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Zehntes Kapitel.

Voll weiser Sprüche und neuer Beispiele.

Wie's euch gefällt.

»Ich wünschte bei Gott, Hektor,« sagte der Antiquar am nächsten Morgen nach dem Frühstück, »du schontest unsre Nerven, und ließest nicht immer deine Flinte knallen.«

»Ach, Oheim, es macht mir sicherlich großen Kummer, wenn ich Sie störe,« sagte der Neffe, noch immer die Vogelflinte in der Hand haltend; »aber 's ist eine Capitalflinte; 's ist eine Joe Manton und kostet vierzig Guineen.«

»Ein Narr und sein Geld sind bald von einander geschieden, Neffe – dort ist Joe Miller für deinen Joe Manton,« antwortete der Alterthümler; »es freut mich, daß du so viel Guineen wegzuwerfen hast.«

»Ein Jeder hat sein Steckenpferd, Oheim, – Sie haben die Bücher gern.«

»Ja, Hektor,« sagte der Oheim, »und wenn meine Sammlung dein wäre, du würdest sie sogleich zum Büchsenmacher, zum Pferdemarkt, zum Hundedressirer fliegen lassen, – Coemptos undique nobiles libros – mutare loricis Iberis.«

»Ich könnte Ihre Bücher nicht brauchen, mein theurer Oheim,« sagte der junge Krieger, »das ist wahr; und Sie werden wohlthun, dieselben in bessere Hände kommen zu lassen. Aber messen Sie nur die Fehler meines Kopfes nicht meinem Herzen bei. Ich würde gewiß kein Ding, das einem alten Freunde gehörte, für einen Roßzug, gleich dem des Lords Glenallan hingeben.«

»Ich glaube nicht, daß du das thun würdest, ich glaub' es nicht,« sagte der Oheim besänftigend – »ich necke dich nur gern ein Bißchen; das hält den Geist der Disciplin und Subordination aufrecht. Du wirst hier deine Zeit recht glücklich hinbringen, da dir Niemand befiehlt als ich, der ich statt des Capitains da bin, oder statt des Obersten, oder »Waffenherolds,« wie er bei Milton vorkommt; und statt der Franzosen,« fuhr er fort, indem er wieder den ironischen Ton annahm, »hast du hier die Gens humida ponti, – denn, wie Virgil sagt,

Sternunt se somno diversae in littore phocae,

welches man übersetzen könnte:

Hier schlummert der Seehund im Sande weich,
In unsers hochländischen Hektor's Bereich.

Nein, wenn du böse wirst, hör' ich auf. – Ich sehe ohnehin den alten Edie im Hofe, mit welchem ich zu sprechen habe. Guten Morgen, Hektor – Weißt du auch noch, wie er in's Wasser plumpte, gleich seinem Herren Proteus, et se jactu dedit aequor in altum?«

M'Intyre wartete, bis die Thür geschlossen war, und dann machte er seiner Ungeduld Luft.

»Mein Oheim ist der beste Mann von der Welt, und sein Charakter ist ganz freundlich; aber eh' ich ihn noch einmal von der verfluchten phoca reden höre, wie ihm das Ding zu nennen beliebt, will ich lieber nach Westindien gehen und sein Angesicht nie wieder sehen.«

Miß M'Intyre, die ihrem Oheim dankbar ergeben war, und in gleichem Maße ihren Bruder liebte, war bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich die Friedensstifterin. Sie eilte, um ihrem Oheim entgegen zu gehen, bevor er das Zimmer wieder beträte.

»Nun, Miß Weibsbild, was soll das bittende Gesicht bedeuten? – Hat Juno wieder heillose Wirthschaft gemacht?«

»Nein, Oheim; aber Juno's Herr fürchtet deinen Scherz über den Seehund so sehr – gewiß, es kränkt ihn mehr, als du wünschen würdest – 's ist recht thöricht von ihm, das ist wahr; aber du weißt auch Alles so sehr lächerlich zu machen« –

»Nun, mein Kind,« antwortete Oldbuck, dem das Compliment wohl that, »ich will meine Satyre bezähmen, und will wo möglich nicht mehr von der phoca reden – ich will jedes Wort vermeiden, welches ungefähr so wie Seehund klingt. Ich bin nicht monitoribus asper, sondern, beim Himmel, der mildeste, ruhigste und sanfteste Mensch, der sich von Schwester, Nichte und Neffen leiten läßt, wie es ihnen gefällt.«

Mit dieser kleinen Lobrede auf seine eigene Gelehrigkeit trat Mr. Oldbuck wieder ins Zimmer, und schlug seinem Neffen einen Spaziergang nach der Muschelklippe vor. »Ich habe ein Weib in Mucklebackit's Hütte um Einiges zu befragen,« sagte er, »und ich möchte gern einen vernünftigen Zeugen dabei haben – weil nun kein besserer da ist, Hektor, so muß ich schon mit dir zufrieden sein.«

»Da ist ja der alte Edie, Sir, oder Caxon – könnten die es nicht besser, als ich, verrichten?« antwortete M'Intyre, den die Aussicht auf ein langes tête-à-tête mit seinem Oheim beunruhigte.

»Auf mein Wort, junger Mann, du weisest mir hübsche Gefährten zu, und ich bin dir sehr dankbar für deine Höflichkeit,« erwiederte Mr. Oldbuck. »Nein, mein Lieber, der alte Blaukittel soll mit mir gehen, aber nicht als giltiger Zeuge, denn er ist jetzt, wie unser Freund, der Richter Kleinhans (Gott segne seine Studien!) sagt, tanquam suspectus, du aber bist suspicione major, wie unser Gesetz sagt.«

»Ich wollte, ich wäre Major, Oheim,« sagte Hektor, der nur das letzte Wort auffaßte, welches für eines Soldaten Ohr auch das Eindringlichste sein mußte, – »aber, ohne Geld hat man wenig Aussicht, diese Stufe zu ersteigen.«

»Nun, nun, mein wackerer Sohn Priams,« sagte der Alterthümler, »folge nur deinen Freunden, und wer weiß, was geschieht. Komm mit mir, und du wirst sehen, was dir nützlich sein kann, wenn du einmal in einem Kriegsgericht sitzest, Freund.«

»Beim Regimente hab' ich schon manchem Kriegsgericht beigewohnt, Sir,« antwortete Capitain M'Intyre. – »Aber hier ist ein neuer Spazierstock für Sie.«

»Sehr verbunden, sehr verbunden.«

»Ich kaufte ihn von unserem Regimentstambour,« setzte M'Intyre hinzu, »der aus der bengalischen Armee in unser Regiment trat, als sie vom rothen Meere kam. Er ist an den Ufern des Indus geschnitten, Sie können sich darauf verlassen.«

»Auf mein Wort, das ist ein schönes Rohr und ersetzt sehr gut jenes, welches die ph – – Ei der Tausend! was wollt' ich da sagen!«

Die Gesellschaft, bestehend aus dem Alterthümler, seinem Neffen und dem Bettler, begab sich nun auf den Strandweg nach der Muschelklippe; der erstere war in der besten Stimmung, Belehrung zu ertheilen, und die andern hörten gern und willig zu, weil sie theils durch empfangene Gunstbezeigungen verpflichtet waren, theils noch dergleichen erwarteten. Oheim und Neffe gingen miteinander, der Bettler aber anderthalb Schritt hinterdrein, gerade nahe genug, daß sein Patron ihn durch eine leichte Wendung des Kopfes anreden konnte, ohne sich förmlich umdrehen zu müssen. Petrie empfiehlt in seiner Abhandlung über gute Erziehung, die er dem Magistrat von Edinburg widmete, nach eigner Erfahrung (er war Lehrer in einer vornehmen Familie,) jene Stellung allen abhängigen Gesellschaftern, Hauslehrern, und ähnlichen Personen. In dieser Begleitung segelte der Alterthümler, mit Gelehrsamkeit beladen, gleich einem stattlichen Kriegsschiff vorwärts, und gab dann und wann bald zur Rechten, bald zur Linken, eine volle Ladung auf seine Gefährten.

»Und so meinst du,« sagte er zu dem Bettler, »daß dieser glückliche Zufall, diese arca auri, wie es bei Horaz heißt, dem Sir Arthur in seiner bedrängten Lage nicht viel helfen werde?«

»Wenn er nicht noch zehnmal so viel findet,« sagte der Bettler, »und daran zweifle ich stark; – ich hörte den Puggie Orrock und den andern Spitzbuben von Gerichtsdiener oder Amtsboten davon reden, – aber es steht schlecht um die Sachen eines Gentlemans, wenn dergleichen Leute schon darüber schwatzen. Ich fürchte, Sir Arthur wird bald der Schulden wegen fest sitzen, wenn nicht schnelle und sichere Hilfe kommt.«

»Du sprichst wie ein Narr,« sagte der Antiquar. »Neffe, es ist eine merkwürdige Sache, daß in diesem glücklichen Lande Niemand wegen Schulden gesetzlich eingezogen werden kann.«

»Wirklich, Oheim?« sagte M'Intyre; »das hab' ich noch nicht gewußt. Dieses Gesetz wird manchem meiner Kameraden sehr willkommen sein.«

»Und wenn es nicht der Schulden wegen geschieht,« sagte Ochiltree, »warum steckt man denn so viel arme Leute in das Fairporter Gefängniß? Alle sagen, sie wären durch ihre Gläubiger dahin gekommen. Nun, wenn sie freiwillig dort sind, dann muß es ihnen wohl besser als mir gefallen.«

»Eine sehr natürliche Bemerkung, Edie, und manche bessere Leute als du würden sie auch machen; aber sie gründet sich nur auf die Unbekanntschaft mit dem Feudalsystem. – Hektor, sei so gut, aufmerksam zu sein, und sieh dich nicht nach andern Dingen um.« (Hektor gab sich Mühe, diesem Winke zu gehorchen.) »Und dir, Edie, kann es auch nützlich sein, rerum cognoscere causas. Die Natur und der Ursprung eines Verhaftsbefehls ist ein Ding haud alienum a Scaevolae studiis. Ich sage dir daher noch einmal, daß Niemand wegen Schulden in Schottland verhaftet werden kann.«

»Ich habe damit nicht viel zu thun, Monkbarns,« sagte der alte Mann, »denn einem Bettelmann wird Niemand einen Pfennig borgen.«

»Ich bitte dich, schweig. – Will man aber nun Bezahlung bewirken, (eine Sache, wozu kein Schuldner von Natur Neigung spürt, was ich nur zu gut aus Erfahrung bezeugen kann,) so hat man erstlich Briefe in vier verschiedenen Formen; eine Art höflicher Einladung, wodurch sich unser Herr, der König, wie es sich für einen Monarchen ziemt, selbst der Angelegenheiten seiner Unterthanen annimmt, anfangs nur freundlich mahnend, sodann aber durch Briefe, welche stärker verlangen und härter antreiben – Was siehst du so angelegentlich nach dem Vogel dort, Hektor? 's ist nur eine Seemöve.«

»'s ist ein Taucher, Sir,« sagte Edie.

»Mag es sein, was es will – was geht das uns jetzt an? – Aber ich sehe, du bist ungeduldig; ich will daher die vier Briefformen übergehen und zu dem modernen Verfahren übergehen. – Du glaubst wahrscheinlich, daß ein Mann in's Gefängniß gesetzt wird, weil er seine Schulden nicht bezahlen kann? Aber so verhält es sich keineswegs. Die Wahrheit ist, daß der König so gut ist, sich der Sache des Gläubigers anzunehmen und dem Schuldner seinen königlichen Befehl zu senden, jenem binnen einer gewissen Zeit (in vierzehn oder in acht Tagen, wie es nun der Fall sein mag,) gerecht zu werden. Nun gut, der Mann ist widersetzlich und gehorcht nicht – was folgt? – nun, er wird von rechtswegen als Rebell gegen unsern allergnädigsten König angesehen, dessen Befehlen er nicht gehorchte, und dies wird durch dreimaliges Blasen eines Horns auf dem Markte zu Edinburg, der Hauptstadt Schottlands, bekannt gemacht. Und sodann wird er gesetzlich in's Gefängniß gebracht, nicht einer Privatschuld wegen, sondern weil er undankbarer Weise den königlichen Befehl verachtete. Was sagst du dazu, Hektor? davon hast du bis jetzt noch nichts gewußt.«

»Nein, Oheim; aber ich muß gestehen, wenn ich kein Geld hätte, meine Schulden zu bezahlen, so würd' ich es dem König weit mehr danken, wenn er mir einiges schickte, statt mich für einen Rebellen zu erklären, weil ich etwas nicht thue, was ich nicht thun kann.«

»Deine Erziehung hat dich nicht dahin gebracht, diese Dinge gehörig zu betrachten,« erwiederte der Oheim; »du bist nicht im Stande, das Zarte der gesetzlichen Dichtung und die Art zu würdigen, nach welcher man die Härte, die zum Schutze des Handels gegen widerspenstige Schuldner nothwendig ist, mit der gewissenhaftesten Rücksicht auf die Freiheit der Unterthanen zu vereinigen wußte.«

»Das weiß ich nicht,« antwortete der unerfahrene Hektor; »aber wenn ein Mann seine Schulden zahlen oder in's Gefängniß gehen muß, so ist es doch, denk' ich, ziemlich gleich, ob er als Schuldner oder als Rebell hineingeht. Aber Sie sagen, des Königs Befehl gestatte eine Frist von vielen Tagen – nun, wenn ich in der Noth wäre, so würd' ich mich dann zum Abmarsch rüsten, während ich es dem König und dem Gläubiger überließ, die Sache untereinander abzumachen, eh' es zum äußersten käme.«

»Das thät' ich auch,« sagte Edie; »zu ihrer Sicherheit wollt' ich Fersengeld geben.«

»Es ist war,« erwiederte Monkbarns; »aber gegen diejenigen, die das Gesetz im Verdacht hat, sich dem förmlichen Gange entziehen zu wollen, verfährt es auf eine kürzere und minder umständliche Weise, indem es sie als Personen behandelt, bei denen Geduld und Nachsicht gänzlich weggeworfen wäre.«

»Ach,« sagte Edie, »das sind die Verhaftsbefehle gegen Flüchtige, ich habe sie schon ein Bißchen kennen gelernt. Im Süden gibt es auch Gränzverhaftsbefehle, recht garstige, hinderliche Dinger! Ich ward durch einen dergleichen beim St. Jacobsmarkte festgenommen und in der alten Kirche zu Kelso einen Tag und eine Nacht lang eingesperrt; und das ist ein häßlicher, unangenehmer Ort, darauf verlassen Sie sich. – Aber was ist das dort für ein Weib, mit der Fischbutte auf dem Rücken? – 's ist die arme Maggie, wie mir scheint.«

Sie war es auch. Der Schmerz des armen Weibes über ihren Verlust war, wo nicht vermindert, doch wenigstens durch die unvermeidliche Nothwendigkeit, die Mittel zum Unterhalt ihrer Familie zu erwerben, gemildert worden. Der Gruß, womit sie Oldbuck anredete, klang ziemlich seltsam, indem sich dabei der Ton, in welchem sie ihre Kunden gewöhnlich ansprach, mit der Klage über das erlebte Unglück mischte.

»Nun, wie steht es heute, Monkbarns? – Ich habe noch nicht hinunter kommen können, um für die Ehre zu danken, die Sie dem armen Steenie angethan haben, da Sie sein Haupt zu Grabe trugen. Der arme Junge!« – hier fing sie an zu weinen und trocknete die Augen mit dem Zipfel ihrer blauen Schürze. – »Aber der Fischfang ist gut ausgefallen, obwohl mein Mann nicht das Herz hatte, selber auf die See zu gehen – ich sagt' es ihm gern, daß er besser thäte, wenn er Hand an's Werk legte – aber ich fürchte mich beinah, ihn anzureden – und auf diese Weise mit einem Manne zu sprechen will sich auch nicht recht passen. Aber hier hab' ich hübsche Schellfische und das Dutzend soll nur drei Schilling kosten, denn ich habe jetzt nicht Lust, lange zu handeln, und nehme gerade, was mir ein Christenmensch geben will, ohne viele Worte zu machen.«

»Was sollen wir thun, Hektor?« sagte Oldbuck; »ich bin schon einmal bei meinen Weibsleuten übel angekommen, als ich einen schlechten Handel gemacht hatte. Diese Seethiere, Hektor, bringen unserm Hause kein Glück.«

»Nun, Sir, was werden Sie thun? Geben Sie der armen Maggie, was Sie fordert, oder erlauben Sie mir, ein Gericht Fische nach Monkbarns zu schicken.«

Er reichte ihr das Geld hin, aber Maggie zog ihre Hand zurück. »Nein, nein, Capitain; Sie sind zu jung und zu freigebig mit dem Gelde. Sie sollten nie auf das erste Gebot einer Fischerfrau eingehen; auch denk' ich, es wird ein Streit mit der alten Haushälterin in Monkbarns oder mit Miß Grizzel für mich gut sein. Ich will gehen und sehen, was das närrische Mädchen Jenny Rintherout macht. Ich hörte, sie befände sich nicht wohl; sie wird sich wahrscheinlich um Steenie grämen, die Thörin, als ob er ihres Gleichen auch nur über die Achsel angesehen haben würde! – Nun, Monkbarns, es sind treffliche Schellfische und wenn sie heute dort gebraucht werden, wird man mir wohl nur wenig abziehen.«

Und so schritt sie weiter mit ihrer Ladung, ihrem Kummer und ihrer Dankbarkeit für das Mitgefühl der Vornehmen, womit sich zugleich die angeborne Liebe zu Handel und Gewinn in ihrem Kopfe kreuzte.

»Hier sind wir nun vor der Thür ihrer Hütte,« sagte Ochiltree; »ich möchte wohl wissen, Monkbarns, warum Sie sich so lange und angelegentlich mit mir zu thun machen? Ich sage Ihnen aufrichtig, daß ich nicht viel Lust habe, hier einzutreten. Ich seh' es nicht gern mit an, wie die jungen Zweige rings um mich abfallen und mich alten nutzlosen Stamm, der kaum noch ein grünes Blatt hat, allein stehen lassen.«

»Diese alte Frau,« sagte Oldbuck, »hat dich als Boten an den Grafen Glenallan geschickt, nicht wahr?«

»Ja!« sagte der überraschte Bettler; »woher wissen Sie das so genau?«

»Lord Glenallan sagte mir's selbst,« antwortete der Alterthümler; »du hast also nichts ausgeplaudert, hast kein Geheimniß verletzt; er wünscht nun, daß ich sie über einige wichtige Familienverhältnisse ausforsche, und daher nahm ich dich mit mir, weil es möglich ist, daß bei ihrem Zustande, welcher halb Blödsinn, halb Bewußtsein ist, deine Stimme und deine Gestalt Erinnerungen in ihr erweckt, die ich auf keine Weise zu erregen wüßte. Die menschliche Seele – was hast du wieder vor, Hektor?«

»Ich pfiff nur dem Hunde, Sir,« erwiederte der Capitain; »er läuft immer zu weit weg – ich sah voraus, daß ich Ihnen beschwerlich fallen würde.«

»Ganz und gar nicht,« sagte Oldbuck, indem er seine unterbrochene Rede wieder begann – »die menschliche Seele gleicht einem verwirrten Seidenfaden, wo man sorgfältig erst das eine Ende frei machen muß, bevor man ihn völlig aufwickeln kann.«

»Davon versteh' ich nichts,« sagte der Bettler; »aber wenn meine alte Bekannte noch sich selbst ähnlich ist, so wird sie uns viel aufzuwickeln geben. Es ist grausig, zu sehen und zu hören, wie sie die Arme bewegt und ihr Englisch spricht, wie ein gedrucktes Buch. Sie ist freilich nur ein altes Fischerweib; aber sie hat eine vornehme Erziehung gehabt und war ein recht stattliches Weib, ehe sie unter ihrem Stande heirathete. Sie mag wohl zehn Jahr älter sein, als ich; aber ich besinne mich noch recht gut, wie viel darüber geredet wurde, als sie den Simon Mucklebackit, den Vater von Saunders, heirathete, gleich als ob sie von Adel gewesen wäre. Aber sie kam wieder in Gunst und Ansehen und verlor es auch wieder, wie ich von ihrem Sohn hörte, als er noch ein ganz junger Mensch war; dann bekamen sie viel Geld, verließen der Gräfin Gebiet und ließen sich hier nieder. Doch wollte es nie recht fort mit ihnen. Aber sie ist denn doch ein fein erzogenes Weib, und wenn sie ihr Englisch anfängt, wie ich's schon zu anderer Zeit von ihr gehört habe, dann kann sie uns Allen zu schaffen machen.«


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