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Siebzehntes Kapitel.

Mehrere Tage blieb Roland mit dem Abt Ambrosius in Dundrennan. Dann kam eines Tages Nachricht, und zwar von keiner geringern Seite als von Ritter Halbert Glendinning. Sie sollte ihm Trost bringen über die Trennung von der Geliebten wie auch über das Schicksal der Königin. Atemlos kam der Bote auf dem Schlosse an, und zwar kein andrer als Adam Woodcock war es mit einem Briefe eines Herrn an den Abt, der noch immer nicht, zu des greisen Bonifazius Verdruß, seinen Stab weiter gesetzt hatte. In dem Schreiben wurde Abt Ambrosius dringend aufgefordert, ein paar Tage Schloß Avenel zum Aufenthalt zu nehmen.

»Durch die Milde des Regenten,« hieß es in dem Schreiben, »wird Euch Pardon gewährt, Dir sowohl, lieber Bruder, als Roland; aber der Regent knüpft die Bedingung daran, daß Ihr Euch einige Zeit unter meine Aufsicht stellt. Zudem habe ich Dir mancherlei mitzuteilen über Rolands Herkunft, was nicht bloß von Interesse sein wird zu vernehmen, sondern was mir, als dem Manne der ihm am nächsten verwandten Person, die Berechtigung zu gewisser Ueberwachung seiner weiteren Schicksale gibt.«

Als der Abt dieses Schreiben gelesen hatte, überlegte er still, in welcher Weise er sein Verhalten am besten einrichte. Inzwischen nahm der Falkner Roland beiseite.

»Nehmt Euch nur von jetzt ab wenigstens in acht, Herr Roland,« sagte er, »daß weder Euch noch den Priester wieder irgend welcher pfäffischer Kram vom rechten Pfade abbringe. Da, lest das! und seid Eurem lieben Herrgott dankbar, daß er den alten Bonifazius einen Weg hat ziehen lassen, der ihn uns in die Hände geführt hat. Ein paar von den Seytonschen Leuten haben ihn nach Dundrennan geleitet. Als wir ihn visitierten, in der Erwartung, Nachrichten bei ihm über Eure Heldentat in Lochleven zu finden, die manchem braven Mann das Leben und mir ein paar Knochen geraubt hat, da haben wir Dinge bei ihm gefunden, die besser für Euch taugen, Herr Robert, als für uns.«

Nach diesen Worten behändigte Woodcock dem jungen Gräme ein Schriftstück, das sich als ein schriftliches Zeugnis des Bruders Philipp, Sakristans und Mönchs im Sankt-Marienkloster, erwies und den folgenden Inhalt hatte:

»Unter Gelobung des Geheimnisses habe ich den Ritter Julian Avenel, Schloßherrn von Avenel, und Katharina Gräme durch das heilige Sakrament der Ehe verbunden. Indem nun aber der Ritter von Avenel es nachher bereut hat, diese Ehe geschlossen zu haben, hat er mich, der diese Ehe eingesegnet hat, als Pater und Sakristan der Abtei von Sankt-Marien, sündlicherweise bestimmt, das arme Fräulein, gemäß einem von ihm ersonnenen Plane, dahin zu bereden, daß sie glauben solle, das Band der Ehe sei ungültig, weil es von einem Geistlichen geschlossen sei, welchem die heilige Weihe fehle, und deshalb völlig außer stande, irgend welche gesetzlichen Folgen zu bewirken. Ich Unterzeichneter erkenne in dieser sündhaften Entstellung einer richtig vollzogenen Ehe den Grund dafür, daß ich einem Zauber unterlegen bin und von einem Wasserkobold irre geführt wurde, daneben von besagter Zeit ab auch stark von Gicht und Podagra geplagt wurden bin. Darum habe ich bei meinem Abte Bonifazius solches gebeichtet und schriftliches Zeugnis darüber hinterlegt, sub sigillo confessionis . Diesem Schriftstück lag ein andres bei, nämlich ein Brief Julians, aus welchem erhellte, daß sich der Abt Bonifazius in dieser Sache auch wirklich bemüht und von dem Baron Julian die ehrenwörtliche Zusage erhalten habe, daß er die Ehe mit Katharina Gräme öffentlich anerkennen wolle. Aber der Tod sowohl des Ritters als seiner ihm angetrauten und von ihm in ihrem Rechte doch so beeinträchtigten Ehefrau, zusammen mit der Abdankung des Abtes Bonifazius, sowie nicht zum wenigsten mit seiner völligen Unkenntnis des Schicksals, das über das unglückliche Kind hereingebrochen sei, und dem ihm anhaftenden trägen und gleichgültigen Sinne hatten die Angelegenheit vollständig in Vergessenheit geraten lassen, und erst eine zufällige Unterredung mit dem Abt Ambrosius über die Schicksale, von denen die Familie Avenel betroffen worden, hatte die Aufmerksamkeit wieder auf sie gelenkt. Abt Bonifazius hatte, auf das Verlangen seines Nachfolgers hin, sich nach dem Zeugnis des Bruders Philipp umgesehen; da er aber von fremder Mithilfe, unter den gewissenhaft aufbewahrten Amtsgeheimnissen zu suchen, nichts wissen mochte, hatte es bei seiner Trägheit und Bequemlichkeit leicht geschehen können, daß diese Angelegenheit wieder im Sande verlief, und das Schriftstück auf immer verborgen geblieben wäre, hätte nicht Halbert Glendinning persönlich sich dazu entschlossen, eine genaue Nachforschung vorzunehmen.

»Und so wird es denn nun zum Schlusse noch so kommen,« sagte Adam Woodcock, »daß Ihr Erbe von Avenel werdet, Herr Roland, sobald mein gnädiger Herr und seine Frau Gemahlin das Zeitliche gesegnet haben werden. Ich habe nun bloß noch eine einzige Bitte an Euch, und darum versehe ich mich darauf auch einer günstigen Antwort.«

»Steht es in meiner Macht, Woodcock, Euch die Bitte zu gewähren, so dürft Ihr freilich darauf rechnen,« sagte Roland.

»Ei, wenn ich's erlebe, daß Ihr die Schloßherrschaft bekommt, Herr Roland,« rief Adam Woodcock keck, »dann füttre ich die jungen Falken wie bisher mit ungewaschnem Fleische weiter!«

»Na, meinetwegen,« erwiderte unter Lachen Roland, »füttre sie, wie es Dir paßt. Ich bin zwar bloß um ein paar Monate älter geworden, seit ich Schloß Avenel den Rücken gewandt habe, aber soviel habe ich doch gelernt, daß es mir nicht mehr beikommen wird, einem Manne, der seinen Beruf versteht, in der Ausübung desselben zu widersprechen.«

»Nun, daraufhin tausche ich nicht mit dem Falkner des Königs und nicht mit dem Falkner der Königin,« rief Adam Woodcock, »aber die Königin, du meine Güte, wird ja, wie es heißt, eingesperrt, wird also keinen Falkner wieder brauchen! und ich sehe es auf Eurem Gesichte, Herr Roland, die Erinnerung hieran macht Euch betrübt, und mir könnte es ja freilich auch so ergehen, aber was hilft's, das Glück geht nun mal seinen Weg ganz nach seiner Laune, und wenn man sich heiser schriee danach, ändern würde man hierin doch nichts!«

Kurz darauf unternahmen der Abt und Roland die Reise nach Schloß Avenel, und sie fanden bei dem Ritter Halbert eine überaus herzliche Aufnahme. Die Dame von Avenel aber konnte Tränen der Freude nicht zurückhalten, als sie den Waisenknaben, den sie so tief in ihr Herz geschlossen hatte, wiedersah und zwar als den einzigen überlebenden Sprößling ihrer Familie. Sowohl der Ritter als auch die Dame von Avenel waren erstaunt über die mit Roland in dieser kurzen Zeitspanne vorgegangne große Veränderung, weit erstaunter hierüber war jedoch die Schloßdienerschaft, und zu ihrem Staunen gesellte sich eine aufrichtige Freude, denn der verhätschelte, anmaßende und zanksüchtige Page war als freundlicher, anspruchsloser Jüngling wiedergekehrt, der viel zu genau wußte, was er zu erwarten hatte, und wie sich die Dinge für ihn schicken mußten, als daß er wie ehedem keck und rücksichtslos einen Respekt hätte fordern sollen, der ihm an sich selbst ja gern und willig gezollt wurde. Wingate, der alte Haushofmeister, war der erste, der seinem Lobe die Zügel schießen ließ über die Veränderung, die mit dem jungen Herrn vorgegangen, und ebenso erklangen wahre Hymnen aus dem Munde der Zofe Lilias, die nur einer Hoffnung noch Ausdruck gab, daß es Gott dem Allgütigen belieben möge, ihn zur Erkenntnis des wahren Glaubens zu führen.

Das war jedoch schon lange ein stiller Wunsch Rolands selbst, und als der Abt Ambrosius sich nach Frankreich begab, um dort in ein Kloster seines Ordens zu treten, war das wichtigste Hindernis zur Ausführung von Rolands Absicht, den katholischen Glauben abzuschwören, beseitigt. Ein andres Hindernis war freilich noch seine Pflicht gegen seine Großmutter Magdalena Gräme, aber sein Aufenthalt auf dem Schlosse Avenel war erst von kurzer Dauer, als ihn die Nachricht erreichte, die Großmutter sei in Köln als Opfer einer für ihr Alter zu strengen Bußübung verstorben, der sie sich nach Eintreffen der Kunde von der verlorenen Schlacht bei Longside zum Frommen ihrer Königin und der Kirche Schottlands unterzogen habe. Abt Ambrosius wurde in seiner Gesinnung um vieles gemäßigter und zog sich in ein Schottenkloster auf dem Festlande zurück. Dort führte er ein solches Leben der Frömmigkeit, daß die Klosterbrüder es für angemessen erachteten, die Ehre der Heiligsprechung für ihn zu beantragen. Aber er erriet, was sie vorhatten, und bat sie auf seinem Sterbebett, hiervon Abstand zu nehmen, dagegen seinen Leichnam und sein Herz in der Familiengruft des Geschlechts von Avenel im Sankt-Marienkloster zu Kennaqhueir beisetzen zu lassen, auf daß der letzte Abt des berühmten Gotteshauses unter seinen Trümmern ruhe.

Um viele Jahre früher wurde Roland von Avenel mit Katharina Seyton verbunden, die nach zweijährigem Aufenthalt bei ihrer Königin entlassen wurde, weil die Königin Elisabeth von England, beziehungsweise ihre Ministerräte eine Verschärfung der Haft für die unglückliche Maria Stuart für angemessen erachteten. Daraufhin kehrte Katharina in das Haus ihres Vaters zurück, und seitdem Roland als Nachfolger und rechtmäßiger Erbe des alten Geschlechts derer von Avenel anerkannt worden war, und sein Vorgänger, Sir Halbert Glendinning von Avenel, die Besitztümer durch seine Klugheit und Umsicht reich vermehrt hatte, wurde von seiten der Angehörigen des Hauses Seyton keinerlei Widerspruch gegen diese Verbindung erhoben. Ihre Mutter war kurz vor Katharinas Heimkehr aus dem Kloster gestorben, und ihr Vater erachtete die Verbindung mit einem der Königin Maria zwar treu ergebenen, indessen klugen Manne wie es Roland Avenel war, – der durch Sir Halbert Glendinning auf die herrschende Partei nicht ganz ohne Einfluß war, – in den wirren Zeiten, die auf die Flucht der Königin Maria nach England folgten, für nicht unerwünscht und für nicht unvorteilhaft. So wurde aus Roland und Katharina, trotz dem verschiedenen Glauben, dem sie anhingen, ein glückliches Paar, und die Erscheinung der weißen Dame von Avenel, die zur Zeit des Niedergangs des alten berühmten Geschlechts nur selten zu beobachten war, trieb wieder, angetan mit dem goldnen Gürtel so breit wie ein gräfliches Wehrgehenk, an ihrem Lieblingsbrunnen fleißig ihr Wesen.

Ende.

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