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Einleitung

1. Die vorsokratische Philosophie der Griechen

Die ionischen Philosophen, die auf dem Gebiete der griechischen Philosophie den Reigen eröffnen, gingen mit jugendlichem Eifer sofort an die Lösung des großen Problems, woher die Welt und die Dinge in ihr stammen. Der erste unter ihnen, Thales von Milet, der die Sonnenfinsternis vom Jahre 585 vorausgesagt haben soll und die Invasion der Perser in der Mitte des 6. Jahrhunderts überlebt hat, erblickte den Urgrund aller Dinge im Wasser. Anaximander, wenig jünger als Thales und gleich ihm aus Milet gebürtig, machte zum Prinzipe der Dinge das Unendliche, d. h. einen der Zeit nach anfangs- und endlosen, dem Raume nach unbegrenzten und der Qualität nach unbestimmten Urstoff. Anaximenes, der dritte Milesier, dessen Lebenszeit wahrscheinlich zwischen 560 und 500 fällt, nahm als Urstoff die Lust an. Alle drei dachten mit der Materie, hyle, eine lebendige und Leben, zoë, spendende Kraft verbunden. Daher nennt man ihre Weltanschauung nicht Materialismus, sondern Hylozoismus. Der vierte, Heraklit von Ephesus, »der Dunkele«, etwa 536-470, erklärte das Feuer für das Wesen aller Dinge. Nach ihm sind die Dinge sowohl als auch das Weltall in einer fortgesetzten Veränderung, in einem ewigen Flusse ( panta rhei) begriffen. Man kann von den Dingen nicht sagen, daß sie sind; sie werden nur und vergehen in dem ewig wechselnden Spiele der Weltbewegung. Aber dieser unaufhörliche Wechsel vollzieht sich nach bestimmtem Gesetz. Diese Gesetzmäßigkeit in der Veränderung bezeichnet Heraklit als das Schicksal der Welt, heimarméne, als ihre Ordnung, dike, und als ihre Vernunft, als den Logos. Diese Vernunft und Weisheit kommt in der Weltentwickelung zur Darstellung; sie regiert die Welt und ist so das Gesetz der Welt. Aber sie ist nichts für sich Bestehendes, sie ist vom Stoffe gar nicht zu trennen, sondern ist eins mit ihm. Der Logos materiell gefaßt ist das Feuer, und das Feuer vergeistigt ist der Logos. So ist die Heraklitische Lehre, sofern sie die ewige Vernunft dem Individuellen und Veränderlichen selbst immanent sein läßt, als eine monistische, und sofern sie allen Stoff als beseelt denkt, als eine hylozoistische zu bezeichnen. Von Heraklit hat Plato die Anschauung angenommen, daß die Dinge der Sinnenwelt, einem fortgesetzten Entstehen und Vergehen, einem unablässigen Wandel und Wechsel unterworfen, ohne Dauer und Bestand seien.

Eine neues Prinzip für die Erklärung der Welt stellten die Pythagoreer auf. Ihre Lehre gipfelt in dem Satze, daß die Zahl das Wesen der Dinge ausmache. Dieser Anschauung wird von dem Auffälligen, das sie zunächst für uns hat, außerordentlich viel genommen, wenn wir an die Bedeutung denken, die die Zahl auch für die Naturforschung unserer Zeit hat, wenn wir uns z. B. vergegenwärtigen, daß nach der Lehre der modernen Physik strahlende Wärme, Licht, Elektrizität Schwingungen des Äthers sind, und daß sie sich nur in der Verschiedenheit der Zahl der Schwingungen unterscheiden. Ferner sucht unsere Naturforschung bei der Erklärung der Dinge zu dem mathematischen Gesetze vorzudringen, dieses aber kommt, wie die Formel zeigt, wesentlich durch die Zahl zur Darstellung. Die Pythagoreer waren die ersten, welche sich mit der Mathematik ernstlich beschäftigten und sie förderten. Mathematische Bildung schätzten sie ganz ungemein. Der mathematisch gebildete Verstand war ihnen das Organ der Erkenntnis, und aus der Vertrautheit mit dieser Wissenschaft entwickelte sich ihre Ansicht, die Prinzipien des Mathematischen, Grenze und Unbegrenztheit, seien auch die Prinzipien alles Seienden. Außerdem erkannten sie in der Welt ein schönes und harmonisch gestaltetes Ganzes. Schönheit und Harmonie aber ruhen auf Maß und Ebenmaß, und diese wiederum auf Zahl und Zahlenverhältnissen. Sie erkannten die den Dingen innewohnende mathematische Ordnung und kamen so zu der Überzeugung, die ganze Welt sei Harmonie und Zahl. Ebenso erkannten sie, daß auch die musikalische Harmonie ihren Grund in Zahlenverhältnissen hat, insbesondere die Oktave oder die Harmonie im engeren Sinne in dem Verhältnisse von 1:2. Ihre weitgeförderte Kenntnis der Astronomie führte sie zu der Anschauung, daß die in den Bewegungen der Himmelskörper waltende Harmonie in einer Ordnung begründet sei, wonach die verschiedenen Sphären des Weltalls sich in zahlenmäßig festbestimmten Abständen um einen gewissen Mittelpunkt bewegten. Ihre Lehre von der Sphärenharmonie war bedingt durch die Annahme solcher Abstände der himmlischen Sphären voneinander, wie sie den Längenverhältnissen der Saiten bei harmonischen Tönen entsprechen. Auch die Seele galt ihnen für eine Harmonie; an den Körper sei sie zur Strafe gefesselt und wohne in ihm wie in einem Gefängnis. Sie glaubten an eine Seelenwanderung und nahmen an, daß dieselben Personen und Ereignisse in verschiedenen Weltperioden wiederkehren. Besonders hervorzuheben ist noch ihre Richtung auf das Sittlich-Religiöse und das Streben nach einer Neugestaltung des sozialen und politischen Lebens auf solcher Grundlage.

Der Stifter dieser Schule war Pythagoras von Samos, geb. um 580 v. Chr., auf den sich aber mit Sicherheit nur die Lehre von der Seelenwanderung und die Aufstellung gewisser religiöser und sittlicher Vorschriften zurückführen läßt. Die Welt soll er wegen der in ihr waltenden Ordnung und Harmonie zuerst kosmos, d. h. Ordnung, Schmuck, genannt haben. Aus Haß gegen die Tyrannei des Polykrates verließ Pythagoras Samos und wanderte nach Kroton in Unteritalien aus. Hier schloß er sich der aristokratischen Partei an und gewann sie für den Versuch einer sittlich-religiösen Reform. In der geschlossenen Gemeinschaft herrschte eine strenge Lebensordnung. Der Aufnahme ging eine Prüfung der Würdigkeit vorher; die Schüler waren lange zum schweigenden Gehorsam und zur unbedingten Unterwerfung unter die Autorität der überlieferten Lehre verpflichtet; strenge tägliche Selbstprüfung wurde von allen gefordert. Die Verbreitung der Lehren unter das Volk war verpönt. Gegen Freunde und Genossen des Bundes wurde die aufopferndste Treue geübt. Ein Beispiel hierfür gibt das Freundespaar in Schillers Bürgschaft. Zu der Lebensordnung gehörte Mäßigkeit im Genuß von Nahrungsmitteln und Einfachheit in der Kleidung. Doch war der Fleischgenuß, obschon unter gewissen Beschränkungen, gestattet; erst spätere Pythagoreer haben sich des Fleischgenusses gänzlich enthalten. Ob das Verbot, Bohnen zu essen, von Pythagoras ausgegangen ist, ist zweifelhaft. Bestattung in wollenen Gewändern war untersagt. Die demokratische Partei lehnte sich gegen die wachsende Gewalt des Bundes auf, und Pythagoras soll, nachdem er gegen zwanzig Jahre in Kroton gelebt hatte, durch eine Gegenpartei vertrieben, nach Metapontum übergesiedelt und bald danach in hohem Alter gestorben sein.

Für den ersten Pythagoreer, der das System der Schule in einer Schrift dargestellt hat, gilt Philolaos, ein Zeitgenosse des Sokrates. Von seinen Schülern waren nach Platos Dialogen »Kriton« und »Phädon« Simias und Kebes mit Sokrates befreundet; in dem letzteren Dialoge nehmen sie an den Erörterungen über die Unsterblichkeit der Seele regen Anteil.

Die Elemente der Pythagoreischen Lehre finden wir bei Plato fast alle wieder: die Forderung einer einfachen und mäßigen Lebensführung, die Richtung auf das Ethisch-Politische, die aristokratische Gesinnung, die hohe Schätzung der Mathematik und der mathematischen Bildung, die Bedeutung der Zahl und des Maßes (der Grenze) und damit des Ebenmaßes und der Harmonie für die Gestaltung der Welt und der Dinge in ihr, den Glauben an den göttlichen Ursprung der Seele und ihre Wanderungen. Vor allem zeigt sich bei ihm dieselbe Empfänglichkeit für religiöse Ideen.

Die ersten Philosophen nahmen die Wahrheit der Sinneswahrnehmung und des Denkens ohne weiteres an. Den Glauben an die Wahrheit der Sinne erschütterten die Eleaten. Der Stifter dieser Philosophenschule ist Xenophanes aus Kolophon in Kleinasien, geb. um 569 v. Chr., der später nach Elea in Unteritalien übersiedelte. Er bekämpft in seinen Gedichten die anthropomorphischen und anthropopathischen Göttervorstellungen des Homer und Hesiod und stellte die Lehre von der Einen, allwaltenden Gottheit auf. Dieser einige Gott ist ihm aber zugleich die Welt, ist nicht geworden, denn das Seiende kann nicht werden, ist ohne Bewegung und Veränderung, den ganzen Raum ausfüllend. Er ist ganz Auge, ganz Ohr, ganz Denkkraft; mühelos bewegt und lenkt er alle Dinge durch die Macht seines Gedankens.

Parmenides aus Elea, geboren um 510 v. Chr., hat zuerst den Gegensatz zwischen dem unwandelbaren, wahren Sein und dem trügerischen Schein des Werdens und infolgedessen zwischen Wissen und Meinen in voller Schärfe hingestellt. Er lehrte: Nur das Sein ist, das Nichtsein oder das Nichtseiende ist nicht und kann auch nicht gedacht werden, denn alles Denken bezieht sich auf ein Seiendes. Was nicht ist, ist undenkbar. Es gibt nur ein Sein, kein Werden. Das Viele und Wechselnde ist ein nichtiger Schein. Der Sinnentrug verführt die Menschen zu der Meinung und zu dem trügerischen Schmuck der Rede von den vielen und wechselnden Dingen. Das Eine oder das Sein ist ewig, ungeworden, unvergänglich, unterschiedslos sich selbst gleich, in sich begrenzt, fertig und abgeschlossen. Das Seiende existiert in der Gestalt einer einheitlichen und ewigen Kugel, deren Raum es kontinuierlich ausfüllt.

Der Eleate Zeno, geb. zwischen 490 und 485 v. Chr., suchte zu zeigen, daß die Annahme, es gebe vieles und Wechselndes, auf Widersprüche führe. Insbesondere richtete er gegen die Wirklichkeit der Bewegung vier Beweise, von denen namentlich die folgenden drei erwähnenswert sind: 1. Die Bewegung kann nicht beginnen, weil ein Körper nicht an einen andern Ort gelangen kann, ohne zuvor eine unbegrenzte Zahl von Zwischenorten durchlaufen zu haben. 2. Achilleus kann eine Schildkröte nicht einholen, weil sie immer, sooft er an ihren bisherigen Ort gelangt ist, diesen schon wieder verlassen hat. 3. Der fliegende Pfeil ruht, denn er ist in jedem Momente nur an einem Orte. Gegen die Wahrheit der Sinneswahrnehmung richtete Zenon auch noch folgende Beweisführung: Brächte ein fallender Korn haufen ein Geräusch hervor, so müßte auch jedes einzelne Korn und jeder kleinste Teil eines Kornes noch ein Geräusch Hervorbringen; ist aber das letztere nicht der Fall, so kann auch der ganze Kornhaufen, dessen Wirkung nur die Summe der Wirkungen seiner Teile ist, kein Geräusch hervorbringen.

Man ist vielfach geneigt, in diesen Beweisführungen nichts als Sophisterei zu erblicken, aber Zeno nahm die Sache ganz ernst. Tatsächlich bereitet der Begriff der Bewegung dem Denken große Schwierigkeiten, die sich nur durch seine richtige metaphysische Feststellung lösen lassen. Zeno gelang diese Lösung nicht, die Bewegung blieb daher für sein Denken etwas Widerspruchsvolles; da er aber an der Wahrheit des Denkens festhielt, blieb ihm nichts weiter übrig, als die Bewegung für eine trügerische Vorspiegelung der Sinne zu erklären. Leichter zu heben ist die Schwierigkeit, die das Geräusch eines fallenden Kornhaufens dem Denken bereitet.

Die wichtigsten Gedanken der Eleaten finden wir bei Plato wieder. Auch er hält an der Wahrheit des Denkens gegenüber den trügerischen Vorspiegelungen der Sinne fest und erklärt die Welt des Seienden für den Gegenstand des Denkens. Denn nur das Beharrende und Unwandelbare ermöglicht wahre Erkenntnis. Auch Plato ist die Welt Gott, aber er ist nicht Pantheist, denn sein Gott ist nicht bloß der Welt immanent, er ist auch transzendent. Die Bewegung mit Zeno zu leugnen, davon ist er weit entfernt; diese spielt in seiner Welterklärung eine große Rolle, und auch auf seine Anschauung paßt das Wort des Stifters der eleatischen Schule: »Mühelos bewegt und lenkt Gott alle Dinge durch die Macht seines Gedankens.«

In Übereinstimmung mit den Eleaten behaupten die jüngeren Naturphilosophen die Unveränderlichkeit der Substanz, nehmen aber im Gegensatze zu ihnen eine Vielheit unveränderlicher Substanzen an. Empedokles von Agrigent, dem heutigen Girgenti, geb. um 490 v. Chr., der ein Lehrgedicht über die Natur schrieb, bekämpfte die Annahme, daß etwas, was vorher nicht war, werden, und daß etwas, was ist, in nichts vergehen könne. Es gibt nur Mischung und Trennung, Entstehung (Werden) ist ein leerer Name. Die Urstoffe, die in aller Mischung und Sonderung unverändert beharren, sind Feuer, Luft, Wasser und Erde. Diese vier Elemente sind die Wurzeln aller Dinge. Jedes dieser vier ist ungeworden und unzerstörbar, in sich gleichartig und unveränderlich, dabei aber teilbar und in diesen Teilen verschiebbar. Aus der Mischung dieser Elemente entstehen die einzelnen Dinge, mit der Entmischung hören sie wieder auf, und von der Art und Weise der Mischung rühren die mannigfachen, von den Eigenschaften der Elemente verschiedenen Qualitäten der Einzeldinge her. Er nahm eine von den Elementen unabhängige Ursache der Bewegung an und nannte die vereinigende Macht Liebe, die trennende Haß. Da diese Kräfte nicht unmittelbar mit den Urstoffen verbunden sind, sondern neben und über ihnen stehen, so haben wir hier einen Dualismus zwischen dem Stoffe und dem, was ihn bewegt. Feuer, Wasser, Luft und Erde kehren in der Welterklärung Platos wieder, doch sind sie hier nicht eigentliche Elemente, sondern nur vier verschiedene Formen des einen Urstoffes, deren Verschiedenheit durch die Verschiedenheit der geometrischen Gestaltung bedingt ist, die dieser annimmt Daher sind bei Plato die vier Elemente nicht beharrlich, sondern gehen ineinander über, beharrlich ist nur der ihnen zugrunde liegende Urstoff.

Wie Empedokles so lehrte auch Anaxagoras von Klazomenä in Kleinasien, geb. um 500 v. Chr., der Freund des großen Perikles, daß es kein Entstehen und Vergehen gebe, sondern nur Mischung vorher vorhandener Teile und Entmischung derselben. »Denn kein Ding entsteht oder vergeht, sondern es mischt sich oder scheidet sich von bereits vorhandenen Dingen.« Alle qualitativ bestimmten Dinge nämlich, wie Fleisch, Knochen, Erde, sind in ganz kleinen Bestandteilen beieinander in dem Urzustande vollkommener Vermischung. Diese letzten Mischungselemente nannte er Samen der Dinge. Ein jedes qualitativ bestimmte Ding entsteht nun dadurch, daß sich die dafür erforderlichen Stoffe zusammenfinden. So wachsen die Tiere durch die Aufnahme von Fleisch, Blut, Knochen, Sehnen usf., die in kleinsten Teilchen in den Nahrungsmitteln vorhanden sind. Ursprünglich bestand eine ordnungslose Mischung dieser Urstoffe; »alle Dinge waren zusammen, unendlich der Menge wie der Kleinheit nach«. Diese Materie war für sich selbst unbewegt. Da trat der Geist, der ewig ist, hinzu, bewegte und ordnete sie, und die Gestalten dieser Welt bildeten sich. »Der Geist ist unendlich und selbstherrlich und mit keinem Dinge vermischt, sondern allein, selbständig, für sich.« »Er besitzt jegliche Einsicht über jegliches Ding und die größte Kraft.«

So strebte Anaxagoras mit aller Entschiedenheit darnach, das Geistige von dem Materiellen von Grund aus zu unterscheiden, und Plato hat, nach seiner Darlegung im Phädon zu schließen, angenommen, daß der Geist des Anaxagoras etwas Immaterielles ist. Dagegen vermißt Plato die folgerichtige Durchführung des gewonnenen Prinzipes. Wer den Geist oder die Vernunft an die Spitze der Dinge stellt und Bewegung und Werden in der Welt von ihm ausgehen läßt, der muß nach Platos Überzeugung Wesen und Werden der Dinge daraus erklären, daß es gut war, daß die einzelnen Dinge und ihre Gesamtheit gerade so wurden, wie sie geworden sind, denn das Gute ist das Vernünftige, und so muß die Vernunft das Gute wollen, das Gute nicht wollen ist unvernünftig. Demnach mußte Anaxagoras das Gute als den Zweck alles Werdens in der Welt dartun und seine Welterklärung mußte eine teleologische sein. Aber statt dessen zog er für seine Erklärung der Dinge zunächst immer nur die materiellen Ursachen heran und rief den Geist nur dann zu Hilfe, wenn diese Weise der Erklärung nicht mehr ausreichen wollte. Daher sagt Aristoteles von ihm, er verwende den Geist für die Weltbereitung wie einen deus ex machina; wo er mit seiner materialistischen Erklärungsweise in Verlegenheit komme, da hole er ihn herbei; im übrigen nehme er für das Werden alles andere eher als Ursache an als den Geist. Wie Kap. 47 des Phädon deutlich zeigt, fehlte es seiner Welterklärung vor allem an der Unterscheidung zwischen den Zweckursachen und den realisierenden Mitteln. Diese hat dann Plato festgehalten und hat damit seine teleologische Welterklärung folgerichtig durchgeführt. Die Lehre des Anaxagoras aber, daß der Geist das Prinzip der Welt sei, hat er mit Freuden begrüßt.

Finden wir dem hylozoistischen Monismus der älteren Naturphilosophen gegenüber bei Empedokles und Anaxagoras einen Dualismus, so finden wir in der Weltanschauung der Atomistiker einen entschiedenen Materialismus. Für die Begründer dieser Lehre gelten Leukipp und Demokrit, beide aus Abdera, Demokrit, geb. um 460 v. Chr. Sie erblickten den Grund und Ursprung der Dinge in ewigen, unveränderlichen, in sich durchaus gleichartigen und unteilbaren Urkörperchen oder Atomen, die sich voneinander nicht nach inneren Qualitäten, sondern nur durch Gestalt, Lage und Anordnung unterscheiden. Von einer näheren Darlegung dieser Lehre können wir hier absehen und uns der Betrachtung einer Geistesrichtung zuwenden, die für die Entstehung der Sokratisch-Platonischen Philosophie von der größten Bedeutung gewesen ist.


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