Johanna Schopenhauer
Ausflug an den Niederrhein und nach Belgien im Jahr 1828
Johanna Schopenhauer

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Das alte Godesberger Schloß

Ich hörte einmal ein Märchen erzählen von einem hübschen jungen Riesenkinde, das, um sich einmal im Freien zu ergehen, aus der Burg seines Vaters, des Riesen, sich herausschlich. Es begegnete allerlei artigen, niegesehenen Dingen, Ochsen, Schafen, Pferden, hinter dem Pfluge gehenden Bauern, packte das Alles zusammen in seine Schürze und trug es zu seinem Vater, um ihm das niedliche, durcheinander zappelnde Spielzeug zu zeigen, das es unterweges gefunden. Der Papa ließ es aber darüber hart an und befahl ihm, jedes Ding sogleich wieder an seinen Ort zu tragen.

Dieses Märchen ist mir beim Anblick der Ruine von Schloß Godesberg oft eingefallen, denn eine zierlichere als diese, mit den ausgezackten Mauern und dem einzelnen schönen Thurm kann es kaum noch geben. Hätte das Riesenkind sie auf seinem Wege getroffen, es hätte sie gewiß mitgenommen, um sein Putzschränkchen damit zu zieren. Sie erinnert ganz an jene, bis in die kleinsten Details treuen Nachbildungen altrömischer Ruinen in Kork, durch die es möglich wurde, sogar das Coliseum als Plateau auf die Tafel zu stellen.

Wenn man diese Ruine recht betrachtet, ist es kaum möglich, sie sich anders zu denken als in ihrer jetzigen Gestalt; es ist, als wäre sie zum Schmucke der Gegend gerade so erbaut worden, als sie jetzt erscheint. Sogar der Berg, auf dem sie steht, und der dem Siebengebirge gegenüber wol nur ein Hügel genannt zu werden verdient, gleicht ganz der Idee, welche im flachen Lande aufgewachsene Kinder von einem Berge sich gewöhnlich bilden; ganz isolirt, ringsum von ebenem Lande umgeben steht er da, in schöner abgerundeter Form, erhebt die wie mit einer Mauernkrone geschmückte Scheitel hoch über das an seinem Fuße sich anschmiegende Dorf Godesberg und ist, ungeachtet seiner verhältnißmäßig geringen Höhe weit und breit im Lande zu schauen; immer, besonders im Abendlicht, bildet er einen Gesichtspunkt, auf welchem das Auge vorzugsweise gern verweilt. Die Aussicht von diesem Berge herab gehört zu den schönsten und ausgebreitetsten am Rhein, dessen Lauf zwischen den reizendsten und bebautesten Fluren man ganz übersieht, von der Wendung, die er am Fuße des Siebengebirges nimmt, bis zu der im Mittelgrund sich erhebenden Stadt Bonn, und weiter hinaus bis wo am fernen Horizonte, von Nebeln umdämmert, die alte vielgethürmte Stadt Köln sich zeigt.

Ein höchst anmuthiger Fußpfad, von wildem Gebüsch und Bäumen umschattet, führt von der Seite des Sauerbrunnens so allmälig zu der Ruine hinauf, daß man erstaunt ist, sich schon am Ziele zu finden, wenn man glaubt, daß das Steigen erst recht angehen solle. Der andere, zum Theil gepflasterte Weg vom Dorfe aus ist vielleicht etwas näher, aber viel steiler und unbequemer. Eigentlich ist er der Kirchweg, denn die kleine Kapelle, zu welcher die Einwohner von Godesberg alle Sonn- und Festtage hinaufsteigen, um die Messe zu hören, liegt ebenfalls auf dieser Höhe, etwas unterhalb der Ruine in einer Ecke, sodaß man sie von unten aus kaum gewahr wird, und rings um sie her ruhen die Todten unter ihren kleinen grasbewachsenen Hügeln von ihrem stillen arbeitsmüden Leben aus. Und wenn die Abendglocke ertönt und die sinkende Sonne mit goldenem Schimmer die niedrigen Gräber verklärt, findet man immer von der Arbeit heimkehrende Weiber und Mädchen an dieser Stätte vor dem kleinen Muttergottesbilde in stiller Andacht ihr Abendgebet halten.

Der schöne Berg war schon seit uralter Zeit ein der Anbetung des höchsten Wesens geweihter Altar, zu welchem selbst die Natur bei seiner Entstehung durch die Gestalt, die sie ihm gab, ihn bestimmt zu haben scheint. Darum heißt er auch der Godesberg oder Gottesberg, was in der hiesigen weicheren plattdeutschen Mundart die nämliche Bedeutung hat. Schon die alten Germanen hatten ihn der Verehrung ihres Gottes der Götter, Wodan, gewidmet, und ihre Opferfeuer leuchteten von der schönen Höhe weit und breit durch die Gauen.

In dem, unfern Godesberg, bei Königswinter, jenseit des Rheines belegenen alten Kloster Heisterbach, das leider, mit einer der dunkelsten Zeiten würdigen Barbarei, erst vor wenigen Jahren zerstört wurde, um die Quadersteine, aus denen es erbaut war, zu anderweitigen Bauten zu benutzen, lebte im dreizehnten Jahrhundert ein gelehrter Mönch, Cesarius van Heisterbach, aus dessen nachgelassenen Schriften hervorgeht, daß dieser Berg noch zu seiner Zeit der Wodansberg hieß, obgleich viele Jahrhunderte früher, als die Römer die Oberherrschaft über den Rhein gewonnen, Wodan dem Jupiter hatte weichen müssen und der Berg von den Römern »Mons Jovis« genannt wurde. Ein altrömischer, dem Aeskulap geweihter Votivstein, der im sechzehnten Jahrhundert auf dem Godesberge ausgegraben wurde und jetzt in Bonn in dem Museum der rheinisch-westfälischen Alterthümer bewahrt wird, beweist, daß die Römer sogar die Heilquelle bei Godesberg schon gekannt haben, die wahrscheinlich damals bedeutendere Kräfte gehabt haben mag, als in unsern Tagen. Das Christenthum vertrieb endlich der alten Götter bunt Gewimmel und Maria, die huldreiche Himmelskönigin, zog an die Stelle des Donnerers ein, wo man ihr die kleine Kapelle erbaute, in welcher die Bewohner von Godesberg sich zum Gottesdienste versammeln.

Das alte Schloß, dessen malerische Trümmer jetzt vor uns liegen, wurde im Jahre zwölfhundertzehn von Theodorich, Erzbischof zu Köln, erbaut, wahrscheinlich an der nämlichen Stelle, wo in grauer Vorzeit Wodans Opferfeuer flammten und dem mächtigen Zeus Altäre errichtet waren. Wunderlich genug, wurde dieser Bau von dem, wegen unerlaubten Wuchers confiscirten Vermögen eines reichen Juden bestritten, wie die kölner Chronik erzählt.

Die Ruinen des Schlosses bleiben für kommende Jahrhunderte das dauernde Denkmal einer heißen, kein Opfer scheuenden Liebe. Gebhard von Truchses, Kurfürst von Köln, brachte im Jahre funfzehnhundertdreiundachtzig seine Gemahlin, die schöne Agnes, Gräfin von Mansfeld, hieher in Sicherheit, als er wegen seiner Vermählung mit ihr und seinem auf diesen folgenden Uebertritt zum protestantischen Glauben aus Köln flüchten mußte. Unter dem Schutze einer holländischen Besatzung mußte die schöne Fürstin einige Zeit ohne ihren Gemahl auf Schloß Godesberg verweilen, ihr muthiges edles Benehmen, ihre Anmuth, ihr trübes Geschick befeuerten den Muth ihrer Vertheidiger zum tapfersten Widerstande gegen den Herzog Ferdinand von Baiern, der die feste Burg lange Zeit belagert hielt, und um ihrer Herr zu werden, sie endlich unterminiren und in die Luft sprengen ließ.

Diese Mauern liegen nun schon seit beinahe zweihundert Jahren in ihrem jetzigen Zustande da, aber mitten im Verfall schwebte ein schützender Genius über sie; über den Ort, zu welchem Schönheit und Liebe einst flüchteten, durfte die Zerstörung nicht ihre voll Gewalt ausüben. Die malerische Form wurde den Trümmern wenigstens erhalten, durch die sie selbst in dieser, an Denkmälern einer rauheren Vorzeit so überreichen Gegend vor vielen andern sich auszeichnen.

Die Straße, welche, nahe am Fuße des Godesberges vorbei, von Bonn nach Remagen führt, ist eigentlich die alte »Via Aurelia«. Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, war der Erste, der im Jahre siebzehnhundertachtundsechzig begann, die am linken Rheinufer hinführende Straße wegsam machen zu lassen, welche bis dahin in einem furchtbaren Zustande sich befand, sodaß Reisende, bei hohem Wasserstande des Rheines, nicht ohne Lebensgefahr sie zu passiren wagen durften. Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts ist sie freilich unter französischer Oberherrschaft eine der schönsten Chausseen in Deutschland geworden; aber auch jener erste Versuch eines deutschen Fürsten, zu einer Zeit, wo noch wenig an dergleichen gedacht wurde, darf darüber nicht vergessen werden.

Viele Alterthümer, welche die Existenz der alten römischen Straße an der nämlichen Stelle bewiesen, kamen unter Karl Theodor bei Anlegung der neuen Straße wieder an's Tageslicht, unter andern ein römischer Meilenzeiger, dessen Inschrift bewies, daß Marc Aurel und Lucius Verus hier eine Straße hatten erbauen lassen; dieser Stein, nebst den übrigen Alterthümern, wurde nach Manheim gebracht, aber auf Veranstaltung des damaligen Ministers, Graf Gollstein, wurde die Stelle, wo er gefunden worden, durch ein Denkmal bezeichnet, das noch besteht. Interessanter wäre es freilich, wenn man den Stein an dem Platze wieder aufgestellt hätte, den er vor vielen Jahrhunderten eingenommen.

Und so wandelt man hier ewig auf klassischem Boden, man mag die Schritte hinwenden, wohin man will. Ueberbleibsel jener gewaltigen Vorzeit, während welcher die alte Weltbeherrscherin auch dieses schöne Land ihrem mächtigen Arm unterworfen hielt, werden noch immer in Feldern und Weinbergen ausgegraben, obgleich die Zahl und Bedeutung des schon Gefundenen sich kaum noch übersehen läßt. Was an größern Alterthümern, an Votivsteinen, Denkmälern, Säulen, Basreliefs sich noch vorfindet, wird mit Sorgfalt gesammelt und nach Bonn in das Museum gebracht; doch Münzen, Hausgeräthe, Schmuck und kleine Götterbilder aus Bronze werden häufig der Aufmerksamkeit der darüber Wachenden entzogen und kommen, ob um geringen Preis, in die Hände der Liebhaber und Sammler, deren Anzahl in diesem Lande nicht unbedeutend ist. Dieser Misbrauch, wie Manche ihn vielleicht nennen würden, hat doch auch seine gute und lobenswerthe Seite, das Interesse an Kunst und Alterthum wird dadurch wach erhalten und verbreitet; und merkwürdige Stücke machen, einzeln gesehen, einen weit größeren, lebendigeren und bleibenderen Eindruck, als wenn man gezwungen ist, sie in einer großen öffentlichen Sammlung kaum obenhin zu betrachten.

Viele von den kleineren Antiquitäten, die in diesen Gegenden gefunden worden, sind von seltener Schönheit und höchst beachtenswerth, sowol durch ihre Form als durch die Vollendung, mit der sie gearbeitet sind. So sah ich in den Händen eines Kunstfreundes aus der Umgegend, der alljährlich den Sommer in Godesberg zubringt, mehrere äußerst merkwürdige Isisbilder von Bronze, die auf den Feldern ringsumher gelegentlich ausgegraben worden waren, unter andern auch eine sehr elegant geformte Lampe, die man gleich, sowie sie da ist, an dem nämlichen zierlichen Kettchen in seinem Schreibecabinete aufhängen könnte, an welchem sie hing, als sie vor mehr als tausend Jahren den Herd einer alten Römerin beleuchtete. Selbst das kleine Zängelchen zum Aufschüren des Dochtes hängt noch an seinem Kettchen.

Eines seltenen Werkes aus einer späteren, aber uns doch immer noch sehr fernliegenden Zeit, welches der nämliche eben erwähnte Kunstfreund besitzt und es so hoch hält, daß er fast nie sich davon trennt, muß ich hier noch gedenken, einer ganz durchaus wohlerhaltenen Abschrift der Bibel aus dem neunten Jahrhundert, wie vielleicht keine königliche oder fürstliche Bibliothek eine merkwürdigere aufzuweisen hat. Rabanus Maurus, Abt zu Fulda, späterhin Erzbischof von Mainz, der im Jahre achthundertsechsundfunfzig am vierten Februar gestorben ist, machte mit diesem kostbaren Werke dem Kaiser Ludwig dem Deutschen ein für jene Zeit wahrhaft fürstliches Geschenk, als ihn derselbe in seiner Abtei zu Fulda besuchte. Rabanus war ein hochgelehrter Mann und dabei der berühmteste Theolog seiner Zeit, aber er war auch zugleich ein eifriger Freund und Beförderer der Kunst und suchte, von seinem eigenen Genie geleitet, sie aus dem Dunkel aufzureißen, in welchem sie in jener düstern Zeit tief versunken lag. Er bemühte sich mit großem Ernst, seine Kirche mit Kunstwerken aus Metall, mit kunstvoll gearbeitetem Schnitzwerk, mit aus Silber und Gold getriebenem und mit Edelsteinen besetztem Kirchengeräthe zu schmücken, hielt aber vor Allem seine ihm untergebenen Mönche zum Fleiße und zur Erweiterung ihrer Kenntnisse an. Unter seiner Aufsicht und Leitung wurden sie im Schönschreiben und in der damals zur Verzierung der Andachtsbücher üblichen Miniaturmalerei unterrichtet, und die Werke dieser von ihm gestifteten Schule werden noch heutiges Tages von Kennern hochgehalten und in großen Bibliotheken als seltene Denkmäler jener Zeit sorgfältig aufbewahrt.

Der berühmteste Zögling des Abtes Rabanus war Ottfried, der schon damals die Bücher der Evangelisten ins Deutsche übersetzte, und von dessen Hand die kaiserliche Bibliothek in Wien ein seltenes Manuscript, verschiedene Poesien enthaltend, aufbewahrt, deren viertes Buch mit einem Miniaturbilde geschmückt ist.

In Hinsicht auf Kalligraphie ist die Bibel, von der hier die Rede ist, ein Werk von ausgezeichneter Vortrefflichkeit. Daß es die Leistung eines Einzelnen sei, ist nicht denkbar; der angestrengteste Fleiß eines halben Menschenalters würde kaum zu dieser Arbeit hingereicht haben; gewiß haben Mehrere sich dazu vereint, und dennoch stehen die Zeilen, die einzelnen Worte, jeder Buchstabe in vollkommenster Regelmäßigkeit nebeneinander auf dem reinen Pergament, nirgend ist die kleinste Abänderung der Handschrift bemerkbar, nicht die geringste Abweichung von der einmal angenommenen Form; Alles ist wie aus einem Guß, als wäre es von der nämlichen Hand, in der nämlichen Stunde, mit der nämlichen Feder angefangen und vollendet.

Das Manuscript hat kein Titelblatt, denn diese waren in jener frühen Zeit noch nicht gebräuchlich; die an Kaiser Ludwig gerichtete Zueignung, durch welche Abt Rabanus jenem Fürsten dieses sein Prachtgeschenk widmete, steht mitten im Buch, ohne durch irgend ein Unterscheidungszeichen von dem eigentlichen Texte und Inhalt getrennt zu sein, denn so war der unbehülfliche Gebrauch jener alten, von unserer jetzigen Cultur weit entfernten Zeit. Dieses, sowie das ganze Aeußere des jetzt fast tausendjährigen Buches spricht für das hohe Alter und für die Echtheit desselben. Die nach alter Art sauber ausgemalten Anfangsbuchstaben der Kapitel, die zum Theil recht geschmackvoll erdachten arabeskenartigen Verzierungen, längs dem Rande mehrerer Blätter, die größern und kleinen, zum Theil sehr figurenreich componirten zahlreichen Miniaturgemälde strahlen im frischen Glanz des Goldes, des Purpurs, des schönsten Blau, und überhaupt der wohlerhaltensten Farbenpracht. Die Gemälde tragen freilich das Gepräge des damals herrschenden byzantinischen Styls; einige davon zeichnen zwar durch bessere Erfindung und naturgemäßere Zeichnung sich aus, die meisten aber gränzen an das Groteske und Fratzenhafte. In Hinsicht der sorgfältigen Ausführung aber sind alle diese kleinen Bilder bewundernswerth, und die Darstellungen der Gebräuche, des Costüms in der Kleidung, wie in der Einrichtung der Wohnungen und des häuslichen Lebens unserer Ururgroßväter in jener grauen Vorzeit, gewähren ihnen ein eigenes, immer lebhafter werdendes Interesse, je länger man bei ihnen verweilt.

Eine Sammlung bedeutender Gemälde, aus der frühesten wie aus der späteren Zeit, seit dem Wiedererwachen der Kunst, und die ich noch die Freude hatte, zu sehen, ist seit wenigen Monaten nicht nur für Godesberg, sondern auch für Deutschland, ja sogar für die Freunde der Kunst auf immer verloren. Sie befand sich in jener Villa, deren ich früher erwähnte, als das Eigenthum des Besitzers derselben, eines angesehenen, aus diesen Gegenden stammenden, aber seit vielen Jahren in London etablirten Kaufmanns. Die Familie desselben pflegte alljährlich die Sommermonate in ihrem schönen Besitzthum in Godesberg zuzubringen, hat dieses seit Kurzen aber aufgegeben, und die Gemäldesammlung ist eingepackt und nach England abgeführt worden, um dort mit einer zweiten vereinigt zu werden, die Herr Aders in London schon besaß, und die ebenfalls besonders reich an Meisterwerken altniederrheinischer Maler sein soll.

Dieser an unserem Vaterlande verübte Raub, wenn ich mir erlauben darf ihn so zu nennen, hat wenigstens das freilich etwas zweideutige Verdienst, England zuerst mit der, selbst von uns Deutschen nur seit einigen Jahren neuentdeckten altdeutschen Schule bekannt zu machen, von deren Existenz die Kunstkenner jenes Landes bis dahin wenig oder gar nichts erfahren. Der König von England selbst soll über eine fast gleichzeitige Copie von Johann von Eyck's berühmtem genter Bilde entzückt gewesen sein, welche unter Herrn Aders Gemälden in London sich befindet, und die von Kennern noch der altberühmten vorgezogen wird, die von dem großen Meister, Michael Coxies, für den König von Spanien, Philipp den zweiten, gemalt wurde. Daß die ganze fashionable Welt in London das Entzücken des Königs theilen wird, steht kaum zu bezweifeln, und weh' uns, wenn die altdeutschen Gemälde in England Mode werden sollten, wie früher die chinesischen Pagoden und das altjapanische Porzellan in all' ihrer Unform es waren! wie würden die englischen Guineen unsere alten Meisterbilder von dannen ziehen, um auf jener Insel in den prächtigen Villen der Reichen und Großen in starrer Abgeschiedenheit begraben zu werden!

Doch wahrscheinlich werden unsere Kunsthändler eben so gut als die italienischen es lernen, manchen van Eyck, Hemmling und Schoreel nach England überzuschiffen, der in Hinsicht auf Originalität mit der Mehrzahl des Rafael's, Correggio's und Tizian's in einer Reihe zu stehen verdient, welche um theures Geld die Gemäldesammlungen in England schmücken, und dieses bleibt im gefürchteten Fall dennoch immer ein kleiner Trost.

Nur Eines der vielen sehr werthvollen altdeutschen Gemälde in der godesberger Sammlung will ich erwähnen, weil es das einzige ist, welches meines Wissens der kunstreichen Hand der Schwester beider van Eyck's, der jungfräulichen Künstlerin Margareth zugeschrieben wird. Hier mit Gewißheit über die Echtheit des Bildes zu entscheiden, ist beinahe unmöglich; daß es unmittelbar aus van Eyck's Schule hervorgegangen ist, verbürgen die Behandlung der Farben und die schöne fleißige Ausführung auch der kleinsten Einzelheiten. Die Wahl des heitern Gegenstandes aber beweist nicht nur den reinsten Künstlersinn, sondern ist auch einem jungfräulichen, zartfühlenden Gemüthe völlig angemessen. Es stellt die Mutter Gottes mit dem Kinde vor, wie sie, in einer offenen Gartenhalle sitzend, von lieblichen Engeln bedient wird, welche Blumen und Früchte ihr darbieten.

Von den neueren Gemälden will ich aus der bedeutenden Anzahl derselben nur zwei sehr schöne Landschaften von Ruisdael erwähnen, einen Lazaroni-Knaben von Murillo, der sich im Tabackrauchen versucht; vier Apostel, von Boracino da Cremona, einem Schüler des Perugino. Auch zwei kleine Oelgemälde des fantastischen Callot waren gar lustig und wunderlich anzuschauen, auf denen von zahllosen kleinen Figürchen allerlei kecker Muthwille getrieben wird. Das eine derselben stellt den Einzug Christi in Jerusalem vor; das andere, wie er die Käufer, Verkäufer und Wucherer mit kräftiggeschwungener Knute zum Tempel hinaus, eine hohe Treppe hinunter, auf die Straße treibt, auf welcher indessen Diebstahl und allerlei greulicher Unfug getrieben wird.

Das Alles ist nun mit dem Dampfschiffe fort, auf Nimmerwiedersehen.


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