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2. Das Haus des Kallias

Protagoras Kap. 6 u. 7. Stephanus I, pag. 314 C-316 A.

Personen des Gesprächs: Sokrates; Hippokrates; der Türhüter im Hause des Kallias.

Ort der Handlung: Anfangs vor dem Hause des Kallias, dann darin.

Die Zeit ist dieselbe wie vorher und nachher.

Kap. 6. Sokrates. Nachdem wir dies beschlossen hatten, machten wir uns auf den Weg. Als wir zu dem Eingange des Hauses gelangt waren, blieben wir stehen und unterredeten uns über einen Gegenstand, auf den wir unterwegs gekommen waren. Um die Sache nicht abzubrechen, sondern mit ihr ins reine zu kommen, bevor wir eintraten, blieben wir vor dem Eingange stehen und sprachen darüber, bis wir uns verständigt hatten. Irre ich nun nicht, so hatte uns der Türhüter, ein Eunuch, zugehört; er scheint aber wegen der Menge von Sophisten auf alle ärgerlich zu sein, die das Haus besuchen. Jedenfalls rief er, als er auf unser Klopfen öffnete und uns sah: »Ach, wieder solche Sophisten; der Herr hat keine Zeit«, und dabei schlug er mit beiden Händen die Tür ganz eifrig zu, so sehr er nur konnte. Wir klopften aufs neue, und der gab hinter der verschlossenen Tür zur Antwort: »Ihr Leute, habt ihr denn nicht gehört, daß der Herr keine Zeit hat?« – »Aber, guter Mann,« sagte ich, »weder wollen wir zu Kallias, noch sind wir Sophisten. Drum sei unbesorgt; denn glaub mir nur, wir sind gekommen lediglich aus Verlangen, Protagoras zu sehen. Also, melde uns!« Mit Müh' und Not öffnete uns der Mensch endlich die Tür.

Als wir eintraten, fanden wir Protagoras, der in der Halle auf und ab ging, und neben ihm gingen mit auf und ab auf der einen Seite Kallias, der Sohn des Hipponikos, und sein Bruder mütterlicherseits, Paralos, des Perikles Sohn, und Charmides, der Sohn des Glaukon, und auf der anderen Seite Xanthippos, der andere Sohn des Perikles, und Philippides, der Sohn des Philomelos, und Antimoiros von Mende, der berühmteste Schüler des Protagoras, der den Kursus berufsmäßig durchmacht, um Sophist zu werden. Diejenigen, die hinter diesen folgten und den Reden nur zuhörten, schienen der Mehrzahl nach Fremde zu sein. Solche führt Protagoras aus jeglichen Städten, durch die er kommt, mit sich fort, indem er sie gleich Orpheus mit seiner Stimme bezaubert, so daß sie seinem Rufe folgen. Es befanden sich aber auch einige Einheimische in dem Chor. Beim Anblicke dieses Chores freute ich mich am meisten darüber, wie fein sie sich in acht nahmen, Protagoras einmal vor die Füße zu kommen; sooft er nämlich und seine Begleiter neben ihm Kehrt machten, da teilten sich diese, die nur zuhören durften, ganz schön und in musterhafter Ordnung nach rechts und links und schwenkten im Bogen herum, um sich immer wieder ganz artig dahinter aufzustellen.

Kap. 7. Nach ihm bemerkte ich Hippias von Elis, der in der gegenüberliegenden Halle auf einem hohen Lehnsessel saß, und rings um ihn saßen auf Bänken Eryximachos, der Sohn des Akumenos, Phaidros, der Myrrinusier, Andron, der Sohn des Androtion, und eine Anzahl Fremder, zum Teil Landsleute von ihm. Sie schienen aber Hippias über die Welt und namentlich über die Dinge am Himmel mancherlei zu fragen, und der gab jeglichem von ihnen vom hohen Stuhle aus seine Entscheidungen und ging die Fragen durch.

Und so sah ich denn auch Tantalos. Es war nämlich in der Tat auch Prodikos von Keos da, und er weilte in einem Gemache, das vordem Hipponikos als Vorratskammer verwandt hatte, jetzt aber hat Kallias wegen der großen Zahl der bei ihm Einkehrenden auch dieses ausräumen lassen und als Gastzimmer eingerichtet. Prodikos nun lag noch dort, eingehüllt in gar viele Felle und Decken, wie man sehen konnte. Neben ihm saßen auf den nächsten Polstern Pausanias aus dem Demos Kerameis, und neben Pausanias ein noch zarter Jüngling von trefflichen Geistesanlagen, wie ich glaube, der äußeren Erscheinung nach auf jeden Fall sehr schön. Wenn ich recht gehört habe, so ist sein Name Agathon, und es sollte mich nicht wundern, wenn er der Liebling des Pausanias wäre. Dieser Jüngling war da, und die beiden Adeimantos, der Sohn des Kepis und der Sohn des Leukopholides, und auch noch einige andere waren zu sehen; worüber sie aber sprachen, konnte ich nicht verstehen, obgleich ich großes Verlangen trug, Prodikos zu hören, denn ich halte ihn für einen ganz weisen und wahrhaft göttlichen Mann, aber die Tiefe seiner Stimme verursachte in dem Gemache ein dumpfes Getöse, das seine Worte undeutlich machte.

Kap. 8. Wir waren kaum eingetreten, da kamen hinter uns noch Alkibiades herein, der Schöne, wie du sagst und ich gern glaube, und Kritias, der Sohn des Kallaischros.


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