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XII.

Nicht lange genoß Byron den milden Herbst in Lady Oxfords später jungen Liebe. Immer heißer wurde der Londoner Sommer, immer schlaffer wurde seine Spannkraft, immer höher schwoll sein Abscheu gegen die Menschen, mit denen er auf den Gartenfesten zusammentraf, immer heftiger rüttelte ihn der aufkeimende Widerwille gegen weibliche Zärtlichkeit. Und immer häufiger kehrte die Sehnsucht nach der Stille und dem Frieden seines Newstead ein in sein entnervtes Gemüt. Da brachte Caroline seiner Energielosigkeit den treibenden Anstoß. Ihre Glut war mit der Flamme des Scheiterhaufens nicht verlodert. Und da Scham ihr fremd war, drängte sie sich mit der Zähigkeit der Hysterie an den Geliebten von einst heran. Zwar stand Fletcher als Wachtposten am Eingang des Hotels, so oft Lady Oxford sich in Scham und Bangen zu ihrem jungen Geliebten schlich. Denn Lord Oxford war kein Charles Lamb und nicht der Mann, ohne blutige Rache einen Eingriff in seine eheherrlichen Privilegien zu dulden. Die größte Vorsicht war daher geboten. Und doch wurde der brave Diener von Carolines Weiberlist düpiert. Eines Tages klopfte es an Byrons Zimmertür. Peinlich gestört schreckte das Liebespaar empor. »Um Gott,« raunte Lady Oxford, und flüchtete in die entfernteste Ecke des Zimmers, »mein Mann. Er wird dich morden.«

Byron winkte Ruhe. »Er mordet dich,« wiederholte sie schlotternd. »Du kennst ihn nicht.«

Da pochte es abermals dringender. Der Dichter schlich zur Tür und blickte durch das Schlüsselloch.

»Es ist ein Droschkenkutscher,« flüsterte er beruhigend und laut fragte er: »Wer ist da?«

Eine tiefe Stimme antwortete: »Ich habe einen Brief für Eure Lordschaft.«

»Geben Sie ihn dem Diener,« gebot Byron.

»Ich darf ihn nur Eurer Lordschaft persönlich übergeben,« antwortete die Stimme.

Da barg Lady Oxford sich hinter einem Schrank und Byron öffnete die Tür zu einem engen Spalt, durch den er die Hand hinausstreckte. Doch jäh wurde der Türflügel zurückgedrängt und herein zwängte sich mit Blitzesschnelle der schlanke Körper Lady Carolines. Triumphierend stand sie da im groben Kutschermantel, den schwarzen Zweimaster auf dem schimmernden blonden Haar. Lady Oxfords Blöße wand sich in Scham und Bestürzung. Die Lage wurde sehr unerquicklich. Nur mit Gewalt konnte die rabiate Dame daran gehindert werden, ihre langstielige Peitsche über die nackten Schultern der Rivalin zu schwingen. Nach ihrer zwangsweisen Entfernung blieb für die bestürzte Frau die lähmende Angst zurück, die Feindin könne sie ihrem Manne verraten. Doch diese Furcht erwies sich als unbegründet. Lady Caroline war zu manchem fähig, doch nicht zur Preisgabe einer liebenden Frau.

Wenige Tage später drang sie uneingeladen ein zu einem Ball bei den Heathcotes. Die Gastgeber wagten nicht, sie fortzuweisen. Byron aber weigerte sich, vor einem Weibe den Platz zu räumen. Und aller Blicke funkelten und warteten eines pikanten Zwischenfällchens. Doch das Mahl verlief ohne jede Störung. Lady Heathcote hatte die Länge der ganzen Tafel zwischen die gefährlichen Gegensätze eingeschaltet. Aber später, als der Tanz die Gäste zusammenwarf, trat unter atemloser Spannung, während die Kapelle einen Walzer spielte, Lady Caroline an Byron heran.

»Willst du mit mir tanzen?« fragte sie und ihre Augen züngelten. Der Zorn trieb ihm das Blut ins Gesicht! Er empfand den frechen Hohn auf sein Gebrechen und auf die Satire, die er kürzlich gegen den eben aus Deutschland eingeführten Walzer veröffentlicht hatte.

»Wenn du nicht mit mir tanzt,« drohte sie, »dann tanze ich mit irgendeinem anderen dummen Jungen.«

Er lachte höhnisch auf. »Tanz mit wem du willst und verschone mich mit deiner Ansprache.«

Da sprang sie auf einen Diener zu, der Erfrischungen bot, ergriff ein Glas, schüttete die Limonade auf den blanken Estrich des Saales, biß in das Glas hinein, daß es klirrte, und durchschnitt, ehe jemand ihr in den Arm fallen konnte, mit einem Scherbenstück die Pulsadern beider Hände.

Nun, sie ist nicht verblutet. Hilfe war sofort zur Stelle. Byron aber schrieb noch in dieser Nacht den Abschiedsbrief an Lady Oxford.

Sie las ihn mit Trauer und Schmerz und Entsagung. Und noch nach vielen Jahren auf ihrem Sterbebett fand man ein kleines Miniaturbild ihres späten Glückes an einer dünnen goldenen Kette auf ihrem armen Herzen.

Am nächsten Morgen verließ Byron die Stadt. Auf dem Verdeck der Postkutsche saß er neben dem Diener Fletcher und sog mit lechzenden Zügen den würzigen Odem ein, den die herbstlichen Felder ihm entgegenatmeten. Seine Sinne erwachten aus dämmriger Befangenheit. Seine Augen freuten sich der blauschwarzen Schwere der ernteberaubten Schollen, der Todesbuntheit der Blätter, jeder weißen Wolke, die am septemberblauen Himmel trieb. Er hatte das Empfinden, als stehe weit hinter ihm am Horizont, dort wo London lag, ein atembeklemmender qualmiger Nebel, aus dem er in luftige Frische entronnen war. Jedem Bauernmädel, dem die Postkutsche auf der Chaussee begegnete, lachte er zu, jede steigende Lerche begrüßte er freudig als Freiheitsgefährtin.

Er weitete die Brust und breitete die Arme und fühlte sich qualvoller Fesseln ledig und fühlte sich frei.

Es war einer der glücklichsten Tage seines Lebens, an dem in früher Abendstunde das Poltern der Kutsche auf dem holprigen Pflaster von den kleinen Häusern Nottinghams wetternd widerhallte. Während in dem Gasthaus »Zur Post« ein leichter Wagen für die Fahrt nach Newstead geschirrt wurde und Byron auf dem Marktplatz auf und niederging, trat Herr Fiddlestick aus seinem Magazin. Unschlüssig blieb er stehen. Doch Byron rief ihn heran und sagte gnädig:

Mein lieber Fiddlestick, ich habe Ihnen noch immer nicht bezahlen können. Doch ich hoffe, in nächster Zeit –«

»O,« unterbrach der Handelsherr, »das hat keine Eile, Eure Lordschaft. Ich weiß, Eure Lordschaft ist der erste Dichter Englands geworden und verdienen ein klobiges Geld. Ich weiß die Ehre zu schätzen, Gläubiger des größten Dichters von England zu sein.«

Byron lächelte. Eifrig fuhr Herr Fiddlestick fort:

»Eure Lordschaft werden mir den kleinen Betrag schon so verzinsen, daß ich armer Mann keinen Schaden erleide. Vielleicht –« er schielte Byron versuchend von der Seite an – »vielleicht sagen wir 20 Prozent.«

»Gut, gut,« winkte Byron.

Er zahlte bei seinen Geldgebern in London gewichtigere Zinsen. Darauf wandte er sich dem Wagen zu, der eben vorfuhr. Doch als er schon die Zügel in Händen hielt und der Schimmel gerade anziehen wollte, kam Herr Fiddlestick noch einmal in raschem Lauf daher gesprungen. Er schwenkte ein Blatt Papier und rief: »Eine Sekunde noch, Eure Lordschaft. Ich habe es nur schnell aufgesetzt. Nicht als ob ich – o nein. Nur für Leben und Sterben.«

»Geben Sie her,« lachte Byron und unterschrieb den Schuldschein.

Dann gab er dem Schimmel die Peitsche.

Als die Türmchen und Bastionen seines Schlosses, vom Märchen des Abends umsponnen, aufleuchteten, umschlang ihn ein lindes Gefühl der Heimkehr. Mit pochendem Herzen schritt er durch die hallenden düsteren Räume. Vor den Totenschädeln in seinem Arbeitszimmer blieb er sinnend stehen und flüsterte ihnen zu: »Jetzt bleibe ich bei Euch.«

Und als er in seinem Schlafgemach mit der kronengeschmückten Bettstatt stand, schwirrten just die Krähen heran in ihren abendstillen Hain. Er trat zu dem efeuverhangenen Fenster und blickte lange hinaus in die Ruinen der Schloßkapelle. Es war lauschig dort drinnen und friedlich und geborgen. –

Dann kamen lässige Tage. Er wanderte im Park umher und freute sich über jeden Baum wie über einen langentbehrten Freund. Er schwamm im Teich und stand weit hinten im Garten an der Steinbalustrade und blickte hinaus in die Felder, in denen gespenstisch die Herbstnebel tanzten. Und wenn die Erinnerungen an Lady Carolines phantastische Orgien nahten, überrieselte ihn ein abwehrender Schauer. Und wenn er an die Menschen dachte, die an ihm in dem Londoner Rausche vorübergehuscht waren wie Figuren einer närrischen Pantomime, lehnte er sich fest an die Steinmauer und hatte das Empfinden, tief hineinzutauchen in die erlösende Reinheit seiner Einsamkeit.

Er hielt Einkehr in sich und sann über die Gestaltung seines Lebens. Er hatte erkannt, daß er nicht zum Politiker geboren sei. Und fast ohne treibendes Wollen begannen seine Gedanken ein neues Werk zu planen. Die Erinnerung an die Tage keimte auf, an denen er auf diesen Wegen Arm in Arm mit der Stiefschwester Augusta gewandelt war. Und jenes Wort wurde in ihm lebendig, das sie an dem Abend gesprochen, als er ihr das tragische Schicksal des türkischen Mädchens berichtet hatte, das er vom Ertränkungstode errettet. Bei Gott, Augusta hatte recht gehabt, das war ein Stoff zu einem Gedichte. Er begann, halb spielerisch, den Stoff zu gliedern und einzurenken. Und eines Abends sprudelten die ersten Verse aus seinem Gemüte.

Der Winter hüllte Newstead ein, und der Frühling umbrauste wieder das alte Gemäuer. Byron schritt die verschlungenen Pfade des knospenden Parkes und lauschte dem Klingen in seiner Brust. Und wenn eine Lichtung sich öffnete, die den Ausblick nach Annesley bot, wandte er hastig die Augen in eine andere Richtung. Denn ob er sich auch vor sich selbst belog, und ob er auch jeden Gedanken, der über die Grenzen von Newstead hinauseilte in das Nachbargebiet, in zorniger Heftigkeit einfing, im Unterbewußtsein marterte ihn schon seit langen Wochen die bange Frage nach Mary Chaworths Los. Der Lenz flüsterte Erinnerungen, jeder Lufthauch raunte hier von junger Liebe. Er konnte die aufwallende Unrast wohl willensstark niederkämpfen, bannen ließ sie sich nicht. Eines Morgens endlich, als er Mrs. Nanny Smith im Obstgarten begegnete, sprang die Sehnsucht hemmungslos aus ihm hervor.

»Sagen Sie, Mrs. Nanny,« fragte er obenhin, »wie ist es nun eigentlich dort drüben geworden?« Er zeigte mit dem Daumen hinter sich nach Annesley.

»Nu, sie haben sich ja ausgesöhnt,« berichtete Nanny. »So,« sagte Byron mit trockener Kehle.

Es tat ihm irgendwo in der Brust sehr weh, daß sie sich ausgesöhnt hatten.

»Ja,« ergänzte Nanny eifrig ihre Auskunft, »und nun wohnt sie drüben mit dem Kinde, und er ist in London.«

»So,« machte Byron wieder und beugte sein Gesicht tief zu der Sonnenblume hinab, mit der seine zitternden Finger spielten.

Dann schlenderte er davon, erst langsam in posierter Gemächlichkeit, aber bald wurden seine Schritte schneller und stürmischer. Erst der stechende Schmerz in dem lahmen Fuße hemmte seinen Lauf. Da gewahrte er, daß er schon weit draußen in den Feldern auf dem Wege nach Annesley war. Er blieb stehen und besann sich. Nein, er ging nicht hinüber, er ging nicht. Dann schleppte er sich müde zurück. Nein, er ging nicht hinüber, er ging nicht! Aber sie war allein, der Mann hatte sie verlassen. Sie liebte ihn doch und starrte sich die Augen blind hinüber nach Newstead. Und er war in ihrer Nähe und kam nicht und überließ sie ihrer Qual und ihrer Sehnsucht und ihrer verlangenden Einsamkeit. Wieder stürmte er dahin, kam schweißbedeckt in den Hof, ließ die alte Stute satteln und galoppierte den Weg zurück, den er eben mühselig dahin gehinkt war.

Im Park von Annesley begegnete er ihr. Sie saß auf einer Bank und las. Das Kind spielte vor ihr auf dem Rasen. Ganz plötzlich, bei einer Biegung des Weges parierte er kurz vor ihr das Tier. Das Buch entglitt ihr zur Erde. Steil wuchs sie von ihrem Sitz empor, die Hände tasteten nach dem Holz der Lehne, eine Stütze suchend. So stand sie und starrte dem Reiter mit wunderweiten Augen ins Gesicht. Auch er saß unbeweglich auf dem scharrenden Pferde. Das Kind blickte mit neugierigen Augen zu dem Fremden empor.

»Lord ...« flüsterte sie unhörbar. »Lord ...«

Da zwang er sich aus dem Sattel, warf die Zügel über den Ast eines Baumes und trat auf die bleiche Frau zu.

»Sie sind wieder da!« tropfte es von ihren Lippen. Sie war betört wie von einem Wunder.

»Ja,« sagte er leise, »ich bin wieder da.«

Er bot ihr die Hand. Zweifelnd und langsam hob sie den Arm und berührte versuchend seine Finger. »Sie sind wieder da,« wiederholte sie und konnte das Glück nicht glauben und fürchtete, genarrt zu werden von einer Vision. Da lächelte er und rief munter:

»Ja, ich bin wieder da, heil und gesund nach langen Irrfahrten.«

Das Kind war herangekommen und blickte aus den braunen Augen der Mutter treuherzig auf zu dem fremden Manne und reichte ihm zutraulich die kleine dicke Patschhand. Er nahm sie und sah, daß die Ähnlichkeit mit dem Vater noch ausgeprägter geworden war. Als er sich der Frau wieder zuwandte, schimmerten ihre Augen feucht von Tränen der Freude.

»Sie sind wieder da,« wiederholte sie zum drittenmal, schon gläubiger und betrachtete mit einem Blick, der ihre langbehütete Liebe beichtete, sein Gesicht, das so viel schöner und männlicher geworden war.

»Seit wann sind Sie wieder hier?« fragte sie, bückte sich nach dem Buch und setzte sich in die Ecke der Bank, als Aufforderung für ihn, sich neben sie zu setzen.

Er tat es. Das Kind lief mit strammen nackten Beinen zurück auf den Rasen zu seinem Ball.

»Schon sehr lange,« gab er zögernd Bescheid und betrachtete sie prüfend.

Sie sah frischer und gesünder aus als damals vor drei Jahren bei ihrer letzten Begegnung. Die Trennung von dem Manne und seinen Roheiten hatte ihr wohlgetan.

»Werden Sie nun hierbleiben?« fragte sie und konnte es nicht verhindern, daß die Angst in ihrer bleichen Stimme bebte.

»Ja,« nickte er, »jetzt bleibe ich hier. Ich bin des Lebens in London müde. Ich wäre schon früher nach Newstead zurückgelehrt, wenn –« er hielt inne.

Sie verstand und sagte rasch ablenkend:

»Inzwischen sind Sie der erste Dichter Englands geworden.« Ihre Augen brannten hell.

Sein Mund verzog sich verächtlich.

Da konnte das Weib in Mary sich nicht bezwingen zu fragen: »Sind viele Frauen Ihnen begegnet, die Sie geliebt haben?«

»Bis zum Ekel,« knurrte er, »aber geliebt habe ich keine.«

Er stützte die Ellbogen auf die Knie und fegte mit der Schleife der Reitpeitsche den Kies des Weges.

»Sie wissen, daß ich seit meinen Schultagen nur Eine liebe und nie eine andere lieben werde.«

Feierlich still wurde es in dem grünen Park. Ein Specht klopfte irgendwo grimmig gegen die Borke. Geradeaus vor sich hin raunte sie:

»Ich weiß es, ich habe es im »Childe Harold« gelesen. Ich weiß aus den Thyrza-Elegien, daß Sie mich nach Ihrer Rückkehr hier gesucht haben.«

Da rief das Kind mit seiner hellen Stimme dazwischen: »Mama, darf Ann ins Haus gehen? Ann hat Durst.« »Ja,« rief die Frau. »Geh ins Haus, Ann, und sage Miß Morrison, daß sie dir deine Milch gibt.«

Das Kind lief davon mit fliegenden Beinchen.

Wieder war es still um die beiden. Nur ein leises Rieseln schauerte durch die frühlingsfeuchten Äste. Da richtete Byron sich aus der gebückten Stellung auf und stieß jäh hervor:

»Mary, wir wollen nicht Versteck miteinander spielen. Wir wollen unsere Liebe nicht hinter bleichen Worten verbergen. Ich weiß, wie es dir ergangen ist. So kannst du nicht weiter leben. Du darfst nicht hier in Einsamkeit und Leid deine Jugend und deine Ansprüche an das Leben vergessen.«

Er war nahe an sie herangerückt und nahm ihre Hände. Sie ließ sie ihm, drückte sich tief in die Bank zurück und schloß die Augen. Er hastete eindringlich weiter:

»Du hast Grund, dich scheiden zu lassen. Du wirst mein Weib werden. Ich kann dieses Leben nicht weiter führen. Ich fühle es, ich gehe an dieser Unrast zugrunde. Ich verkaufe Newstead, wir gehen weit fort. Dein Kind soll mein Kind sein. Wir lassen uns auf einer Insel im ägäischen Meer nieder. Dort ist das Leben wohlfeil, dort können wir behaglich leben. Annesley und alle Düsternis unseres alten Lebens bleibt zurück. Dort beginnen wir von neuem. Willst du? Willst du? Sag' ja, sag' ja!«

Seine Blicke sengten ihren bleichen Mund, wollten die Antwort aufsaugen. Der seidige Knoten ihres blonden Haares preßte sich gegen das harte Holz der Bank. Ihre Lider zuckten. Sie antwortete nicht. Da lag er vor ihr auf dem Boden, umklammerte ihre Knie und bedrängte sie:

»Du mußt mit mir gehen, hörst du, du mußt, hier hält dich nichts. Ohne dich gehe ich zugrunde. Alle Gaben, die mir die Natur gegeben hat, verflattern und verrecken. Ich fühle es, ohne dich habe ich keinen Halt, ohne dich taumele ich immer tiefer. Wenn du bei mir bist, habe ich die Kraft, etwas zu werden, das zu werden, was mein Land von mir erwartet. Sag' ja, sag' ja, raff' dich auf, wirf deine Vergangenheit hinter dich und werde ein neuer Mensch und werde mein Weib.

Da flüsterte sie, ohne die Augen zu öffnen:

»Sei still, sei still. Laß mich atmen und sitzen und empfinden, daß du mich zu deinem Weibe willst.« Sie legte beide Hände auf seinen Kopf. Er beugte das Gesicht in ihren Schoß und kauerte still und gefügig. Dann löste sie die Hände von seinem weichen Haar und sagte:

»Komm, setz' dich neben mich.«

Er gehorchte. Da ließ sie ihre Hände matt herabgleiten und sprach:

»Ich kann es nicht. Du mußt es verstehen. Du mußt es begreifen. Nein, nein, werde nicht ungeduldig. Mach' nicht solch finstere Augen. Ich bekenne es ja, ich liebe dich. Ich habe an dich all die Zeit über gedacht. Ich habe dich in Gedanken auf deiner Reise verfolgt, Tag für Tag. Ich habe mir Zeitungen verschafft und dich auf deiner Ruhmesbahn begleitet. Ich habe mir deinen »Childe Harold« verschafft« – sie hob das Buch empor – »hier, hier ist er. Ich kenne ihn auswendig, Wort für Wort. Ich kenne ihn auswendig, wie die Bibel. Aber dein Weib werden kann ich nicht.«

Das kam so traurig und so weh, daß er schmerzlich fragte:

»Warum? Warum kannst du es nicht?«

Sie verrankte die Finger und hob ihm die gefalteten Hände entgegen: »Weil ich vor Gott einem anderen Treue gelobt habe.«

Da lachte er grell auf.

»Einem anderen, der dich betrogen hat und erniedrigt?«

Die weißen kummervollen Hände sanken auf ihre Kniee nieder.

»Das ändert mein Gelübde nicht.«

Sie preßte die Fingerspitzen gegen die Brust und quälte die Worte aus ihrem Innersten hervor.

»Ich fühle, du begreifst es nicht. Du begreifst es nicht. Ich fühle, wie ich es dir nicht verständlich machen kann. Ich weiß, du bist nicht fromm. Du begreifst Gott nicht, wie ich ihn begreife.«

»Nein,« er schüttelte grimmig den Kopf. »Den Gott, der will, daß du bei diesem Manne ausharrst, den begreife ich nicht.«

Sie strich sich mit gespreizten Fingern über die Schläfen, daß fahle Bahnen sich auf der glatten Haut abzeichneten.

»Ich habe diese Stunde geahnt. Ich habe gewußt, du würdest eines Tages vor mir stehen und mich bitten, dein Weib zu werden. Ich habe es gewußt in Sehnsucht und in Angst. Ich kann dein Weib nicht werden. Ich kann das Band nicht lösen, das Gott geknüpft hat.«

Da sprang er heftig auf.

»Du faselst,« schrie er wild. »Das ist Wahnwitz, was du sprichst. Glaubst du wirklich, dein Gott will eine Ehe mit einem Manne, den du nicht liebst?«

»Ja,« bekannte sie schlicht und kindlich, »das glaube ich. Gott will, daß wir Gelübde nicht brechen. Daß wir uns gegen einen Bund, den er gestiftet hat, nicht auflehnen, und ein Band, das er gebunden hat, nicht zerreißen.«

Byron griff fingernd in die Luft. Doch ehe er etwas erwidern konnte, fuhr sie fort:

»Ich weiß, du denkst anders in diesen Dingen als ich. Du bist weit dort draußen gewesen in der Welt. Du hast deinen Kinderglauben verloren. Aber ich, sieh', begreife doch. Such dich in mich hineinzudenken. Ich bin hier« – sie machte eine arme Geste mit der Hand – »in diesem Park und auf diesen Feldern aufgewachsen. Ich bin hier Weib und bin hier Mutter geworden. Mein Horizont ist so eng gewesen. Ich kann aus ihm nicht herausspringen. Ich möchte es, ich will es ja, ich habe es so sehr versucht – so sehr. Aber ich weiß, ich würde dich nicht glücklich machen. Ich würde immer das zürnende Auge Gottes über mir fühlen. Ich würde ein zerbrochener Mensch sein, den du nicht zum Weibe brauchen könntest.«

»Aber Mary!« schrie er zornig zerquält, »das sind doch Worte, das sind doch nichts als hohle, leblose Worte!«

»Mir nicht,« wehrte sie traurig. »Mir ist es lebendigste Überzeugung. Ich habe vor Gott geschworen, meinem Manne ein treues Weib zu sein, auf Leben und Tod, das muß ich halten.«

»Aber ein Mann –«

Doch sie sprach weiter:

»Davon wollen wir nicht sprechen. Ich habe die frohe Zuversicht, daß Gott ihn zu mir zurückführen wird, wenn die Zeit seiner und meiner Prüfung vorüber ist.«

Da schwieg er erbittert. Er empfand, daß er gegen die starren Mauern dieses unerschütterlichen, echt englischen Glaubens vergeblich Sturm lief. Er kauerte sich in die Ecke der Bank und biß die Zähne auf die Lippen, daß rote Blutstropfen das Kinn hinabsickerten. Da lag sie vor ihm auf den Knien und flehte aus tiefster verzweifelter Seelennot empor:

»Hilf mir doch, hilf mir doch! Begreife doch, daß ich nicht anders kann. Mach es doch dir und mir nicht so grausam schwer. Ich fühle, du wirst von mir gehen und mir fluchen. Das darfst du nicht, das darfst du nicht!«

Sie warf den Kopf zurück, daß das Haar sich löste und in wirren Strähnen um ihre Schläfen flatterte. »Laß uns Freunde sein. Laß uns die Liebe in uns zurückdrängen, laß sie tief verschlossen leben in unserer Brust. Laß mich bei dir stehen, wie ich als dein Weib bei dir stehen würde. Bleib in Newstead. Bleib in meiner Nähe. Komm täglich zu mir. Ich will auch zu dir hinüberkommen. Ich will dir helfen. Ich will dich stützen, daß du groß und stark wirst und alle Fähigkeiten, die in dir schlummern, entwickelst zur Blüte für dich, für mich, für unser Land. Willst du? Willst du?«

Ihre Hände tasteten über seine Brust zu den Schultern hinauf und klammerten sich ein in seinen blauen Reitrock.

»Sag', sag', daß du mein Freund sein willst!«

Da übermannte ihn ihre Leidenschaft und ihre Innigkeit. Er beugte sich zu ihr nieder, daß seine Stirn auf ihrem Haupte lag und flüsterte in den Duft ihres Haares: »Ich will dein Freund sein.«

Sie schnellte empor. Schön und rank wie in den Tagen erster Jugend stand sie vor ihm. Ihr Gesicht leuchtete verklärt.

»Dank, Dank,« sagte sie so laut und klingend, daß die alten Bäume des Parkes es widerhalten.

Und dann saß sie neben ihm und streichelte seine Hände und schwärmte aus angstbefreiter Brust:

»Heb' doch den Kopf. Es soll ja so schön werden, so schön!«

Und mit der langerloschenen Schalkheit ihrer Siebzehn lächelte sie:

»Glaubst du nicht, daß es sehr schön werden wird?« »Ja,« zweifelte er. – –

Der Frühling des Jahres 1813 stürmte über Europa hin. Mit der quellenden Natur erwachten die Völker. Wie die Erde die Bande des Schnees und des Eises sprengte, so rissen und zerrten sie an den Fesseln, die ihre Freiheit umschnürten. Von den Schneegefilden Rußlands war Napoleon im einsamen Schlitten flüchtig und heimlich durch Deutschland dahingestoben. Wie die Meute den Eber, umstellten die Nationen den verwundeten Bezwinger. Ein Frühlingsbrausen durchschwellte die Luft und die Herzen der erwachenden Völker.

Doch Byron vernahm nicht das singende Sausen in den Lüften. Seine Sinne hingen an seinem eigenen Geschick. Was scherte ihn jetzt das Los seines Helden Napoleon, was scherte ihn das Erwachen der Völker, was der Frühling der europäischen Freiheitssehnsucht! Er lebte den Frühling seines Lebens. Er lebte ihn mit allem Stürmen und Brausen und Treiben, mit allem Springen der Knospen und aller lieblichen Feierlichkeit des Werdens. Er lebte den Lenz seiner Liebe.

Wohl fügte er sich nur trotzig und widerstrebend dem starken sanften Frauenwillen. Ihre milde Unerschütterlichkeit erzwang sich eine Freundschaft, unter deren schwebender Decke die Liebe brodelte.

Sie fühlten ihren hämmernden Pulsschlag, wenn sie sich die Hand reichten, sie spürten ihren zitternden Atem, wenn sie in stiller Abendstunde beieinander saßen und die Grillen draußen im Park sehnsüchtig zirpten. Doch dann lächelte Mary ein bittendes, Wünsche bannendes Lächeln und sprach gut und traut und baute mit ihrer Keuschheit ein festes Wehr gegen seine Leidenschaft.

Und alles war wie einst, wie einst im Mai ihrer Kinderliebe. Sie wanderten wieder durch das Grün von Annesley und die Auen von Newstead, sie saßen wieder beisammen in ihrem blauen Zimmer und blickten hinaus in ihren bunten, blumensprießenden Garten, und wieder öffnete er vor ihr weit die Pforten seines Wissens und Denkens. Sie ritten wieder über die Felder, auf denen einst der Sherwood-Forst seine grünen Wipfel im Winde gebeugt, und ihr Sattelzeug knirschte fest und herb wie in der Wunderzeit ihrer Siebzehn.

Und doch war alles so anders, so ganz anders geworden. Bleich und gedämpft und bezwungen waren Gedanken und Wünsche. Einst war alles frisch und duftig gewesen, wie Blumen im Felde. Jetzt war es still und bleich, wie ein Feldblumenstrauß im Glase. Und als sie einmal die Pferde, wie ungefähr, hinauflenkten zu der Anhöhe, die das Baumrondell krönte, da stand die Erinnerung an den verhängnisvollen Tag, an dem der »schneidige John Musters« im roten Jagdrock hinter der Meute dahingeprescht war, träumezerstörend zwischen ihnen. Und doch war dieser Frühling des Jahres 1813 der Reichtum in Byrons Leben. Wohl mußte er zu jeder Stunde gegen das Glühen in seiner Brust kämpfen. Wohl marterte ihn die Auflehnung gegen den Widersinn ihrer Festigkeit. Und doch, und doch war es die reichste Zeit seiner jungen Jahre. Er durfte ihre Nähe atmen, so oft er wollte. Er durfte ihre kühle weiße Hand fühlen, er durfte in die verschleierte Tiefe ihrer braunen Augen blicken und konnte ihre schlichte Klugheit hören zu jeder Stunde. Wohl war es ein steter Kampf zwischen wildem Begehren und wehem Entsagen. Aber vielleicht war gerade das der spannende Reiz dieser glücklichen Monate. Vielleicht fesselte gerade diese stete Erregung des Kampfes seinen unruhigen Geist.

Ernst sagte sie eines Tages, als er zu ihr kam:

»Mein Mann hat geschrieben, aus London.

»So?« murrte er.

»Ja, er schreibt, er bedaure sein wüstes Leben. Er sei zur Einkehr gekommen. Immer klarer werde ihm, welches Gut er in mir besitze. Und wenn ich ihm seine Vergehen vergeben könnte, würde er mir seine Liebe beweisen.«

Byron lachte zynisch auf.

»Jetzt, da ihn ein Ekel vor seinen Dirnen überkommt, bist du ihm gut genug. Was wirst du ihm schreiben?«

»Ich werde ihm schreiben,« sagte sie und blickte ihm fest in die Augen, »daß ich ihm vergebe.«

»So tief willst du dich erniedrigen!« schrie er mit der Leidenschaft der Byrons. »Ihm deine Arme öffnen, wenn er nur mit dem kleinen Finger winkt!«

»Ich habe das Vertrauen,« entgegnete sie schlicht, »Gott hat ihn geläutert. Ich werde ihn in Liebe aufnehmen, wie die Mutter ihren verlorenen Sohn aufnimmt, wenn er reumütig heimkehrt.«

Da schleuderte er ihr entgegen: »Pfui, du bist würdelos!« und stürmte davon.

Doch am nächsten Tage kam er wieder. Und am nächsten Tage fragte er:

»Und wenn dein Mann nun kommt, was wird dann aus unserer – Freundschaft?«

»Sie bleibt, wie sie ist,« lächelte sie frohgemut. »Du wirst auch sein Freund werden.«

»Du bist sehr liebenswürdig,« höhnte er. »Ich verzichte. Aber glaube nur nicht, daß er so bald kommen wird. In London geht es jetzt hoch her. Sie feiern gerade die Siege Wellingtons über die Franzosen in Spanien. Der Freudentaumel wird ihm lockender sein als die Verzeihung seines Weibes.«

»Dann wird er später kommen,« sagte sie ergeben.

Byron behielt recht. Der Freudentaumel hielt den guten Herrn Musters fest umklammert. –

Und unter dem unmerklichen Ansporn ihres Ernstes begann er zu arbeiten. Entschlossen ging er daran, das Abenteuer des türkischen Mädchens zu gestalten. Wohl klagte er erbittert, die Arbeit gelänge ihm nicht, die Handlung sei zerfahren und zerrissen, wie sein Gemüt.

»Wer so zerklüftet ist in Leidenschaft wie ich,« rief er vorwurfsvoll, »wer alles Kraftvolle eunuchenhaft unterdrücken muß, der kann nichts Starkes, in Leidenschaft Großes schaffen.«

»Ich glaube,« bedeutete sie, »wer sich selbst bezwingt, macht so viele gute Kräfte in sich frei, daß er mit ihnen etwas Markiges schaffen kann.«

Auf ihren Ritten sprachen sie von seinem Gedicht.

»Ich werde eine Vorrede schreiben,« sagte Byron, »in der ich verrate, daß es ein wahres Erlebnis ist. Das wird die Teilnahme der Frauen anstacheln.«

Sie zügelte den Fuchs und warnte ernst:

»Ein Dichter, meine ich, sollte nicht immer nach den Boudoirs schielen. Ich bin nur eine einfache Frau vom Lande und verstehe von der Dichtkunst und all diesen Dingen nicht viel. Aber etwas in mir sagt mir, ein Dichter sollte so dichten, wie ihm ums Herz ist, und während der Arbeit nicht nach dem Publikum blinzeln.«

Er wurde rot vor Zorn und schalt:

»Ja, du bist nur eine einfache Landfrau. Du verstehst davon nichts.«

Doch im Grunde zürnte er nur, weil er empfand, daß sie die Wahrheit gesprochen hatte. Und wenige Tage später berichtete er:

»Ich habe nun die Vorrede geschrieben. Und um alle Gedanken von meiner Person abzulenken, habe ich vorgespiegelt, die Vorgänge spielten in vergangenen Zeiten, in denen die jonischen Inseln noch der Republik Venedig gehörten.«

Da gab sie ihm freudig die Hand und sprach kein Wort. Doch in ihren Augen brannte das Altarfeuer ihrer Dankbarkeit und ihrer Liebe.

Die Rosen im Garten von Annesley standen süß und schwer. Der Sommer hatte den Lenz in seinen heißen Armen erstickt. Es war Juli geworden. Da brachte er ihr eines Abands das vollendete Werk. Nach dem Abendmahl gingen sie in ihr blaues Zimmer. Sie hatte die Beete geplündert. Von allen Tischen und Konsolen duftete es dem Dichter zu. Und dann saß sie auf ihrem Ruhelager, wo sie so oft als Mädchen vor ihm gesessen, wenn er in jungenhafter Keckheit verwegene Phantastereien in buntschillernden Fontänen vor ihr hatte aufsteigen lassen. Er las den »Gjaur«. Düster und schwer wallten die Kurzverse daher. Und seine Liebe zum Land der Griechen und sein Haß gegen die türkische Knechtung züngelten empor.

»Du Land der Helden ohne Zahl,
Dereinst vom Berge bis zum Tal
Der Freiheit Heim, des Ruhmes Mal!
Altar gewalt'ger Geister, dies
Ist alles, was die Zeit dir ließ?
Gekrümmter, feiger Sklav', tritt her,
Sag, sind nicht dort die Thermopylen?
Wohl kennt ihr dieser Stätte Ruhm?
Auf, kämpft um Euer Eigentum!
Aus Eurer Väter Asche reißt
Das letzte Fünkchen Heldengeist.«

Er las und las, hingerissen, begeistert von seinem Liede. Und die vergehenden Blätter der Rosen in den Vasen und die Seele des jungen Weibes erschauerten von dem tragischen Pathos. Endlich schwieg er, heiß und erregt von der Wucht seiner Worte. Lange blickte sie stumm zu ihm hinüber. Sie wagte die Weihe, die durch das Zimmer zitterte, mit keinem Laut zu stören.

Endlich flüsterte sie:

»Herrlich, herrlich!«

Und dann saß sie bei ihm und hatte seine Hände umklammert und preßte sie mit der Leidenschaft, die ihre Natur war, die nur ihre Geradheit tief zurückdrängte in die dunklen Schächte ihres Willens. »Ich bin stolz,« bebte sie, »ich bin so stolz darüber, daß ich die erste bin, die dieses Gedicht hört, das nun Jahrhunderte leben und Generationen auf Generationen mit Schauern und Angst und Grauen in Schönheit durchrütteln wird.«

Ihre Wangen brannten, ihre Augen glühten wie ehedem im wilden Übermut ihrer Jugend. Er fühlte das Sausen ihres erregten Blutes in ihren Fingerspitzen, er sah die Fackeln in ihren Pupillen. Rot flammte es in seinen Augen auf.

»Sieh mich nicht so an!« wollte sie flehen. Aber kein Ton entrang sich ihrer Kehle. Seine Blicke bohrten sich in ihre Augenhöhlen wie glühende Eisen. Sie fühlte, wie ihr Verstand taumelig wurde und wirr. Sie versuchte, sich aufzurichten. Seine Finger umspannten ihre Arme. Sie beugte sich hintenüber und wollte ihre Lippen bewegen. Da küßte er sie. Sie wollte sich wehren, preßte beide Hände gegen seine Brust. Doch er küßte sie, schonungslos, auf die Stirn, auf die Wangen, auf die Augen. Sie wollte schreien, wollte sich losreißen. Er hielt sie in Eisenbanden. Sein Atem versengte ihr die Lippen. Da loderte es in ihr auf, die jahrelang aufgespeicherte Kraft brach lavaheiß aus ihr hervor. Sie bog den Kopf weit zurück, daß das Kinn scharf in der Luft stand, ihre Sinne begannen zu glimmen, die Widerstandsstarrheit ihrer Glieder löste sich, ihre Abwehr brach. Sie warf die Arme weit von sich zu beiden Seiten und ward sein und war sein.


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