Friedrich Schiller
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande
Friedrich Schiller

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(1561, 1562.) Indessen wurden bei der Menge der neuen Arbeiter die Glaubensuntersuchungen mit neuer Thätigkeit fortgesetzt und den Edikten gegen die Ketzer ein fürchterlicher Gehorsam geleistet. Aber dieses abscheuliche Heilmittel hatte den Zeitpunkt überlebt, wo es anzuwenden sein mochte; für eine so rohe Behandlung war die Nation schon zu edel. Die neue Religion konnte jetzt nicht mehr anders als durch den Tod aller ihrer Bekenner vertilgt werden. Alle diese Hinrichtungen waren jetzt eben so viele verführerische Ausstellungen ihrer Vortrefflichkeit, so viele Schauplätze ihres Triumphs und ihrer strahlenden Tugend. Die Heldengröße, mit der sie starben, nahm für den Glauben ein, für welchen sie starben. Aus einem Ermordeten lebten zehn neue Bekenner wieder auf. Nicht in Städten oder Dörfern allein, auch auf Heerstraßen, auf Schiffen und in Wagen wurde über das Ansehen des Papsts, über die Heiligen, über das Fegfeuer, über den Ablaß gestritten, wurden Predigten gehalten und Menschen bekehrt. Vom Lande und aus Städten stürzte der Pöbel zusammen, die Gefangenen des heiligen Gerichts aus den Händen der Sbirren zu reißen, und die Obrigkeit, die ihr Ansehen mit Gewalt zu behaupten wagte, wurde mit Steinen empfangen. Er begleitete schaarenweis die protestantischen Prediger, denen die Inquisition nachstellte, trug sie auf den Schultern zur Kirche und aus der Kirche und versteckte sie mit Lebensgefahr vor ihren Verfolgern. Die erste Provinz, welche von dem Schwindel des Aufruhrs ergriffen wurde, war, wie man gefürchtet hatte, das wallonische Flandern. Ein französischer Calvinist, Namens Launoi, stand in Tournay als Wunderthäter auf, wo er einige Weiber bezahlte, daß sie Krankheiten vorgeben und sich von ihm heilen lassen sollten. Er predigte in den Wäldern bei der Stadt, zog den Pöbel schaarenweis mit sich dahin und warf den Zunder der Empörung in die Gemüther. Das Nämliche geschah in Lille und Valenciennes, in welcher letztern Stadt sich die Obrigkeit der Apostel bemächtigte. Indessen man aber mit ihrer Hinrichtung zauderte, wuchs ihre Partei zu einer so furchtbaren Anzahl, daß sie stark genug war, die Gefängnisse zu erbrechen und der Justiz ihre Opfer mit Gewalt zu entreißen. Endlich brachte die Regierung Truppen in die Stadt, welche die Ruhe wieder herstellten. Aber dieser unbedeutende Vorfall hatte auf einen Augenblick die Hülle von dem Geheimniß hinweggezogen, in welchem der Anhang der Protestanten bisher verschleiert lag, und den Minister ihre ungeheure Anzahl errathen lassen. In Tournay allein hatte man ihrer fünftausend bei einer solchen Predigt erscheinen sehen, und nicht viel weniger in Valenciennes. Was konnte man nicht von den nordischen Provinzen erwarten, wo die Freiheit größer und die Regierung entlegener war, und wo die Nachbarschaft Deutschlands und Dänemarks die Quellen der Ansteckung vermehrte? Eine so furchtbare Menge hatte ein einziger Wink aus der Verborgenheit gezogen. – Wie viel größer war vielleicht die Zahl Derer, welche sich im Herzen zu der neuen Sekte bekannten und nur einem günstigeren Zeitpunkt entgegen sahen, es laut zu thun?Burgund. 53. 54. 55.  Strada L. III. 75. 76. 77.  Dinoth. de Bello civil. Belgic. L. I. 25.

Diese Entdeckung beunruhigte die Regentin aufs äußerste. Der schlechte Gehorsam gegen die Edikte, das Bedürfniß des erschöpften Schatzes, welches sie nöthigte, neue Steuern auszuschreiben, und die verdächtigen Bewegungen der Hugenotten an der französischen Grenze vermehrten noch ihre Bekümmernisse. Zu gleicher Zeit erhält sie Befehle von Madrid, zweitausend niederländische Reiter zu dem Heere der Königin Mutter in Frankreich stoßen zu lassen, die in dem Bedrängniß des Religionskriegs ihre Zuflucht zu Philipp dem Zweiten genommen hatte. Jede Angelegenheit des Glaubens, welches Land sie auch betraf, war Philipps eigene Angelegenheit. Er fühlte sie so nahe, wie irgend ein Schicksal seines Hauses, und stand in diesem Falle stets bereit, sein Eigenthum fremdem Bedürfnisse aufzuopfern. Wenn es Eigennutz war, was ihn hier leitete, so war er wenigstens königlich und groß, und die kühne Haltung dieser Maxime gewinnt wieder an unsrer Bewunderung, was ihre Verderblichkeit an unsrer Billigung verloren.

Die Statthalterin eröffnet dem Staatsrath den königlichen Willen, wo sie von Seiten des Adels den heftigsten Widerspruch findet. Die Zeit, erklären Graf Egmont und Prinz von Oranien, wäre jetzt sehr übel gewählt, die Niederlande von Truppen zu entblößen, wo vielmehr alles dazu riethe, neue zu werben. Die nahen Bewegungen Frankreichs drohen jeden Augenblick einen Ueberfall, und die innere Gährung der Provinzen fordere jetzt mehr, als jemals, die Regierung zur Wachsamkeit auf. Bis jetzt, sagten sie, haben die deutschen Protestanten dem Kampf ihrer Glaubensbrüder müßig zugesehen; aber werden sie es auch noch dann, wenn wir die Macht ihrer Feinde durch unsern Beistand verstärken? Werden wir nicht gegen uns ihre Rache wecken und ihre Waffen in den Norden der Niederlande rufen? Beinahe der ganze Staatsrath trat dieser Meinung bei; die Vorstellungen waren nachdrücklich und nicht zu widerlegen. Die Statthalterin selbst, wie der Minister, müssen ihre Wahrheit fühlen, und ihr eigner Vortheil scheint ihnen die Vollziehung des königlichen Befehls zu verbieten. Sollten sie durch Entfernung des größten Theils der Armee der Inquisition ihre einzige Stütze nehmen und sich selbst, ohne Beistand, in einem aufrührerischen Lande, der Willkür eines trotzigen Adels wehrlos überliefern? Indem die Regentin, zwischen dem königlichen Willen, dem dringenden Anliegen ihrer Räthe und ihrer eignen Furcht getheilt, nichts Entscheidendes zu beschließen wagt, steht Wilhelm von Oranien auf und bringt in Vorschlag, die Generalstaaten zu versammeln. Dem königlichen Ansehen konnte kein tödlicherer Streich widerfahren, als diese Zuziehung der Nation, eine in dem jetzigen Moment so verführerische Erinnerung an ihre Gewalt und ihre Rechte. Dem Minister entging die Gefahr nicht, die sich über ihm zusammenzog; ein Wink von ihm erinnert die Herzogin, die Beratschlagung abzubrechen und die Sitzung aufzuheben. »Die Regierung,« schreibt er nach Madrid, »kann nicht nachtheiliger gegen sich selbst handeln, als wenn sie zugibt, daß die Stände sich versammeln. Ein solcher Schritt ist zu allen Zeiten mißlich, weil er die Nation in Versuchung führt, die Rechte der Krone zu prüfen und einzuschränken; aber jetzt ist er dreimal verwerflich, jetzt, da der Geist des Aufruhrs schon weit umher sich verbreitet hat, jetzt, wo die Aebte, über den Verlust ihrer Einkünfte aufgebracht, nichts unterlassen werden, das Ansehen der Bischöfe zu verringern; wo der ganze Adel und alle Bevollmächtigten der Städte durch die Künste des Prinzen von Oranien geleitet werden, und die Mißvergnügten auf den Beistand der Nation sicher zu rechnen haben. Diese Vorstellung, der es wenigstens nicht an Bündigkeit gebrach, konnte die erwartete Wirkung auf des Königs Gemüth nicht verfehlen. Die Staatenversammlung wird einmal für immer verworfen, die Strafbefehle wider die Ketzer mit aller Schärfe erneuert und die Statthalterin zu schleuniger Absendung der verlangten Hilfstruppen angehalten.

Aber dazu war der Staatsrath nicht zu bewegen. Alles, was sie erhielt, war, statt der Subsidien, Geld an die Königin Mutter zu schicken, welches ihr in dem jetzigen Zeitpunkt noch willkommener war. Um aber doch wenigstens die Nation mit einem Schattenbilde republikanischer Freiheit zu täuschen, beruft sie die Statthalter der Provinzen und die Ritter des goldenen Vließes zu einer außerordentlichen Versammlung nach Brüssel, um über die gegenwärtigen Gefahren und Bedürfnisse des Staate zu beratschlagen. Nachdem ihnen der Präsident Viglius den Gegenstand ihrer Sitzung eröffnet hat, werden ihnen drei Tage Zeit zur Ueberlegung gegeben. Während dieser Zeit versammelt sie der Prinz von Oranien in seinem Palaste, wo er ihnen die Notwendigkeit vorstellt, sich noch vor der Sitzung zu vereinigen und gemeinschaftlich die Maßregeln zu bestimmen, wornach bei gegenwärtiger Gefahr des Staats gehandelt werden müsse. Viele stimmen diesem Vorschlag bei, nur Barlaimont mit einigen wenigen Anhängern des Cardinals Granvella hatte den Muth, in dieser Gesellschaft zum Vortheile der Krone und des Ministers zu reden. »Ihnen,« erklärte er, »gebühre es nicht, sich in die Sorgen der Regierung zu mengen, und diese Vorhervereinigung der Stimmen sei eine gesetzwidrige, strafbare Anmaßung, deren er sich nicht schuldig machen wolle;« eine Erklärung, welche die ganze Zusammenkunft fruchtlos endigte.Burgund. 63. 65.  Vita Vigl. T. II. 25. 26.  Strada 82. Die Statthalterin, durch den Grafen Barlaimont von diesem Vorfall unterrichtet, wußte die Ritter während ihres Aufenthalts in der Stadt so geschickt zu beschäftigen, daß sie zu fernern Verständnissen keine Zeit finden konnten. Indessen wurde mit ihrer Beistimmung doch in dieser Sitzung beschlossen, daß Florenz von Montmorency, Herr von Montigny, eine Reise nach Spanien thun sollte, um den König von dem jetzigen Zustand der Sachen zu unterrichten. Aber die Regentin schickte ihm einen andern geheimen Boten nach Madrid voran, der den König vorläufig mit allem bekannt machte, was bei jener Zusammenkunft zwischen dem Prinzen von Oranien und den Rittern ausgemacht worden war. Dem flämischen Botschafter schmeichelte man in Madrid mit leeren Betheuerungen königlicher Huld und väterlicher Gesinnungen für die Niederlande; der Regenten wird anbefohlen, die geheimen Verbindungen des Adels nach allen Kräften zu hintertreiben und wo möglich Uneinigkeit unter seinen vornehmsten Gliedern zu stiften.Strada L. III. 83.

Eifersucht, Privatvortheil und Verschiedenheit der Religion hatte viele von den Großen lange Zeit getrennt; das gemeinschaftliche Schicksal ihrer Zurücksetzung und der Haß gegen den Minister hatte sie wieder verbunden. So lange sich der Graf von Egmont und der Prinz von Oranien um die Oberstatthalterschaft bewarben, konnte es nicht fehlen, daß sie auf den verschiedenen Wegen, welche jeder dazu erwählte, nicht zuweilen gegen einander stießen. Beide hatten einander auf der Bahn des Ruhms und am Throne begegnet; Beide trafen sich wieder in der Republik, wo sie um den nämlichen Preis, die Gunst ihrer Mitbürger, buhlten. So entgegengesetzte Charaktere mußten sich bald von einander entfremden, aber die mächtige Sympathie der Noth näherte sie einander eben so bald wieder. Jeder war dem Andern jetzt unentbehrlich, und das Bedürfniß knüpfte zwischen diesen beiden Männern ein Band, das ihrem Herzen nie gelungen sein würde.Burgund. 45.  Strada 83. 84. Aber auf eben diese Ungleichheit ihrer Gemüther gründete die Regentin ihren Plan; und glückte es ihr, sie zu trennen, so hatte sie zugleich den ganzen niederländischen Adel in zwei Parteien getheilt. Durch Geschenke und kleine Aufmerksamkeiten, womit sie diese Beiden ausschließend beehrte, suchte sie den Neid und das Mißtrauen der Uebrigen gegen sie zu reizen; und indem sie dem Grafen von Egmont vor dem Prinzen von Oranien einen Vorzug zu geben schien, hoffte sie, dem Letztern seine Treue verdächtig zu machen. Es traf sich, daß sie um eben diese Zeit einen außerordentlichen Gesandten nach Frankfurt zur römischen Königswahl schicken mußte; sie erwählte dazu den Herzog von Arschot, den erklärtesten Gegner des Prinzen, um in ihm gleichsam ein Beispiel zu geben, wie glänzend man den Haß gegen den Letztern belohne.

Die Oranische Faktion, anstatt eine Verminderung zu leiden, hatte an dem Grafen von Hoorn einen wichtigen Zuwachs erhalten, der, als Admiral der niederländischen Marine, den König nach Biscaya geleitet hatte und jetzt in den Staatsrath wieder eingetreten war. Hoorns unruhiger republikanischer Geist kam den verwegenen Entwürfen Oraniens und Egmonts entgegen, und bald bildete sich unter diesen drei Freunden ein gefährliches Triumvirat, das die königliche Macht in den Niederlanden erschüttert, aber sich nicht für alle drei gleich geendigt hat.

(1562.) Unterdessen war auch Montigny von seiner Gesandtschaft zurückgekommen und hinterbrachte dem Staatsrath die günstigen Gesinnungen des Monarchen. Aber der Prinz von Oranien hatte durch eigene geheime Kanäle Nachrichten aus Madrid, welche diesem Berichte ganz widersprachen und weit mehr Glauben verdienten. Durch sie erfuhr er all die schlimmen Dienste, welche Granvella ihm und seinen Freunden bei dem König leistete, und die verhaßten Benennungen, womit man dort das Betragen des niederländischen Adels belegte. Es war keine Hilfe vorhanden, so lange der Minister nicht vom Ruder der Regierung vertrieben war, und dieses Unternehmen, so verwegen und abenteuerlich es schien, beschäftigte ihn jetzt ganz. Es wurde zwischen ihm und den beiden Grafen von Hoorn und Egmont beschlossen, im Namen des ganzen Adels einen gemeinschaftlichen Brief an den König aufzusetzen, den Minister förmlich darin zu verklagen und mit Nachdruck auf seine Entfernung zu dringen. Der Herzog von Arschot, dem dieser Vorschlag vom Grafen von Egmont mitgeteilt wird, verwirft ihn mit der stolzen Erklärung, daß er von Egmont und Oranien keine Gesetze anzunehmen gesonnen sei; daß er sich über Granvella nicht zu beschweren habe und es übrigens sehr vermessen finde, dem Könige vorzuschreiben, wie er sich seiner Minister bedienen solle. Eine ähnliche Antwort erhält Oranien von dem Grafen von Aremberg. Entweder hatte der Same des Mißtrauens, den die Regentin unter dem Adel ausgestreut hatte, schon Wurzel geschlagen, oder überwog die Furcht vor der Macht des Ministers den Abscheu vor seiner Verwaltung; genug, der ganze Adel wich zaghaft und unentschlossen vor diesem Antrag zurück. Diese fehlgeschlagene Erwartung schlägt ihren Muth nicht nieder, der Brief wird dennoch geschrieben, und alle Drei unterzeichnen ihn.Strada 85. 86. (1563.)

Granvella erscheint darin als der erste Urheber aller Zerrüttungen in den Niederlanden. So lange die höchste Gewalt in so strafbaren Händen sei, wäre es ihnen unmöglich, erklären sie, der Nation und dem König mit Nachdruck zu dienen; alles hingegen würde in die vorige Ruhe zurücktreten, alle Widersetzlichkeit aufhören und das Volk die Regierung wieder lieb gewinnen, sobald es Sr. Majestät gefiele, diesen Mann vom Ruder des Staats zu entfernen. In diesem Falle, setzten sie hinzu, würde es ihnen weder an Einfluß, noch an Eifer fehlen, das Ansehen des Königs und die Reinigkeit des Glaubens, die ihnen nicht minder heilig sei, als dem Cardinal Granvella, in diesen Ländern zu erhalten.Burgund. L. I. 67.  Hopper. 30.  Strada 87.  Thuan. Pars II. 489.

So geheim dieser Brief auch abging, so erhielt doch die Herzogin noch zeitig genug davon Nachricht, um die Wirkung, die er gegen alles Vermuthen auf des Königs Gemüth etwa machen dürfte, durch einen andern zu entkräften, den sie ihm in aller Eile voranschickte. Einige Monate verstrichen, ehe aus Madrid eine Antwort kam. Sie war gelinde, aber unbestimmt. »Der König,« enthielt sie, »wäre nicht gewohnt, seine Minister auf die Anklage ihrer Feinde ungehört zu verdammen. Bloß die natürliche Billigkeit verlange, daß die Ankläger des Cardinals von allgemeinen Beschuldigungen zu einzelnen Beweisen herabstiegen, und wenn sie nicht Lust hätten, dieses schriftlich zu thun, so möge einer aus ihrer Mitte nach Spanien kommen, wo ihm mit aller gebührenden Achtung sollte begegnet werden.Vita Vigl. T. II. 32. 33.  Grot. 16.  Burg. 68. Außer diesem Brief, der an alle Drei zugleich gerichtet war, empfing der Graf von Egmont noch ein eignes Handschreiben von dem König, worin der Wunsch geäußert war, von ihm besonders zu erfahren, was in jenem gemeinschaftlichen Briefe nur obenhin berührt worden sei. Auch der Regentin ward auf das pünktlichste vorgeschrieben, was sie allen Dreien zugleich und dem Grafen von Egmont insbesondere zu antworten habe. Der König kannte seine Menschen. Er wußte, wie leicht auf den Grafen von Egmont zu wirken sei, wenn man es mit ihm allein zu thun hätte; darum suchte er ihn nach Madrid zu locken, wo er der leitenden Aufsicht eines höhern Verstandes entzogen war. Indem er ihn durch dieses schmeichelhafte Merkmal seines Vertrauens vor seinen beiden Freunden auszeichnete, machte er die Verhältnisse ungleich, worin alle Drei zu dem Throne standen, wie konnten sie sich aber noch mit gleichem Eifer zu dem nämlichen Zweck vereinigen, wenn ihre Aufforderungen dazu nicht mehr die nämlichen blieben? Diesmal zwar vereitelte Oraniens Wachsamkeit diesen Plan; aber die Folge dieser Geschichte wird zeigen, daß der Same, der hier ausgestreut wurde, nicht ganz verloren gegangen war.Strada 88.

(1563.) Den drei Verbundenen that die Antwort des Königs kein Genüge; sie hatten den Muth, noch einen zweiten Versuch zu wagen. »Es habe sie nicht wenig befremdet,« schrieben sie, »daß Se. Majestät ihre Vorstellungen so weniger Aufmerksamkeit würdig geachtet. Nicht als Ankläger des Ministers, sondern als Räthe Sr. Majestät, deren Pflicht es wäre, ihren Herrn von dem Zustande seiner Staaten zu benachrichtigen, haben sie jenes Schreiben an ihn ergehen lassen. Sie verlangen das Unglück des Ministers nicht, vielmehr sollte es sie freuen, ihn an jedem andern Orte der Welt, als hier in den Niederlanden, zufrieden und glücklich zu wissen. Davon aber seien sie auf das vollkommenste überzeugt, daß sich die allgemeine Ruhe mit der Gegenwart dieses Mannes durchaus nicht vertrage. Der jetzige gefahrvolle Zustand ihres Vaterlandes erlaube Keinem unter ihnen, es zu verlassen und um Granvellas willen eine weite Reise nach Spanien zu thun. Wenn es also Sr. Majestät nicht gefiele, ihrer schriftlichen Bitte zu willfahren, so hofften sie in Zukunft damit verschont zu sein, dem Senat beizuwohnen, wo sie sich nur dem Verdrusse aussetzten, den Minister zu treffen, wo sie weder dem König noch dem Staat etwas nützten, sich selbst aber nur verächtlich erschienen. Schließlich baten sie, Se. Maj. möchte ihnen die ungeschmückte Einfalt zu gute halten, weil Leute ihrer Art mehr Werth darein setzten, gut zu handeln, als schön zu reden.Vit. Vigl. T. II. 34. 35. Dasselbe enthielt auch ein besonderer Brief des Grafen Egmont, worin er für das königliche Handschreiben dankte. Auf dieses zweite Schreiben erfolgte die Antwort, »man werde ihre Vorstellungen in Ueberlegung nehmen; indessen ersuche man sie, den Staatsrath, wie bisher, zu besuchen.«

Es war augenscheinlich, daß der Monarch weit davon entfernt war, ihr Gesuch stattfinden zu lassen; darum blieben sie von nun an aus dem Staatsrath weg und verließen sogar Brüssel. Den Minister gesetzmäßig zu entfernen, war ihnen nicht gelungen; sie versuchten es auf eine neue Art, wovon mehr zu erwarten war. Bei jeder Gelegenheit bewiesen sie und ihr Anhang ihm öffentlich die Verachtung, von welcher sie sich durchdrungen fühlten, und wußten allem, was er unternahm, den Anstrich des Lächerlichen zu geben. Durch diese niedrige Behandlung hofften sie den Hochmuth dieses Priesters zu martern und von seiner gekränkten Eigenliebe vielleicht zu erhalten, was ihnen auf andern Wegen fehlgeschlagen war. Diese Absicht erreichten sie zwar nicht, aber das Mittel, worauf sie gefallen waren, führte endlich doch den Minister zum Sturze.

Die Stimme des Volks hatte sich lauter gegen diesen erhoben, sobald es gewahr worden war, daß er die gute Meinung des Adels verscherzt hatte, und daß Männer, denen es blindlings nachzubeten pflegte, ihm in der Verabscheuung dieses Ministers vorangingen. Das herabwürdigende Betragen des Adels gegen ihn weihte ihn jetzt gleichsam der allgemeinen Verachtung und bevollmächtigte die Verleumdung, die auch das Heilige nicht schont, Hand an seine Ehre zu legen. Die neue Kirchenverfassung, die große Klage der Nation, hatte sein Glück gegründet – dies war ein Verbrechen, das nicht verziehen werden konnte. Jedes neue Schauspiel der Hinrichtung, womit die Geschäftigkeit der Inquisitoren nur allzu freigebig war, erhielt den Abscheu gegen ihn in schrecklicher Uebung, und endlich schrieben Herkommen und Gewohnheit zu jedem Drangsale seinen Namen. Fremdling in einem Lande, dem er gewaltthätig aufgedrungen worden, unter Millionen Feinden allein, aller seiner Werkzeuge ungewiß, von der entlegenen Majestät nur mit schwachem Arme gehalten, mit der Nation, die er gewinnen sollte, durch lauter treulose Glieder verbunden, lauter Menschen, deren höchster Gewinn es war, seine Handlungen zu verfälschen, einem Weibe endlich an die Seite gesetzt, das die Last des allgemeinen Fluchs nicht mit ihm theilen konnte, – so stand er, bloßgestellt dem Muthwillen, dem Undank, der Parteisucht, dem Neide und allen Leidenschaften eines zügellosen, aufgelösten Volks. Es ist merkwürdig, daß der Haß, den er auf sich lud, die Verschuldungen weit überschreitet, die man ihm zur Last legen konnte, daß es seinen Anklägern schwer, ja unmöglich fiel, durch einzelne Beweisgründe den Verdammungsspruch zu rechtfertigen, den sie im Allgemeinen über ihn fällten. Vor und nach ihm riß der Fanatismus seine Schlachtopfer zum Altar, vor und nach ihm floß Bürgerblut, wurden Menschenrechte verspottet und Elende gemacht. Unter Karln dem Fünften hätte die Tyrannei durch ihre Neuheit empfindlicher schmerzen sollen – unter dem Herzog von Alba wurde sie zu einem weit unnatürlicheren Grade getrieben, daß Granvellas Verwaltung gegen die seines Nachfolgers noch barmherzig war, und doch finden wir nirgends, daß sein Zeitalter den Grad persönlicher Erbitterung und Verachtung gegen den Letztern hätte blicken lassen, die es sich gegen seinen Vorgänger erlaubte.

Die Niedrigkeit seiner Geburt im Glanz hoher Würden zu verhüllen und ihn durch einen erhabeneren Stand vielleicht dem Muthwillen seiner Feinde zu entrücken, hatte ihn die Regentin durch ihre Verwendungen in Rom mit dem Purpur zu bekleiden gewußt; aber eben diese Würde, die ihn mit dem römischen Hofe näher verknüpfte, machte ihn desto mehr zum Fremdling in den Provinzen. Der Purpur war ein neues Verbrechen in Brüssel und eine anstößige verhaßte Tracht, welche gleichsam die Beweggründe öffentlich ausstellte, aus denen er ins Künftige handeln würde. Nicht sein ehrwürdiger Rang, der allein oft den schändlichsten Bösewicht heiligt, nicht sein erhabener Posten, nicht seine Achtung gebietenden Talente, selbst nicht einmal seine schreckliche Allmacht, die täglich in so blutigen Proben sich zeigte, konnten ihn vor dem Gelächter schützen. Schrecken und Spott, Fürchterliches und Belachenswerthes war in seinem Beispiel unnatürlich vermengt.Der Adel ließ, auf die Angabe des Grafen von Egmont, seine Bedienten eine gemeinschaftliche Livrei tragen, auf welche eine Narrenkappe gestickt war. Ganz Brüssel legte sie für den Cardinalshut aus, und jede Erscheinung eines solchen Bedienten erneuerte das Gelächter; diese Narrenkappe wurde nachher, weil sie dem Hofe anstößig war, in ein Bündel Pfeife verwandelt – ein zufälliger Scherz, der ein sehr ernsthaftes Ende nahm und dem Wappen der Republik wahrscheinlich seine Entstehung gegeben. Vit. Vigl. T. II. 35.  Thuan. 489. Das Ansehen des Cardinals sank endlich so weit herab, daß man ihm öffentlich einen satirischen Kupferstich in die Hand steckte, auf welchem er über einem Haufen Eier sitzend vorgestellt war, woraus Bischöfe hervorkrochen. Ueber ihm schwebte ein Teufel mit der Randschrift: Dieser ist mein Sohn, den sollt ihr hören! Allg. Gesch. der ver. Niederl. III. 40. Verhaßte Gerüchte brandmarkten seine Ehre; man dichtete ihm meuchelmörderische Anschläge auf das Leben Egmonts und Oraniens an; das Unglaublichste fand Glauben; das Ungeheuerste, wenn es ihm galt oder von ihm stammen sollte, überraschte nicht mehr. Die Nation hatte schon einen Grad der Verwilderung erreicht, wo die widersprechendsten Empfindungen sich gatten und die feinern Grenzscheiden des Anstands und sittlichen Gefühls hinweggerückt sind. Dieser Glaube an außerordentliche Verbrechen ist beinahe immer ein untrüglicher Vorläufer ihrer nahen Erscheinung.Hopper. L. I. 35.

Aber eben das seltsame Schicksal dieses Mannes führt zugleich etwas Großes, etwas Erhabenes mit sich, das dem unbefangenen Betrachter Freude und Bewunderung gibt. Hier erblickt er eine Nation, die, von keinem Schimmer bestochen, durch keine Furcht in Schranken gehalten, standhaft, unerbittlich und ohne Verabredung einstimmig das Verbrechen ahndet, das durch die gewaltsame Einsetzung dieses Fremdlings gegen ihre Würde begangen ward. Ewig unvermengt und ewig allein sahen wir ihn, gleich einem fremden, feindseligen Körper, über der Fläche schweben, die ihn zu empfangen verschmäht. Selbst die starke Hand des Monarchen, der sein Freund und sein Beschützer ist, vermag ihn gegen den Willen der Nation nicht zu halten, welche einmal beschlossen hat, ihn von sich zu stoßen. Ihre Stimme ist so furchtbar, daß selbst der Eigennutz auf seine gewisse Beute Verzicht thut, daß seine Wohlthaten geflohen werden, wie die Früchte von einem verfluchten Baume. Gleich einem ansteckenden Hauche haftet die Infamie der allgemeinen Verwerfung auf ihm. Die Dankbarkeit glaubt sich ihrer Pflichten gegen ihn ledig, seine Anhänger meiden ihn, seine Freunde verstummen. So fürchterlich rächte das Volk seine Edeln und seine beleidigte Majestät an dem größten Monarchen der Erde.

Die Geschichte hat dieses merkwürdige Beispiel nur ein einziges Mal in dem Cardinal Mazarin wiederholt; aber es war, nach dem Geiste beider Zeiten und Nationen, verschieden. Beide konnte die höchste Gewalt nicht vor dem Spotte bewahren; aber Frankreich fand sich erleichtert, wenn es über seinen Pantalon lachte, und die Niederlande gingen durch das Gelächter zum Aufruhr. Jenes sah sich aus einem langen Zustand der Knechtschaft unter Richelieus Verwaltung in eine plötzliche, ungewohnte Freiheit versetzt; diese traten aus einer langen und angebornen Freiheit in eine ungewohnte Knechtschaft hinüber; es war natürlich, daß die Fronde wieder in Unterwerfung und die niederländischen Unruhen in republikanischer Freiheit oder Empörung endigten. Der Aufstand der Pariser war die Geburt der Armuth, ausgelassen, aber nicht kühn, trotzig ohne Nachdruck, niedrig und unedel, wie die Quelle, woraus er stammte. Das Murren der Niederlande war die stolze und kräftige Stimme des Reichthums. Muthwille und Hunger begeisterten jene, diese Rache, Eigenthum, Leben und Religion. Mazarins Triebfeder war Habsucht, Granvellas Herrschsucht. Jener war menschlich und sanft, dieser hart, gebieterisch, grausam. Der französische Minister suchte in der Zuneigung seiner Königin eine Zuflucht vor dem Haß der Magnaten und der Wuth des Volks; der niederländische Minister forderte den Haß einer ganzen Nation heraus, um einem Einzigen zu gefallen. Gegen Mazarin waren nur Parteien und der Pöbel, den sie waffneten; gegen Granvella die Nation. Unter jenem versuchte das Parlament eine Macht zu erschleichen, die ihm nicht gebührte; unter diesem kämpfe es für eine rechtmäßige Gewalt, die er hinterlistig zu vertilgen strebte. Jener hatte mit den Prinzen des Geblüts und den Pairs des Königreichs, wie dieser mit dem eingebornen Adel und den Ständen zu ringen, aber anstatt daß die Erstern ihren gemeinschaftlichen Feind nur darum zu stürzen trachteten, um selbst an seine Stelle zu treten, wollten die Letztern die Stelle selbst vernichten und eine Gewalt zertrennen, die kein einzelner Mensch ganz besitzen sollte.

Indem dies unter dem Volke geschah, fing der Minister an, am Hof der Regentin zu wanken. Die wiederholten Beschwerden über seine Gewalt mußten ihr endlich doch zu erkennen gegeben haben, wie wenig man an die ihrige glaube; vielleicht fürchtete sie auch, daß der allgemeine Abscheu, der auf ihm haftete, sie selbst noch ergreifen, oder daß sein längeres Verweilen den gedrohten Aufstand doch endlich herbeirufen möchte. Der lange Umgang mit ihm, sein Unterricht und sein Beispiel hatten sie endlich in den Stand gesetzt, ohne ihn zu regieren. Sein Ansehen fing an, sie zu drücken, wie er ihr weniger nothwendig wurde, und seine Fehler, denen ihr Wohlwollen bis jetzt einen Schleier geliehen hatte, wurden sichtbar, wie es erkaltete. Jetzt war sie ebenso geneigt, diese zu suchen und aufzuzählen, als sie es sonst gewesen war, sie zu bedecken. Bei dieser so nachtheiligen Stimmung für den Cardinal fingen die häufigen und dringenden Vorstellungen des Adels endlich an, bei ihr Eingang zu finden, welches um so leichter geschah, da sie zugleich ihre Furcht darein zu vermengen wußten. »Man wundere sich sehr,« sagte ihr unter andern Graf Egmont, »daß der König, einem Menschen zu Gefallen, der nicht einmal ein Niederländer sei, und von dem man also wisse, daß seine Glückseligkeit mit dem Besten dieser Länder nichts zu schaffen habe, alle seine niederländischen Untertanen könne leiden sehen – einem fremden Menschen zu Gefallen, den seine Geburt zu einem Unterthan des Kaisers, sein Purpur zu einem Geschöpfe des römischen Hofes machte. Ihm allein,« setzte der Graf hinzu, »habe Granvella es zu danken, daß er bis jetzt noch unter den Lebendigen sei; künftig hin aber würde er diese Sorge der Statthalterin überlassen und sie hiemit gewarnet haben.« Weil sich der größte Theil des Adels, der Geringschätzung überdrüssig, die ihm dort widerfuhr, nach und nach aus dem Staatsrath zurückzog, so verlor das willkürliche Verfahren des Ministers auch sogar noch den letzten republikanischen Schein, der es bisher gemildert hatte, und die Einöde im Senat ließ seine hochmüthige Herrschaft in ihrer ganzen Widrigkeit sehen. Die Regentin empfand jetzt, daß sie einen Herrn über sich hatte, und von diesem Augenblick an war die Verbannung des Ministers beschlossen.

Sie fertigte zu diesem Ende ihren geheimen Secretär, Thomas Armenteros, nach Spanien ab, um den König über alle Verhältnisse des Cardinals zu belehren, ihm alle jene Aeußerungen des Adels zu hinterbringen und auf diese Art den Entschluß zu seiner Verbannung in ihm selbst entstehen zu lassen. Was sie ihrem Briefe nicht anvertrauen mochte, hatte Armenteros Befehl, auf eine geschickte Art in den mündlichen Bericht einzumischen, den ihm der König wahrscheinlich abfordern würde. Armenteros erfüllte seinen Auftrag mit aller Geschicklichkeit eines vollendeten Hofmanns; aber eine Audienz von vier Stunden konnte das Werk vieler Jahre, die Meinung Philipps von seinem Minister, in seinem Gemüthe nicht umstürzen, die für die Ewigkeit darin gegründet war. Lange ging dieser Monarch mit der Staatsklugheit und seinem Vorurtheil zu Rathe, bis endlich Granvella selbst seinem zaudernden Vorsatz zu Hilfe kam und freiwillig um seine Entlassung bat, der er nicht mehr entgehen zu können fürchtete. Was der Abscheu der ganzen niederländischen Nation nicht vermocht hatte, war dem geringschätzigen Betragen des Adels gelungen; er war einer Gewalt endlich müde, welche nicht mehr gefürchtet war und ihn weniger dem Neid als der Schande bloßstellte. Vielleicht zitterte er, wie Einige geglaubt haben, für sein Leben, das gewiß in einer mehr als eingebildeten Gefahr schwebte; vielleicht wollte er seine Entlassung lieber unter dem Namen eines Geschenks, als eines Befehls, von dem König empfangen und einen Fall, dem nicht mehr zu entfliehen war, nach dem Beispiel jener Römer mit Anstand thun. Philipp selbst, scheint es, wollte der niederländischen Nation lieber jetzt eine Bitte großmüthig gewähren, als ihr später in einer Forderung nachgeben und mit einem Schritte, den ihm die Notwendigkeit auferlegte, wenigstens noch ihren Dank verdienen. Seine Furcht war seinem Eigensinn überlegen, und die Klugheit siegte über seinen Stolz.

Granvella zweifelte keinen Augenblick, wie die Entscheidung des Königs ausgefallen sei. Wenige Tage nach Armenteros' Zurückkunft sah er Demuth und Schmeichelei aus den wenigen Gesichtern entwichen, die ihm bis jetzt noch dienstfertig gelächelt hatten; das letzte kleine Gedränge feiler Augenknechte zerfloß um seine Person, seine Schwelle wurde verlassen; er erkannte, daß die befruchtende Wärme von ihm gewichen war. Die Lästerung, die ihn während seiner ganzen Verwaltung mißhandelt hatte, schonte ihn auch in dem Augenblicke nicht, wo er sie aufgab. Kurz vorher, eh' er sein Amt niederlegte, untersteht man sich zu behaupten, soll er eine Aussöhnung mit dem Prinzen von Oranien und dem Grafen von Egmont gewünscht und sich sogar erboten haben, ihnen, wenn um diesen Preis ihre Vergebung zu hoffen wäre, auf den Knieen Abbitte zu thun.Reidan. 4. Es ist klein und verächtlich, das Gedächtniß eines außerordentlichen Mannes mit einer solchen Nachrede zu besudeln, aber es ist noch verächtlicher und kleiner, sie der Nachwelt zu überliefern. Granvella unterwarf sich dem königlichen Befehl mit anständiger Gelassenheit. Schon einige Monate vorher hatte er dem Herzog von Alba nach Spanien geschrieben, daß er ihm, im Fall er die Niederlande würde räumen müssen, einen Zufluchtsort in Madrid bereiten möchte. Lange bedachte sich dieser, ob es rathsam wäre, einen so gefährlichen Nebenbuhler in der Gunst seines Königs herbeizurufen, oder einen so wichtigen Freund, ein so kostbares Werkzeug seines alten Hasses gegen die niederländischen Großen, von sich zu weisen. Die Rache siegte über seine Furcht, und er unterstützte Granvellas Gesuch mit Nachdruck bei dem Monarchen. Aber seine Verwendung blieb fruchtlos. Armenteros hatte den König überzeugt, daß der Aufenthalt dieses Ministers in Madrid alle Beschwerden der niederländischen Nation, denen man ihn aufgeopfert hatte, heftiger wieder zurückbringen würde; denn nunmehr, sagte er, würde man die Quelle selbst, deren Ausflüsse er bis jetzt nur verdorben haben sollte, durch ihn vergiftet glauben. Er schickte ihn also nach der Grafschaft Burgund, seinem Vaterland, wozu sich eben ein anständiger Vorwand fand. Der Cardinal gab seinem Abzug aus Brüssel den Schein einer unbedeutenden Reise, von der er nächster Tage wieder eintreffen würde. Zu gleicher Zeit aber erhielten alle Staatsräthe, die sich unter seiner Verwaltung freiwillig verbannt hatten, von dem Hofe Befehl, sich im Senat zu Brüssel wieder einzufinden. Ob nun gleich dieser letztere Umstand seine Wiederkunft nicht sehr glaublich machte und man jene Erfindung nur für ein trotziges Elend erklärte, so schlug dennoch die entfernteste Möglichkeit seiner Wiederkunft gar sehr den Triumph nieder, den man über seinen Abzug feierte. Die Statthalterin selbst scheint ungewiß gewesen zu sein, was sie an diesem Gerüchte für wahr halten sollte, denn sie erneuerte in einem neuen Briefe an den König alle Vorstellungen und Gründe, die ihn abhalten sollten, diesen Minister zurückkommen zu lassen. Granvella selbst suchte in seinem Briefwechsel mit Barlaimont und Viglius dieses Gerücht zu unterhalten und wenigstens noch durch wesenlose Träume seine Feinde zu schrecken, die er durch seine Gegenwart nicht mehr peinigen konnte. Auch war die Furcht vor dem Einflusse dieses Mannes so übertrieben groß, daß man ihn endlich auch aus seinem eigenen Vaterland verjagte.

Nachdem Pius der Vierte verstorben war, machte Granvella eine Reise nach Rom, um der neuen Papstwahl beizuwohnen und dort zugleich einige Aufträge seines Herrn zu besorgen, dessen Vertrauen ihm unverloren geblieben war. Bald darauf machte ihn dieser zum Unterkönig von Neapel, wo er den Verführungen des Himmelsstrichs erlag und einen Geist, den kein Schicksal gebeugt hatte, von der Wollust übermannen ließ. Er war zweiundsechzig Jahre alt, als ihn der König wieder nach Spanien zurücknahm, wo er fortfuhr, die italienischen Angelegenheiten mit unumschränkter Vollmacht zu besorgen. Ein finsteres Alter und der selbstzufrieden Stolz einer sechzigjährigen Geschäftsverwaltung machte ihn zu einem harten und unbilligen Richter fremder Meinungen, zu einem Sklaven des Herkommens und einem lästigen Lobredner vergangener Zeiten.

Aber die Staatskunst des untergehenden Jahrhunderts war die Staatskunst des angehenden nicht mehr. Die Jugend des neuen Ministeriums wurde bald eines so gebieterischen Aufsehers müde, und Philipp selbst fing an, einen Rathgeber zu meiden, der nur die Thaten seines Vaters lobenswürdig fand. Nichtsdestoweniger vertraute er ihm noch zuletzt seine spanischen Länder an, als ihn die Eroberung Portugals nach Lissabon forderte. Er starb endlich auf einer italienischen Reise in der Stadt Mantua im drei und siebzigsten Jahre seines Lebens und im Vollgenuß seines Ruhms, nachdem er vierzig Jahre ununterbrochen das Vertrauen seines Königs besessen hatte.Strada Dec. I. L. III. IV. p. 88–98.


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