Friedrich Schiller
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande
Friedrich Schiller

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Albas erste Anordnungen und Abzug der Herzogin von Parma.

Albas erster Schritt, sobald er sich der verdächtigsten Großen versichert hatte, war, die Inquisition in ihr voriges Ansehen wieder einzusetzen, die Schlüsse der Trientischen Kirchenversammlung wieder geltend zu machen, die Moderation aufzuheben und die Plakate gegen die Ketzer auf ihre ganze vorige Strenge zurückzuführen.Meurs. Guil. Auriac. 38.  Meteren 105. Der Inquisitionshof in Spanien hatte die gesammte niederländische Nation, Katholiken und Irrgläubige, Treugesinnte und Rebellen ohne Unterschied, diese, weil sie sich durch Thaten, jene, weil sie sich durch Unterlassen vergangen, einige Wenige ausgenommen, die man namentlich anzugeben sich vorbehielt, der beleidigten Majestät im höchsten Grade schuldig erkannt, und dieses Urtheil hatte der König durch eine öffentliche Sentenz bestätigt. Er erklärte sich zugleich aller seiner Versprechungen quitt und aller Verträge entlassen, welche die Oberstatthalterin in seinem Namen mit dem niederländischen Volke eingegangen; und Gnade war alle Gerechtigkeit, die es künftig von ihm zu erwarten hatte. Alle, die zu Vertreibung des Ministers Granvella beigetragen, an der Bittschrift des verbundenen Adels Antheil gehabt, oder auch nur Gutes davon gesprochen; Alle, die gegen die Trientischen Schlüsse, gegen die Glaubensedikte, oder gegen die Einsetzung der Bischöfe mit einer Supplik eingekommen; Alle, die das öffentliche Predigen zugelassen, oder nur schwach gehindert; Alle, die die Insignien der Geusen getragen, Geusenlieder gesungen oder sonst auf irgend eine Weise ihre Freude darüber an den Tag gelegt; Alle, die einen unkatholischen Prediger beherbergt oder verheimlicht, calvinischen Begräbnissen beigewohnt, oder auch nur von ihren heimlichen Zusammenkünften gewußt und sie verschwiegen; Alle, die von den Privilegien des Landes Einwendungen hergenommen; Alle endlich, die sich geäußert, daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen – Alle, ohne Unterschied, seien in die Strafe verfallen, die das Gesetz auf Majestätsverletzung und Hochverrath lege, und diese Strafe solle ohne Schonung oder Gnade, ohne Rücksicht auf Rang, Geschlecht oder Alter, der Nachwelt zum Beispiel und zum Schrecken für alle künftigen Zeiten, nach der Vorschrift, die man geben würde, an den Schuldigen vollzogen werden.Meteren 107. Nach dieser Angabe war kein Reiner mehr in allen Provinzen, und der neue Statthalter hatte ein schreckliches Auslesen unter der ganzen Nation. Alle Güter und alle Lehen waren sein, und wer eines von beiden, oder gar beides rettete, empfing es von seiner Großmuth und Menschlichkeit zum Geschenk.

Durch diesen eben so fein ausgesonnenen, als abscheulichen Kunstgriff wurde die Nation entwaffnet und eine Vereinigung der Gemüther unmöglich gemacht. Weil es nämlich bloß von des Herzogs Willkür abhing, an wem er das Urtheil vollstrecken lassen wollte, das über Alle ohne Ausnahme gefällt war, so hielt jeder Einzelne sich stille, um, wo möglich, der Aufmerksamkeit des Statthalters zu entwischen und die Todeswahl ja nicht auf sich zu lenken; so stand Jeder, mit dem es ihm gefiel eine Ausnahme zu machen, gewissermaßen in seiner Schuld und hatte ihm für seine Person eine Verbindlichkeit, die dem Werth des Lebens und des Eigenthums gleichkam. Da dieses Strafgericht aber bei weitem nur an der kleinern Hälfte der Nation vollstreckt werden konnte, so hatte er sich also natürlicherweise der größeren durch die stärksten Bande der Furcht und der Dankbarkeit versichert; und für Einen, den er zum Schlachtopfer aussuchte, waren zehn Andere gewonnen, die er vorüberging. Auch blieb er unter Strömen Bluts, die er fließen ließ, im ruhigen Besitz seiner Herrschaft, so lange er dieser Staatskunst getreu blieb, und verscherzte diesen Vortheil nicht eher, als bis ihn Geldmangel zwang, der Nation eine Last aufzulegen, die Jeden ohne Ausnahme drückte.Thuan. II. 540.  A. G. d. v. N. III. 115.

Um aber nun diesem blutigen Geschäfte, das sich täglich unter seinem Händen häufte, mehr gewachsen zu sein und aus Mangel der Werkzeuge ja kein Opfer zu verlieren; um auf der andern Seite sein Verfahren von den Ständen unabhängig zu machen, mit deren Privilegien es so sehr im Widerspruche stand, und die ihm überhaupt viel zu menschlich dachten, setzte er einen außerordentlichen Justizhof von zwölf Kriminalrichtern nieder, der über die vergangenen Unruhen erkennen und nach dem Buchstaben der gegebenen Vorschrift Urtheil sprechen sollte. Schon die Einsetzung dieses Gerichtshofs war eine Verletzung der Landesfreiheiten, welche ausdrücklich mit sich brachten, daß kein Bürger außerhalb seiner Provinz gerichtet werden dürfte; aber er machte die Gewaltthätigkeit vollkommen, indem er, gegen die heiligsten Privilegien des Landes, auch den erklärten Feinden der niederländischen Freiheit, seinen Spaniern, Sitz und Stimme darin gab. Präsident dieses Gerichtshofs war er selbst und nach ihm ein gewisser Licentiat Vargas, ein Spanier von Geburt, den sein eigenes Vaterland wie eine Pestbeule ausgestoßen, wo er an einem seiner Mündel Nothzucht verübt hatte, ein schamloser, verhärteter Bösewicht, in dessen Gemüth sich Geiz, Wollust und Blutbegier um die Oberherrschaft stritten, über dessen Nichtswürdigkeit endlich die Geschichtschreiber beider Parteien mit einander einstimmig sind.Dignum belgico carcinomate cultrum nennt ihn Meurs. Guil. Auriac. 38.  Vigl. ad Hopper. XLV. LXVIII. LXXXI. Brief.  Meteren 105. Die vornehmsten Beisitzer waren der Graf von Aremberg, Philipp von Noircarmes und Karl von Barlaimont, die jedoch niemals darin erschienen sind; Hadrian Nicolai, Kanzler von Geldern; Jacob Mertens und Peter Asset, Präsidenten von Artois und Flandern; Jacob Hesselts und Johann de la Porte, Räthe von Gent; Ludwig del Rio, Doktor der Theologie und eingeborener Spanier; Johann du Bois, Oberanwalt des Königs, und de la Torre, Schreiber des Gerichts. Auf Viglius' Vorstellungen wurde der geheime Rath mit einem Antheil an diesem Gerichte verschont; auch aus dem großen Rathe zu Mecheln wurde Niemand dazu gezogen. Die Stimmen der Mitglieder waren nur rathgebend, nicht beschließend, welches letztere sich der Herzog allein vorbehielt. Für die Sitzungen war keine besondere Zeit bestimmt; die Räthe versammelten sich des Mittags, so oft es der Herzog für gut fand. Aber schon nach Ablauf des dritten Monats fing dieser an, bei den Sitzungen seltner zu werden und seinem Liebling Vargas zuletzt seinen ganzen Platz abzutreten, den dieser mit so abscheulicher Würdigkeit besetzte, daß in kurzer Zeit alle übrigen Mitglieder, der Schandtaten müde, wovon sie Augenzeugen und Gehilfen sein mußten, bis auf den spanischen Doktor del Rio und den Sekretär de la Torre aus den Versammlungen wegblieb en.Wie man denn auch wirklich oft die Sentenzen gegen die angesehensten Männer, z. B. das Todesurtheil über den Bürgermeister Strahlen von Antwerpen, nur von Vargas, del Rio und de la Torre unterzeichnet fand.  Meteren 105. Es empört die Empfindung, wenn man liest, wie das Leben der Edelsten und Besten in die Hände spanischer Lotterbuben gegeben war, und wie nah es dabei war, daß sie selbst die Heiligthümer der Nation, ihre Privilegien und Patente, durchwühlt, Siegel erbrochen und die geheimsten Contracte zwischen dem Landesherrn und den Ständen profanirt und preisgegeben hätten.Meteren 106.  Zu einem Beispiel, mit welchem fühllosen Leichtsinn die wichtigsten Dinge, selbst Entscheidungen über Leben und Tod, in diesem Blutrath behandelt worden, mag dienen, was von dem Rath Hesselts erzählt wird. Er pflegte nämlich mehrentheils in der Versammlung zu schlafen und, wenn die Reihe an ihn kam, seine Stimme zu einem Todesurtheil zu geben, noch schlaftrunken aufzuschreien: Ad Patibulum! Ad Patibulum! So geläufig war dieses Wort seiner Zunge geworden. Von diesem Hesselts ist noch merkwürdig, daß ihm seine Gattin, eine Nichte des Präsidenten Viglius, in den Ehepakten ausdrücklich vorgeschrieben hatte, das traurige Amt eines königlichen Anwalts niederzulegen, das ihn der ganzen Nation verhaßt machte.  Vigl. ad Hopper. LXVII. Brief.  A. G. d. v. N. 114.

Von dem Rath der Zwölfe, der, seiner Bestimmung nach, der Rath der Unruhen genannt wurde, seines Verfahrens wegen aber unter dem Namen des Blutraths, den die aufgebrachte Nation ihm beilegte, allgemeiner bekannt ist, fand keine Revision der Processe, keine Appellation statt. Seine Urtheile waren unwiderruflich und durch keine andere Autorität gebunden. Kein Gericht des Landes durfte über Rechtsfälle erkennen, welche die letzte Empörung betrafen, so daß beinahe alle andern Justizhöfe ruhten. Der große Rath zu Mecheln war so gut als nicht mehr; das Ansehen des Staatsraths fiel gänzlich, daß sogar seine Sitzungen eingingen. Selten geschah es, daß sich der Herzog mit einigen Gliedern des letztern über Staatsgeschäfte besprach, und wenn es auch je zuweilen dazu kam, so war es in seinem Kabinet, in einer Privatunterredung, ohne eine rechtliche Form dabei zu beobachten. Kein Privilegium, kein noch so sorgfältig besiegelter Freibrief kam vor dem Rath der Unruhen in AnschlagIn einem schlechten Latein richtete Vargas die niederländische Freiheit zu Grunde. Non curamus vestros privilegios, antwortete er einem, der die Freiheiten der hohen Schule zu Löwen gegen ihn geltend machen wollte.  A. G. d. v. N. 117. Alle Urkunden und Contracte mußten ihm vorgelegt werden und oft die gewalttätigste Auslegung und Aenderung leiden. Ließ der Herzog eine Sentenz ausfertigen, die von den Ständen Brabants Widerspruch zu fürchten hatte, so galt sie ohne das brabantische Siegel. In die heiligsten Rechte der Personen wurden Eingriffe gethan, und eine beispiellose Despotie drang sich sogar in den Kreis des häuslichen Lebens. Weil die Unkatholischen und Rebellen bisher durch Heirathsverbindungen mit den ersten Familien des Landes ihren Anhang so sehr zu verstärken gewußt hatten, so gab der Herzog ein Mandat, das allen Niederländern, weß Standes und Würden sie auch sein möchten, bei Strafe an Leib und Gut untersagte, ohne vorhergeschehene Anfrage bei ihm und ohne seine Bewilligung eine Heirath zu schließen.Meteren 106. 107.  Thuan. 540.

Alle, die der Rath der Unruhen vorzuladen für gut fand, mußten vor diesem Tribunale erscheinen, die Geistlichkeit wie die Laien, die ehrwürdigsten Häupter der Senate, wie der Bilderstürmer verworfenes Gesindel. Wer nicht erschien, wie auch fast Niemand that, war des Landes verwiesen und alle seine Güter dem Fiscus heimgefallen; verloren aber war ohne Rettung, wer sich stellte, oder den man sonst habhaft werden konnte. Zwanzig, Vierzig, oft Fünfzig wurden aus einer Stadt zugleich vorgefordert, und die Reichsten waren dem Donnerstrahl immer die Nächsten. Geringere Bürger, die nichts besaßen, was ihnen Vaterland und Herd hätte lieb machen können, wurden ohne vorhergegangene Citation überrascht und verhaftet. Manche angesehene Kaufleute, die über ein Vermögen von sechzig bis hunderttausend Gulden zu gebieten gehabt hatten, sah man hier wie gemeines Gesindel, mit auf den Rücken gebundenen Händen, an einem Pferdeschweif zu der Richtstätte schleifen, in Valenciennes zu einer Zeit fünf und fünfzig Häupter abschlagen. Alle Gefängnisse, deren der Herzog gleich beim Antritt seiner Verwaltung eine große Menge hatte neu erbauen lassen, waren von Delinquenten vollgepreßt; Hängen, Köpfen, Viertheilen, Verbrennen waren die hergebrachten und ordentlichen Verrichtungen des Tages; weit seltner schon hörte man von Galeerenstrafe und Verweisung, denn fast keine Verschuldung war, die man für Todesstrafe zu leicht geachtet hätte. Unermeßliche Summen fielen dadurch in den Fiscus, die aber den Golddurst des neuen Statthalters und seiner Gehilfen viel mehr reizten, als löschten. Sein rasender Entwurf schien zu sein, die ganze Nation zum Bettler zu machen und alle Reichthümer des Landes in des Königs und seiner Diener Hände zu spielen. Der jährliche Ertrag dieser Confiscationen wurde den Einkünften eines Königreichs vom ersten Range gleich geschätzt; man soll sie dem Monarchen, nach einer ganz unglaublichen Angabe, auf zwanzig Millionen Thaler berechnet haben. Aber dieses Verfahren war desto unmenschlicher, da es gerade die ruhigsten Unterthanen und die rechtgläubigsten Katholiken, denen man nicht einmal Leides thun wollte, oft am härtesten traf; denn mit Einziehung der Güter sahen sich alle Gläubiger getäuscht, die darauf zu fordern gehabt hatten; alle Hospitäler und öffentlichen Stiftungen, die davon unterhalten worden, gingen ein, und die Armuth, die sonst einen Nothpfennig davon gezogen, mußte diese einzige Nahrungsquelle für sich vertrocknet sehen. Welche es unternahmen, ihr gegründetes Recht an diese Güter vor dem Rath der Zwölfe zu verfolgen (denn kein anderer Gerichtshof durfte sich mit diesen Untersuchungen befassen), verzehrten sich in langwierigen kostbaren Rechtshändeln und waren Bettler, ehe sie das Ende davon erlebten.Meteren 109. Von einer solchen Umkehrung der Gesetze, solchen Gewalttätigkeiten gegen das Eigenthum, einer solchen Verschleuderung des Menschenlebens kann die Geschichte gebildeter Staaten schwerlich mehr als noch ein einziges Beispiel aufweisen; aber Cinna, Sulla und Marius traten in das eroberte Rom als beleidigte Sieger und übten wenigstens ohne Hülle, was der niederländische Statthalter unter dem ehrwürdigen Schleier der Gesetze vollführte.

Bis zum Ablauf dieses 1567sten Jahres hatte man noch an die persönliche Ankunft des Königs geglaubt, und die Besten aus dem Volke hatten sich auf diese letzte Instanz vertröstet. Noch immer lagen Schiffe, die er ausdrücklich zu diesem Zweck hatte ausrüsten lassen, im Hafen vor Vließingen bereit, ihm auf den ersten Wink entgegenzusegeln; und bloß allein, weil er in ihren Mauern residieren sollte, hatte sich die Stadt Brüssel zu einer spanischen Besatzung verstanden. Aber auch diese Hoffnung erlosch allmählich ganz, da der König diese Reise von einem Vierteljahr aufs andere hinausschob und der neue Regent sehr bald anfing, eine Vollmacht sehen zu lassen, die weniger einen Vorläufer der Majestät, als einen souveränen Minister ankündigte, der sie ganz überflüssig machte. Um die Noth der Provinzen vollkommen zu machen, mußte nun auch in der Person der Regentin ihr letzter guter Engel von ihnen scheiden.Vigl. ad Hopper. XLV. Brief.

Schon seit der Zeit nämlich, wo ihr die ausgedehnte Vollmacht des Herzogs über das Ende ihrer Herrschaft keinen Zweifel mehr übrig ließ, hatte Margaretha den Entschluß gefaßt, auch dem Namen derselben zu entsagen. Einen lachenden Erben im Besitz einer Hoheit zu sehen, die ihr durch einen neunjährigen Genuß zum Bedürfniß geworden war, einem Andern die Herrlichkeit, den Ruhm, den Schimmer, die Anbetung und alle Aufmerksamkeiten, die das gewöhnliche Gefolge der höchsten Gewalt sind, zuwandern zu sehen und verloren zu fühlen, was sie besessen zu haben nie vergessen konnte, war mehr, als eine Frauenseele zu verschmerzen im Stande ist; aber Herzog Alba war vollends nicht dazu gemacht, durch einen schonenden Gebrauch seiner neuerlangten Hoheit ihr die Trennung davon weniger fühlbar zu machen. Die allgemeine Ordnung selbst, die durch diese doppelte Herrschaft in Gefahr gerieth, schien ihr diesen Schritt aufzulegen. Viele Provinzstatthalter weigerten sich, ohne ein ausdrückliches Mandat von Hofe, Befehle vom Herzog anzunehmen und ihn als Mitregenten zu erkennen.

Der schnelle Umtausch ihrer Pole hatte bei den Höflingen nicht so gelassen, so unmerklich abgehen können, daß die Herzogin die Veränderung nicht aufs bitterste empfand. Selbst die Wenigen, die, wie z. B. der Staatsrath Viglius, standhaft bei ihr aushielten, thaten es weniger aus Anhänglichkeit an ihre Person, als aus Verdruß, sich Anfängern und Fremdlingen nachgesetzt zu sehen, und weil sie zu stolz dachten, unter dem neuen Regenten ihre Lehrjahre zu wiederholen.Vigl. ad Hopper. XXIII. XL. XLIV. u. XLV. Brief. Bei weitem der größte Theil konnte bei allen Bestrebungen, die Mitte zwischen beiden zu halten, die unterscheidende Huldigung nicht verbergen, die er der aufgehenden Sonne vor der sinkenden zollte, und der königliche Palast in Brüssel ward immer öder und stiller, je mehr sich das Gedränge im Kuilemburgischen Hause vermehrte. Aber, was die Empfindlichkeit der Herzogin zudem äußersten Grade reizte, war Hoorns und Egmonts Verhaftung, die ohne ihr Wissen, und als wäre sie gar nicht in der Welt gewesen, eigenmächtig von dem Herzog beschlossen und ausgeführt ward. Zwar bemühte sich Alba, sie sogleich nach geschehener That durch die Erklärung zu beruhigen, daß man diesen Anschlag ans keinem andern Grunde vor ihr geheim gehalten, als um bei einem so verhaßten Geschäfte ihren Namen zu schonen; aber eine Delikatesse konnte die Wunde nicht zuschließen, die ihrem Stolze geschlagen war. Um auf einmal allen ähnlichen Kränkungen zu entgehen, von denen die gegenwärtige wahrscheinlich nur ein Vorbote war, schickte sie ihren Geheimschreiber, Macchiavell, an den Hof ihres Bruders ab, ihre Entlassung von der Regentschaft dort mit allem Ernst zu betreiben. Sie wurde ihr ohne Schwierigkeit, doch mit allen Merkmalen seiner höchsten Achtung bewilligt; er setze, drückte er sich aus, seinen eigenen und der Provinzen Vortheil hintan, um seine Schwester zu verbinden. Ein Geschenk von dreißigtausend Thalern begleitete diese Bewilligung, und zwanzigtausend wurden ihr zum jährlichen Gehalte angewiesen.Der ihr aber nicht sehr gewissenhaft scheint ausbezahlt worden zu sein, wenn man anders einer Broschüre trauen darf, die noch bei ihren Lebzeiten im Druck herauskam. (Sie führt den Titel: Discours sur la Blessure de Monseigneur Prince d'Orange , 1582, ohne Druckort, und steht in der kurfürstlichen Bibliothek zu Dresden.) Sie schmachte, heißt es hier, zu Namur im Elend, so schlecht unterstützt von ihrem Sohne (dem damaligen Gouverneur der Niederlande), daß ihr Sekretär, Aldobrandin, selbst ihren dasigen Aufenthalt ein Exilium nenne. Aber, heißt es weiter, was konnte sie auch von einem Sohne Besseres erwarten, der ihr, als er sie noch sehr jung in Brüssel besuchte, hinter dem Rücken ein Schnippchen schlug? Zugleich folgte ein Diplom für den Herzog von Alba, das ihn an ihrer Statt zum Oberstatthalter der sämmtlichen Niederlande mit unumschränkter Vollmacht erklärte.Strada 206. 207. 208.  Meurs. Guil. Auriac. 40.  Thuan. 539.  Vigl. ad Hopper. XL. XLI. XLIV. Brief.

Gar gerne hätte Margaretha gesehen, daß ihr vergönnt worden wäre, ihre Statthalterschaft vor einer solennen Ständeversammlung niederzulegen: ein Wunsch, den sie dem König nicht undeutlich zu erkennen gab, aber nicht die Freude hatte, in Erfüllung gebracht zu sehen. Ueberhaupt mochte sie das Feierliche lieben, und das Beispiel des Kaisers, ihres Vaters, der in eben dieser Stadt das außerordentliche Schauspiel seiner Kronabdankung gegeben, schien unendlich viel Anlockendes für sie zu haben. Da es nun doch einmal von der höchsten Gewalt geschieden sein mußte, so war ihr wenigstens der Wunsch nicht zu verargen, diesen Schritt mit möglichstem Glanz zu thun; und da ihr außerdem nicht entging, wie sehr der allgemeine Haß gegen den Herzog sie selbst in Vortheil gesetzt hatte, so sah sie einem so schmeichelhaften, so rührenden Auftritt entgegen. So gerne hätte sie die Thränen der Niederländer um die gute Beherrscherin fließen sehen, so gerne auch die ihrigen dazu geweint, und sanfter wäre sie unter dem allgemeinen Beileid vom Throne gestiegen. So wenig sie während ihrer neunjährigen Verwaltung auch gethan, das allgemeine Wohlwollen zu verdienen, als das Glück sie noch umlächelte und die Zufriedenheit ihres Herrn alle ihre Wünsche begrenzte, so viel Werth hatte es jetzt für sie erlangt, da es das Einzige war, was ihr für den Fehlschlag ihrer übrigen Hoffnungen einigen Ersatz geben konnte, und gerne hätte sie sich überredet, daß sie ein freiwilliges Opfer ihres guten Herzens und ihrer zu menschlichen Gesinnung für die Niederländer geworden sei. Da der Monarch weit davon entfernt war, eine Zusammenrottung der Nation Gefahr zu laufen, um eine Grille seiner Schwester zu befriedigen, so mußte sie sich mit einem schriftlichen Abschiede von den Ständen begnügen, in welchem sie ihre ganze Verwaltung durchlief, alle Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen gehabt, alle Uebel, die sie durch ihre Gewandtheit verhütet, nicht ohne Ruhmredigkeit aufzählte und endlich damit schloß, daß sie ein geendigtes Werk verlasse und ihrem Nachfolger nichts als die Bestrafung der Verbrecher zu übermachen habe. Dasselbe mußte auch der König zu wiederholten Malen von ihr hören, und nichts wurde gespart, dem Ruhm vorzubeugen, den die glücklichen Erfolge des Herzogs ihm unverdienterweise erwerben möchten. Ihr eigenes Verdienst legte sie als etwas Entschiedenes, aber zugleich als eine Last, die ihre Bescheidenheit drückte, zu den Füßen des Königs nieder.Meurs. Guil. Auriac. 40.  Strada 207. 208.

Die unbefangene Nachwelt dürfte gleichwohl Bedenken tragen, dieses gefällige Urtheil ohne Einschränkung zu unterschreiben; selbst wenn die vereinigte Stimme ihrer Zeitgenossen, wenn das Zeugniß der Niederlande selbst dafür spräche, so würde einem Dritten das Recht nicht benommen sein, es noch einer genauern Prüfung zu unterwerfen. Das leicht bewegliche Gemüth des Volks ist nur allzusehr geneigt, einen Fehler weniger für eine Tugend mehr anzuschreiben und unter dem Druck eines gegenwärtigen Uebels das überstandene zu loben. Die ganze Verabscheuungskraft der Niederländer schien sich an dem spanischen Namen erschöpft zu haben; die Regentin als Urheberin eines Uebels anklagen, hieß dem König und seinen Ministern Flüche entziehen, die man ihnen lieber allein und vollständig gönnte; und Herzog Albas Regiment in den Niederlanden war der rechte Standpunkt wohl nicht, das Verdienst seiner Vorgängerin zu prüfen. Das Unternehmen war allerdings nicht leicht, den Erwartungen des Monarchen zu entsprechen, ohne gegen die Rechte des niederländischen Volks und die Pflichten der Menschlichkeit anzustoßen; aber im Kampfe mit diesen zwei widersprechenden Pflichten hat Margaretha keine von beiden erfüllt und der Nation augenscheinlich zu viel geschadet, um dem König so wenig zu nützen. Wahr ist's, sie unterdrückte endlich den protestantischen Anhang, aber der zufällige Ausbruch der Bilderstürmerei that ihr dabei größere Dienste, als ihre ganze Politik. Durch ihre Feinheit trennte sie zwar den Bund des Adels, aber erst nachdem durch seine innere Zwietracht der tödtliche Streich schon an seiner Wurzel geschehen war. Woran sie viele Jahre ihre ganze Staatskunst fruchtlos erschöpft hatte, brachte eine einzige Truppenwerbung zu Stande, die ihr von Madrid aus befohlen wurde. Sie übergab dem Herzog ein beruhigtes Land; aber nicht zu leugnen ist es, daß die Furcht vor seiner Ankunft das Beste dabei gethan hatte. Durch ihre Berichte führte sie das Conseil in Spanien irre, weil sie ihm niemals die Krankheit, nur die Zufälle, nie den Geist und die Sprache der Nation, nur die Unarten der Parteien bekannt machte; ihre fehlerhafte Verwaltung riß das Volk zu Verbrechen hin, weil sie erbitterte, ohne genugsam zu schrecken; sie führte den verderblichen Herzog von Alba über das Land herbei, weil sie den König auf den Glauben gebracht hatte, daß die Unruhen in den Provinzen weniger der Härte seiner Verordnungen, als der Unzuverlässigkeit des Werkzeugs, dem er die Vollstreckung derselben anvertraut hatte, beizumessen seien. Margaretha besaß Geschicklichkeit und Geist, eine gelernte Staatskunst auf einen regelmäßigen Fall mit Feinheit anzuwenden, aber ihr fehlte der schöpferische Sinn, für einen neuen und außerordentlichen Fall eine neue Maxime zu erfinden, oder eine alte mit Weisheit zu übertreten. In einem Lande, wo die feinste Staatskunst Redlichkeit war, hatte sie den unglücklichen Einfall, ihre hinterlistige italienische Politik zu üben, und säete dadurch ein verderbliches Mißtrauen in die Gemüther. Die Nachgiebigkeit, die man ihr so freigebig zum Verdienste anrechnet, hatte der herzhafte Widerstand der Nation ihrer Schwäche und Zaghaftigkeit abgepreßt; nie hat sie sich aus selbstgebornem Entschlusse über den Buchstaben der königlichen Befehle erhoben, nie den barbarischen Sinn ihres Auftrags aus eigener schöner Menschlichkeit mißverstanden. Selbst die wenigen Bewilligungen, wozu die Noth sie zwang, gab sie mit unsicherer zurückgezogener Hand, als hätte sie gefürchtet, zu viel zu geben, und sie verlor die Frucht ihrer Wohlthaten, weil sie mit filziger Genauigkeit daran stümmelte. Was sie zu wenig war in ihrem ganzen übrigen Leben, war sie zu viel auf dem Throne – eine Frau. Es stand bei ihr, nach Granvellas Vertreibung die Wohlthäterin des niederländischen Volks zu werden, und sie ist es nicht geworden. Ihr höchstes Gut war das Wohlgefallen ihres Königs, ihr höchstes Unglück seine Mißbilligung; bei allen Vorzügen ihres Geistes bleibt sie ein gemeines Geschöpf, weil ihrem Herzen der Adel fehlte. Mit vieler Mäßigung übte sie eine traurige Gewalt und befleckte durch keine willkürliche Grausamkeit ihre Regierung; ja, hätte es bei ihr gestanden, sie würde immer menschlich gehandelt haben. Spät nachher, als ihr Abgott, Philipp der Zweite, ihrer lange vergessen hatte, hielt das niederländische Volk ihr Gedächtniß noch in Ehren; aber sie war der Gloire bei weitem nicht werth, die ihres Nachfolgers Unmenschlichkeit um sie verbreitete. Sie verließ Brüssel gegen Ende des Christmonats 1567 und wurde von dem Herzog bis an die Grenze Brabants geleitet, der sie hier unter dem Schutz des Grafen von Mansfeld verließ, um desto schneller nach der Hauptstadt zurückzukehren und sich dem niederländischen Volke nunmehr als alleinigen Regenten zu zeigen.


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