Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel.

Betrachte dies, wer will, mir fehlt die Lust: –
Denn war er auch ein Knecht der Pracht des Ranges,
Und all des Nichts, das ihm genommen nun
Gemäß dem harten Spruch der strengen Noth,
Ist's traurig doch, die düstre Stirn zu sehn,
Drauf Eitelkeit den dünnen Schleier breitet,
Die Furchen dort der Reu' und Angst zu decken.

Altes Schauspiel.

Als Miß Wardour im Schloßhofe ankam, ward sie gleich beim ersten Blicke gewahr, daß sich die Gerichtsdiener bereits eingefunden hatten. Verwirrung, Unruhe und Neugier unter den Dienstleuten zeigte sich, während die Beamten von einem Punkte zum andern gingen, und ein Verzeichniß aller Gegenstände aufnahmen, welche ihren Händen überlassen werden sollten. Capitain M'Intyre eilte ihr entgegen, als sie, durch die traurige Ueberzeugung von ihres Vaters Ruin fast niedergeschmettert, unter der alten Pforte des Schlosses stehen blieb.

»Theure Miß Wardour,« sagte er, »ängstigen Sie sich nicht; mein Oheim wird gleich kommen und ich bin überzeugt, er wird Mittel finden, um diese Schurken aus dem Hause zu schaffen.«

»Ach, Capitain M'Intyre, ich fürchte, es wird zu spät sein.«

»Nein,« antwortete Edie ungeduldig; »könnt ich nur nach Tannonburgh kommen. In des Himmels Namen, Capitain, verschaffen Sie mir ein Mittel hin zu kommen, und Sie leisten dieser armen ruinirten Familie einen größern Dienst, als ihr je seit den Tagen des Rothhand geleistet worden – so gewiß, als die alte Sage wahr ist, daß Knockwinnock an demselben Tage verloren und gewonnen werden soll.«

»Ei, was kannst du helfen, alter Mann?« sagte Hektor.

Aber Robert, der Diener, mit welchem Sir Arthur diesen Morgen so unzufrieden gewesen war, trat, als hätte er nur eine Gelegenheit erwartet, um seinen Diensteifer zu beweisen, hastig hervor und sagte zu seiner Gebieterin: »wirklich, Miß Wardour, dieser alte Mann ist in vielen Dingen sehr erfahren, z. B. was die Krankheiten der Kühe, der Pferde und dergleichen betrifft, und ich bin überzeugt, daß er nicht vergebens nach Tannonburgh gehen wird, da er so sehr darauf besteht; wenn Sie es erlauben, so fahre ich ihn in Zeit von einer Stunde hin. – Ich möchte gern von einigem Nutzen sein – ich könnte mir selber die Zunge ausbeißen, wenn ich an diesen Morgen denke.«

»Ich danke dir, Robert,« sagte Miß Wardour; »und wenn du wirklich glaubst, daß nur die geringste Aussicht da sei, daß es von Nutzen« –

»In Gottes Namen,« sagte der alte Mann, »spanne nur den Wagen an, Robert, und wenn ich nicht auf irgend eine Weise nützlich bin, so sollst du mich drüben über die Brücke werfen, wenn wir zurückkommen. Aber, Freund, eile, denn die Zeit ist heute kostbar.«

Robert sah auf seine Gebieterin, während diese ins Haus ging; und da er keinen Widerruf der Erlaubniß hörte, eilte er nach dem Stall, der gleich neben dem Hofe war, um den Wagen zurecht zu machen; denn wenn auch ein alter Bettler diejenige Person war, von welcher sich am wenigsten Hilfe in einer Geldverlegenheit erwarten ließ, so herrschte doch unter den gemeinen Leuten, welche Edie kannten, allgemein der Glaube an seine Klugheit und seinen Scharfsinn, und dieser rechtfertigte Robert's Folgerung, daß er nicht so ernstlich auf dieser Fahrt bestehen würde, wenn er nicht von ihrer Nützlichkeit überzeugt wäre. Aber kaum wollte der Diener das Pferd und den Wagen anschirren, als ihm ein Gerichtsdiener auf die Schulter klopfte: »Mein Freund, du mußt das Thier stehn lassen, es ist schon mit aufgezeichnet.«

»Was,« sagte Robert, »soll ich nicht meines Herrn Pferd nehmen, wenn ich eine Botschaft meines Fräuleins auszurichten habe?«

»Du darfst hier nichts wegnehmen,« sagte der Gerichtsbeamte, »wenn du nicht für alle Folgen verantwortlich sein willst.«

»Was der Teufel, Sir,« sagte Hektor, welcher mitgegangen war, um Ochiltree etwas genauer über die Art seiner Hoffnungen und Erwartungen auszufragen, und dessen Haar sich bereits, wie bei den Dachshunden seiner bergigen Heimath, zu sträuben begann, indem er nur nach einem schicklichen Vorwand suchte, um seinem Unwillen Luft zu machen, – »bist du so unverschämt, den Diener an der Ausführung der Befehle seiner Gebieterin zu hindern?«

Es lag etwas in der Miene und in dem Tone des jungen Kriegers, was anzukündigen schien, seine Einmischung werde sich nicht auf Worte allein beschränken; und wenn sie auch am Ende die Vortheile einer Klage wegen Schlägerei und Gewaltthat versprach, so lag doch am Tage, daß die fatalen Umstände vorausgehen würden, auf welche sich eine solche Klage gründen ließ. Der Gerichtsbeamte, einem Militär gegenüber, faßte mit der einen unsichern Hand den Stock, der seiner Autorität Nachdruck geben sollte, und mit der andern zog er sein Amtsstäbchen hervor, welches mit Silber beschlagen und mit einem beweglichen Ringe versehen war. »Capitain M'Intyre – Sir, ich habe mit Ihnen nichts zu schaffen – aber wenn Sie mir in Vollziehung meiner Amtspflicht hinderlich sind, so zerbrech' ich den Friedensstab und erkläre mich für gewaltsam von meiner Pflicht geschieden.«

»Und wer Teufel kümmert sich darum,« sagte Hektor, dem jene gerichtlichen Ausdrücke völlig fremd waren, »ob du geschieden oder verheirathet bist? – Und was das Brechen deines Stabes oder des Friedens betrifft, oder wie du es nennst, so weiß ich nur, daß ich dir die Knochen zerbreche, wenn du den Mann hinderst, seiner Gebieterin zu gehorchen und die Pferde anzuspannen.«

»Ich nehme Alle, die hier sind, zu Zeugen,« sagte der Gerichtsbote, »daß ich ihm meinen Amtsstab zeigte und meinen Charakter kund that. – Wer es nicht erkennen will, mag es verantworten.« – Mit diesen Worten ließ er seinen räthselhaften Ring von einem Ende des Stabes zum andern gleiten, denn dies war das gebräuchliche Zeichen, daß er gewaltsam in der Ausübung seiner Pflicht unterbrochen worden sei.

Held Hektor, der besser mit der Artillerie des Schlachtfeldes, als mit der des Gesetzes bekannt war, sah diese geheimnißvolle Ceremonie sehr gleichgiltig an; eben so wenig kümmerte es ihn, daß sich der Gerichtsbote hinsetzte, und ein Protocoll über die erfahrne Gewaltthätigkeit aufnahm. Aber in diesem Augenblicke kam der Alterthümler, um den wohlgesinnten aber hitzköpfigen Hochländer von schwerer Strafe zu retten; er schwitzte und keuchte und hatte das Taschentuch unter dem Hute, die Perücke aber auf einem Ende seines Stockes.

»Was zum Henker geht hier vor?« rief er, hastig seinen Kopfputz an Ort und Stelle setzend; »voll Angst bin ich dir nachgegangen, weil ich deinen Narrenkopf an einem Felsen zerschmettert zu finden erwartete, und nun finde ich dich hier getrennt von deinem Bucephalus, aber im Streit mit Fegerein. Ein Gerichtsbote, Hektor, ist ein schlimmerer Feind als eine phoca, mag es nun die phoca barbata, oder die phoca vitulina sein, mit welcher du jüngst zusammenkamst.«

»Verflucht sei die phoca, Oheim,« sagte Hektor, »mag es die eine oder die andre sein – ich sage, verflucht seien alle miteinander! – Ich denke doch, Sie wollen nicht, daß ich hier ruhig stehe und zusehe, wenn ein Schuft wie dieser, nur weil er sich einen königlichen Gerichtsboten nennt, (ich glaube, für das geringste Geschäft wird der König bessere haben,) sich untersteht, eine junge vornehme und gebildete Dame, wie Miß Wardour, zu beschimpfen?«

»Sehr richtig, Hektor,« sagte der Alterthümler; »aber der König hat, wie andre Leute, zuweilen schmutzige Geschäfte zu besorgen, und muß auch, im Vertrauen gesagt, schmutzige Leute dazu haben. Aber auch angenommen, daß du mit den Statuten Wilhelms des Löwen nicht bekannt bist, wo, capite quarto, versu quinto, das gegenwärtige Verbrechen despectus Domini regis, eine Verachtung des Königs selbst, genannt ist, weil in seinem Namen alle gesetzlichen Geschäfte vollzogen werden: – so hättest du dich doch hier nicht einmischen sollen, weil ich mir ja erst heute Mühe gab, dir deutlich zu machen, daß diejenigen, die einem Gerichtsbeamten in dergleichen Geschäften hinderlich werden, tanquam participes criminis rebellionis sind! denn wer einem Rebellen hilft, tritt auch, quodammodo, selber der Rebellion bei. Aber ich will dir aus der Klemme helfen.«

Darauf redete er den Gerichtsboten an, welcher bei seiner Ankunft alle Gedanken, aus der Gewaltthätigkeit noch einen guten Vortheil zu ziehen, aufgegeben hatte, und nun auch Mr. Oldbuck's Versicherung annahm, daß Roß und Wagen wohlbehalten in zwei oder drei Stunden wieder da sein solle.

»Nun gut, Sir,« sagte der Antiquar, »da du so höflich gesinnt bist, sollst du ein anderes Profitchen haben – es betrifft gewissermaßen Hochverrath – ein Verbrechen, strafbar per Legem Juliam, Freund Fegerein – hör' mich an.«

Nachdem er fünf Minuten leise mit ihm gesprochen hatte, gab er ihm ein Papier, nach dessen Empfang der Gerichtsbote sein Pferd bestieg und mit einem seiner Gehilfen rasch von dannen ritt. Der Dritte, welcher zurückblieb, schien das Verfahren absichtlich zu verzögern und ging äußerst langsam zu Werke, mit all der Vorsicht und Genauigkeit eines Menschen, der sich von einem geschickten und strengen Inspektor beobachtet weiß.

Inzwischen nahm Oldbuck seinen Neffen beim Arm, ging mit ihm in das Haus und ließ sich bei Sir Arthur Wardour einführen, welcher, schwankend zwischen verwundetem Stolz, banger Besorgniß und dem vergeblichen Streben, dies Alles unter einem Schein von Gleichgiltigkeit zu verbergen, einen Gegenstand schmerzlichen Mitleids darstellte.

»Freue mich, Sie zu sehn, Mr. Oldbuck – meine Freunde seh' ich stets gern, in gutem wie in schlechtem Wetter,« sagte der arme Baronet, indem er sich bemühte, nicht nur ruhig, sondern selbst fröhlich zu sehen, eine Affectation, welche in seltsamem Gegensatze zu dem krampfhaften Drucke seiner Hand und zu seinem aufgeregten Benehmen stand; »es freut mich, Sie zu sehen; wie ich sehe, reiten Sie; hoffentlich hat man bei dieser Verwirrung Ihre Pferde gut in Acht genommen? ich sah stets darauf, daß die Pferde meiner Freunde gut abgewartet wurden. Nun, jetzt werd' ich denselben all' meine Sorgfalt schenken können, denn Sie sehen, daß man mir keines von meinen eigenen läßt – ha, ha, ha! nun Mr. Oldbuck?«

Dieser Versuch, einen Scherz zu machen, ward von einem krampfhaften Lachen begleitet, welches nach des armen Sir Arthur's Willen, ganz gleichgiltig klingen sollte.

»Sie wissen, daß ich nie reite, Sir Arthur,« sagte der Alterthümler.

»Ich bitt' um Verzeihung; aber Ihren Neffen sah' ich vor Kurzem zu Pferde ankommen. Für Officierspferde müssen wir Sorge tragen, und das war ein hübscher Schimmel, wie ich sah.«

Sir Arthur war im Begriff zu klingeln, als Mr. Oldbuck sagte: »mein Neffe kam auf Ihrem eignen Schimmel, Sir Arthur.«

»Auf meinem!« rief der arme Baronet, »war's der meinige? nun, dann muß mich die Sonne geblendet haben – gut, ich bin nicht werth, fürder ein Pferd zu besitzen, da ich mein eignes nicht erkannte, als ich es sah.«

Guter Gott, dachte Oldbuck, wie hat dieser Mann doch sein früheres steifes Benehmen umgewandelt! Er wird leichtsinnig durch's Unglück – Sed pereunti mille figurae. – Dann fuhr er laut fort: »Sir Arthur, wir müssen nothwendig ein wenig von Geschäften sprechen.«

»Ja wohl,« sagte Sir Arthur; – »aber es war doch zu hübsch, daß ich ein Pferd nicht kannte, welches ich fünf Jahr lang geritten habe – ha! ha! ha!«

»Sir Arthur,« sagte der Alterthümler, »lassen Sie uns die kostbare Zeit nicht verschwenden; wir werden, hoff' ich, noch manch bessere Gelegenheit zum Scherz finden – desipere in loco ist der Grundsatz des Horaz. – Ich kann mir wohl denken, daß dies Alles durch Dousterswivel's Schurkerei so gekommen ist.«

»Erwähnen Sie seinen Namen nicht, Sir!« sagte Sir Arthur, und sein Benehmen verwandelte sich gänzlich; die erkünstelte Fröhlichkeit wich dem natürlichen Zorne – seine Augen funkelten, sein Mund schäumte und seine Hände ballten sich. »Erwähnen Sie seinen Namen nicht, Sir,« schrie er, »wenn Sie mich nicht auf der Stelle toll machen wollen! – daß ich ein so erbärmlicher Thor sein konnte! ein solcher Dummkopf! ein solches dreifach dummes Rindvieh, um mich von solch einem Schurken lenken und treiben zu lassen! und unter so lächerlichen Vorwänden! – Mr. Oldbuck, ich könnte mich selber zerreißen, wenn ich daran denke.«

»Ich wollte nur sagen,« antwortete der Antiquar, daß dieser Kerl wahrscheinlich seinen Lohn empfangen wird; und ich habe Grund zu glauben, daß wir ihm ein Geständniß erpressen werden, welches Ihnen nützlich sein kann. Gewiß unterhielt er einen gesetzwidrigen Briefwechsel nach der andern Seite des Meeres.«

»That er das? that er's? that er es wirklich? dann hol' der Teufel all dies Hausgeräth, Pferde und so fort – ich will mit Freuden in's Gefängniß gehen, Mr. Oldbuck. Ich hoffe zu Gott, es wird hinreichender Grund vorhanden sein, ihn an den Galgen zu bringen?«

»Ei, das denk' ich wohl,« sagte Oldbuck, der diese Abweichung unterstützen wollte, weil er dadurch die Gefühle zu mildern hoffte, welche des armen Mannes Verstand zu überwältigen drohten. »Es haben bessere Leute ein Halsband von Hanf bekommen, oder das Gesetz müßte hier traurig in Verfall sein. Aber um auf Ihre unglückliche Angelegenheit zu kommen – läßt sich gar nichts thun? – Zeigen Sie mir doch die Vollmacht zur Execution.«

Er nahm die Papiere und während er sie las, ward seine Miene immer düsterer und trostloser. Miß Wardour war unterdessen ins Zimmer gekommen, und als sie ihren Blick auf Oldbuck richtete, als wolle sie in seinem Gesicht ihr Schicksal lesen, erkannte sie leicht an der Veränderung seines Blickes und der herabgesenkten Unterkinnlade, wie wenig zu hoffen war.

»Wir sind also unrettbar ruinirt, Mr. Oldbuck?« sagte die junge Dame.

»Unrettbar? – ich hoffe nicht – aber die augenblickliche Forderung ist sehr groß, und andere werden, ohne Zweifel, rasch nachfolgen.«

»Ja, das ist ohne allen Zweifel, Monkbarns,« sagte Sir Arthur. »Wo Aas ist, sammeln sich die Raben. – Ich gleiche einem Schafe, welches ich vom Felsen stürzen, oder krank hinfallen sah – hat man auch seit vierzehn Tagen keinen Raben und keine Krähe gesehn, so wird es doch nicht zehn Minuten auf der Haide liegen, daß ihm nicht ein halbes Dutzend die Augen aushacken« (er bedeckte die seinigen mit der Hand,) »und die Eingeweide herausreißen, ehe noch das arme Thier Zeit hat, zu sterben. Aber den verdammten Geier, der so lange an mir nagte, den haben Sie hoffentlich festgehalten?«

»Fest genug,« sagte der Alterthümler; »der Gentleman wünschte die Flügel der Morgenröthe zu nehmen und warf sich in die, wie nennt man sie doch? – in die vierspännige Postkutsche. Aber es war schon dafür gesorgt, daß er in Edinburg in die Schlinge hätte gehen müssen. Nun kam er jedoch nicht einmal so weit, denn die Kutsche warf um – und wie könnt' es auch anders kommen, da solch ein Jonas darin war? Er that einen höllischen Fall und ward in eine Hütte, in der Nähe jener Brücke, gebracht. Um nun jede Möglichkeit zur Flucht abzuschneiden, hab' ich Ihren Freund Fegerein hingeschickt, um ihn in nomine regis nach Fairport zurückzubringen, oder um als Krankenwärter dort bei ihm zu bleiben, wie es am passendsten sein wird. – Und nun, Sir Arthur, erlauben Sie, daß wir einige Worte über ihre gegenwärtigen unangenehmen Verhältnisse reden, um zu sehen, wie wir sie etwa beseitigen können.« Der Alterthümler ging in Begleitung des unglücklichen Edelmanns nach dem Bibliothekzimmer.

Etwa zwei Stunden lang waren sie hier zusammen eingeschlossen, als sie von Miß Wardour unterbrochen wurden, welche in einen Mantel gehüllt erschien, als wäre sie im Begriff abzureisen. Ihr Gesicht sah sehr bleich, zeigte aber doch die ruhige Fassung, die sie fast stets zu behaupten wußte.

»Der Gerichtsbote ist zurückgekehrt, Mr. Oldbuck.«

»Zurückgekehrt? – Was der Teufel! er hat doch den Patron nicht laufen lassen?«

»Nein – wie ich höre, hat er ihn verhaftet; jetzt ist er wieder da, um meinen Vater in Arrest zu bringen; er sagt, er könne nicht länger warten.«

Ein lautes Geschrei ward jetzt von der Treppe her vernommen, und besonders herrschte dabei Hektor's Stimme vor. »Sie wollen ein Gerichtsbeamter sein, Sir, und diese Lumpenkerls hier Ihre Gehilfen? die zwei elenden Schneidergesellen? Stellt euch erst neun Mann hoch auf, damit wir eure Kraft prüfen können.«

Die brummende Stimme des Gerichtsbeamten murmelte jetzt eine unverständliche Antwort, worauf Hektor erwiederte: »Ei was, Sir, das hilft Alles nichts! lassen Sie Ihre Leute auf der Stelle hier abziehen, oder ich will gleich Allen den rechten Weg zeigen.«

»In dem Hektor muß der Teufel stecken,« sagte der Alterthümler, während er nach dem Schauplatz des Streites eilte; »sein hochländisches Blut regt sich wieder, und wir werden ihn ein Duell mit dem Richter ausfechten sehn. Nun, Mr. Fegerein, Sie müssen uns ein Bischen Zeit lassen – ich weiß, daß Sie Sir Arthur nicht zu übereilen wünschen.«

»Keineswegs, Sir,« sagte der Gerichtsbote, seinen Hut abnehmend, den er aufgesetzt hatte, um zu zeigen, daß er Capitain M'Intyre's Drohungen Trotz biete; »aber Ihr Neffe, Sir, führt eine sehr unhöfliche Sprache, und ich habe bereits allzuviel davon ertragen; nach meinen Instruktionen bin ich nicht berechtigt, meinen Gefangenen länger gehen zu lassen, wenn er nicht die betreffenden Summen an mich zahlt.« – Mit diesen Worten zeigte er den Verhaftsbefehl vor und deutete mit seinem Amtsstabe auf die schreckliche Reihe von Zahlen, welche auf die Rückseite des Papiers geschrieben waren.

Hektor, obwohl er aus Rücksicht auf seinen Oheim stumm blieb, beantwortete seinerseits jene Geberde, indem er mit der geballten Faust drohte und den Mann mit einem Blicke voll hochländischen Zorn's ansah.

»Thörichter Bursche, sei ruhig,« sagte Oldbuck, »und komm mit mir in das Zimmer. Der Mann thut seine traurige Pflicht und durch Widersetzlichkeit wirst du Alles nur schlimmer machen. – Ich fürchte, Sir Arthur, Sie werden diesem Mann nach Fairport folgen müssen; für den Augenblick ist keine Hilfe dagegen. Ich werde Sie begleiten, um Ihnen für das Weitere mit Rath an die Hand zu gehen. Mein Neffe wird Miß Wardour nach Monkbarns begleiten, welches sie hoffentlich zu ihrem Wohnort nehmen wird, bis diese unangenehme Sache beendigt ist.«

»Ich gehe mit meinem Vater, Mr. Oldbuck,« sagte Miß Wardour fest. »Unsere Kleider hab ich schon eingepackt. Hoffentlich werden wir einen Wagen haben?«

»Alles, was billig ist, Miß,« sagte der Gerichtsbote; »ich habe ihn schon zurecht machen lassen und er steht vor der Thüre. Ich setze mich zu dem Kutscher auf den Bock – ich will durchaus nicht lästig fallen. Aber zwei meiner Gehilfen müssen zu Pferde folgen.«

»Ich will auch von der Begleitung sein,« rief Hektor und eilte die Treppe hinab, um sich ein Pferd zu nehmen.

»Wir müssen also gehen,« sagte der Alterthümler.

»Ins Gefängniß,« sagte der Baronet, unwillkürlich seufzend; »und was ist's weiter?« fuhr er fort, indem er einen heitern Ton erkünstelte. »Es ist am Ende nur ein Haus, aus dem man nicht herausgehen kann. Nimmt man an, daß man das Podagra hätte, so ist Knockwinnock ganz das nämliche. Ja, ja, Monkbarns, wir wollen es einen Anfall von Podagra, ohne den verdammten Schmerz, nennen.«

Aber sein Auge füllte sich mit Thränen, während er sprach, und seine zitternde Stimme that kund, wie viel ihm die erkünstelte Fröhlichkeit koste. Der Alterthümler drückte ihm die Hand; und wie bei den indischen Banianen, welche die wesentlichen Bedingungen eines wichtigen Handels durch Zeichen abmachen, während sie scheinbar von gleichgiltigen Dingen reden, drückte Sir Arthur's Hand durch eine krampfhafte Erwiederung des Drucks, dem Freunde sein Dankgefühl und den wirklichen Grad seiner innern Beklommenheit aus. Langsam gingen sie die stattliche Treppe hinab, während jeder wohlbekannte Gegenstand dem unglücklichen Vater und seiner Tochter ein auffallenderes, ausgezeichneteres Ansehn, als gewöhnlich, zu haben schien, als wollte sich Alles ihnen zum letzten Male noch recht bemerklich machen.

Auf dem ersten Treppenabsatze machte Sir Arthur, von seiner Beklommenheit überwältigt, eine Pause; und als er bemerkte, daß ihn der Alterthümler besorgt anblickte, sagte er mit erkünstelter Würde: »Ja, Mr. Oldbuck, dem Abkömmling eines alten Geschlechts, dem Urenkel des Richard Rothhand und Gamelyn de Guardover, wird wohl ein Seufzer zu verzeihen sein, wenn er das Schloß seiner Väter auf so armselige Weise verläßt. Als ich mit meinem Vater im Jahr 1745 nach dem Tower geschickt wurde, so geschah es nicht in Folge einer unsre Familie entehrenden Anklage – es geschah, weil wir des Hochverraths beschuldigt waren, Mr. Oldbuck. Wir wurden von Highgate aus durch eine Abtheilung der Leibgarde begleitet und auf Befehl des Staatssekretärs gefangen gesetzt; und jetzt werde ich hier in meinem Alter aus meinem Hause durch eine so erbärmliche Kreatur, wie diese, geschleppt,« (er deutete auf den Gerichtsboten,) »und zwar wegen einer elenden Forderung von Pfunden, Schillingen und Pence.«

»Zum wenigsten,« sagte Oldbuck, »haben Sie doch jetzt die Begleitung einer treuen Tochter und eines aufrichtigen Freundes, wenn Sie erlauben, daß ich mich so nenne, und das kann schon Trost gewähren, auch abgesehn davon, daß hier kein Hängen, Zerreißen oder Viertheilen zu befürchten ist. – Aber schon wieder hör' ich den hitzigen Burschen laut toben. Gebe Gott, daß er kein neues Unheil angerichtet hat! Es war ein verwünschter Zufall, der ihn hieher gebracht hat.«

Wirklich wurde das Gespräch durch ein plötzliches Geschrei unterbrochen, wobei wieder die laute Stimme und der etwas nordische Accent Hektor's vorherrschend war. Die Veranlassung berichten wir im nächsten Kapitel.


 << zurück weiter >>