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Achtes Kapitel.

Der helle Mondschein machte für Roland die nur wenige Schritte von seinem Verstecke befindlichen Gestalten, die im ernsten und vertrauten Gespräch begriffen waren, leicht erkennbar. An der schlanken Gestalt und tiefen Stimme verriet sich ihm Georg Douglas und an dem auffälligen Anzüge des andern erkannte er den Pagen aus dem Wirtshause von Sankt Michael. »Ich bin an der Tür des Pagen gewesen,« hörte er Douglas sprechen, »er ist aber nicht in seiner Kammer, oder er hat keine Lust zu antworten. Vielleicht schläft er auch heute fester als sonst. Er riegelt sich immer ein, durch seine Kammer können wir mithin nicht.«

»Ihr vertraut dem Fant zuviel,« erwiderte der andre; »mir gefällt sein veränderlicher Sinn und heißes Hirn nicht sonderlich.«

»Mir ist es ebenso gegangen in dieser Hinsicht wie Euch,« sagte Douglas, »mir ist aber versichert worden, daß er sich willig zeigen werde, wenn man ihn dazu auffordere, denn..« hier wurden seine Worte so leise, daß es Roland nicht möglich war zu verstehen, so verdriesslich es ihm auch war, denn er hatte die Empfindung, daß die Worte ihn noch stärker betrafen als die vorherigen.

»Nichts da,« rief der andre lebhafter, »ich hab ihn bislang immer noch mit schönen Redensarten abgespeist, Euch aber rate ich, da Ihr ihm im Augenblicke der Entscheidung mißtraut, ihn mit dem Dolch aus dem Wege zu schaffen.«

»Das wäre Vorwitz,« sagte Douglas; »zudem ist, wie ich Euch ja sage, seine Stubentür verriegelt. Ich will aber nochmals zusehen, ob ich ihn wecken kann.«

Roland sagte sich ohne weiteres, daß die beiden Fräulein bemerkt haben mußten, daß er sich noch im Garten aufhalte, und deshalb, um nachts über nicht gestört zu werden, die Vorzimmertür abgesperrt hatten. Aber wie kam dann Katharina Seyton, wenn sich die Königin mit der Fleming noch in ihren Wohnräumen befand und der Zugang verriegelt war, ins Freie?.. »Ich hab keine Lust, mich länger noch mit diesen Heimlichkeiten äffen zu lassen. Zudem darf ich doch nicht unterlassen, meiner holden Kallipolis, wenn sie es wirklich ist, für den freundlichen Wink mit dem Dolche meinen Dank abzustatten.. ich merke, sie sind auf der Suche nach mir, und sie sollen sich nicht umsonst bemühen.«

Douglas war zurück nach dem Schlosse geschlichen, und der fremde Page stand, mit den Armen über der Brust, die Augen ungeduldig auf den Mund gerichtet, wie wenn er ihm um seines hellen Scheines willen grolle, allein im Garten. Im andern Augenblick stand Roland Gräme vor ihm.. »Eine liebliche Nacht, Fräulein Katharina,« sagte er, »für eine junge Dame, in solcher Vermummung sich Stelldichein zu geben im lauschigen Garten mit Mannsbildern.« »Ruhig, Du ewiger Streithammel,« erwiderte der fremde Page, »sag' rund heraus: bist Du Freund oder Feind?«

»Wie sollt ich jemands Freund sein, der mich mit aalglatten Worten hintergeht und einem Douglas rät, sich meiner durch einen Dolchstich zu entledigen?

»Soll doch der Teufel dem Douglas und Dir Durchgänger in den Nacken fahren!« rief der andre, »heraus wird doch bald alles sein, und dann heißt Tod die Parole.«

»Katharina,« sagte Roland, »Ihr seid unehrlich und lieblos mit mir verfahren, jetzt ist die Zeit günstig für eine Aussprache zwischen uns, und ich will ihr so wenig aus dem Wege gehen wie Euch selbst.«

»Ich heiße weder Kathi noch Käthe,« erwiderte der andre, »und ich sollte meinen, der Mond schiene gerade hell genug, daß es nicht schwer fallen könnte, Hirsch und Hindin voneinander zu unterscheiden.«

»Solche Ausflüchte sollen Euch nichts helfen, schöne Dame,« rief Roland, den Mantelzipfel des Pagen fassend; »diesmal wenigstens soll es mir offenbar werden, mit wem ich es in Euch zu tun habe.«

»Laßt ab von mir,« rief sie, bemüht, sich von ihm loszumachen, und es kam Roland so vor, wie wenn ihre Stimme sich zwischen Unwillen und Lachlust bewegte, »wie könnt Ihr Euch so unmanierlich gegen eine Seyton benehmen?« Als jedoch Roland, in der Meinung, ihre Lachlust berechtige ihn zu einiger Kühnheit, ihren Mantel noch immer nicht losließ, rief sie ihm im Tone nicht mißzuverstehender Entrüstung energisch zu: »Die Hände weg, Du rasender Wicht! Leben und Tod hängen an dieser Minute, Dir einen Denkzettel zu geben, liegt noch nicht in meinem Willen, aber Du tust doch gut, Dich in dieser Hinsicht in acht zu nehmen.«

Bei diesen Worten machte sie einen schnellen Versuch, ihn beiseite zu stoßen und zu entfliehen; dabei entlud sich eine Pistole, die sie in der Hand gehalten haben mußte, und der Knall brachte im Nu das Schloß in Bewegung. Der Turmwart blies in sein Horn und zog die Turmglocke, und von seiner Zinne herab schrie er laut, daß es weithin dröhnte: »Verrat! Verrat! Wachet auf! wachet auf!«

In der ersten Bestürzung ließ Roland den Mantel des fremden Pagen los, und im Nu war Katharina Seyton in der Dunkelheit verschwunden. Ruder plätscherten auf dem See, und gleich darauf knallte von den Turmzinnen ein halbes Dutzend Büchsenschüsse, zu denen sich auch der Donner aus einer Feldschlange gesellte.

Völlig außer Fassung durch diese Vorgänge, zeigte sich Roland kein andrer Weg als seine Zuflucht zu Douglas zu nehmen, denn er vermutete Katharina Seyton in dem Kahne, der über den See fuhr, und hinter dem her die Schüsse gefeuert wurden, und wollte bei Douglas alles aufbieten, das Mädchen zu schonen. In dieser Absicht rannte er die Treppe hinauf nach dem Zimmer der Königin, aus welchem starker Lärm und laute Stimmen drangen. Dort sah er sich inmitten einer wirren Gruppe, deren Anblick ihn auf der Schwelle gebannt hielt. Am obern Ende des Zimmers stand die Königin, in Reisekleidern, neben ihr nicht allein Lady Fleming, sondern auch der kleine Ueberallundnirgends Katharina Seyton, in ihrer weiblichen Tracht, mit einem Kästchen in der Hand, worin die Königin die wenigen Juwelen, die man ihr vergönnt hatte, aufzubewahren pflegte. Am andern Zimmerende stand Lady Lochleven, im losen Hausgewande, das sie sich, durch den plötzlichen Lärm erschreckt, schnell übergeworfen hatte, umringt von ihrer Dienerschaft, die zum Teil Waffen trugen, zum Teil Fackeln schwenkten. Zwischen beiden Gruppen sah Roland Georg Douglas mit verschränkten Armen, den Blick zu Boden gesenkt gleich einem auf frischer Tat ertappten Verbrecher, stehen.

»Sprich, Georg Douglas,« rief Lady Lochleven, »und reinige Dich von diesem Deinem Namen anklebenden Verdacht! Sage mir: nie gab es einen wortbrüchigen Douglas, und ich bin ein Douglas! sage mir das geliebter Sohn, nichts weiter, zur Rettung Deines Namens! sage, daß es bloß Arglist war von dieser unglücklichen Frau und diesem treuvergessnen Knaben, die solch unheilvolle Flucht ersann, unheilvoll für Schottland und vernichtend für Deines Vaters Haus.«

»Gnädigste Herrin,« erwiderte der alte Hausmeier, »der unnütze Page hat, wie ich zu seiner Rechtfertigung nicht unterlassen darf zu sagen, an der Affäre kaum Anteil, denn was im Schlosse heute nacht vorgegangen ist, kann er schon um deswillen gar nicht wissen, weil ich ihm heut nacht den Zutritt zum Schlosse versperrt und ihn dadurch gezwungen habe, draußen zu kampieren. Seine Beteiligung bei der Affäre ist demnach zweifellos äußerst gering gewesen, wenn überhaupt von ihm dabei die Rede sein kann.«

»Dryfesdale, Du lügst,« rief die Lady, »um das erbärmliche Leben dieses hergelaufnen Zigeunerbuben zu retten, trachtest Du danach, die Schmach über das Haus Deines Herrn zu bringen.« »Ich wüßte nicht, weshalb mir an seinem Leben mehr liegen sollte als an seinem Tode,« versetzte der Hausmeier, »aber was wahr ist, muß doch wahr bleiben.«

Bei diesen Worten richtete Georg Douglas sich auf und sprach kühn und gelassen wie ein Mensch, der mit seinem Entschlusse ins reine gekommen ist: »Durch mich soll keines Menschen Leben in Gefahr geraten. Ich allein« ...

»Douglas,« fiel ihm hier die Königin ins Wort, »bist Du von Sinnen? Kein Wort weiter! ich befehle es Dir!«

»Gnädigste Frau,« nahm hierauf entschlossen wie vordem Douglas das Wort, indem er sich mit tiefer Ehrfurcht verbeugte, »Eurem Befehle gehorchte ich gewiß gern, aber man verlangt nach einem Opfer, und dieses soll niemand anders sein als der wirklich Schuldige.« Hierauf wandte er sich an die Lady: »Es ist, wie ich sage, gnädige Dame, mich allein trifft an diesem Vorgange die Schuld ... und sofern bei Euch ein Douglas-Wort noch Gewicht hat, so müßt Ihr mir glauben, daß dieser Knappe unschuldig daran ist. Auf Euer Gewissen mache ich es Euch aber zur Pflicht, ihm keinerlei Unrecht zu tun oder antun zu lassen, und ebenso wollt Ihr es nicht der Königin selbst anrechnen als Schuld, daß sie die Gelegenheit, die sich ihr bot, die Freiheit wieder zu erlangen, wahrnahm! ... sie wurde ihr geboten nicht allein aus ehrlicher Untertanentreue, sondern von einer tiefern Empfindung aus ... jawohl, ich bekenne, daß ich den Plan zur Flucht der schönsten aller Frauen entwarf, ich allein und kein andrer – und weit entfernt, solches Tun zu bereuen, so rühme ich mich dessen vielmehr und bin stündlich bereit, für sie und ihr Heil mein Leben in die Schanze zu schlagen.«

»Nun, dann verleihe mir der gütige Gott Trost im Alter und Kraft, die schwere Bürde des Kummers zu tragen!« erwiderte Lady Lochleven. »O, wann werdet Ihr, zu unglücklicher Stunde geborne Fürstin, aufhören, allen, die sich Euch nähern, zum Werkzeug der Verführung und des Unterganges zu werden! o unheilvolle Stunde, die unter das Dach des alten, so lange als ehrenfest gepriesenen Geschlechtes der Lochleven diesen Irrläufer führte!«

»Ihr sprecht zu Unrecht so,« versetzte ihr Enkel, »denn wenn ein Lochleven in den Tod geht für die unglücklichste aller Königinnen und für die liebenswürdigste aller Frauen, so kann dies den alten Ruhm des Geschlechts nur überstrahlen.«

»Douglas,« sagte die Königin, »muß ich in diesem Augenblick äußerster Gefahr, eines getreuen Dieners verlustig zu werden, Dich darum schelten, weil Du außer acht läßt, was Du mir als Deiner Königin schuldest?«

»Ungeratener Bube!« sagte Lady Lochleven, »so tief bist Du in die Schlingen dieser Moabiterin geraten? hast Du alles vergessen können um ihrer willen, Namen, Pflicht, ritterlichen Eid, Dankbarkeit gegen Deine Eltern, Gott und Vaterland? ist Dir dies alles feil gewesen um einer erheuchelten Träne, um eines erzwungnen Lächelns willen von Lippen, die dem kränklichen fränkischen Franz geschmeichelt, den Narren Darnley in den Tod gelockt, dem Günstling Chatelet süße Liederchen vorgehaucht, mit Rizzio süße Liebeslieder zur Laute gesungen und den schändlichen Bothwell mit Wonne geküßt haben?«

»Lästert nicht also, Mutter,« rief Douglas, »und Ihr, schöne Königin, so tugendhaft wie schön, scheltet nicht jetzt Eures Vasallen Anmaßung! Nicht bloße Untertanentreue konnte mich zu der Rolle bewegen, die ich spielte ... und wenn Ihr auch wert seid, daß ein jeglicher Eurer Untertanen für Euch in den Tod geht, so konnte zu meinem Verhalten einen Douglas doch nur Liebe treiben! denn ich habe geheuchelt und mich verstellt, und solcher Falschheit kann noch kein Douglas geziehen werden! Drum, edelste aller Frauen, und herrlichste aller Königinnen, Du holde Königin aller Herzen und meines Herzens Kaiserin! lebt wohl! wenn Ihr befreit seid aus dieser schmählichen Haft – und sofern noch Gerechtigkeit lebt unter Gottes Himmel, müßt Ihr die Freiheit gewinnen – und wenn Ihr den glücklichen Mann, dem es gelang, Euch die Freiheit zu bringen, mit Ehren und Titeln überhäuft, dann gedenket zuweilen auch jenes Ritters, dessen Herz jeglichen Lohn verschmäht hätte, dem ein Kuß auf Eure Hand das hehrste Glück gebracht hätte ... und laßt eine Träne fallen auf sein unrühmliches Grab!« Bei diesen Worten warf er sich der Königin zu Füßen, nahm ihre Hand und preßte sie an seine Lippen.

»Solches in meiner Gegenwart und vor meinen Augen!« rief Lady Lochleven empört, »angesichts Deiner Großmutter buhlst Du mit Deinem ehebrecherischen Liebchen? ... Reißt sie auseinander, Leute! und werft ihn in mein tiefstes Turmverließ!« Und als sie sah, daß ihre Dienerschaft unschlüssig stand, schrie sie: »Hört Ihr nicht, was ich befehle? wenn Euer Leben Euch lieb ist, greift ihn und schleppt ihn in den Turm!«

Da trat Maria näher zu Douglas und raunte ihm zu: »Douglas! noch schwanken sie! rette Dich! ich befehle es Dir.«

Mit jähem Satz vom Boden aufspringend, und mit dem Rufe: »Dir, Königin, gehört mein Leben, verfüge darüber nach freier Wahl!« riß er sein Schwert aus der Scheide und brach sich durch die noch immer wie vom Donner gerührte Dienerschaft, die den Sohn ihres Dienstherrn ebenso sehr liebte wie fürchtete, Bahn.

Als Lady Lochleven inne wurde, daß er entkommen sei, rief sie zornentbrannt: »Hab ich etwa bloß Verräter um mich? Ihm nach! Verfolgt ihn, schlagt ihn, stoßt ihn nieder!«

»Gnädigste Herrin!« sagte zu ihrer Beruhigung der Hausmeier, »er kann nicht weg von der Insel, denn ich trage den Schlüssel zur Bootskette bei mir.« Aber von unten herauf schrieen ein paar, der junge Herr habe sich in den See gestürzt.

»Ein tapferes Herz!« rief die Königin, »ein echter Douglas! Er zieht den Tod der Gefangenschaft vor!«

Lady Lochleven aber rief: »Feuert auf ihn! und wer als treuer Diener seines Vaters gelten will, der sorge dafür, daß die Fluten des Sees unsre Schande bedecken!«

Während ein paar Schüsse fielen, trat Randal mit der Meldung herein, der Junker sei unfern vom Schlosse von einem Kahne aufgenommen worden und müsse nun wohl schon drüben auf dem Lande sein ... »So ist er doch entkommen? und die Ehre unsres Hauses ist auf ewig hin!« rief Lady Lochleven ergrimmt, indem sie mit einer Gebärde der Verzweiflung die Hände gegen die Stirn preßte; »uns alle wird man nun als Teilnehmer an diesem schändlichen Verrate betrachten.«

Da trat die Königin ihr einen Schritt näher und sprach: »Lady Lochleven! Ihr habt mir heut nacht meine schönsten Hoffnungen genommen! habt mir den Becher der Freude von den Lippen gerissen! und doch fühle ich bei dem Kummer, der Euch trifft, das Mitleid, das Ihr dem meinigen weigert. Wie gern tröstete ich Euch, wenn es in meinem Vermögen stände – ich kann es nicht! aber laßt mich wenigstens in Liebe von Euch scheiden.«

»Hinweg, Du stolzes Weib! hinweg!« rief die Lady, »niemand verstand es so gut wie Du, unter der Maske von Güte und Liebe die tiefsten Wunden zu schlagen! wer hätte je mit einem Kusse so berücken können wie Du Gleißnerin?«

»Die Lady Douglas von Lochleven,« erwiderte mit Ruhe die Königin, »kann mich in solchem Augenblicke wie diesem mit Ihren unweiblichen Reden, deren sie sich selbst nicht vor dem Hausgesinde schämt, nicht verletzen. Dazu bin ich heut nacht einem Gliede ihres Hauses zu tief verpflichtet, denn es tilgte durch seinen Edelmut alles, was seine Ahne und Herrin im Grimme ihrer Leidenschaft an Jammer und Unglück auf mein Haupt gehäuft hat.«

»Sehr verbunden, Fürstin,« erwiderte die Lady, »verwöhnt durch königliche Huld wurde das Haus Douglas nie, und so lange mein Wille gilt, wird es seine schlichte Redlichkeit auch nicht aufgeben für höfische Auszeichnungen, wie sie Maria von Schottland zurzeit noch zu verschenken hat.«

»Wer sich gut aufs Nehmen versteht,« erwiderte die Königin, »meint sich gern frei von der Verbindlichkeit, die mit dem Empfangen verknüpft ist. Und daß mir jetzt so wenig zu bieten bleibt, ist doch niemands Schuld als der Adelsgeschlechter vom Namen Douglas und Konsorten.«

»Eure Gnaden bringen das strenge Weib noch ganz von Sinnen,« flüsterte Lady Fleming der Königin zu; »bedenkt doch, darum flehe ich, daß sie schon aufs tiefste beleidigt ist, und daß sie uns doch völlig in ihrer Gewalt hat.«

»Ich will sie nicht schonen, Fleming,« erwiderte die Königin, »sie hat meine aufrichtige Teilnahme mit Schimpf und Hohn erwidert. Es geht mir wider die Natur, ihr anders als mit gleicher Münze zu dienen. Sind ihr die Worte zur Erwiderung zu stumpf, die ihre Zunge ihr gibt, so mag sie mir doch, wenn sie es wagt, mit ihrem Dolche erwidern.«

»Lady Lochleven täte doch sicherlich besser, sich jetzt zu entfernen,« wandte die Fleming sich unmittelbar an die Lady, »Ihre Gnaden, meine gütige Herrin, benötigt doch ernstlich der Ruhe.«

»Jawohl,« versetzte die Lady, »damit Ihre Gnaden und Hochdero Schoßkinderchen hübsch Zeit behalten, sich zu besinnen, welch andre dumme Fliege sich in ihrem arglistigen Spinngewebe fangen könnte? ... Mein ältester Sohn ist Witmann: sollte er schmeichlerischen Betörungen nicht leichter noch zugänglich sein als sein Bruder es war? ... Freilich, das eheliche Joch wurde ja schon dreimal abgeschüttelt, aber bei den Römlingen herrscht ja doch, trotzdem sie die Ehe für ein Sakrament erklären, die Ansicht, man könne an solchem Sakrament nicht oft genug Teil haben.«

»Die Bekenner des Genfer Glaubens,« erwiderte die Königin, vor Empörung errötend, »sollen dagegen, weil sie in der Ehe kein Sakrament erblicken, von dieser heiligen Zeremonie zuweilen entbinden.« Im andern Augenblick erschrak sie aber selbst über die Folgen dieser herben Anspielung auf die Irrungen in dem frühern Wandel ihrer Feindin, und sie wandte sich zu ihrer Hofdame: »Komm, Fleming, wir erweisen unsrer Wirtin zuviel Huld durch diesen Wortwechsel, und wollen uns nun zur Ruhe begeben. Sollte sie noch einmal Neigung verspüren, uns in unsrer nächtlichen Ruhe zu beschweren, so müßte sie die Tür einschlagen lassen.« Hierauf begab sich die Königin in ihr Schlafgemach. Lady Lochleven aber, durch die letzten Reden der Königin im tiefsten Herzen getroffen, blieb wie angewurzelt am Boden stehen. Dryfesdale und Randal bemühten sich, sie durch Fragen wieder zu sich zu bringen.

»Was soll vorderhand weiter geschehen, gnädigste Herrin?« fragte der eine.

»Sollen die Wachen verdoppelt werden? soll ich im Garten bei den Booten eine Sonderwache aufziehen lassen?« fragte der andre.

»Soll eine Meldung an Sir William nach Edinburg abgehen?« fragte dann Dryfesdale wieder; »sollte nicht auch Kinroß alarmiert werden? für den Fall, daß sich am Seeufer noch ein feindlicher Rückhalt befände?«

»Handle nach Deinem besten Wissen, Dryfesdale,« versetzte Lady Lochleven, die langsam ihre Besinnung wiederfand, »es heißt ja von Dir, Du verständest das Kriegshandwerk. Triff also alle Vorsichtsmaßregeln, die Dir als notwendig erscheinen – Gott im Himmel! daß ich so offnen Schimpf erleiden mußte!«

»Wär's Euer Wille, diese Person – diese – Lady, durch strengere Maßregeln zu zwiebeln?« fragte Dryfesdale.

»Nein, Kerl!« fuhr die Lady ihn an, »mich dürstet nach andrer Rache, solch gelinde Dosis wäscht nicht die Schmach von mir!«

»Und solche Rache soll Euch werden, gnädigste Herrin,« versetzte Dryfesdale; »bevor die Sonne zum andern Male untergegangen, soll Ihr zufrieden sein!«

Die Lady erwiderte nichts hierauf: sie hatte vielleicht die letzten Worte gar nicht vernommen, da sie eben schon das Zimmer verließ. Dryfesdale entließ die Dienerschaft, er selbst blieb zurück, und Roland Gräme war nicht wenig verwundert, den grämlichen Greis mit einer freundlicheren Miene, als er sonst an ihm gewohnt war, auf sich zukommen zu sehen, und um so verwunderter, als sich diese Miene gar nicht recht zu dem finstern Ausdruck des ganzen Gesichts schicken mochte.

»Junger Wicht,« hub Dryfesdale an, »es will mich bedünken, als hätte ich Dir hin und wieder unrecht getan – die Schuld daran trifft aber Dich selbst, denn Dein Benehmen war immer so leicht wie die Feder, die Du auf dem Hute trägst. Aber mein Urteil über Dich ist zu hart gewesen. Heute nacht hab ich aus meinem Fenster gesehen, wie Du Dich gegen den Kameraden des ungetreuen Sohnes dieses Hauses wandtest, der davon abgetrennt werden muß wie ein wilder Schößling – ich war nämlich neugierig, wie Du Dich für die Nacht allein im Garten einrichten würdest – als ich sah, wie Du den Eindringling am Mantelzipfel faßtest, wollte ich Dir schon zu Hilfe kommen: da knallte die Pistole, und der Turmwart, ein falscher Halunke, den ich im Verdacht habe, sich bestechen zu lassen – mußte wohl oder übel Lärm blasen – was er bis dahin, wahrscheinlich mit guter Absicht, unterlassen hatte. Um mein Unrecht wieder gut zu machen, möcht ich Euch eine kleine Liebe antun.«

»Die wäre?« fragte der Page.

»Du sollst die Nachricht von dem Fluchtversuch nach Holyrood melden. Dort kannst Du Dich dadurch in große Gunst setzen, beim Grafen Morton, wie auch bei Sir William Douglas.«

»Vielen Dank, Herr Hausmeier,« erwiderte Roland, »aber ich habe keine Lust, Eure Botschaft auszurichten, denn einmal bin ich ja als Page der Königin hier, und mithin zum Dienste ihr verpflichtet; sodann kann ich mir nicht recht denken, daß die genannten Herren demjenigen sonderlich gnädig sein möchten, der ihnen die Nachricht von der Treulosigkeit eines ihnen so nahe verwandten Junkers überbringt.«

»Hm,« brummte Dryfesdale, halb verwundert, halb verdrießlich, »bei allem Flattersinn scheint's, als ob Ihr Euch in der Welt doch forthelfen würdet.«

»Ich will Euch bloß zeigen, daß mich keine selbstsüchtigen Grundsätze leiten, sondern daß mir Ehrlichkeit für besser gilt als ein grämlicher Sinn, und Lustigkeit für besser als Arglist. Mir kommt's weiter so vor, Herr Hausmeier, als daß Ihr mir nie im Leben so wenig grün wäret, wie eben jetzt, daß Ihr mir aufrichtiges Vertrauen nicht schenken mögt, weiß ich ja; und darum wundert Euch nicht, daß ich falsche Zusicherungen nicht für bare Münze nehme. Bleibt nur mir gegenüber der alte: das ist für uns beide schon das beste – beargwöhnt mich nach wie vor aus vollem Herzen, und haltet mich, wie bisher, hübsch unter der Fuchtel – ich komm dabei ganz gut zurecht, denn Trotz biet ich Euch so oder so – an mir habt Ihr nun mal einen gefunden, der's mit Euch aufnimmt.«

»Musje! beim Himmel!« rief erbost der Hausmeier, »wagst Du Verrat gegen Lochleven zu spinnen, dann soll Dein Kopf auf der Turmwarte in der Sonne rösten!«

»Wer Vertrauen von sich weist, trägt sich wohl nicht mit Gedanken an Verrat,« erwiderte Roland; »und mein Kopf, mein lieber Dryfesdale, sitzt fest auf meinen Schultern, wie ein Turm, vom besten Baumeister gezimmert.«

»Na, dann gute Nacht, Musje Federhut!« sagte höhnisch der Hausmeier.

»Gute Nacht, Signor Ohrenbläser,« erwiderte lachend der Page und legte sich, sobald der alte Griesgram verschwunden war, aufs Ohr.


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