Johanna Schopenhauer
Ausflug an den Niederrhein und nach Belgien im Jahr 1828
Johanna Schopenhauer

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Das Haus Gürzenich

Die alten Kölner waren nicht nur sehr fromme, andächtige und daneben sehr reiche Leute, wie die vielen von ihnen erbauten und gestifteten Kirchen und Klöster beweisen; sie waren auch lebenslustig, liebten Tanz und Saitenspiel und die Freuden der Tafel; davon gibt das Haus Gürzenich, in welchem auch ihre Nachkommen noch in unsern Tagen den lustigen Faschingstanz halten, einen recht soliden und massiv bestehenden Beweis.

Dieses großartige, stattliche, in all' seiner äußeren Alterthümlichkeit wohlerhaltene Gebäude wurde während der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, bei dem durch den Beitritt der Stadt zu dem hanseatischen Bunde sich immer steigernden Wohlstande derselben, erbaut, um bei Bürgermeisterwahlen und andern öffentlichen Feierlichkeiten die damals von denselben unzertrennlichen Bankette dort zu halten. Den Namen Gürzenich trägt es einem kölner Bürger zu Ehren, welcher den Namen zu dem neuen Bau der Stadt als Geschenk überließ. Große Feste wurden hier im Lauf der Zeiten Kaisern und andern hohen Potentaten gegeben, von deren Pracht und Herrlichkeit die kölner Chronik Wunder erzählt. So ließ zum Beispiel im Jahre vierzehnhundertvierundsiebenzig der Rath von Köln bei Anwesenheit des Kaisers Friedrich des Dritten und seines Sohnes auf dem Gürzenich »einen Tanz machen, wie auch der Kaiser begehrt hatte, um die schönen Frauen zu Köln zu besehen. Und des Kaisers Sohn, Herzog Maximilianus, hatte den ersten Tanz mit einer Jungfer von Vinstingen. Und hatte vor ihm tanzen nach fürstlicher Weise zwei Edelleute von seinem Hofe. Und darnach fügte der Bischof von Mainz und der Bischof von Trier, daß sich die Frauen und Jungfern mit Händen nahmen paarweis, wohl zu sechsunddreißig Paaren, und tanzten so ohne Mann vor dem Kaiser auf und nieder. Und man gab da Kraut und Wein, neuen und firnen.«

Ueber alle Maßen groß und prächtig ging es auf dem Gürzenich her, als Kaiser Maximilian, vielleicht der dort genossenen früheren guten Bewirthung eingedenk, im Jahre funfzehnhundertundfünf in Köln Reichstag hielt. Vornehme Geistliche, zahlreiche Abgesandte, nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Rom, aus England, aus Spanien, aus Frankreich und mehreren andern Ländern versammelten sich mit stattlichem Gefolge; vierunddreißig regierende Herren, Herzöge, Landgrafen und Kurfürsten zogen zu Schiffe und zu Pferde herbei, jeder von ihnen in stattlicher Begleitung, wie es seinem hohen Stande geziemte. Der Herzog von Wirtemberg und der Landgraf von Hessen allein brachten, ersterer fünfundachtzig, letzterer siebenzig Grafen und Ritter mit sich, deren jeder wieder sein Gefolge hatte. Regierende Fürstinnen und edle Frauen von hoher Geburt verschönerten durch ihre Gegenwart die Feste, die alle auf dem Gürzenich mit unbeschreiblicher Pracht und alle dem Aufwande gegeben wurden, den die damalige Zeit erheischte. Dann kamen trübere Tage, der Wohlstand sank, der Muth mit ihm; an große Feste wurde wenig gedacht, und bis vor einigen Jahren wurde das zu einer weit fröhlicheren Bestimmung errichtete Gebäude meistens nur als Lager- oder Kaufhaus zur Aufbewahrung vielen Raum erfordernder Waarenartikel gebraucht, was mit den Kellern und untern Räumen desselben noch der Fall ist.

Doch als Deutschland wieder frei wurde und die Gallier endlich abzogen, welche so lange die alte edle Stadt bedrückt hatten, kam auch Held Karneval mit seinem lustigen Gefolge wieder zurück in sein fröhliches Reich, und sein altes Absteigequartier mußte zu seinem Empfange wieder eingerichtet werden. Bei dem großen Faschingsball haben sich seitdem schon mehrere Male an viertausend seiner Getreuen in dem Saale des Gürzenich um ihn versammelt. Dieser Saal ist gewiß einer der größten in Deutschland, er nimmt den ganz ersten Stock des großen Gebäudes ein, schien mir aber, unerachtet er vierundzwanzig Fuß hoch ist, doch noch etwas zu niedrig, im Verhältniß zu seiner Länge und Breite. Eine Reihe hölzerner Pfeiler geht durch die Mitte desselben, was wol nothwendig sein mag, um eine Decke von diesem Umfange vor Einsturz zu sichern. Geschmackvoll decorirt, von einer hinlänglichen Anzahl von Kronleuchtern glänzend erleuchtet, von mehreren Tausenden bunter Masken bis zum Gedränge angefüllt, gewährt er am Fastnachtsabende, wo die Maskenfreude ihren höchsten Gipfel erreicht, einen Anblick, dem wol wenige an Heiterkeit sich vergleichen lassen mögen. Auch das berühmte Musikfest, das alljährlich zur Zeit des Pfingstfestes am Niederrhein in mehreren Städten abwechselnd gehalten wird, und zu welchem mehrere Hunderte ausübender Künstler und Dilettanten, und Tausende von Zuhörern aus der Nähe und Ferne herbeiströmen, wird, wenn die Reihe an Köln kommt, im großen Gürzenich-Saale gefeiert, der dann einen ruhigern, aber nicht minder heiteren und beseelten Anblick gewährt als am Fastnachtstage.

Das Innere des großen, in verschiedenen Epochen entstandenen Rathhauses, deren letzte mit der Erbauung des Hauses Gürzenich fast gleichzeitig fällt, haben wir nicht besucht; von außen ist es ein stattliches Gebäude, um welches zum Theil eine Reihe auf massiven Pfeilern ruhender Arkaden sich zieht. Die Façade desselben ist leider in den letzten stürmischen Zeiten der alterthümlichen in Stein gehauenen Verzierungen, welche sie schmückten, durch den damals waltenden Zerstörungsgeist beraubt.

Unerachtet der langen Oberherrschaft der Römer über die von ihnen selbst erbaute Stadt, ist dennoch in Köln, der alten Agrippina, nur ein einziges Ueberbleibsel römischer Baukunst, und zwar aus der letzten Periode derselben, bis auf unsere Zeiten gekommen: ein von Ziegeln erbauter großer Thurm bei St. Claren, der rundum mit einer sehr groben Art Mosaik von eingemauerten buntfarbigen Ziegeln verziert ist.

Seit Kurzem erfreut sich Köln eines neuen Schauspielhauses, das während meiner dortigen Anwesenheit noch im Entstehen war und erst seit noch nicht Jahr und Tag vollendet wurde, und dessen Außenseite sowol als dessen innere Einrichtung von Kennern und Theaterfreunden gerühmt wird.


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