Friedrich Schiller
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande
Friedrich Schiller

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Albas Rüstung und Zug nach den Niederlanden.

Aber im Conseil zu Madrid war es anders beschlossen. Der Minister Granvella, welcher auch abwesend durch seine Anhänger im spanischen Ministerium herrschte, der Cardinal Großinquisitor Spinosa und der Herzog von Alba, jeder von seinem Haß, seinem Verfolgungsgeist oder seinem Privatvortheil geleitet, hatten die gelindern Rathschläge des Prinzen Ruy Gomes von Eboli, des Grafen von Feria und des königlichen Beichtvaters Fresneda überstimmt.Strada 193 sq. Der Tumult sei für jetzt zwar gestillt, behaupteten sie, aber nur, weil das Gerücht von der gewaffneten Ankunft des Königs die Rebellen in Schrecken gesetzt habe; der Furcht allein, nicht der Reue danke man diese Ruhe, um die es bald wieder geschehen sein würde, wenn man sie von jener befreite. Da die Vergehungen des niederländischen Volks dem König eine so schöne und erwünschte Gelegenheit darboten, seine despotischen Absichten mit einem Scheine von Recht auszuführen, so war diese ruhige Beilegung, woraus die Regentin sich ein Verdienst machte, von seinem eigentlich Zweck sehr weit entlegen, der kein anderer war, als den Provinzen unter einem gesetzmäßigen Vorwande Freiheiten zu entreißen, die seinem herrschsüchtigen Geiste schon längst ein Anstoß gewesen waren.

Bis jetzt hatte er den allgemeinen Wahn, daß er die Provinzen in Person besuchen würde, mit der undurchdringlichsten Verstellung unterhalten, so entfernt er vielleicht immer davon gewesen war. Reisen überhaupt schienen sich mit dem maschinenmäßigen Takt seines geordneten Lebens, mit der Beschränkung und dem stillen Gang seines Geistes nicht wohl vertragen zu können, der von der Mannigfaltigkeit und Neuheit der Erscheinungen, die von außen her auf ihn eindrangen, allzu leicht auf eine unangenehme Art zerstreut und darniedergedrückt war. Die Schwierigkeiten und Gefahren, womit besonders diese Reise begleitet war, mußten also seine natürliche Verzagtheit und Weichlichkeit um so mehr abschrecken, je weniger er, der nur gewohnt war, aus sich herauszuwirken und die Menschen seinen Maximen, nicht seine Maximen den Menschen anzupassen, den Nutzen und die Nothwendigkeit davon einsehen konnte. Da es ihm überdies unmöglich war, seine Person auch nur einen Augenblick von seiner königlichen Würde zu trennen, die kein Fürst der Welt so knechtisch und pedantisch hütete, wie er, so waren die Weitläufigkeiten, die er in Gedanken unumgänglich mit einer solchen Reise verband, und der Aufwand, den sie aus eben diesem Grunde verursachen mußte, schon für sich allein hinreichend, ihn davon zurückzuschrecken, daß man gar nicht nöthig hat, den Einfluß seines Günstlings Ruy Gomes, der es gern gesehen haben soll, seinen Nebenbuhler, den Herzog von Alba, von der Person des Königs zu entfernen, dabei zu Hülfe zu rufen. Aber so wenig es ihm auch mit dieser Reise ein Ernst war, so nothwendig fand er es doch, den Schrecken derselben wirken zu lassen, um eine gefährliche Vereinigung der unruhigen Köpfe zu verhindern, um den Muth der Treugesinnten aufrecht zu erhalten und die fernern Fortschritte der Rebellen zu hemmen.

Um die Verstellung aufs äußerste zu treiben, hatte er die weitläuftigsten und lautesten Anstalten zu dieser Reise getroffen und alles beobachtet, was in einem solchen Falle nur immer erforderlich war. Er hatte Schiffe auszurüsten befohlen, Offiziere angestellt und sein ganzes Gefolge bestimmt. Alle fremden Höfe wurden durch seine Gesandten von diesem Vorhaben benachrichtigt, um ihnen durch diese kriegerischen Vorkehrungen keinen Verdacht zu geben. Bei dem König von Frankreich ließ er für sich und seine Begleitung um einen freien Durchzug durch dieses Reich ansuchen und den Herzog von Savoyen um Rath fragen, welcher von beiden Wegen vorzuziehen sei. Von allen Städten und festen Plätzen, durch die ihn irgend nur sein Weg führen konnte, ließ er ein Verzeichniß aufsetzen und ihre Entfernungen von einander aufs genaueste bestimmen. Der ganze Strich Landes von Savoyen bis Burgund sollte aufgenommen und eine eigene Karte davon entworfen werden, wozu er sich von dem Herzog die nöthigen Künstler und Feldmesser ausbat. Er trieb den Betrug so weit, daß er der Regentin Befehl gab, wenigstens acht Fahrzeuge in Seeland bereit zuhalten, um sie ihm sogleich entgegenschicken zu können, wenn sie hören würde, daß er von Spanien abgesegelt sei. Und wirklich ließ sie diese Schiffe auch ausrüsten und in allen Kirchen Gebete anstellen, daß seine Seereise glücklich sein möchte, obgleich Manche sich in der Stille vermerken ließen, daß Se. Majestät in ihrem Zimmer zu Madrid von Seestürmen nicht viel zu befahren haben würden. Er spielte diese Rolle so meisterlich, daß die niederländischen Gesandten in Madrid, Bergen und Montigny, welche alles bis jetzt nur für ein Gaukelspiel gehalten, endlich selbst anfingen, darüber unruhig zu werden, und auch ihre Freunde in Brüssel mit dieser Furcht ansteckten. Ein Tertianfieber, welches ihn um diese Zeit in Segovien befiel, oder auch nur von ihm geheuchelt wurde, reichte ihm einen scheinbaren Vorwand dar, die Ausführung dieser Reise zu verschieben, während daß die Ausrüstung dazu mit allem Nachdruck betrieben ward. Als ihm endlich die dringenden und wiederholten Bestürmungen seiner Schwester eine bestimmte Erklärung abnöthigten, machte er aus, daß der Herzog von Alba mit der Armee vorangehen sollte, um die Wege von Rebellen zu reinigen und seiner eigenen königlichen Ankunft mehr Glanz zu geben. Noch durfte er es nicht wagen, den Herzog als seinen eigentlichen Stellvertreter anzukündigen, weil nicht zu hoffen war, daß der niederländische Adel eine Mäßigung, die er dem Souverän nicht versagen konnte, auch auf einen seiner Diener würde ausgedehnt haben, den die ganze Nation als einen Barbaren kannte und als einen Fremdling und Feind ihrer Verfassung verabscheute. Und in der That hielt der allgemeine und noch lange nach Albas wirklichem Eintritt fortwährende Glaube, daß der König selbst ihm bald nachkommen würde, den Ausbruch von Gewaltthätigkeiten zurück, die der Herzog bei der grausamen Eröffnung seiner Statthalterschaft gewiß würde zu erfahren gehabt haben.Strada 193. 200.  Meteren 103.

Die spanische Geistlichkeit und die Inquisition besonders steuerte dem König zu dieser niederländischen Expedition reichlich, wie zu einem heiligen Kriege, bei. Durch ganz Spanien wurde mit allem Eifer geworben. Seine Vicekönige und Statthalter von Sardinien, Sicilien, Neapel und Mailand erhielten Befehl, den Kern ihrer italienischen und spanischen Trnppen aus den Besatzungen zusammenzuziehen und nach dem gemeinschaftlichen Versammlungsplatze im genuesischen Gebiete abzusenden, wo der Herzog von Alba sie übernehmen und gegen spanische Rekruten, die er mitbrächte, einwechseln würde. Der Regentin wurde zu gleicher Zeit anbefohlen, noch einige deutsche Regimenter Fußvolk unter den Befehlen der Grafen von Eberstein, Schauenburg und Lodrona in Luxemburg, wie auch einige Geschwader leichter Reiter in der Grafschaft Burgund bereit zu halten, damit sich der spanische Feldherr sogleich bei seinem Eintritt in die Provinzen damit verstärken könnte. Dem Grafen Barlaimont wurde aufgetragen, die eintretende Armee mit Proviant zu versorgen, und der Statthalterin eine Summe von zweimalhunderttausend Goldgulden ausgezahlt, um diese neuen Unkosten sowohl als den Aufwand für ihre eigene Armee davon zu bestreiten.Meteren 104.  Burgund. 412.  Strada 106.

Als sich unterdessen der französische Hof, unter dem Vorwande einer von den Hugenotten zu fürchtenden Gefahr, den Durchzug der ganzen spanischen Armee verbeten hatte, wandte sich Philipp an die Herzoge von Savoyen und Lothringen, die in zu großer Abhängigkeit von ihm standen, um ihm dieses Gesuch abzuschlagen. Ersterer machte bloß die Bedingung, zweitausend Fußgänger und eine Schwadron Reiter auf des Königs Unkosten halten zu dürfen, um das Land vor dem Ungemach zu schützen, dem es während des Durchzugs der spanischen Armee ausgesetzt sein möchte. Zugleich übernahm er es, die Armee mit dem nöthigen Proviant zu versorgen.Strada 198. 199.

Das Gerücht von diesem Durchmarsche brachte die Hugenotten, die Genfer, die Schweizer und Graubündter in Bewegung. Der Prinz von Condé und der Admiral von Coligny lagen Karln dem Neunten an, einen so glücklichen Zeitpunkt nicht zu verabsäumen, wo es in seiner Gewalt stünde, dem Erbfeinde Frankreichs eine tödtliche Wunde zu versetzen. Mit Hilfe der Schweizer, der Genfer und seiner eigenen protestantischen Unterthanen würde es ihm etwas Leichtes sein, die Auswahl der spanischen Truppen in den engen Pässen des Alpengebirges aufzureiben, wobei sie ihn mit einer Armee von fünfzigtausend Hugenotten zu unterstützen versprachen. Dieses Anerbieten aber, dessen gefährliche Absicht nicht zu verkennen war, wurde von Karln dem Neunten unter einem anständigen Vorwand abgelehnt, und er selbst nahm es über sich, für die Sicherheit seines Reichs bei diesem Durchmarsche zu sorgen. Er brachte auch eilfertig Truppen auf, die französischen Grenzen zu decken; dasselbe thaten auch die Republiken Genf, Bern, Zürich und Graubündten, alle bereit, den fürchterlichen Feind ihrer Religion und Freiheit mit der herzhaftesten Gegenwehr zu empfangen.Strada 196.  Burgund. 497.

Am 5. Mai 1567 ging der Herzog mit dreißig Galeeren, die Andreas Doria und Herzog Cosmus von Florenz dazu hergeschafft hatten, zu Carthagena unter Segel und landete innerhalb acht Tagen in Genua, wo er die für ihn bestimmten vier Regimenter in Empfang nahm. Aber ein dreitägiges Fieber, wovon er gleich nach seiner Ankunft ergriffen wurde, nöthigte ihn, einige Tage unthätig in der Lombardei zu liegen – eine Verzögerung, welche von den benachbarten Mächten zu ihrer Vertheidigung benutzt wurde. Sobald er sich wieder hergestellt sah, hielt er bei der Stadt Asti in Montferrat eine Heerschau über alle seine Truppen, die tapferer als zahlreich waren und nicht viel über zehntausend Mann, Reiterei und Fußvolk, betrugen. Er wollte sich auf einem so langen und gefährlichen Zug nicht mit unnützem Troß beschweren, der nur seinen Marsch verzögerte und die Schwierigkeiten des Unterhalts vermehrte; diese zehntausend Veteranen sollten gleichsam nur der feste Kern einer größern Armee sein, die er nach Maßgabe der Umstände und der Zeit in den Niederlanden selbst leicht würde zusammenziehen können.

Aber so klein dieses Heer war, so auserlesen war es. Es bestand aus den Ueberresten jener siegreichen Legionen, an deren Spitze Karl der Fünfte Europa zittern gemacht hatte; mordlustige, undurchbrechliche Schaaren, in denen der alte makedonische Phalanx wieder auferstanden, rasch und gelenkig durch eine lang geübte Kunst, gegen alle Elemente gehärtet, auf das Glück ihres Führers stolz und keck durch eine lange Erfahrung von Siegen, fürchterlich durch Ungebundenheit, fürchterlicher noch durch Ordnung, mit allen Begierden des wärmeren Himmels auf ein mildes, gesegnetes Land losgelassen und unerbittlich gegen einen Feind, den die Kirche verfluchte. Dieser fanatischen Mordbegier, diesem Ruhmdurst und angestammten Muth kam eine rohe Sinnlichkeit zu Hilfe, das stärkste und zuverlässigste Band, an welchem der spanische Heerführer diese rohen Banden führte. Mit absichtlicher Indulgenz ließ er Schwelgerei und Wollust unter dem Heere einreißen. Unter seinem stillschweigenden Schutze zogen italienische Freudenmädchen hinter den Fahnen her; selbst auf dem Zuge über den Apennin, wo die Kostbarkeit des Lebensunterhalts ihn nöthigte, seine Armee auf die möglich kleinste Zahl einzuschränken, wollte er lieber einige Regimenter weniger haben, als diese Werkzeuge der Wollust dahinten lassen.Der bacchantische Aufzug dieses Heeres contrastirte seltsam genug mit dem finstern Ernst und der vorgeschützten Heiligkeit seines Zweckes. Die Anzahl dieser öffentlichen Dirnen war so übermäßig groß, daß sie notgedrungen selbst darauf verfielen, eine eigene Disciplin unter sich einzuführen Sie stellten sich unter besondre Fahnen, zogen in Reihen und Gliedern in wunderbarer soldatischer Ordnung hinter jedem Bataillon daher und sonderten sich mit strenger Etikette nach Rang und Gehalt, in Befehlshabersh***, Hauptmannsh***, reiche und arme Soldatenh***, wie ihnen das Loos gefallen war und ihre Ansprüche stiegen oder fielen.  Meteren 104. Aber so sehr er von der einen Seite die Sitten seiner Soldaten aufzulösen beflissen war, so sehr preßte er sie von der andern durch eine übertriebene Mannszucht wieder zusammen, wovon nur der Sieg eine Ausnahme machte und die Schlacht eine Erleichterung war. Hierin brachte er den Ausspruch des atheniensischen Feldherrn Iphikrates in Ausübung, der dem wollüstigen, gierigen Soldaten den Vorzug der Tapferkeit zugestand. Je schmerzhafter die Begierden unter dem langen Zwang zusammengehalten worden, desto wüthender mußten sie durch die einzige Pforte brechen, die ihnen offen gelassen ward.

Das ganze Fußvolk, ungefähr neuntausend Köpfe stark und größtentheils Spanier, vertheilte der Herzog in vier Brigaden, denen er vier Spanier als Befehlshaber vorsetzte. Alphons von Ulloa führte die neapolitanische Brigade, die unter neunzehn Fahnen dreitausend zweihundert dreißig Mann ausmachte; Sancho von Lodoño die mailändische, zweitausend zweihundert Mann unter zehn Fahnen; die sicilianische Brigade zu eben so viel Fahnen und eintausend sechshundert Mann commandierte Julian Romero, ein erfahrner Kriegsmann, der schon ehedem auf niederländischem Boden gefochten,Derselbe, unter dessen Befehlen eines von den spanischen Regimentern gestanden, worüber sieben Jahre vorher von den Generalstaaten so viel Streit erhoben worden. und Gonsalo von Bracamonte die sardinische, die durch drei Fahnen neu mitgebrachter Rekruten mit der vorigen gleichzählig gemacht wurde. Jeder Fahne wurden noch außerdem fünfzehn spanische Musketiers zugegeben. Die Reiterei, nicht über zwölfhundert Pferde stark, bestand aus drei italienischen, zwei albanischen und sieben spanischen leichten und schwergeharnischten Geschwadern, worüber die beiden Söhne des Herzogs, Ferdinand und Friedrich von Toledo, den Oberbefehl führten. Feldmarschall war Chiappin Vitelli, Marquis von Cetona, ein berühmter Officier, mit welchem Cosmus von Florenz den König von Spanien beschenkt hatte, und Gabriel Serbellon General des Geschützes. Von dem Herzoge von Savoyen wurde ihm ein erfahrner Kriegsbaumeister, Franz Paciotto, aus Urbino überlassen, der ihm in den Niederlanden bei Erbauung neuer Festungen nützlich werden sollte. Seinen Fahnen folgte noch eine große Anzahl Freiwilliger und die Auswahl des spanischen Adels, wovon der größte Theil unter Karl dem Fünften in Deutschland, Italien und vor Tunis gefochten; Christoph Mondragone, einer der zehen spanischen Helden, die unweit Mühlberg, den Degen zwischen den Zähnen, über die Elbe geschwommen und unter feindlichem Kugelregen von dem entgegengesetzten Ufer die Kähne herübergezogen, aus denen der Kaiser nachher eine Schiffbrücke schlug; Sancho von Avila, den Alba selbst zum Soldaten erzogen, Camillo von Monte, Franz Ferdugo, Karl Davila, Nicolaus Basta und Graf Martinengo – alle von edlem Feuer begeistert, unter einem so trefflichen Führer ihre kriegerische Laufbahn zu eröffnen, oder einen bereits erfochtenen Ruhm durch diesen glorreichen Feldzug zu krönen.Strada 200. 201.  Burgund. 393.  Meteren 104.

Nach geschehener Musterung rückte die Armee, in drei Haufen vertheilt, über den Berg Cenis, desselben Weges, den achtzehn Jahrhunderte vorher Hannibal soll gegangen sein. Der Herzog selbst führte den Vortrab, Ferdinand von Toledo, dem er den Obersten Lodoño an die Seite gab, das Mittel, und den Nachtrab der Marquis von Cetona. Voran schickte er den Proviantmeister Franz von Ibarra, nebst dem General Serbellon, der Armee Bahn zu machen und den Mundvorrath in den Standquartieren bereit zu halten. Wo der Vortrab des Morgens aufbrach, rückte Abends das Mittel ein, welches am folgenden Tage dem Nachtrabe wieder Platz machte. So durchwanderte das Kriegsheer in mäßigen Tagereisen die savoyischen Alpen, und mit dem vierzehnten Marsch war dieser gefährliche Durchgang vollendet. Eine beobachtende französische Armee begleitete es seitwärts längs der Grenze von Dauphiné und dem Laufe der Rhone und zur Rechten die alliirte Armee der Genfer, an denen es in einer Nähe von sieben Meilen vorbeikam; beide Heere ganz unthätig und nur darauf bedacht, ihre Grenze zu decken. Wie es auf den steilen abschüssigen Felsen bergauf und bergunter klimmte, über die reißende Isère setzte, oder sich Mann für Mann durch enge Felsenbrüche wand, hätte eine Handvoll Menschen hingereicht, seinen ganzen Marsch aufzuhalten und es rückwärts ins Gebirge zu treiben. Hier aber war es ohne Rettung verloren, weil auf jeglichem Lagerplatz immer nur auf einen einzigen Tag und für ein einziges Drittheil Proviant bestellt war. Aber eine unnatürliche Ehrfurcht und Furcht vor dem spanischen Namen schien die Augen der Feinde gebunden zu haben, daß sie ihren Vortheil nicht wahrnahmen, oder es wenigstens nicht wagten, ihn zu benutzen. Um sie ja nicht daran zu erinnern, eilte der spanische Feldherr, sich mit möglichster Stille durch diesen gefährlichen Paß zu stehlen, überzeugt, daß es um ihn geschehen sein würde, sobald er beleidigte; während des ganzen Marsches wurde die strengste Mannszucht beobachtet, nicht eine einzige Bauernhütte, nicht ein einziger Acker litt Gewalt;Einmal nur wagten es drei Reiter, am Eingang von Lothringen, einige Hämmel aus einer Heerde wegzutreiben, wovon der Herzog nicht sobald Nachricht bekam, als er dem Eigenthümer das Geraubte wieder zurückschickte und die Thäter zum Strange verurtheilte. Dieses Urtheil wurde auf die Fürbitte des lothringischen Generals, der ihn an der Grenze zu begrüßen gekommen war, nur an einem von den Dreien vollzogen, den das Loos aus der Trommel traf.  Strada 202. und nie ist vielleicht seit Menschengedenken eine so zahlreiche Armee einen so weiten Weg in so trefflicher Ordnung geführt worden. Ein schrecklicher Glücksstern leitete dieses zum Mord gesandte Heer wohlbehalten durch alle Gefahren, und schwer dürfte es zu bestimmen sein, ob die Klugheit seines Führers, oder die Verblendung seiner Feinde mehr unsere Verwunderung verdienen.Burgund. 496. 497.  Strada l. c.

In der Franche Comté stießen vier neugeworbene Geschwader burgundischer Reiter zu der Hauptarmee und drei deutsche Regimenter Fußvolk in Luxemburg, welche die Grafen von Eberstein, Schauenburg und Lodrona dem Herzoge zuführten. Aus Thionville, wo er einige Tage rastete, ließ er die Oberstatthalterin durch Franz von Ibarra begrüßen, dem zugleich aufgetragen war, wegen Einquartierung der Truppen Abrede mit ihr zu nehmen. Von ihrer Seite erschienen Noircarmes und Barlaimont im spanischen Lager, dem Herzog zu seiner Ankunft Glück zu wünschen und ihm die gewöhnlichen Ehrenbezeugungen zu erweisen. Zugleich mußten sie ihm die königliche Vollmacht abfordern, die er ihnen aber nur zum Theil vorzeigte. Ihnen folgten ganze Schaaren aus dem flämischen Adel, die nicht genug eilen zu können glaubten, die Gunst des neuen Statthalters zu gewinnen, oder eine Rache, die gegen sie im Anzuge war, durch eine zeitige Unterwerfung zu versöhnen. Als unter diesen auch der Graf von Egmont herannahte, zeigte ihn Herzog Alba den Umstehenden. » Es kommt ein großer Ketzer,« rief er laut genug, daß Egmont es hörte, der bei diesen Worten betreten stille stand und die Farbe veränderte. Als aber der Herzog, seine Unbesonnenheit zu verbessern, mit erheitertem Gesicht auf ihn zuging und ihn mit einer Umarmung freundlich begrüßte, schämte sich der Flamänder seiner Furcht und spottete dieses warnenden Winks durch eine leichtsinnige Deutung. Er besiegelte diese neue Freundschaft mit einem Geschenk von zwei trefflichen Pferden, das mit herablassender Grandezza empfangen ward.Meteren 105.  Meurs. 37.  Strada 202.  Watson. Tom. II. p. 9.

Auf die Versicherung der Regentin, daß die Provinzen einer vollkommenen Ruhe genössen und von keiner Seite Widersetzung zu fürchten sei, ließ der Herzog einige deutsche Regimenter, die bis jetzt Wartgeld gezogen, auseinander gehen. Dreitausend sechshundert Mann wurden unter Lodronas Befehlen in Antwerpen einquartiert, woraus die wallonische Garnison, der man nicht recht traute, sogleich abziehen mußte; eine verhältnißmäßig starke Besatzung warf man in Gent und in andere wichtige Plätze. Alba selbst rückte mit der mailändischen Brigade nach Brüssel vor, wohin ihn ein glänzendes Gefolge vom ersten Adel des Landes begleitete.Strada 203.

Hier, wie in allen übrigen Städten der Niederlande, waren ihm Angst und Schrecken vorangeeilt, und wer sich nur irgend einer Schuld bewußt war, oder wer sich auch keiner bewußt war, sah diesem Einzug mit einer Bangigkeit wie dem Anbruch eines Gerichtstags entgegen. Wer nur irgend von Familie, Gütern und Vaterland sich losreißen konnte, floh oder war geflohen. Die Annäherung der spanischen Armee hatte die Provinzen, nach der Oberstatthalterin eigenem Bericht, schon um hunderttausend Bürger entvölkert, und diese allgemeine Flucht dauerte noch unausgesetzt fort.Strada l. c. Aber die Ankunft des spanischen Generals konnte den Niederländern nicht verhaßter sein, als sie der Regentin kränkend und niederschlagend war. Endlich, nach vielen sorgenvollen Jahren, hatte sie angefangen, die Süßigkeit der Ruhe und einer unbestrittenen Herrschaft zu kosten, die das ersehnte Ziel ihrer achtjährigen Verwaltung gewesen und bisher immer ein eitler Wunsch geblieben war. Diese Frucht ihres ängstlichen Fleißes, ihrer Sorgen und Nachtwachen sollte ihr jetzt durch einen Fremdling entrissen werden, der, auf einmal in den Besitz aller Vortheile gesetzt, die sie den Umständen nur mit langsamer Kunst abgewinnen konnte, den Preis der Schnelligkeit leicht über sie davon tragen und mit rascheren Erfolgen über ihr gründliches, aber weniger schimmerndes Verdienst triumphieren würde. Seit dem Abzuge des Ministers Granvella hatte sie den ganzen Reiz der Unabhängigkeit gekostet, und die schmeichlerische Huldigung des Adels, der ihr den Schein der Herrschaft desto mehr zu genießen gab, je mehr er ihr von dem Wesen derselben entzog, hatte ihre Eitelkeit allmählich zu einem solchen Grade verwöhnt, daß sie endlich auch ihren redlichsten Diener, den Staatsrath Viglius, der nichts als Wahrheit für sie hatte, durch Kälte von sich entfremdete. Jetzt sollte ihr auf einmal ein Aufseher ihrer Handlungen, ein Theilhaber ihrer Gewalt an die Seite gesetzt, wo nicht gar ein Herr aufgedrungen werden, von dessen stolzem, störrigem und gebieterischem Geist, den keine Hofsprache milderte, ihrer Eigenliebe die tödlichsten Kränkungen bevorstanden. Vergebens hatte sie, um seine Ankunft zu hintertreiben, alle Gründe der Staatskunst aufgeboten, dem Könige vorstellen lassen und vorgestellt, daß der gänzliche Ruin des niederländischen Handels die unausbleibliche Folge dieser spanischen Einquartierung sein würde; vergebens hatte sie sich auf den bereits wiederhergestellten Frieden des Landes und auf ihre eigenen Verdienste um diesen Frieden berufen, die sie zu einem bessern Danke berechtigten, als die Früchte ihrer Bemühungen einem fremden Ankömmling abzutreten und alles von ihr gestiftete Gute durch ein entgegengesetztes Verfahren wieder vernichtet zu sehen. Selbst nachdem der Herzog schon den Berg Cenis herüber war, hatte sie noch einen Versuch gemacht, ihn wenigstens zu einer Verminderung seines Heers zu bewegen, aber auch diesen fruchtlos, wie alle vorigen, weil sich der Herzog auf seinen Auftrag stützte. Mit dem empfindlichsten Verdrusse sah sie jetzt seiner Annäherung entgegen, und Thränen gekränkter Eigenliebe mischten sich unter die, welche sie dem Vaterlande weinte.Meteren 104.  Burgund. 407.  Strada 200.  Vigl. ad Hopper. IV. V. XXX. Brief.

Der 22. August 1567 war der Tag, an welchem der Herzog Alba an den Thoren von Brüssel erschien. Sein Heer wurde sogleich in den Vorstädten in Besatzung gelegt, und er selbst ließ sein erstes Geschäft sein, gegen die Schwester seines Königs die Pflicht der Ehrerbietung zu beobachten. Sie empfing ihn als eine Kranke, entweder weil die erlittene Kränkung sie wirklich so sehr angegriffen hatte, oder wahrscheinlicher, weil sie dieses Mittel erwählte, seinem Hochmuth weh zu thun und seinen Triumph in etwas zu schmälern. Er übergab ihr Briefe vom Könige, die er aus Spanien für sie mitgebracht, und legte ihr eine Abschrift seiner eigenen Bestallung vor, worin ihm der Oberbefehl über die ganze niederländische Kriegsmacht übergeben war, der Regentin also, wie es schien, die Verwaltung der bürgerlichen Dinge, nach wie vor, anheimgestellt blieb. Sobald er sich aber mit ihr allein sah, brachte er eine neue Commission zum Vorschein, die von der vorhergehenden ganz verschieden lautete. Zufolge dieser neuen Commission war ihm Macht verliehen, nach eigenem Gutdünken Krieg zu führen, Festungen zu bauen, die Statthalter der Provinzen, die Befehlshaber der Städte und die übrigen königlichen Beamten nach Gefallen zu ernennen und abzusetzen, über die vergangenen Unruhen Nachforschung zu thun, ihre Urheber zu bestrafen und die Treugebliebenen zu belohnen. Eine Vollmacht von diesem Umfange, die ihn beinahe einem Souverän gleich machte und diejenige weit übertraf, womit sie selbst versehen worden war, bestürzte die Regentin aufs äußerste, und es ward ihr schwer, ihre Empfindlichkeit zu verbergen. Sie fragte den Herzog, ob er nicht vielleicht noch eine dritte Commission oder besondere Befehle im Rückhalte hätte, die noch weiter gingen und bestimmter abgefaßt wären, welches er nicht undeutlich bejahte, aber dabei zu erkennen gab, daß es für heute zu weitläuftig sein dürfte und nach Zeit und Gelegenheit besser würde geschehen können. Gleich in den ersten Tagen seiner Ankunft ließ er den Rathsversammlungen und Ständen eine Copie jener ersten Instruktion vorlegen und beförderte sie zum Druck, um sie schneller in Jedermanns Hände zu bringen. Weil die Statthalterin den Palast inne hatte, bezog er einstweilen das Kuilemburgische Haus, dasselbe, worin die Geusenverbrüderung ihren Namen empfangen hatte, und vor welchem jetzt durch einen wunderbaren Wechsel der Dinge die spanische Tyrannei ihre Zeichen aufpflanzte.Strada 203.  Meteren 105.  Meurs. Guil. Auriac. L. IV. 38.

Eine todte Stille herrschte jetzt in Brüssel, die nur zuweilen das ungewohnte Geräusch der Waffen unterbrach. Der Herzog war wenige Stunden in der Stadt, als sich seine Begleiter, gleich losgelassenen Spürhunden, nach allen Gegenden zerstreuten. Ueberall fremde Gesichter, menschenleere Straßen, alle Häuser verriegelt, alle Spiele eingestellt, alle öffentlichen Plätze verlassen, die ganze Residenz wie eine Landschaft, welche die Pest hinter sich liegen ließ. Ohne, wie sonst, gesprächig beisammen zu verweilen, eilten Bekannte an Bekannten vorüber; man förderte seine Schritte, sobald ein Spanier in den Straßen erschien. Jedes Geräusch jagte Schrecken ein, als pochte schon ein Gerichtsdiener an der Pforte; der Adel hielt sich bang erwartend in seinen Häusern; man vermied, sich öffentlich zu zeigen, um dem Gedächtniß des neuen Statthalters nicht zu Hilfe zu kommen. Beide Nationen schienen ihren Charakter umgetauscht zu haben, der Spanier war jetzt der Redselige und der Brabanter der Stumme; Mißtrauen und Furcht hatten den Geist des Muthwillens und der Fröhlichkeit verscheucht, eine gezwungene Gravität sogar das Mienenspiel gebunden. Jede nächste Minute fürchtete man den niederfallenden Streich. Seitdem die Stadt den spanischen Heerführer in ihren Mauern hatte, erging es ihr wie Einem, der einen Giftbecher ausgeleert und mit bebender Angst jetzt und jetzt die tödtliche Wirkung erwartet.

Diese allgemeine Spannung der Gemüther ließ den Herzog zur Vollstreckung seiner Anschläge eilen, ehe man ihnen durch eine zeitige Flucht zuvorkäme. Sein Erstes mußte sein, sich der verdächtigsten Großen zu versichern, um der Faktion für ein und allemal ihre Häupter und dem Volke, dessen Freiheit unterdrückt werden sollte, seine Stützen zu entreißen. Durch eine verstellte Freundlichkeit war es ihm gelungen, ihre erste Furcht einzuschläfern und den Grafen von Egmont besonders in seine ganze vorige Sicherheit zurückzuwerfen, wobei er sich auf eine geschickte Art seiner Söhne, Ferdinand und Friedrich Toledo, bediente, deren Geselligkeit und Jugend sich leichter mit dem flämischen Charakter vermischten. Durch dieses kluge Betragen erlangte er, daß auch der Graf von Hoorn, der es bis jetzt für rathsamer gehalten, den ersten Begrüßungen von weitem zuzusehen, von dem guten Glücke seines Freundes verführt, nach Brüssel gelockt wurde. Einige aus dem Adel, an deren Spitze Graf Egmont sich befand, fingen sogar an, zu ihrer vorigen lustigen Lebensart zurückzukehren, doch nur mit halbem Herzen und ohne viele Nachahmer zu finden. Das Kuilemburgische Haus war unaufhörlich von einer zahlreichen Welt belagert, die sich dort um die Person des neuen Statthalters herumdrängte und auf einem Gesichte, das Furcht und Unruhe spannten, eine geborgte Munterkeit schimmern ließ; Egmont besonders gab sich das Ansehen, mit leichtem Muthe in diesem Hause aus- und einzugehen, bewirthete die Söhne des Herzogs und ließ sich wieder von ihnen bewirthen. Mittlerweile überlegte der Herzog, daß eine so schöne Gelegenheit zu Vollstreckung seines Anschlags nicht zum zweiten Male wiederkommen dürfte und eine einzige Unvorsichtigkeit genug sei, diese Sicherheit zu zerstören, die ihm beide Schlachtopfer von selbst in die Hände lieferte; doch sollte auch noch Hoogstraaten, als der dritte Mann, in derselben Schlinge gefangen werden, den er deßwegen unter einem scheinbaren Vorwande von Geschäften nach der Hauptstadt rief. Zu der nämlichen Zeit, wo er selbst sich in Brüssel der drei Grafen versichern wollte, sollte der Oberste von Lodrona in Antwerpen den Bürgermeister Strahlen, einen genauen Freund des Prinzen von Oranien und der im Verdacht war, die Calvinisten begünstigt zu haben, ein anderer den geheimen Sekretär und Edelmann des Grafen von Egmont, Johann Casembrot von Beckerzeel, zugleich mit einigen Schreibern des Grafen von Hoorn in Verhaft nehmen und sich ihrer Papiere bemächtigen.

Als der Tag erschienen, der zur Ausführung dieses Anschlags bestimmt war, ließ er alle Staatsräthe und Ritter, als ob er sich über die Staatsangelegenheiten mit ihnen besprechen müßte, zu sich entbieten, bei welcher Gelegenheit von Seiten der Niederländer der Herzog von Arschot, die Grafen von Mansfeld, der von Barlaimont, von Aremberg und von spanischer Seite, außer den Söhnen des Herzogs, Vitelli, Serbellon und Ibarra zugegen waren. Dem jungen Grafen von Mansfeld, der gleichfalls bei dieser Versammlung erschien, winkte sein Vater, daß er sich eiligst wieder unsichtbar machte und durch eine schnelle Flucht dem Verderben entging, das über ihn, als einen ehemaligen Theilhaber des Geusenbundes, verhängt war. Der Herzog suchte die Beratschlagung mit Fleiß in die Länge zu ziehen, um die Couriere aus Antwerpen zuvor abzuwarten, die ihm von der Verhaftnehmung der Uebrigen Nachricht bringen sollten. Um dieses mit desto weniger Verdacht zu thun, mußte der Kriegsbaumeister Paciotto bei der Beratschlagung mit zugegen sein und ihm die Risse zu einigen Festungen vorlegen. Endlich ward ihm hinterbracht, daß Lodronas Anschlag glücklich von Statten gegangen sei, worauf er die Unterredung mit guter Art abbrach und die Staatsräthe von sich ließ. Und nun wollte sich Graf Egmont nach den Zimmern Don Ferdinands begeben, um ein angefangenes Spiel mit ihm fortzusetzen, als ihm der Hauptmann von der Leibwache des Herzogs, Sancho von Avila, in den Weg trat und im Namen des Königs den Degen abforderte. Zugleich sah er sich von einer Schaar spanischer Soldaten umringt, die der Abrede gemäß plötzlich aus dem Hintergrunde hervortraten. Dieser höchst unerwartete Streich griff ihn so heftig an, daß er auf einige Augenblicke Sprache und Besinnung verlor; doch faßte er sich bald wieder und nahm seinen Degen mit gelaßnem Anstand von der Seite. »Dieser Stahl,« sagte er, indem er ihn in des Spaniers Hände gab, »hat die Sache des Königs schon einigemal nicht ohne Glück vertheidigt.« Zur nämlichen Zeit bemächtigte sich ein anderer spanischer Officier des Grafen von Hoorn, der ohne alle Ahnung der Gefahr so eben nach Hause kehren wollte. Hoorns erste Frage war nach Graf Egmont. Als man ihm antwortete, daß seinem Freunde in eben dem Augenblicke dasselbe begegne, ergab er sich ohne Widerstand. »Von ihm habe ich mich leiten lassen!« rief er aus, »es ist billig, daß ich ein Schicksal mit ihm theile.« Beide Grafen wurden in verschiedenen Zimmern in Verwahrung gebracht. Indem dieses innen vorging, war die ganze Garnison ausgerückt und stand vor dem Kuilemburgischen Haus unter dem Gewehre. Niemand wußte, was drinnen vorgegangen war; ein geheimnißvolles Schrecken durchlief ganz Brüssel, bis endlich das Gerücht diese unglückliche Begebenheit verbreitete. Sie ergriff alle Einwohner, als ob sie jedem unter ihnen selbst widerfahren wäre; bei vielen überwog der Unwille über Egmonts Verblendung das Mitleid mit seinem Schicksal; alle frohlockten, daß Oranien entronnen sei. Auch soll die erste Frage des Cardinals Granvella, als man ihm in Rom diese Botschaft brachte, gewesen sein, ob man den Schweigenden auch habe. Da man ihm dieses verneinte, schüttelte er den Kopf: »Man hat also gar nichts,« sagte er, »weil man den Schweigenden entwischen ließ.« Besser meinte es das Schicksal mit dem Grafen von Hoogstraaten, den das Gerücht dieses Vorfalls unterwegs nach Brüssel noch erreichte, weil er krankheitshalber war genöthigt worden, langsamer zu reisen. Er kehrte eilends um und entrann glücklich dem Verderben.Meteren 108.  Strada 204. 205.  Meurs. Guil. Auriac. 39.  A. G. d. v. N. III. Bd. 112.

Gleich nach seiner Gefangennehmung wurde dem Grafen von Egmont ein Handschreiben an den Befehlshaber der Citadelle von Gent abgedrungen, worin er diesem anbefehlen mußte, dem spanischen Obristen Alphons von Ulloa die Festung zu übergeben. Beide Grafen wurden alsdann, nachdem sie einige Wochen lang in Brüssel, jeder an einem besondern Orte, gefangen gesessen, unter einer Bedeckung von dreitausend spanischen Soldaten nach Gent abgeführt, wo sie weit in das folgende Jahr hinein in Verwahrung blieben. Zugleich hatte man sich aller ihrer Briefschaften bemächtigt. Viele aus dem ersten Adel, die sich von der verstellten Freundlichkeit des Herzogs von Alba hatten bethören lassen, zu bleiben, erlitten das nämliche Schicksal; und an Denjenigen, welche bereits vor des Herzogs Ankunft mit den Waffen in der Hand gefangen worden, wurde nunmehr ohne längern Aufschub das letzte Urtheil vollzogen. Auf das Gerücht von Egmonts Verhaftung ergriffen abermals gegen zwanzigtausend Einwohner den Wanderstab, außer den hunderttausend, die sich bereits in Sicherheit gebracht und die Ankunft des spanischen Feldherrn nicht hatten erwarten wollen. Niemand schätzte sich mehr sicher, nachdem sogar auf ein so edles Leben ein Angriff geschehen war;Ein großer Theil dieser Flüchtlinge half die Armee der Hugenotten verstärken, die von dem Durchzug der spanischen Armee durch Lothringen einen Vorwand genommen hatten, ihre Macht zusammenzuziehen, und Karln den Neunten jetzt aufs äußerste bedrängten. Aus diesem Grunde glaubte der französische Hof ein Recht zu haben, bei der Regentin der Niederlande auf Subsidien zu dringen. Die Hugenotten, führte er an, hätten den Marsch der spanischen Armee als eine Folge der Verabredung angesehen, die zwischen beiden Höfen in Bayonne gegen sie geschlossen worden sei, und wären dadurch aus ihrem Schlummer geweckt worden. Von Rechtswegen komme es also dem spanischen Hofe zu, den französischen Monarchen aus einer Bedrängnis ziehen zu helfen, in welche dieser nur durch den Marsch der Spanier geraten sei. Alba ließ auch wirklich den Grafen von Aremberg mit einem ansehnlichen Heere zu der Armee der Königin Mutter in Frankreich stoßen und erbot sich sogar, es in eigner Person zu befehligen, welches Letztere man sich aber verbat.  Strada 206.  Thuan. 541. aber Viele fanden Ursache, es zu bereuen, daß sie diesen heilsamen Entschluß so weit hinausgeschoben hatten; denn mit jedem Tage wurde ihnen die Flucht schwerer gemacht, weil der Herzog alle Häfen sperren ließ und auf die Wanderung Todesstrafe setzte. Jetzt pries man die Bettler glücklich, welche Vaterland und Güter in Stich gelassen, um nichts als Athem und Freiheit zu retten.Meurs. Guil. Auriac. 40.  Thuan. 539.  Meteren 108.  A. G. d. v. N. 113.


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