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Viertes Kapitel.

Gewissensqual – sie läßt uns nie –
Sie folgt, gleich einem Bluthund, unsern Schritten
Durch's wilde Labyrinth der Jugendthorheit.
Oft unbemerkt, bis uns das Alter zähmte;
Dann, auf dem Lager, wenn die Zeit uns lahm gemacht
Und uns nicht Hoffnung ließ zu Kampf noch Flucht,
Erreicht uns jenes Bluthunds Bellen, kündend
Uns Alles, was von Weh und Strafe droht.

Altes Schauspiel.

»Ich brauche Euch nicht zu sagen,« so redete die alte Frau den Grafen von Glenallan an, »daß ich die Lieblingsdienerin und Vertraute Joscelindens, der Gräfin von Glenallan, war, welcher Gott gnädig sein mag!« (hier bekreuzte sie sich.) »Auch glaub' ich, daß Ihr nicht vergessen haben werdet, daß ich viele Jahre lang ihre Achtung genoß. Ich vergalt dies durch die aufrichtige Zuneigung; aber ich fiel in Ungnade, eines geringfügigen Ungehorsams wegen, wovon Eure Mutter Jemand benachrichtigte, welcher meinte, und nicht ganz mit Unrecht, daß ich ihre Handlungen und die Eurigen belausche.«

»Ich bitte dich, Weib,« sagte der Graf mit vor Bewegung zitternder Stimme, »nenne den Namen jener Person nicht, damit ich ihn nicht höre.«

»Ich muß,« erwiederte die Büßerin fest und ruhig, »wie kann ich mich Euch sonst verständlich machen?«

Der Graf stützte sich auf einen der hölzernen Sessel in der Hütte, drückte sich den Hut tief in's Gesicht, schlug die Hände in einander und biß die Zähne zusammen, wie Einer, der allen Muth zusammen rafft, um sich einer schmerzlichen Operation zu unterziehen. Darauf gab er ihr ein Zeichen, fortzufahren.

»Ich sage also,« begann sie wieder, »daß ich meine Ungnade hauptsächlich der Miß Eveline Neville verdankte, die damals im Schloß Glenallan als Tochter eines Verwandten und vertrauten Freundes Eures Vaters, welcher gestorben war, erzogen ward. Es war viel Geheimnißvolles in ihrer Geschichte; aber wer wagte, mehr zu erforschen, als was der Gräfin selbst zu sagen gefiel? – Alle in Glenallan liebten Miß Neville – Alle, außer zwei – Eure Mutter und ich – wir beide haßten sie.«

»Gott! und aus welchem Grunde, da doch nie ein sanfteres, holderes und liebenswürdigeres Wesen in dieser elenden Welt lebte?«

»Vielleicht deswegen,« erwiederte Elsbeth, »weil Eure Mutter Alles haßte, was aus Eures Vaters Familie kam – Alles, außer ihn selbst. Der Grund beruhte auf einem Streite, der bald nach ihrer Vermählung zwischen ihnen vorfiel; die einzelnen Umstände desselben gehören nicht hieher. Doch, ja, ohne Zweifel haßte sie Eveline Neville, als sie bemerkte, daß eine wachsende Zuneigung zwischen Euch und dem unglücklichen jungen Mädchen entstanden war! Ihr müßt Euch erinnern, daß der Gräfin Mißfallen anfangs nicht weiter ging, als daß sie eine kalte Abneigung äußerte – zum wenigsten ließ sich nichts weiter bemerken; aber im Lauf der Zeit artete es in solche offenbare Gewaltthat aus, daß Miß Neville eine Zuflucht auf Schloß Knockwinnock bei Sir Arthur's Gemahlin suchen mußte, die (Gott segne sie!) damals noch lebte.«

»Du brichst mein Herz, indem du diese Umstände aufzählst – doch fahre fort, und meine gegenwärtige Qual möge bei der Buße für das unfreiwillige Verbrechen in Rechnung kommen!«

»Sie war seit einigen Monaten abwesend,« fuhr Elsbeth fort, »als ich in einer Nacht die Rückkehr meines Mannes vom Fischfang erwartete und im Stillen die bittern Thränen vergoß, die mir mein stolzer Sinn stets auspreßte, so oft ich an meine Ungnade dachte. Da öffnete sich die Thür, und die Gräfin, Eure Mutter, betrat meine Wohnung. Ich glaubte ein Gespenst erblickt zu haben, denn selbst als ich in der höchsten Gunst stand, hatte sie mir nie diese Ehre gethan, und sie sah so bleich und geisterhaft aus, als sei sie aus dem Grabe gestiegen. Sie setzte sich nieder und preßte die Tropfen aus ihrem Haar und Gewande, denn die Nacht war regnerisch und ihr Weg war durch die Pflanzungen gegangen, die mit Thau bedeckt waren. Ich erwähne dies Alles nur, damit Ihr sehen mögt, wie klar diese Nacht noch in mir lebt, – und das muß sie freilich wohl. Ich war überrascht, sie zu sehen, aber ich wagte anfangs nicht zu sprechen, wie wenn ich ein Gespenst gesehn hätte. Nein, ich wagte es nicht, Mylord, ich, die doch schon viel Schreckliches geschaut hatte. Endlich, nach einer Pause, sagte sie: ›Elsbeth Cheyne,‹ (denn sie gab mir noch immer meinen Geburtsnamen), ›bist du nicht die Tochter des Reginald Cheyne, welcher starb, um seinen Herrn, Lord Glenallan, auf dem Schlachtfelde von Sheriffmuir zu retten?‹ Und ich antwortete beinahe eben so stolz, wie sie selber: – ›So gewiß, als Ihr die Tochter des Grafen von Glenallan seid, den mein Vater damals durch seinen eignen Tod rettete.‹«

Hier machte sie eine Pause.

»Und was folgte? was folgte? Um des Himmels willen, gute Frau – – aber wozu sollte ich dies Wort brauchen? Nun, gut oder schlecht, ich befehle dir, mir weiter zu erzählen.«

»Ich würde eines irdischen Befehles wenig achten,« antwortete Elsbeth, »wäre nicht eine Stimme da, die im Wachen und im Schlaf zu mir gesprochen hat und die mich treibt, dir die traurige Geschichte zu erzählen. – Wohlan, Mylord! Die Gräfin sagte zu mir: ›Mein Sohn liebt Eveline Neville – sie sind einig – sie sind verlobt; – sollten sie einen Sohn erhalten, so ist mein Recht auf Glenallan erloschen. Von diesem Augenblicke sinke ich von einer Gräfin zu einer elenden Wittwe mit einem Jahrgehalte herab. Ich, die ich meinem Gemahl Land und Vasallen, edles Blut und alten Ruhm brachte, ich müßte aufhören, Gebieterin zu sein, sobald mein Sohn einen männlichen Erben bekäme. Aber ich habe deshalb keine Sorgen; hätte er eine Andre, als aus dem verhaßten Hause Neville, geheirathet, so würd' ich ruhig sein. Aber daß sie – daß sie und ihre Nachkommen das Recht und die Ehren meiner Ahnen genießen sollten, das geht mir durch's Herz, wie ein zweischneidiges Schwert. Und dieses Mädchen – ich verabscheue sie!‹ – Und ich antwortete, denn mein Herz entbrannte bei ihren Worten, daß mein Haß dem ihrigen gleich sei.«

»Elende!« rief der Graf, trotz seines Entschlusses, Stillschweigen zu beobachten. – »Elendes Weib! aus welchem Grunde konntest du ein so sanftes und unschuldiges Wesen hassen!«

»Ich haßte, was meine Gebieterin haßte, wie es stets Brauch war bei den Lehensleuten des Hauses Glenallan; denn, Mylord, obwohl ich unter meinem Stande heirathete, so ging doch keiner Eurer Ahnen je in's Schlachtfeld, dem nicht ein Vorfahr des schwachen, wahnwitzigen, alten, unnützen Geschöpfs, welches jetzt mit Euch redet, den Schild vorgetragen hätte. – Aber das war nicht Alles,« fuhr sie fort, deren irdische und übele Leidenschaften wieder erwachten, während sie warm bei der Erzählung wurde; »das war nicht Alles. – Ich haßte Miß Eveline Neville ihrer selbst willen; ich begleitete sie aus England, und während der ganzen Reise verspottete sie meine nordische Sprache und Sitte, wie es ihre südländischen Damen und Gefährtinnen in der Erziehungsanstalt gethan hatten.« (Es mag seltsam scheinen; aber sie sprach von dem Spotte, den ein unbedachtes Schulmädchen ohne Absicht geäußert hatte, mit einem Ingrimm, den nach so langer Zeit selbst eine tödtliche Beleidigung in einem gutgearteten Herzen weder begründet noch gerechtfertigt haben würde.) – »Ja, sie höhnte und neckte mich – aber die den Tartan höhnen, mögen den Dolch fürchten!«

Sie hielt eine Weile inne, und fuhr dann fort: »Aber ich läugne nicht, daß ich sie mehr haßte, als sie es verdiente. Meine Gebieterin, die Gräfin, fuhr fort und sagte: ›Elsbeth Cheyne, dieser ungehorsame Knabe wird sich mit dem falschen englischen Blute vermählen. Wären die Zeiten noch, wie ehemals, so könnt' ich sie in's Burgverließ von Glenallan werfen, und ihn im Kerker von Strathbonnel anschmieden. Aber diese Zeiten sind vorüber, und das Ansehn, welches die Edeln des Landes besitzen sollten, ist spitzfindigen Richtern und ihren noch schlechtern Gehilfen geworden. Höre mich, Elsbeth Cheyne! Bist Du Deines Vaters Tochter, wie ich die des meinen, so werd' ich Mittel finden, daß sie einander nicht heirathen sollen. Sie wandelt oft nach der Klippe, die deine Wohnung überragt, um ihres Geliebten Boot zu erspähen,‹ – (Ihr müßt Euch erinnern, Mylord, daß Ihr damals gern auf der See Euer Vergnügen suchtet,) ›laß ihn sie vierzig Faden tiefer finden, als er erwartet!‹ – Ja! – Ihr mögt staunen und zürnen und die Hände ringen; aber, so gewiß ich dem einzigen Wesen bald gegenüber stehe, das ich je fürchtete: – und ach, daß ich es mehr gefürchtet hätte! – Dies waren die Worte Eurer Mutter. Was hälf' es mir, Euch zu belügen? Aber ich mochte meine Hände nicht mit Blut beflecken. – Darauf sagte sie: ›Nach der Religion unserer heiligen Kirche sind Beide zu nahe verwandt. Aber ich erwarte nichts Anderes, als daß Beide Ketzer werden, wie sie schon ungehorsame Verworfene sind;‹ mit diesem Grunde unterstützte sie ebenfalls ihren Antrag. Da aber der böse Feind immer in Köpfen geschäftig ist, die gleich dem meinigen über ihren Stand und ihre Bestimmung hinaus gebildet sind, so antwortete ich unglücklicher Weise: ›Aber man könnte sie ja dahin bringen, sich selbst für so nah' verwandt zu halten, daß kein christliches Gesetz ihre Ehe gestatten könnte.‹«

Hier rief der Graf von Glenallan mit einem so durchdringenden Schrei, daß das Dach der Hütte davon bersten zu müssen schien: »O! also Eveline Neville war nicht die – die –«

»Die Tochter, wollt Ihr sagen, Eures Vaters?« fuhr Elsbeth fort. »Nein, mag es Euch eine Marter oder ein Trost sein – Ihr sollt die Wahrheit wissen: sie war so wenig eine Tochter aus dem Hause Eures Vaters, als ich selber.«

»Weib, täusche mich nicht – bringe mich nicht dahin, das Andenken der Mutter zu verfluchen, die ich kaum erst in's Grab gelegt habe, weil sie Theil hatte an dem grausamsten, teuflischsten –«

»Bedenkt, Lord Geraldin, eh' Ihr das Andenken der hingegangenen Mutter verflucht, ob Keiner mehr von dem Blute der Glenallan lebt, dessen Fehler die furchtbare Katastrophe veranlaßte?«

»Meinst du meinen Bruder? – Auch er ist gestorben,« sagte der Graf.

»Nein,« erwiederte die Sibylle, »Euch selber mein ich, Lord Geraldin. Hättet Ihr nicht den Gehorsam eines Sohnes verletzt, indem Ihr Eveline Neville im Stillen heirathetet, während sie auf Besuch zu Knockwinnock war, so würde Euch unser Plan zwar auf einige Zeit getrennt haben, hätte aber wenigstens Eure Schmerzen nicht durch Gewissensqualen geschärft. Aber Euer eignes Benehmen vergiftete die Waffe, die wir führten, und sie durchbohrte Euch um so gewaltiger, da Ihr Euch übereilt ihr entgegenstürztet. Wäre Eure Vermählung eine offenkundige und anerkannte Sache gewesen, so würde und könnte unsre List, Euch ein unübersteigliches Hinderniß in den Weg zu legen, nie gegen Euch angewendet worden sein.«

»Großer Gott!« sagte der unglückliche Edelmann; »es ist, wie wenn mir eine Binde von den verdunkelten Augen fiele! – Ja, jetzt verstehe ich wohl die zweideutigen Andeutungen, die mir meine unglückliche Mutter, um mich zu trösten, gab; sie sollten auf indirektem Wege die Beweise der Schreckensthat schwächen, deren ich mich, von ihren Kunstgriffen umgarnt, für schuldig hielt.«

»Sie konnte nicht deutlicher sprechen,« antwortete Elsbeth, »ohne ihren eigenen Betrug zu gestehen, und lieber würde sie sich von wilden Pferden haben zerreißen lassen, als daß sie ihre That bekannt hätte; lebte sie noch, so würde ich ihretwillen dasselbe thun. Alle vom Geschlechte Glenallan, Männer und Frauen, waren stolze Herzen, und so waren auch Alle, die in alten Zeiten das Losungswort Clochnaben riefen – sie standen Schulter an Schulter – kein Mann schied von seinem Häuptling aus Liebe zu Geld oder Gewinn, mit Recht oder Unrecht. – Die Zeiten haben sich nun verändert, wie ich höre.«

Der unglückliche Edelmann war zu sehr mit seinen verworrenen und quälenden Betrachtungen beschäftigt, um die Ausdrücke einer wilden und rohen Treue bemerken zu können, worin, selbst am äußersten Rande des Lebens, die unglückliche Urheberin seiner Leiden noch eine starke und sichere Quelle des Trostes zu finden schien.

»Großer Gott!« rief er, »also bin ich frei von der schrecklichsten Schuld, womit sich der Mensch beflecken kann, und deren Bewußtsein, obwohl ich sie unfreiwillig begangen hätte, meinen Frieden vernichtete, meine Gesundheit zerstörte und mich zu einem frühen Grabe führt. Empfange,« rief er inbrünstig, die Augen gen Himmel richtend, »empfange meinen demüthigen Dank! – Wenn ich elend lebte, so muß ich wenigstens nicht mit dieser unnatürlichen Schuld befleckt sterben! – Und du – fahre fort, wenn du mehr zu sagen hast – fahre fort, da du noch Athem hast zu reden, und ich noch im Stande bin, zu hören.«

»Ja, antwortete die Alte, »die Stunde, wo Ihr hören könnt und wo ich sprechen kann, entfliehet in der That schnell – der Tod hat Eure Stirn mit seinem Finger gezeichnet, und ich spüre seinen Griff mit jedem Tage kälter an meinem Herzen. Unterbrecht mich nicht mehr mit Ausrufen und Seufzern und Anklagen, sondern hört meine Erzählung zu Ende! Und dann – wenn Ihr in der That solch ein Lord von Glenallan seid, wie sie mir geschildert wurden – dann laßt Eure lustigen Narren Dornen sammeln, und Disteln und Gesträuche, und laßt sie diese emporhäufen, so hoch, als des Hauses Giebel, und verbrennt! verbrennt! verbrennt! die alte Hexe Elsbeth, sammt Allem, was Euch daran erinnern kann, daß je ein solches Geschöpf auf der Erde herumkroch! – –

»Fahre fort,« sagte der Graf, »fahre fort – ich will dich nicht wieder unterbrechen.«

Er sprach mit halberstickter, aber entschlossener Stimme, mit dem Vorsatz, daß keine Reizbarkeit von seiner Seite ihn dieser Gelegenheit berauben solle, Beweise für die wunderbare Geschichte zu sammeln, die er hier hörte. Aber Elsbeth war durch die fortgesetzte und für sie ungewöhnlich lange Erzählung erschöpft worden; der folgende Theil ihrer Geschichte war unzusammenhängender, und obwohl größtentheils noch deutlich verständlich, hatte sie doch nicht mehr die klare Bündigkeit, die der erste Theil ihrer Erzählung in so wunderbarem Grade zeigte. Lord Glenallan hielt es, nachdem sie einige Versuche gemacht hatte, ihren Bericht fortzusetzen, für nothwendig, ihrem Gedächtnisse durch Fragen zu Hilfe zu kommen; er verlangte daher, zu wissen, welche Beweise sie für die Wahrheit einer Erzählung vorbringen könne, die so sehr von dem abweiche, was sie ursprünglich erzählt hatte?

»Die Beweise von Eveline Neville's Geburt,« sagte sie, »waren in der Gräfin Besitz, und sie hatte Gründe, dieselben für einige Zeit geheim zu halten. Sie werden sich, sofern sie sie nicht vernichtet hat, im linken Fache des Ebenholzschrankes finden, der im Ankleidezimmer stand. Sie meinte diese Papiere so lange zu unterdrücken, bis Ihr auf Reisen gehen würdet, und dann hoffte sie vor Eurer Rückkehr Miß Neville nach ihrer eignen Heimath senden, oder verheirathen zu können.«

»Aber zeigtest du mir nicht Briefe meines Vaters, die mir, wenn mich in dem schrecklichen Augenblicke nicht all' meine Sinne trügten, sein Verhältniß zu – zu der Unglücklichen zu beweisen schienen?«

»Das geschah; und wie konntet Ihr oder sie an der Thatsache zweifeln, da ich sie bezeugte? – Aber wir unterdrückten die wahre Erklärung jener Briefe, nämlich daß Euer Vater es für gut hielt, wenn die junge Dame eine Zeitlang für seine Tochter galt, und zwar aus verschiedenen Familienrücksichten.«

»Aber warum beharrtet ihr bei eurem schrecklichen Plane, als ihr unser Bündniß erfuhrt?«

»Nicht eher,« erwiederte sie, »kam Lady Glenallan auf den Argwohn, daß die Heirath vollzogen sei, als da sie die falsche Nachricht schon mitgetheilt hatte. – Aber auch selbst dann erklärtet Ihr noch nicht genügend, ob die Ceremonie bereits wirklich stattgefunden habe, oder nicht. – Aber besinnt Euch, o, Ihr müßt Euch besinnen, was bei der schrecklichen Unterredung vorfiel!«

»Weib, du beschwurst die Wahrheit dessen auf das Evangelium, was du jetzt abläugnest.«

»Ich that es, und würde einen noch heiligern Eid geleistet haben, wenn es einen gegeben hätte – Ich würde das Blut meines Leibes und die Schuld meines Innern nicht geschont haben, um dem Hause Glenallan zu dienen.«

»Elende! nennst du den schrecklichen Meineid, von noch fürchterlichern Folgen begleitet – nennst du das einen Dienst, den du dem Hause deiner Wohlthäter geleistet hättest?«

»Ich diente ihr, die damals das Oberhaupt von Glenallan war, weil sie verlangte, ich solle ihr dienen. Die Sache gehörte vor Gott und ihr Gewissen – die Handlung habe ich vor Gott zu vertreten. Sie ist schon zur Rechenschaft gegangen und ich werde folgen – Hab' ich Euch Alles gesagt?«

»Nein,« antwortete Graf Glenallan; »du hast noch mehr zu sagen. Du hast mir noch von dem Tode des Engels zu berichten, den dein Meineid zur Verzweiflung trieb, weil sie sich von einem so abscheulichen Verbrechen befleckt glaubte – Rede Wahrheit! war das schreckliche – war das schreckliche Ereigniß« – kaum vermochte er die Worte auszusprechen – »war es so, wie es berichtet ward? Oder war es eine fernere, wenn auch nicht so schreckliche Handlung der Grausamkeit, die von Andern angestiftet wurde?«

»Ich versteh' Euch,« sagte Elsbeth. »Aber das Gerücht sprach wahr. Unser falsches Zeugniß war freilich die Ursache, aber die That war ihr eignes Werk der Verzweiflung. Bei jener furchtbaren Entdeckung, als Ihr aus dem Zimmer der Gräfin stürztet, Euer Pferd satteltet und das Schloß mit Blitzesschnelle verließt, wußte die Gräfin noch nichts von Eurer geheimen Vermählung; sie hatte noch nichts von der Verbindung erfahren, zu deren Verhinderung sie diese furchtbare Geschichte erfunden hatte. Ihr flohet aus dem Hause, als ob das Feuer des Himmels eben darauf niederfallen wollte, und Miß Neville, die halb von Sinnen war, ward in sichere Verwahrung gebracht. Aber die Wache schlief ein und die Gefangne wachte – das Fenster war offen – der Weg lag vor ihr – dort war die Klippe und dort war die See! – O, wann werd' ich das vergessen!«

»Und sie starb,« sagte der Graf, »ganz so, wie man berichtete?«

»Nein, Mylord. Ich war nach der Bucht hinausgegangen. Die Fluth war da und diese reichte, wie Ihr Euch erinnern werdet, bis zum Fuße der Klippe. Das war ein vortheilhafter Umstand für das Gewerbe meines Mannes – Ach, wohin verirr' ich mich da? – Ich sah einen weißen Gegenstand von der Höhe der Klippe niederfliegen, wie eine Seemöve durch den Nebel, und dann erkannte ich an einem schweren Fall und am Emporspritzen des Wassers, daß ein Mensch in die Wellen gefallen war. Ich war kühn und stark, und vertraut mit der Fluth. Ich stürzte hinein, ergriff ihr Kleid, zog sie heraus und trug sie auf meinen Schultern fort – ich hätte damals zwei solche tragen können – trug sie fort nach meiner Hütte und legte sie auf mein Bett. Die Nachbarn kamen und halfen. Aber die Reden, die sie in ihrem Wahnsinne hören ließ, sobald sie der Sprache wieder mächtig war, waren von der Art, daß ich die Leute gern fortschickte und im Schlosse Glenallan Nachricht geben mußte. Die Gräfin sandte ihre spanische Dienerin Teresa herab. Wandelte je ein Teufel auf Erden in menschlicher Gestalt, so war dies Weib einer. Sie und ich bewachten die unglückliche Lady, und ließen keine andre Person in ihre Nähe. Gott weiß, welche Rolle Teresa zu spielen hatte, sie sagte mir nichts davon; aber der Himmel führte selbst den Schluß herbei. Die arme Lady! sie ward vor der Zeit von Wehen befallen, gebar einen Knaben und starb in meinen Armen – in den Armen ihrer Todfeindin! Ja, Ihr mögt weinen! sie war ein holdes, liebenswürdiges Geschöpf. Aber meint Ihr, daß ich jetzt um sie trauern kann, wenn ich damals nicht um sie trauern konnte? – Nein, nein! – Ich ließ Teresa bei dem Leichnam und dem neugeborenen Kinde, während ich hinging, um der Gräfin Befehle einzuholen, was nun zu thun sei. So spät es war, weckte ich sie doch, und sie befahl mir, Euren Bruder zu rufen,« –

»Meinen Bruder?«

»Ja, Lord Geraldin, Euren Bruder, den sie, wie Einige sagen, zu ihrem Erben wünschte. Jedenfalls war er bei der Erbfolge des Hauses Glenallan am meisten betheiligt.«

»Und ist es möglich, zu glauben, daß mein Bruder, um aus Habsucht mein Erbe an sich zu reißen, zu einer so schlechten und fürchterlichen List seine Hilfe lieh?«

»Eure Mutter glaubte es,« sagte die Alte mit einem teuflischen Lachen; »ich machte diesen Plan nicht; aber was sie thaten oder sagten, will ich nicht sagen, weil ich es nicht hörte. Lange rathschlagten sie in dem schwarzen getäfelten Ankleidezimmer; und als Euer Bruder durch das Gemach ging, wo ich wartete, schien es mir, (und nach der Zeit hab' ich oft dasselbe gedacht,) daß das Feuer der Hölle in seinem Gesicht und Blicke brannte. Aber er hatte einen Theil davon seiner Mutter überlassen. Sie trat in das Zimmer wie ein wahnsinniges Weib und ihre ersten Worte waren: »Elsbeth Cheyne, hast du je eine frisch entknospete Blume gepflückt?« Ich antwortete, wie natürlich, daß ich das oft gethan hätte; »dann,« sagte sie, »wirst du um so besser wissen, wie die verbrecherische und ketzerische Knospe zu vertilgen ist, die in dieser Nacht zur Schmach für meines Vaters edles Haus entsprossen ist – Sieh hier,« (sie reichte mir eine goldne Nadel,) »nichts, außer Gold, darf Glenallan's Blut vergießen. Dieses Kind ist bereits so gut wie todt, und da du und Teresa allein weiß, daß es lebt, so macht mit ihm, was ihr bei mir verantworten könnt!« Und sie wandte sich mit ihrer Wuth von mir, und ließ mich mit der Nadel in der Hand stehen. Hier ist sie; dies und der Ring der Miß Neville ist Alles, was ich von meinem übel erworbenen Gut behalten habe – denn ich hatte viel Gut erworben. Und sorgsam hab' ich das Geheimniß bewahrt, aber nicht für Gold oder sonstigen Gewinn.«

Ihre lange, knochige Hand hielt Lord Glenallan eine goldene Nadel entgegen, von welcher er im Geiste noch das Blut seines Kindes niederträufeln sah.

»Elende! hattest du das Herz?«

»Ich weiß nicht, ob ich es thun konnte oder nicht. Ich kehrte nach meiner Hütte zurück, ohne den Boden zu fühlen, den ich betrat; aber Teresa und das Kind waren fort – alles Lebendige war fort – nichts war geblieben, als der leblose Körper.«

»Und hörtest du nie Etwas von meines Kindes Schicksal?«

»Ich konnte nur rathen. Ich habe Euch Eurer Mutter Absicht gesagt, und ich weiß, daß Teresa ein Teufel war. Sie ward nie wieder in England gesehen, und ich habe gehört, sie sei nach ihrer Heimath zurückgegangen. Ein dunkler Vorhang ist vor das Vergangene gefallen, und die Wenigen, die Etwas davon gesehen hatten, konnten nur an Verführung und Selbstmord denken. Ihr selbst –«

»Ich weiß – ich weiß Alles,« antwortete der Graf.

»Ihr wißt in der That Alles, was ich sagen kann. Und nun, Erbe von Glenallan, könnt Ihr mir vergeben?«

»Bitte bei Gott um Vergebung, nicht bei Menschen« – sagte der Graf, sich wegwendend.

»Und wie soll ich vom Reinen und Unbefleckten erbitten, was mir von einem Sünder, gleich mir selbst, verweigert wird? Wenn ich gesündigt hatte, hab' ich nicht auch gelitten? Hab' ich einen Tag Frieden, oder eine Stunde Rast gehabt, seit dem Tage, da jene langen feuchten Locken auf meinem Bette in Craigburnfoot lagen? Ist mir nicht mein Haus verbrannt sammt meinem Kind in der Wiege? Sind nicht meine Boote zerschellt, wenn alle andern dem Sturm entkamen? Hat nicht Alles, was mir nah' und lieb war, Leid für meine Sünde erdulden müssen? Hat nicht das Feuer sein Theil davon gehabt, – hat nicht der Sturm, – hat nicht die See ihr Theil gehabt? Und o!« (fügte sie mit einem tiefen Seufzer hinzu, während sie erst gen Himmel schaute und dann den Blick auf den Boden senkte,) »O! daß die Erde doch ihren Theil nehmen möchte, der sich schon so lange sehnte, mit ihr vereint zu werden!«

Graf Glenallan hatte die Thür der Hütte erreicht, aber sein großmüthiger Charakter erlaubte ihm nicht, die unglückliche Frau in diesem verzweifelten Zustande zu verlassen. »Mag Gott dir vergeben, unglückliches Weib,« sagte er, »so aufrichtig, als ich es thue! – Wende dich um Gnade an Ihn, der allein Gnade gewähren kann, und mögen deine Gebete erhört werden, als wenn es meine eignen wären! – Ich will einen Geistlichen schicken.«

»Nein, nein, keinen Priester! keinen Priester!« rief sie; aber die Thür der Hütte öffnete sich bei ihren Worten und hinderte sie am Weitersprechen.


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