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Fünfzehntes Kapitel

In der Woche, die auf die Flucht der Königin aus dem Schlosse Lochleven folgte, hatten ihre Anhänger ein stattliches Heer gesammelt, das über sechstausend Krieger zählte. Zu Hamilton hielt sie ihr Hauptquartier, und dorthin drängten sich noch immer neue Ritter und Krieger. Aber auch der Regent hatte, im Namen des Königsknäbleins, ein Heer um sich geschart, das an Zahl dem der Königin zwar nachstand, ihm aber an tüchtigen Führern, wie dem in Frankreich und den Niederlanden gebildeten Murray, dann Morton und dem Laird von Grange, überlegen war. Unter diesen Umständen wäre es für die Königin wohl am geratensten gewesen, eine Schlacht zu vermeiden und durch Verhandlungen mit den Gegnern sich zu sichern, was sie bisher erreicht hatte, aber das Ungestüm ihrer Lords sollte diesen Plan ihrer weiseren Berater zu nichte machen. Wohl war beschlossen worden, mit dem Heere nach Dumbarton zu marschieren und in seinem festen, uneinnehmbaren Schlosse die Person der Königin in Sicherheit zu bringen. Wohl fand in der Ebene von Hamilton eine der glänzendsten Musterungen statt, die über ein schottisches Kriegsheer je abgehalten worden, wohl führte die Gegenwart der von erlesener Edelwache umgebnen Königin Begeisterung in aller Herzen, wohl wuchs das königliche Heer nicht bloß durch profane Krieger, sondern auch geistliche Herren scheuten sich nicht, zu den Waffen zu greifen und ihr Blut für die Königin einzusetzen. Wohl rückte das königliche Heer in sieghaftem Zuge bis vor die Mauern von Glasgow, mit Entfaltung alles kriegerischen Prunkes damaliger Zeit. Dort aber sollte es zur Schlacht kommen, denn hier stellten die Gegner der Königin sich ihrem Heere.

Aber ehe wir der Geschichte ihr Recht lassen, müssen wir uns nach zwei Hauptpersonen umsehen, die in dem Heere der Königin Seite an Seite ritten, nach dem Ritter Avenel und dem Abte Ambrosius. Der letztere trug nicht mehr Knappentracht, sondern das heilige Kleid seines Ordens. Seit der Nacht, da die Königin aus Lochleven geflohen war, hatte Roland den Abt nicht mehr gesehen und ihn eben erst wieder im Gefolge der Königin bemerkt. Er hatte sich beeilt, an seine Seite zu reiten und mit entblößtem Haupte ihn um seinen Segen zu bitten.

»Der Segen des Klosterabtes von Sankt-Marien, mein Sohn,« antwortete Ambrosius, »gehört Dir. Ich sehe Dich jetzt unter Deinem wahren Namen und in der Rittertracht, die Dir zukommt. Deiner Stirn steht der Helm mit dem Palmenzweige wohl an, und lange habe ich auf die Stunde gewartet, da Du ihn tragen werdest.«

»So war Euch meine Herkunft bekannt, frommer Vater?« fragte Roland.

»Wohl, doch unter dem Siegel der Beichte, durch Deine Großmutter; demnach stand es nicht in meiner Macht, das Geheimnis zu offenbaren, sondern ich mußte es überlassen, ob sie dies Geheimnis lösen werde oder nicht.«

»Was mag ihr Grund gewesen sein, frommer Vater, es so lange zu hüten?« fragte Roland.

»Vielleicht Scheu vor meinem Bruder, aber es wäre unbegründete Scheu gewesen, denn mein Bruder Halbert hätte, und wenn es einem Königreich gegolten hätte, keinem Waisenknaben Unrecht angetan, ganz abgesehen davon, daß Euer Anspruch, Roland, in ruhigen Zeiten sich mit dem Anspruche von Halberts Frau, als der Tochter von Julians älterm Bruder, nicht hätte messen können, auch wenn Euer Vater sich so gerecht gegen Eure Mutter erwiesen hatte, wie es, so will ich hoffen, der Fall gewesen ist.«

»Von meiner Seite haben sie Ansprüche nicht zu gewärtigen, geschweige zu fürchten,« versetzte Avenel, »denn Schottland ist doch wahrlich groß genug, und manches Lehn ist zu gewinnen, ohne daß ich meinen Wohltäter auszuplündern brauche. Aber beweist mir, hochwürdiger Vater, daß mein Vater gerecht war gegen meine Mutter, und daß ich mich mit Fug und Recht einen Avenel nennen kann ... Ihr macht mich dadurch zu Eurem in Ewigkeit Euch zu Dank verbundenen Sklaven.«

»Die Seytons achten Dich, wie ich höre, gering wegen dieses auf Deinem Wappenschilde haftenden Fleckens. Ich besitze aber Mitteilungen vom Abte Bonifazius, die solchen Vorwurf widerlegen können, wenn er ernstlich erhoben werden sollte.«

»Gebt mir Kenntnis von diesen Nachrichten, die Balsam für mein Gemüt sind,« rief Roland, »und was mein künftiges Leben vermag ...«

»Ungestümer Jüngling,« erwiderte der Abt, »ich müßte fürchten, Dich in dem Gleichgewicht Deiner Seele zu stören, wollte ich Hoffnungen in Dir wecken, die sich nicht erfüllen können – oder vielleicht nicht erfüllen dürften ... Und ist dies jetzt die Zeit dazu? Bedenke, auf welchem gefahrvollen Marsche wir uns befinden, und laß, sofern Du noch eine Sünde zu beichten hast, diese kurze Frist nicht vorübergehen, die Dir der Himmel vielleicht noch spendet zur Beichte und zur Vergebung Deiner Sünden.«

»Zu beidem findet sich vielleicht noch Zeit, wenn wir in Dumbarton sein werden,« erwiderte der jugendliche Ritter.

»Ja, Du bist ganz wie alle übrigen, und denkst nicht an das alte Wort von den Hähnen, die zu früh gackern!« sagte der Abt. »Noch sind wir nicht in Dumbarton, und ein Löwe sperrt uns den Weg.«

»Meint Ihr den Grafen Murray? oder Morton und die andern Meuterer?« rief Roland. »Ehrwürdiger Vater! sie halten dem Anblick des königlichen Paniers nicht stand!«

»So sprachen andre auch, die erfahrener sind als Du, Sohn .. Ich komme aus dem Süden zurück, wo ich manchen berühmten Häuptling sprach, der Kriegerscharen warb für die Sache der Königin. Und die hier versammelten Lords verließ ich als weise und besonnene Männer .. aber wie finde ich sie wieder? als rasende Toren! ... Aus bloßem Stolz und eitler Ruhmsucht wollen sie die Königin im Triumph angesichts des feindlichen Heeres unter den Wällen von Glasgow vorbeiführen. Aber nur selten ist der Himmel solchem trotzigen Selbstvertrauen gnädig gesinnt. Wir werden Widerstand finden, und bitterernsten Widerstand!«

»Um so besser,« versetzte mit Begeisterung Roland Avenel, »das Blachfeld war meine Wiege.«

»Hüte Dich, mein Sohn, daß es Dir nicht zum Sarge werde!« erwiderte der Abt; »doch was hilft es, einem jungen Wolfe von den Gefahren zu sprechen, die ihm drohen von Hetze und Treibjagd? Wer weiß, ob Ihr nicht schon, ehe der Tag sich neigt, erfahren habt, was für Männer es sind, die Ihr jetzt so unbesonnenerweise geringschätzt!«

»Was sprecht Ihr da, hochwürdiger Abt?« rief Heinrich Seyton, der zu dem Paare herangeritten war, »haben die drüben etwa Sehnen von Stahl und Muskeln von Eisen? Schlägt ihnen Stahl keine Wunden, und dringt Blei nicht in ihr Fleisch? ... Und sind es Menschen wie wir, dann, hochwürdiger Herr, haben wir wenig zu fürchten.«

»Es sind böse Menschen, aber der Krieg erfordert keine Heiligen,« erwiderte der Abt, »Murray und Morton sind bekannt als Schottlands beste Heerführer, noch keiner hat Lindesays oder Ruthvens Rücken gesehen, und den Kirkaldy von Grange nannte der Connetable von Frankreich den ersten Kriegshelden von Europa .. und mein Bruder? auch er führt einen Namen, der zu gut ist für solch ungerechte Sache.«

»Desto ruhmvoller für uns!« rief Heinrich Seyton wieder, und seine Mienen strahlten vor Stolz und Freude ... »all diese Verräter von Namen und Rang werden wir auf herrlichem Schlachtfelde vor uns haben. Unsre Sache ist gerecht, unsre Scharen sind zahlreicher, und an Mut und Kraft stehen wir ihnen wahrlich nicht nach, also: Sankt Benediktus! drauf und dran!«

Der Abt gab hierauf keine Antwort, aber er schien in Betrachtungen zu versinken, und seine Unruhe und Besorgnis ging auf Roland über, der von jeder Höhe aus, über die sie der Marsch führte, beklommenen Herzens die Blicke über die Türme von Glasgow schweifen ließ, als sei er gefaßt, die Feinde aus ihren Toren brechen zu sehen. Wohl bangte er nicht vor dem Kampfe, aber der Ausgang desselben war zu wichtig für die weitere Gestaltung der Dinge in seinem Vaterlande, wie nicht minder seiner persönlichen Verhältnisse, als daß sich das ungestüme Temperament nicht hätte mäßigen sollen. Liebe, Ehre, Ruhm, Wohlfahrt, alles schien abzuhängen von dem Ausgange einer einzigen Schlacht, die vielleicht zu schnell gewagt wurde, jetzt aber unvermeidlich geworden zu sein schien.

Der Heereszug bewegte sich jetzt der Stadt Glasgow gegenüber .. da sah Roland auf den Höhen, die sich vor ihnen hinzogen, Helme blitzen, und nun erkannte er, daß sie besetzt gehalten wurden von einer Kriegerschar, die das königliche Banner entfaltete, gleich dem Heere, dem er angehörte ... und weiter erspähte er, daß aus den Toren der Stadt Fußvolk und Reiterei hervordrang, um die auf dem Höhenzuge postierten Truppen zu verstärken. Nun kamen Reiter über Reiter von der Vorhut herangesprengt mit der Meldung, daß Graf Murray das Blachfeld, das sich vor ihnen dehne, mit seinem ganzen Heere besetzt halte, und daß er den festen Entschluß gefaßt habe, sich dem Heere der Königin zu stellen ...

Der Augenblick war also da, in welchem der Mut der Streiter die Feuerprobe bestehen sollte, wo alle jene, die zu voreilig gemeint hatten, sie würden unbeanstandet an der Stadt vorbeimarschieren können, erkennen sollten, daß sie sich in schwerem Irrtum befunden hatten, denn sie sahen sich so plötzlich einem entschlossenen Feinde, der gleich ihnen um die Frage der Herrschaft, ja um die Frage seines weiteren Daseins rang, gegenüber, daß ihnen kaum noch Zeit blieb, einen Entschluß zu fassen, geschweige zu überlegen.

Sogleich hatten die Führer sich um die Königin geschart, um einen beschleunigten Kriegsrat zu halten. Marias bebende Lippen kündeten die Bangigkeit, die sie durch eine kühne Haltung und würdevolle Miene zu verbergen trachtete. Aber die Erinnerung an den unglücklichen Ausgang des Treffens von Carberry-Hill war zu schmerzlich, daß es ihr hätte gelingen können, und als sie die Frage an ihre Lords stellen wollte, wie sie sich die Schlachtstellung am günstigsten dächten, da entschlüpfte ihr die andre Frage, ob es nicht möglich sei, der Schlacht noch auszuweichen.

»Ausweichen?« rief Lord Seyton voll wilden Feuers; »stehe ich einer gegen zehn dem Feinde gegenüber, dann kann ich von so etwas reden. Aber nun und nimmer, stehe ich ihnen drei zu zwei gegenüber. Und das ist der Fall hier!«

»In die Schlacht! in die Schlacht!« riefen ungestüm die Lords wie aus einem Munde. »Wir wollen die Meuterer aus ihrer guten Stellung jagen wie der Hund den Hasen auf die Höhe jagt.«

»Verzeiht, edle Lords,« warf der Abt dazwischen, »aber es wäre wohl ebenso gut, den Feind zu hindern, daß er selbst solchen Vorteil gewinne? .. Unser Weg führt durch das Dörfchen oben auf der Höhe, und meiner Meinung nach gewinnt der, welcher es zuerst besetzt, eine sehr feste Stellung, und ist in bedeutendem Vorteil gegenüber dem Gegner.«

»Der hochwürdige Herr spricht klug und wahr,« pflichtete die Königin bei; »o eile, eile Seyton, daß Du das Dorf in Deine Gewalt bekommst. Schon rückt der Feind mit Windeseile heran.«

Seyton verneigte sich tief und riß sein Roß herum.

»Königliche Hoheit vergönnt mir viel Ehre,« sprach er, »ich werde sofort vordringen und mich des Platzes bemächtigen.«

»Doch nicht früher als ich, Mylord, denn mir wurde die Führung des Vortrabs übertragen,« rief Lord Arbroath.

»Früher als Ihr und jeder Hamilton in Schottland,« rief Seyton, »denn ich habe den Befehl aus dem Munde der Königin ... Folgt mir, Kameraden, Vasallen und Vettern! Sankt-Benediktus, und drauf und dran!«

»Und Ihr, meine edlen Vettern und Lehnsmänner,« rief Arbroath, »wir wollen unserseits sehen, wer den Platz zuerst gewinnt, denn wir haben die Ehre des Vortrabs zu wahren! Für Gott und die Königin!«

»Unheilkündende Eile und unheilvoller Zwist!« sagte der Abt, als er die Lords mit ihren Scharen wie Rasende von dannen sausen sah, die Höhe zu gewinnen, ohne zu warten, bis ihre Mannschaften sich formiert hatten. »Und Ihr, Ihr jungen Herren!« sprach er vorwurfsvoll weiter, zu Roland und Seyton gewandt, die sich anschickten, den Rasenden zu folgen, »wollt Ihr die Person der Königin unbewacht zurücklassen?«

»O, Roland! ach, Seyton! weichet nicht von mir!« bat die Königin, »es fehlt doch wahrlich nicht an Armen, das Schwert zu ziehen in diesem grausen Ringen. Entzieht mir nicht Eure Arme, denen ich mich anvertraue in dieser schweren Gefahr!«

»Eure Gnaden dürfen wir nicht im Stiche lassen,« rief Roland und riß sein Roß herum, während er auf Seyton blickte.

»Ich hab schon immer drauf gewartet, daß Dir das einfallen werde,« rief ihm der ungestüme Jüngling zu.

Roland gab keine Antwort, sondern biß sich auf die Lippen, daß sie zu bluten anfingen. Dann flüsterte er Katharinen zu, indem er an ihren Zelter heransprengte:

»Nie habe ich gemeint, daß ich durch persönliches Verdienst mir Anspruch erworben hätte auf Eure Hand. Aber heut habe ich mir Feigheit von Eurem Bruder ins Gesicht vorwerfen lassen, und mein Schwert ist ruhig in der Scheide geblieben! einzig und allein aus Liebe zu Euch!«

»Ihr seid alle wie von Sinnen!« sagte Katharina, »mein Vater, mein Bruder und Ihr! An unsre arme Königin solltet Ihr alle denken, und jeder denkt bloß an sein ärmliches Selbst! jeder ist eifersüchtig auf das bißchen persönliche Recht, das ihm zusteht! ... Der einzige unter uns, der seine Besonnenheit wahrt, der ein besserer Feldherr ist als Ihr alle, ist der Mönch ... Hochwürdiger Herr,« sagte sie laut, »war es nicht klüger, wir zögen uns westlich und warteten den Erfolg, den uns Gott beschieden hat, ab, statt hier auf offner Landstraße zu warten, wo wir die Person der Königin doch in unmittelbare Gefahr setzen und unsern Truppen beim Vorrücken hinderlich sind?«

»Du hast recht, meine Tochter,« erwiderte der Abt. »Ach, hätten wir doch nur jemand, der uns dorthin geleitete, wo sich die Königin in Sicherheit befände! All unsre Adelinge reiten wie rasend in den Kampf, ohne an die alleinige Ursache dieses Kampfes zu denken.«

»Folgt mir,« sprach ein gewappneter Krieger mit geschlossenem Visier und in tiefschwarzer Rüstung, ohne Busch auf dem Helm und ohne Abzeichen auf dem Schilde.

»Wir werden keinem Fremden folgen ohne irgend eine Bürgschaft für seine Treue,« sprach der Abt.

»Ich bin ein Fremder, doch in Euren Händen,« antwortete der Reiter, »und wollt Ihr mehr wissen, dann wird sich die Königin selbst für mich verbürgen.«

Wie gelähmt von Furcht, war die Königin nicht von dem Platze gewichen, auf dem ihr Zelter hielt. Sie lächelte mechanisch, winkte mit der Hand und nickte, wenn Fahnen und Speere der hinter Seyton und Arbroath nachrückenden Scharen sich vor ihr senkten. Doch kaum hatte der schwarze Ritter sich vor ihr verbeugt und ihr ein Wort ins Ohr geflüstert, so rief sie: »Ja, ja, Ihr habt recht!« und als er nun mit lauter, gebietender Stimme befahl: »Ihr Herren, die Königin will, daß Ihr mir folgt!« da rief sie wieder, und zwar mit einem gewissen Grade von Heftigkeit: »Ja, ich will es!«

Im Augenblick war alles in Bewegung, denn der schwarze Reiter tummelte jetzt sein Roß und ließ es Sprünge und Wendungen machen, daß man wohl sah, daß er es ganz in der Gewalt hatte. Schnell hatte er das Gefolge der Königin in Ordnung gebracht, dann schwenkte er links um und nahm die Richtung auf ein Schloß, das auf einer kleinen, freien Höhe lag und einen weiten Blick über die zu seinen Füßen liegende Landschaft gestattete. Von ihm aus übersah man die Höhen, um deren Besitz jetzt die beiden Heere rangen und die augenscheinlich bald der eigentliche Schauplatz des Kampfes werden sollten.

»Wem gehört das Schloß dort?« fragte der Abt den schwarzen Reiter. »Befindet es sich im Besitze von Freunden?«

»Es hat jetzt keinen Herrn oder ist zum wenigsten frei von feindlicher Besatzung,« antwortete der Gefragte, »aber spornt doch, bitte, die beiden Jünglinge an zu größerer Eile! es ist doch wahrlich jetzt keine Zeit, müßige Neugierde für einen Kampf zu zeigen, an dem man keinen Anteil nehmen kann.«

»Mir ist das sicher keine Freude,« erwiderte Seyton, »denn ich wäre lieber dort unter dem Banner meines Vaters, als in Erwartung der Aussicht, für treue Hüterpflichten einst Kammerherr zu Holyrood zu werden,«

»Der Platz unter dem Banner Eures Vaters wird bald höchst gefahrvoll werden,« sagte Roland, der den Blick, auch während er sein Roß in entgegengesetzter Richtung lenkte, den beiden im Kampfe befindlichen Heeren zugewandt hielt, »denn die von Osten im Anmarsch befindliche Schar wird das Dorf wohl eher erreichen, als es Lord Seyton wird besetzen können.«

»Es ist doch bloß Reiterei,« erwiderte Heinrich Seyton, »und ohne Büchsenfeuer läßt sich das Dorf doch nicht halten.«

»Seht schärfer hin, und Ihr werdet erkennen,« erwiderte Roland, »daß hinter jedem dieser Reiter ein Krieger zu Fuße marschiert.«

»Beim Himmel, er hat recht,« pflichtete der schwarze Reiter bei, »es muß einer von Euch auf der Stelle dem Lord Seyton hiervon Meldung machen! und dem Lord Arbroath desgleichen, damit sie nicht ohne Fußvolk weiter vorrücken, sondern ihre Mannschaft so schnell wie möglich in rechte Ordnung bringen!«

»Ich will hinüberreiten,« rief Roland, »ich bemerkte die Kriegslist des Feindes zuerst!«

»Meines Vaters Banner steht in Gefahr,« erwiderte Heinrich Seyton, »mithin steht mir das Recht zu.«

»Ich lasse der Königin die Entscheidung,« sagte Roland Avenel.

»Muß einer von Euch mich verlassen,« entschied die Königin, »so sei es Seyton. O, über diesen neuen Zwist in meinem Gefolge!« klagte sie. »Habe ich nicht Feinde schon mehr als genug? müssen sich auch meine Freunde fortwährend in Fehde setzen?«

Seyton gab, nachdem er sich so tief verbeugt hatte, daß die weißen Federn des Helmbusches die fliegende Mähne seines Rosses berührten, diesem die Sporen und sauste mit Windeseile über das Blachfeld und die Höhe hinauf, die sein Vater noch immer nicht erreicht hatte, trotzdem ihn kein Hindernis aufhielt.

»Mein Bruder! mein Bruder! mein Vater!« schrie Katharina, von Todesangst ergriffen, »sie schweben in Todesgefahr, und ich – ich befinde mich in Sicherheit!«

»O Gott! könnte ich doch bei ihnen sein!« rief Roland, »jeden Tropfen ihres Blutes wollte ich mit dem doppelten Maße des meinigen erkaufen!«

»Zur Königin, zur Königin, Fräulein Seyton!« rief der Abt, »sie wird immer schwächer!«

Man hielt jetzt vor dem Schlosse. Die Damen halfen der Königin aus dem Sattel. Aber als sie dem Schlosse zuschreiten wollten, wehrte sie dem, indem sie mit matter Stimme bat:

»Nicht dorthin! nicht dorthin! In diese Mauern setz ich den Fuß nie wieder!«

»Zeigt Euch als Königin, gnädigste Frau,« sagte der Abt, »und vergeßt, daß Ihr ein Weib seid!«

»O, weit, weit mehr noch muß ich vergessen,« klagte die hohe Frau, »ehe ich das Auge auf diesen wohlbekannten Schauplatz lenken kann. Ich muß die Tage vergessen, die ich hier gelebt habe als Braut des unglücklichen ... des ermordeten ...«

»Es ist Schloß Crookstone,« sagte die Fleming, »wo die Königin ihren ersten Hof gehalten hat, nach ihrer Vermählung mit Darnley.«

»Himmel,« seufzte der Abt, »Deine Hand lastet schwer auf uns! Und doch, hohe Frau, ermannt Euch! Eure Feinde sind die Feinde der heiligen Kirche, und heute wird Gott seine Entscheidung treffen darüber, ob Schottland dem katholischen Glauben treu bleiben oder in Ketzerei versinken wird.«

Schweres Kanonen- und Musketenfeuer gab seinen Worten furchtbaren Nachdruck und schien von tieferem Eindruck auf die Königin zu sein als geistliche Zusprache.

»Dorthin,« flüsterte sie, auf einen Eichenbaum weisend, der dicht bei dem Schlosse auf einer kleinen Höhe stand, »dorthin! ich kenne sie gar gut, die Stelle! von da habt Ihr eine Aussicht besser als von den Höhen von Schehallion.«

Sie machte sich von ihren Begleiterinnen los und eilte festen, aber leidenschaftlichen Schrittes, auf den Baum zu. Der Abt, Katharina und Roland folgten ihr, während Lady Fleming die geringeren Personen ihres Gefolges zurückhielt. Auch der Reiter in schwarzer Rüstung begleitete die Königin. Wie der Schatten dem Licht, doch immer im Abstände von etwa einem halben Dutzend Schritte, die Arme über der Brust verschränkt, folgte er ihr. Maria blickte ihn nicht an, sondern hielt die Augen nach wie vor auf jenen Eichenbaum geheftet.

»O Du schöner, herrlicher Baum,« rief sie wie in Verzückung, wie wenn sie sein Anblick den grausen Auftritten der Gegenwart entrückte – und auch jenes andre Grausen von ihr gejagt hätte, das beim ersten Anblick dieser Stätte ihr Herz erfüllt hatte – »O, da stehst du noch immer in deiner wundersamen Pracht! unbeirrt um das Kriegsgetöse, das dich umtobt! O, wer erzählen könnte wie du! alles, alles ist verrauscht, seit ich dich zum letzten Male sah! die Liebe ist verflogen, der Geliebte ist hin! die Schwüre sind verhallt, und der sie leistete, wandelt nicht mehr unter den Lebenden, kann nicht mehr aufblicken zu deiner und zu jener andern Krone, die so viel schwerer lastet als deine! ... Aber, hochwürdiger Abt, wie steht die Schlacht? Zu unserm Vorteil, will ich hoffen – Aber, ach! ach! was sonst als Unheil könnten Marias Augen erschauen von dieser Stätte aus!«

Begierig richteten ihre Begleiter die Blicke auf das Schlachtfeld, aber nichts andres ließ sich erkennen, als daß noch immer wild um das Dorf gerungen wurde. Dagegen ließ der andauernde Kanonendonner die Folgerung bestehen, daß noch keine der beiden Parteien im Rückzuge sein könne.

»Manche Seele wird zum Himmel gerufen oder zur Hölle,« sprach der Abt, »Ihr unter uns, die Ihr Euch zur heiligen Kirche bekennt, laßt uns knieen und beten, daß uns der Sieg werde in diesem grausigen Kampfe!«

»Nicht hier – nicht hier!« rief die unglückliche Königin, »betet nicht hier, frommer Vater, oder betet leise! denn mein Gemüt ist in zu heftigem Kampfe zwischen einst und jetzt, als daß es wagen könnte, sich dem göttlichen Throne zu nahen. Oder wenn Ihr beten wollt, dann betet für ein armes Weib, dem seine heiligsten Empfindungen zu den schwersten Verbrechen wurden, und das aufhörte, Königin zu sein um deswillen, weil es ein Weib war, das für die Liebe empfänglich war und durch Liebe getäuscht und betrogen wurde!«

»Wäre es nicht geraten,« sagte Roland, »wenn ich näher an die Heere heran ritte, und die Entscheidung des Tages zu erspähen suchte?«

»Tu' das in Gottes Namen,« antwortete der Abt, »denn sind unsre Freunde geschlagen, so müssen wir schleunigst fliehen, aber sieh Dich vor, daß Du nicht zu dicht in die Schlacht hinein gerätst, denn mehr als Dein eignes Leben hängt davon ab, daß Du wieder zurückkehrst.«

»Fürchtet nichts! ich werde auf der Hut sein!« rief Roland, und ohne weitern Bescheid abzuwarten, sprengte er nach dem Blachfeld hinüber, wo die Heere im schrecklichen Ringen waren. Bald hatte er einen Hügel gewonnen, der in größerer Nähe an dem Höhenzuge lag, um den die Scharen Lord Seytons stritten, und behutsam, um in keine feindliche Schar zu geraten, drang er weiter vor. Stärker dröhnten die Schüsse ihm in die Ohren, immer wilderes Geschrei erfüllte die Luft, und immer stärker schlug ihm das Herz, je mehr er sich dem eigentlichen Kampfgewühl näherte, dessen Schauplatz ein Hohlweg war, in den sich der Vortrab der Königin in unbedachter Hitze gewagt hatte, um von ihm aus auf dem kürzesten Wege zu dem Dorfe hinauf zu gelangen. Hier aber waren sie von den feindlichen Truppen unter Anführung des wilden Kriegshelden Kirkaldy und des klugen Grafen Morton gestellt worden, und in dem Bemühen, sich zu dem jenseits vom Hohlwege aufgestellten Heere durchzuschlagen, hatten sie schon sehr schwere Verluste erlitten. Da aber ihre Schar fast durchgängig aus Adelingen bestand, die zu den besten Lanzenkämpfern von ganz Schottland gehörten, waren sie, aller Hindernisse ungeachtet, vorgedrungen und griffen, als Roland auf der Höhe anlangte, den Vortrab des Regenten am Schlüssel des Engpasses mit grimmiger Wut an, während ihre Gegner, nicht gewillt, den erstrittenen Vorteil aufzugeben, die Angreifer mit gleicher Hartnäckigkeit zurückzudrängen suchten.

»Gott und die Königin!« erscholl es auf der einen, »Gott und der König!« auf der andern Seite. So mochte der Kampf wohl eine Stunde getobt haben, als Roland eine Abteilung Fußvolk erblickte, die sich um den Fuß des Hügels, auf dem er selbst stand, mit einigen Reitern an der Spitze, herumschlängelte, um dem Vortrab der Königin in die Flanke zu fallen. Auf den ersten Blick erkannte er in dem Führer des Zugs seinen alten Dienstherrn, den Ritter von Avenel, und ein zweiter Blick sagte ihm, daß derselbe den entscheidenden Streich gegen den Vortrab der Königin zu führen vorhatte ... Und wirklich, dieser Eingriff frischer Mannschaft in den Kampf sollte die Entscheidung herbeiführen!

Die Schlachtordnung der angreifenden Ritter, die bislang eine finstre, dichtgeschlossene Reihe von Helmen mit wallenden Federbüschen gebildet hatte, wurde im Nu durchbrochen, und nicht lange mehr dauerte es nun, so war der Vortrab der Königin von dem so lange umstrittenen Hügel verjagt. Umsonst riefen die Lords ihren Mannen zu, die Schlacht zu halten, umsonst kämpften sie selbst weiter, als bereits aller Widerstand umsonst war, wer nicht wich, wurde erschlagen, niedergestampft oder in die Flucht hineingerissen. Roland erkannte die Notwendigkeit, auf der Stelle das Pferd zurückzuwenden, nach Schloß Crookstone zurückzureiten und, sofern es noch möglich war, den Versuch zur Rettung der Königin zu machen. Aber als er am Fuße der Höhe Heinrich Seytons ansichtig wurde, der, abgeschnitten von den seinigen, mit Staub und Blut bedeckt, sich verzweiflungsvoll gegen eine Schar von Feinden wehrte, die, durch seine strahlende Rüstung angelockt, auf ihn eindrang, da gab es für Roland kein Besinnen. Wie ein Wettersturm war er die Höhe hinunter gesaust und machte mit ein paar wuchtigen Hieben zwei der wildesten Gegner Seytons nieder, worauf die andern sich zur Flucht wandten. Dann hieß er Seyton die Mähne seines Roßes packen.

»Heut leben wir zusammen oder finden zusammen den Tod,« rief er, »haltet Euch fest, bis wir aus dem dichtesten Gewühl heraus sind. Dann ist mein Roß Euer.«

Seyton hörte ihn und bot die letzten Kräfte auf, sich an dem Rosse zu halten. Aber kaum war Roland zu der Stelle gelangt, von wo aus er den Ritter von Glendinning aus dem Hinterhalte hervorbrechen sah, so ließ Seyton die Mähne des Rosses fahren und sank, aller Bemühungen Rolands, ihn zu stützen, ungeachtet, rücklings zu Boden.

»Laß mich liegen,« sagte er mühsam zu Roland, während ihm das Blut aus Mund und Nase hervorschoß, »es war meine erste und letzte Schlacht. Ich hab zuviel von ihr gesehen, als daß es mich nach dem Ende noch verlangen sollte. Reite zur Königin, rette sie und sag Katharina einen letzten Gruß, Jetzt wird sie niemand mehr mit mir verwechseln ... oder mich mit ihr ... der letzte Hieb, den ich von den Wichten bekam, ohne ihn parieren zu können, hat mir den Rest gegeben.«

»Laßt mich Euch auf mein Pferd hinaufheben!« rief Roland eifrig. »Noch immer könnt Ihr gerettet werden. Ich kann mich zu Fuße zurückfinden. Wendet mein Roß bloß nach Westen, und es wird Euch wie der Wind zurück und in Sicherheit schaffen,«

»Ich setze keinen Fuß mehr in einen Steigbügel,« versetzte der Jüngling, »leb wohl, Roland! Du bist mir im Tode lieber geworden, als ich mir im Leben je hätte denken können. Aber bleib nicht müßig stehen bei einem Sterbenden, sondern eile zur Königin! ... Eins noch, Roland! ich wär froher, wäre meine Hand rein vom Blute des alten Hausmeiers ... Sancte Benedicte! ora pro nobis! «

Die letzte Anstrengung, die es ihm verursachte, diese Worte hervorzustoßen, kostete ihn den letzten Hauch, und er sank tot nieder. Roland erinnerte sich, als er den Jüngling verscheiden sah, der ihm fast aus der Erinnerung gewichenen höheren Pflicht, aber er war nicht der einzige, der die letzten Worte des Sterbenden vernommen hatte.

»Die Königin! wo ist die Königin?« rief eine Stimme, deren Klang ihm nicht fremd war, und als er sich umdrehte, erkannte er seinen alten Dienstherrn Sir Halbert Glendinning, der, von einigen Reisigen gefolgt, herangesprengt kam. Roland gab keine Antwort, sondern wandte sein Roß und sprengte, was sein treues Tier rennen konnte, weg in der Richtung auf Schluß Crookstone.

Mit eingelegter Lanze, aber in schwerer Rüstung und auf minder flinkem Rosse, setzte Sir Halbert hinter ihm drein und rief ihm zu:

»Haltet, Ihr mit dem Palmenzweig! und beweist Euer Recht, ihn als Helmzier zu tragen! Halt, Memme, oder ich renn Dir die Lanze von hinten durch den Leib wie einem Feigling! .. Ich bin der Ritter Avenel, Halbert Glendinning, und keiner außer mir trägt den Palmzweig als Helmzier mit Recht!«

Roland fühlte aber kein Verlangen, mit seinem ehemaligen Herrn einen Kampf zu bestehen, zumal er wußte, daß die Sicherheit der Königin von seiner Eile abhing. Mit keiner Silbe erwiderte er auf die Schmährufe des Ritters, sondern ritt in rasendem Galopp in der Richtung nach dem Schlosse weiter. Um ein paar hundert Schritte war er dem Verfolger voraus, da sah er unter dem Eichenbaum die Königin bereits auf ihrem Zelter halten. So laut er konnte, rief er:

»Feinde! Feinde! Reitet, schöne Frauen! reitet, so schnell Ihr es vermögt! Und Ihr, tapfre Kampfgenossen! erfüllt Eure Pflicht, sie zu schützen!«

Im andern Augenblick hatte er seinen Gaul gewandt und rannte gegen den vordersten aus der feindlichen Schar mit solcher Wucht seine Lanze, daß Roß und Mann zu Boden schlugen. Während er sich nun gegen den nächsten wandte, ritt der Ritter mit der schwarzen Rüstung, der sich von dem Gefolge der Königin getrennt hatte, um die Feinde aufzuhalten, auf Sir Halbert Glendinning ein. Mit solcher Wucht prallten sie wider einander, daß beider Rosse zu Falle kamen und beide Reiter sich auf dem Boden wälzten. Keiner von beiden konnte aufstehen, denn der schwarze Reiter war von Glendinnings Lanze durchbohrt worden, und diesen drückte die Last seines Pferdes, daß er sich in nicht viel bessrer Lage befand als sein auf den Tod verwundeter Gegner.

»Ergebt Euch, Herr Ritter von Avenel, auf Gnade und Ungnade!« rief Roland, der einen zweiten Knappen des Ritters soeben in den Sand gestreckt hatte und es sich angelegen sein ließ, den Ritter von weiterem Kampfe abzuhalten.

»Ich kann leider nicht anders,« versetzte der Ritter, »aber ich schäme mich, das Wort zu solch einer Memme, wie Dir, zu sagen.«

»Braucht solches Wort nicht, Sir Halbert,« rief Roland und schlug sein Visier zurück, während er seinem Gefangnen unter dem Pferde hervorhalf ... »ich hätte mich Euch gestellt, wie es einem rechtlichen Manne zusteht, hätte mich nicht die Erinnerung an die gütige Behandlung, die mir in Eurem Schlosse von Euch, mehr aber noch von Eurer Gemahlin zu teil geworden ist, davon zurückgehalten.«

»Der Page meiner Frau!« rief außer sich vor Verwunderung Sir Halbert. »Ha, Elender! von Deinem schimpflichen Verrat in Lochleven habe ich vernommen!«

»Mach ihm keinen Vorwurf, Bruder!« sprach Abt Ambrosius. »Er war nur Werkzeug in Gottes Hand.«

»Zu Pferde! zu Pferde!« rief Katharina Seyton, »sitzt auf, oder wir sind verloren! Ich sehe unser stattliches Heer in wilder Flucht. Hochwürdiger Abt, zu Pferde! Roland, aufgesessen! Gnädigste Fürstin, da steht Euer Zelter. Wir hätten schon eine Stunde weit sein können.«

»Seht hier diese Züge,« sprach die Königin, auf den tödlich verwundeten Ritter in schwarzer Rüstung zeigend, dem eine mitleidige Hand den Helm aufgeschnallt hatte; »blicket auf sie und sagt mir, ob die Frau, die alle ins Verderben stürzt, die ihr in Liebe zugetan sind, einen Fuß breit fliehen sollte, ihr unglückliches Leben zu retten.«

Was das Herz der Königin geahnt hatte, das sah sie jetzt! es waren die Züge des unglücklichen Georg Douglas, denen der Tod jetzt sein Siegel aufdrückte.

»Seht ihn Euch recht an!« rief die Königin, »so erging es allen, die Maria Stuart liebten! Nichts vermochte sie zu retten, weder den edlen Franz sein königlicher Rang, noch Chatelet sein Witz, noch den heitern Gordon sein Rittermut, noch Rizzio der Wohllaut seiner Stimme, noch Darnley seine edle Gestalt und jugendliche Anmut, noch Bothwell die kecke Gewandtheit und das einschmeichelnde Wesen, noch den wackern Douglas die treue Ergebenheit jugendlicher Schwärmerei ... nichts hat sie retten können! sie richteten den Blick auf die unglückliche Maria, und genug war es für sie, Maria geliebt zu haben, um einen frühen Tod zu leiden! ... Dringt nicht in mich so stürmisch hinein! ich mag nicht weiter fliehen! ich kann ja doch bloß einmal sterben, und ich will hier den Tod erwarten!«

In reichem Strome flossen ihre Zähren über das Antlitz des edlen Jünglings, der die Augen mit einer Glut auf sie heftete, die selbst der Tod nicht zu löschen vermochte.

»Klaget nicht um mich,« sagte er mit matter Stimme, »sondern bleibt bedacht auf Eure Sicherheit, Ich sterbe als ein Douglas und sterbe, beweint von Maria Stuart!«

Mit diesen Worten verschied er. Die Königin, deren Herz so weich und liebevoll war, daß sie die holdeste Gattin abgegeben hätte, wenn ihr das Schicksal einen würdigeren Gatten als Darnley zuerteilt hätte, blieb an seiner Seite und weinte die bittersten Tränen, bis es dem Abt gelang, sie zum Bewußtsein ihrer selbst zurückzubringen. Aber er mußte, um Gehör zu finden, einen Ton anschlagen, den er bisher noch nie geführt hatte.

»Auch wir, gnädigste Frau,« sagte er, »haben als getreue Begleiter von Euer Gnaden Freunde und Verwandte zu beklagen. Ich lasse einen Bruder zurück in größter Gefahr, Katharinas Vater und Brüder befinden sich drüben auf blutiger Walstatt, tot oder verwundet, oder als Gefangne eines grimmigen Feindes. Wir vergaßen im Dienste unsrer Königin das Schicksal unsrer Liebsten und Nächsten, und unsre Königin ist so mit ihrem eignen Schmerz beschäftigt, daß sie für uns kaum einen Gedanken findet.«

»Ich verdiene Euren Vorwurf nicht, hochwürdiger Herr,« sagte die Königin und trocknete ihre Tränen, »aber ich leihe ihm Gehör ... wohin sollen wir uns begeben? ... Was sollen wir beginnen?«

»Wir müssen fliehen, und zwar auf der Stelle,« erwiderte der Abt; »wohin, ist nicht so leicht zu sagen; aber darüber können wir uns unterwegs klar werden. Hebt die Königin in den Sattel, und laßt uns aufbrechen.«

Es wurde aufgebrochen. Roland bedeutete die Begleiter des Ritters von Avenel, nach dem Schlosse Crookstone zu reiten, und begehrte für die Freilassung des Ritters kein andres Lösegeld als das Versprechen für sich und sein Gefolge, die Richtung als Geheimnis zu hüten, die er mit der Königin einschlüge.

Als er sein Roß wandte, gaffte ihn das ehrliche Gesicht Adam Woodcocks an, mit einem solchen Ausdruck von Staunen und Verwunderung, daß er zu andrer Zeit sich vor Lachen ausgeschüttet hätte. Woodcock war mit unter den Reitern des Ritters von Avenel gewesen, die seinen starken Arm zu fühlen bekommen hatten. Roland vergaß nicht, ihm ein paar Goldstücke – die er der Freigebigkeit der Königin verdankte – in die Mütze zu werfen, die noch auf der Erde lag, und mit einem freundlichen Abschiedsgruß sprengte er von dannen, um die Königin einzuholen, die schon weit hinunter den Hügel gelangt war.

»Es wird doch kein Hexengold sein,« meinte der ehrliche Falkner, indem er die Stücke einzeln untersuchte und betastete, »und Herr Roland war's doch auch, das steht bombenfest! denn es war noch immer die gleiche derbe Faust, die sich nicht besinnt zuzuschlagen ... Na, das wird der lieben Schloßherrin lieb sein zu hören, denn sie trauert wirklich und wahrhaftig um ihn, als wenn der Junge ihr leibliches Kind wär! Und wie flott der Kerl einherritt! Das muß man ihm lassen. Aber diese leichtfüßigen Burschen kommen ebenso sicher obenauf, wie der Schaum aufs Bier! ... Ein Falkner bleibt doch ein ganzer Kerl Zeit seines Lebens!«

Mit diesen Worten begab er sich zu seinen Kameraden, die jetzt in größerer Zahl sich eingefunden hatten, und half ihnen, seinen Herrn, der unter einer starken Quetschung litt und sich noch nicht bewegen konnte, in das Schloß hinein tragen.


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