warf mich ihm zu Füßen und beschwor ihn, die Eröffnung zu vervollständigen, welche Teresa begonnen hatte. Er weigerte sich, und da ich beharrlich blieb, warf er mir zornig die Wohlthaten vor, die er mir bereits erwiesen hatte; mir schien es, als mißbrauche er die Gewalt eines Wohlthäters, da er mir zugestehen mußte, daß er nicht mein Vater sei, und wir schieden mit gegenseitiger Unzufriedenheit. Ich entsagte dem Namen Neville und nahm den an, unter welchem Sie mich kannten. – Ich hielt mich damals bei einem Freunde, der meine Namensveränderung begünstigte, im nördlichen England auf, wo ich mit Miß Wardour bekannt wurde, und ich war phantastisch genug, ihr nach Schottland zu folgen. Ich schwankte zwischen verschiedenen Lebensplänen, als ich mich entschloß, Mr. Neville noch einmal um eine Erklärung hinsichtlich meiner Geburt anzugehen. Es währte lange, eh' ich eine Antwort empfing; Sie waren gegenwärtig, als sie mir eingehändigt wurde. Er benachrichtigte mich von dem schlimmen Zustande seiner Gesundheit und beschwor mich, meiner selbst willen der Art seiner Verwandtschaft mit mir nicht ferner nachzuforschen, sondern mich mit der Erklärung zu begnügen, daß er entschlossen sei, mich zu seinem Erben zu machen. Als ich mich vorbereitete, Fairport zu verlassen und zu ihm zu reisen, langte ein zweiter Bote mit der Nachricht an, daß er nicht mehr sei. Der Besitz großen Reichthums war nicht im Stande, die marternden Gefühle zu betäuben, die mir nun mein Betragen gegen meinen Wohlthäter einflößte; einige Winke in seinem Briefe schienen mir auch anzudeuten, daß ein ärgerer Makel auf meiner Geburt ruhe, als gewöhnliche Illegitimität, und ich erinnerte mich überdies gewisser Vorurtheile Sir Arthur's.«

»Und Sie hingen diesen düstern Gedanken nach, bis Sie krank wurden, statt mich zu Rathe zu ziehen und mir die ganze Geschichte mitzutheilen?« sagte Oldbuck.

»Allerdings; dann folgte mein Streit mit Capitain M'Intyre und meine nothwendige Abreise aus Fairport und seiner Umgebung.«

»Und der Abschied von Liebe und Poesie – von Miß Wardour und der Caledoniade.«

»Freilich wohl.«

»Und seit dieser Zeit haben Sie sich vermuthlich mit Plänen zu Sir Arthur's Rettung beschäftigt?«

»Ja, Sir; mit Hilfe des Capitain Wardour zu Edinburg.«

»Und des Edie Ochiltree hier – Sie sehen, ich weiß die ganze Geschichte. Aber wie kamen Sie zu dem Schatze?«

»Es war eine Quantität Silbergeschirr, welches meinem Oheim gehört hatte und unter der Obhut einer Person in Fairport geblieben war. Einige Zeit vor seinem Tode hatte er Auftrag gegeben, es einzuschmelzen. Er wollte vielleicht nicht, daß ich das Wappen von Glenallan darauf sähe.«

»Gut, Major Neville – oder lassen Sie mich lieber sagen Lovel, da dies der Name ist, der mir besser gefällt: – Sie müssen, glaub' ich, beide alias gegen den Namen und Titel Sr. Herrlichkeit William Geraldin's, gemeiniglich Lord Geraldin genannt, austauschen.«

Der Antiquar theilte nun die seltsamen und traurigen Umstände, den Tod seiner Mutter betreffend, mit.

»Ich zweifle nicht,« sagte er, »daß Ihr Oheim wünschte, das Gerücht möchte geglaubt werden, der Sprößling jener unglücklichen Ehe sei nicht mehr am Leben. Vielleicht hatte er selbst ein Auge auf die Erbschaft seines Bruders, denn er war damals ein lebenslustiger junger Mann; aber von allen Absichten gegen Ihre Person (was auch Elsbeth's schlechtes Bewußtsein aus seiner heftigen Aufregung für Argwohn schöpfen mochte,) spricht ihn Teresa's Erzählung und Ihre eigne Kenntniß völlig frei. Und nun, mein Theuerster, schenken Sie mir das Vergnügen, einem Vater den Sohn wiederzugeben.«

Wir wollen nicht versuchen, eine solche Zusammenkunft zu schildern. Alle nöthigen Beweise fanden sich vollständig vor, denn Mr. Neville hatte eine genaue Nachricht des ganzen Vorganges in die Hände jenes vertrauten Haushofmeisters versiegelt niedergelegt, welche erst nach dem Tode der alten Gräfin eröffnet werden sollte; daß er dies Geheimniß so lange bewahren wollte, schien in der Wirkung seinen Grund zu haben, den eine solche Entdeckung, mit so viel unangenehmen Verhältnissen verbunden, auf ihr stolzes und heftiges Gemüth nothwendig hätte haben müssen.

Am Abend dieses Tages tranken die bewehrten Landleute und Freiwilligen von Glenallan auf das Wohl ihres jungen Herrn. Einen Monat später vermählte sich Lord Geraldin mit Miß Wardour, und der Alterthümler schenkte dabei der Lady einen Trauring, eine antike Seltenheit, worauf das Motto Aldobrand Oldenbuck's eingegraben war: Kunst macht Gunst.

Der alte Edie, der wichtigste Mann, der je einen Blaukittel trug, hinkt noch immer munter aus eines Freundes Haus in das des andern, und ist stolz darauf, daß er stets nur bei schönem Wetter wandert. In der letzten Zeit hat er indeß Symptome blicken lassen, daß er Lust zu einem festen Wohnsitz habe, indem man ihn häufig im Winkel eines hübschen Häuschens zwischen Monkbarns und Knockwinnock findet, wohin sich Caxon nach seiner Tochter Verheirathung zurückzog, um in der Nähe der drei Kirchspielperücken zu sein, die er noch immer in Ordnung hält, wiewohl nur zu seinem Vergnügen. Man hat Edie sagen hören, »das ist ein hübsches Plätzchen, und es ist ein Trost, wenn man bei schlechtem Wetter einen solchen Winkel hat.« Man glaubt, wann endlich seine Glieder steifer werden, werde er sich zuletzt hier niederlassen.

Die Güte so reicher Gönner, wie Lord und Lady Geraldin, beweist sich in reichem Maße an Mrs. Hadoway und der Familie Muckebackit. Bei der erstern war sie stets wohl angewendet, bei der letztern aber verschwendet. Indeß fahren sie immer fort, ihre Wohlthaten zu empfangen, aber nur unter der Aufsicht Edie Ochiltree's; und daher empfangen sie auch nichts, ohne über den Weg zu murren, mittelst dessen es zu ihnen gelangt.

Hektor stieg rasch in der Armee und ist mehr als einmal in den Zeitungen erwähnt worden; auch in seines Oheims Gunst steigt er mehr und mehr. Kaum minder angenehm ist es dem jungen Krieger, daß er zwei Seehunde geschossen, und damit den immerwährenden Neckereien des Alterthümlers, wegen der Geschichte mit der phoca, ein Ende gemacht hat. Die Leute sprechen auch von einer Heirath zwischen Miß M'Intyre und Capitain Wardour; aber dies bedarf noch der Bestätigung.

Der Alterthümler ist häufig zu Besuch in Knockwinnock und Glenallan, und zwar offenbar um zwei Abhandlungen zu vollenden, die eine über den Panzer des großen Grafen, die andere über den linken Handschuh des Höll-in-Harnisch. Er fragt regelmäßig nach, ob Lord Geraldin die Caledoniade begonnen hat, und schüttelt den Kopf bei der Antwort, die ihm zu Theil wird. En attendant, hat er indeß seine Noten vervollständigt, welche, wie wir glauben, jedem zu Dienste stehen, der sie veröffentlichen will, aber versteht sich, ohne Gefahr und Kosten für den Alterthümler.

 

Ende des dritten und letzten Theils.

 


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