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Nachwort.

»Ein fester Wille!« – Habt Ihr ihn? Es gibt deren so vielerlei: Wenn ein ganz Kleiner so recht possierlich fest hinsteht und sagt: »Ich will!« so freuen sich alle darüber als Zeichen von Leben und Tatkraft. Aber leider hört sich's bald nicht mehr so lustig an, wenn der kleine Mann oder das kleine Fräulein gerade das will, was die Erwachsenen ihm nicht tun noch geben können. »Ich will meine Milch nicht trinken,« – »Ich will nicht guten Tag sagen,« – »Ich will mich nicht waschen lassen,« – »Ich will die Schere behalten,« – »Ich will noch mehr Kuchen haben,« – »Bubi will nicht folgen,« – das sind auch Willensäußerungen, oft sehr starke. Aber es ist der Eigenwille, der noch nicht unterscheiden kann, ob das Verlangen zum Guten oder zum Schlimmen ist. Beim Älterwerden, wir wissen es alle, gerät dieses Wollen oft in großen Kampf mit dem, was wir sollen. »Ich will nicht so viel lernen, sondern auch spielen,« – »Ich will nicht immer nachgeben, wo ich doch recht habe,« – »Ich will mich nicht schonen und krank daliegen, wo andere ungehemmt sind,« – »Ich will nicht immerfort gegen meine Natur kämpfen, das ist so schrecklich mühselig.« Aber nicht nur Euch Kindern geht's so, sondern auch in uns Erwachsenen steckt noch ein gut Teil Eigenwille, der sich aufbäumt, wenn ihm etwas in die Quere kommt und nicht den Weg gehen mag, den wir möchten. Wir alle samt und sonders aber, vom kleinsten Kind an bis zum erwachsenen Menschen sind nicht glücklich, solange wir nur unserm Eigenwillen folgen, denn der verdunkelt uns meistens die Augen und führt uns auf einen falschen Weg.

Ein festes »Ich will!« ist aber köstlich da, wo man ganz einfach vorher sein Gewissen gefragt hat: Was ist richtig, und was ist's nicht? Wie genau weiß das schon ein ganz kleines, winziges Menschenkind und ist nachher, wenn auch vielleicht durch Schreien und Weinen hindurch, doch so dankbar und froh, wenn jemand seinem kleinen, seinen Gewissen zu Hilfe gekommen ist. Diese Helfer sind die Eltern und Lehrer, die wirklich guten Freunde, und vor allem wir selbst, wenn wir zu dem eigenen Ich sagen: »Macht gar nichts, wenn's dir auch ein bißchen weh tut, – komm, wir wollen uns überwinden!« Und dieses Wollen ist das richtige, das schön Menschliche, das stets zu guten Zielen und zu einem vergnügten Herzen Führende – das Gottgewollte!

Leicht ist's nicht, und einen Kampf kostet's, bis man einen festen Willen fürs Gute bekommt. Man ist träge, man ist müde, man mag halt so oft nicht, das weiß ein jedes von sich selbst. Auch uns Alten geht's so. Ich kann Euch versichern, daß z. B. mein Buch – dieses und die früheren – manchmal ins Schwanken geriet, weil ich gerade lieber etwas anderes getan hätte, als so fest hinzusitzen und zu schreiben. Hier, und noch bei gar vielem im Leben, habe ich's tief empfunden, wie wackelig und hinfällig oft der beste Wille ist. Da will ich Euch nun noch ein ganz kleines Geheimnis verraten, vielleicht daß es dem einen oder dem andern von Euch hilft. Es ist dies: Fühlt Ihr etwas dem Guten Widerstrebendes in Euch, so gebt Euch zuerst einen tüchtigen körperlichen Ruck, setzt Euch ganz aufrecht hin und streckt Euch, daß Ihr so recht Eure Kraft fühlt. Paßt auf, das macht die Faulheit verschwinden. Und dann die Hauptsache: Faltet geschwind Eure Hände und sagt kurz: »Lieber Gott, hilf!« Ohne den ist unser Wollen doch meistens Eigenwille, mit ihm und seiner Hilfe bekommt Ihr den festen Willen, der Euch innerlich froh und glücklich macht. –

Und nun zum Schlusse noch etwas ganz anderes, mehr Äußerliches! Ich möchte meinen lieben Lesern, die es drängt, mir ein paar Worte zu schreiben, einige Fingerzeige dazu geben.

Die mich so beglückenden Kinderbriefe, die ich schon seit vielen Jahren erhalte, deren ich nun mehr als hunderttausend besitze, und die alljährlich in große, rote Bücher eingeklebt werden, die müssen auch danach sein, daß dies zu ermöglichen ist. Ich meine nicht »schöne«, nach Konzept geschriebene Briefe – die unmittelbar vom Herzen kommen, wenn auch mit Fehlern, sind mir die liebsten. Ich freue mich auch sehr über jede Karte und noch mehr über eine Photographie meiner lieben jungen Freunde. Wenn ich aber Briefe auf Quartformat erhalte oder solche, die auf überhupften Seiten geschrieben sind, so kann ich sie trotz ihres oft herzigen Inhalts mit dem besten Willen nicht einreihen und muß sie in den Papierkorb werfen, und das tut mir leid. –

Nun hat sie aber heute schrecklich viel an Euch hingeredet, Eure alte Freundin, und ich schließe schnell, damit Ihr nicht am Ende ungeduldig werdet.

Es grüßt alle, die dies lesen, in Liebe und Zugehörigkeit

 

Eure
Tony Schumacher
geb. von Baur-Breitenfeld.

Stuttgart, Olgastraße 331.

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