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Der Sommernachtstraum.

(Brieflich.)

– Der zuerst etwas über den Sommernachtstraum von mir erfährt, bist natürlich du, geliebter Freund. Wir sahen ihn endlich gestern (nach beinahe 300 Jahren zum erstenmale), und daß der Theaterdirector gerade einen Winterabend mit ihm ausschmückte, zeugt von richtigem Sinne, denn im wirklichen Sommer verlangte man eher nach dem »Wintermährchen« – aus bekannten Gründen. Viele, das kann ich dir versichern, sahen wohl nur Shakspeare, um Mendelssohn zu hören; mir ging es umgekehrt. Ich weiß recht wohl, daß Mendelssohn es nicht macht wie schlechte Schauspieler, die sich im zufälligen Zusammenspiel mit großen recht breit machen wollen; seine Musik (die Ouverture ausgenommen) will nur eine Begleitung sein, eine Vermittelung, eine Brücke gleichsam zwischen Zeddel und Oberon, ohne die ein Hinüberkommen in das Reich der Feerei fast unmöglich, wie sie gewiß auch zu Shakspeare's Zeiten schon eine Rolle gespielt. Wer mehr von der Musik erwartete, wird sich getäuscht gefunden haben; sie tritt sogar noch bescheidener zurück, als in der »Antigone«, wo freilich die Chöre den Musiker zu reicherer Ausstattung zwangen. In den Gang der eigentlichen Handlung, in das Liebesverhältniß der vier jungen Leute greift die Musik sonst nicht ein; nur einmal schildert sie in sprechenden Affecten das Suchen der Hermia nach ihrem Geliebten; dies ist eine vortreffliche Nummer. Im Uebrigen begleitet sie nur die Feenpartieen des Stückes. Und hier war Mendelssohn an seinem Platz und Niemand so wie er, das weißst du. Ueber die Ouvertüre ist die Welt längst einig; »transferirte Zeddels« gibt es freilich überall. Die Blüthe der Jugend liegt über sie ausgegossen, wie kaum über ein anderes Werk des Componisten, der fertige Meister that in glücklichster Minute seinen ersten höchsten Flug. Rührend war mir's, wie in den später entstandenen Nummern oft Bruchstücke aus der Ouvertüre zum Vorschein kommen, und nur in den Schluß des Ganzen, der den Schluß der Ouvertüre fast wörtlich bringt, stimme ich nicht ein. Die Absicht des Componisten nach Abrundung des Ganzen ist klar; sie scheint mir aber zu verstandesmäßig hervorgebracht; gerade diese Scene hätte er mit seinen frischesten Tönen ausstatten sollen, gerade hier, wo die Musik zur größten Wirkung gelangen konnte, hatte ich etwas Originales, Neugeschaffenes erwartet. Denke dir selbst die Scene, wo die Elfen zu allen Lugen und Spalten des Hauses hereinkletternd ihren Ringelreihn tanzen, Droll voran »die Flur zu fegen blank und weiß« und Oberon seinen Segen ertheilend: »Friede sei in diesem Schloß« u. s. w. – nichts Schöneres für Musik kann gedacht werden. Componirte M. doch an dieser Stelle noch etwas Neues! – So schien mir denn, blieb auch die höchste Wirkung des Stückes am Schlusse aus; man erinnerte sich wohl der vielen reizenden Musiknummern im Vorhergegangenen, der Eselskopf Zeddels mag noch heute Manchen belustigen, der Zauber der grünen Waldnacht und die Verwirrung darin Vielen unvergeßlich bleiben; das Ganze machte doch aber mehr den Eindruck einer Rarität. Im Uebrigen, glaube mir, ist die Musik fein und geistreich genug, gleich vom ersten Auftreten Drolls und der Elfe an; das ist ein Necken und Scherzen in den Instrumenten, als spielten sie die Elfen selbst; ganz neue Töne hört man da. Aeußerst lieblich ist auch das bald darauf folgende Elfenlied mit den Schlußworten »nun gute Nacht mit Eya Popey« und so Alles, wo die Feen mit im Spiele sind. Auch einen Marsch kannst du hören (den ersten, glaub' ich, den Mendelssohn geschrieben) vor dem Schluß des letzten Theils, er erinnert in etwas an den Marsch in Spohr's »Weihe der Töne« und hätte origineller sein können; doch enthält er ein höchst reizendes Trio. Das Orchester spielte unter MD. Bach's Leitung vortrefflich, auch die Schauspieler gaben sich alle Mühe, dagegen die Ausstattung fast ärmlich zu nennen war. Heute soll das Stück wiederholt werden.

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