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Elagabal

Diesen Menschen warf eines Tages der Zufall
die Welt mit allen ihren Genüssen vor die Füße;
sie wurden darüber sinnlos, sie hätten die Erde
auf einmal ausschlürfen mögen wie ein Ei.

F. Gregorovius.

1.

»Ich bin alles gewesen, und alles war eitel« » Omnia fuit et nihil expedit.« Dieses uns von Älius Spartianus im Kap. 18 seiner der » Historia Augusta« einverleibten Biographie Severs überlieferte Wort wetteifert an weltekelvollem Lakonismus mit dem angeblich Salomonischen » vanitas vanitatum vanitas«. Ich brauche kaum zu sagen, daß Dion, Herodian und Lampridius mir die Materialien zu dem vorliegenden Aufsatz geliefert haben..

Also zog ein weltmüder »Herr der Welt«, der düstere Afrikaner Septimius Severus, die Bilanz einer römischen Kaiserexistenz, wie sie am Ende des 2. und zu Anfang des 3. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung war. Er wußte wohl, warum. Hatte doch das Haupt, das die Krone der Weltherrschaft trug, falls nämlich die römischen Cäsaren eine solche Kopfbedeckung getragen hätten, nicht einmal vor hörnener Verunzierung bewahrt werden können. Seine zweite Frau, Julia Domna, welche er infolge astrologischen Afterglaubens aus ihrem syrischen Nichts zu sich auf den Kaiserthron gehoben hatte, war ebenso schön wie ehebrüchig » Famosa adulteriis«. Lampridius, 18. Wie jedermann weiß, sind die Kompilatoren der Kaisergeschichte mit Vorliebe Skandalchronisten und tragen die Farben gern dick auf. Indes ist wohl zu beachten, daß, was die Unsittenzustände des kaiserlichen Roms angeht, die gesamte römische und griechisch-römische Literatur ein unmittelbares oder mittelbares Verdammungszeugnis über dieselben abgibt … Der Umstand, daß Julia Domna eine Syrierin von Geburt war, erinnert daran, daß die syrischen und spanischen Weiber in der römischen Wüstlingswelt für die zuchtlosesten galten. Aus Syrien und Andalusien rekrutierten sich vorzugsweise die Corps de ballet und die Lupanarien Roms. Es existiert ein zierliches, mit Recht oder Unrecht dem Vergil zugeschriebenes Gedicht, welches – ich versuche eine Verdeutschung – uns eine Syrierin malt, wie sie vor ihrer Schenke tanzend Kunden anlockt: –
Syriens Ambubaje, geschmückt mit griechischem Kopfputz
Und nach den Tamburins Takt zierlich bewegend den Leib,
Tanzt wollüstig im Rausch vor der wohlbekannten Taverne,
Mit abwechselnder Hand schüttelnd die Klapper empor.
»Wozu frommet es jetzt, auf staubiger Straße zu reisen?
Wieviel lieblicher ist's, trinken auf schwellendem Pfühl!
Hier gibt's Fässer und Krüg', hier Becher und Rosen und Flöten,
Lauten und Laubengeflecht, schattig von Reben umrankt …
Bist du klug, so komme herein, laß Gläser kredenzen
Oder auch, so dir's beliebt, Becher von hellem Kristall.
Komm herein und pflege der Ruh' im Schatten des Weinlaubs
Und ums nickende Haupt winde von Rosen den Kranz.
Komm herein und koste im Kuß die Lippe des Mädchens,
Das dir mit schmeichelnder Hand glättet die Falten der Stirn.
Willst du zum Leichenbegängnis dir sparen die blumigen Kränze?
Etwa zum Sargesschmuck brauchen den Schmelz und den Duft?
Wein und Würfel herbei! Zum Kuckuck, wer sorget für morgen!
Lebet! so lispelt der Tod, lebet! ich komme gar bald!«
.

Freilich, seit den Tagen, wo Julia, des Augustus Tochter, ihrem Gemahl Tiber und Messalina dem Kaiser-Simpel Klaudius so übel mitgespielt hatten, waren die Cäsaren gewohnt, Großkreuze des Hahnreiordens zu sein. Dem Philosophen auf dem römischen Weltthron, Mark Aurel, hätte die skandalhafte Aufführung seiner Gemahlin Faustina ausreichenden Stoff zu stoisch-philosophischen Stilübungen gegeben. Diese antike Kaiserin hatte im Temperament eine auffallende Ähnlichkeit mit den beiden modernen Zarinnen Elisabeth und Katharina II. Wie diese ihre Liebhaber mit Vorliebe unter Grenadieren und Dragonern, Gemeinen und Offizieren, suchten und fanden, so wußte Faustina die guten Eigenschaften von Gladiatoren und Matrosen zu schätzen. Ihrem Sohn, dem Scheusal Kommodus, wurde in Rom ganz allgemein ein gladiatorischer Ursprung beigelegt. Er war bekanntlich auch ein richtiger Gladiator. Der Stadtklatsch wußte aber diese Tatsache noch anders zu erklären, nämlich so: – die Kaiserin sah eines Tages eine Truppe Gladiatoren vorüberziehen und verliebte sich in einen der Fechtersklaven so heftig, daß sie davon krank wurde. Von ihrem duldsamen Gemahl teilnehmend gefragt, gestand sie ihm ihre schmachvolle Leidenschaft. Der kaiserliche »Philosoph« trug den bedenklichen Kasus chaldäischen Wahr- und Weissagern vor. Diese orakelten, der arme Gladiator, welcher Faustinas Begierde gereizt hatte, müßte umgebracht werden, die Kaiserin aber im Blute des Erschlagenen sich baden und nach diesem Bade den ehelichen Torus besteigen. So sei es gekommen, daß ein Mark Aurel der Vater eines Kommodus habe werden können.

Diese Anekdote ist für die greuelhafte Wüstheit der römischen Kaiserzeiten gewiß ebenso kennzeichnend, wie für die Infamie der Pompadour- und Dubarry-Zeit jene entsprechende, eins der Mysterien von Ludwigs XV. Hirschpark sei gewesen, daß dieser Bube von »allerchristlichstem« König seine erschlafften Begierden mittels Bäder von Kinderblut wieder aufgereizt habe. Mit solchen Geschichten schreiben sich die Völker selber die ärgsten Schmachzeugnisse. Was für ein Hundepack von Menschen müßte es sein, welches Derartiges ertrüge!

Was übrigens die bis ins Kolossale, bis ins unsäglich Zynische gehende Schamlosigkeit der römischen Weiber im kaiserlichen Rom und die gleichzeitige ehemännische Toleranz angeht, so müssen wir uns erinnern, daß die antike Welt für die Wertung geschlechtlicher Verhältnisse überhaupt einen anderen Maßstab hatte als die moderne. Nicht als ob die Alten mädchenhafte Reinheit und frauliche Keuschheit gar nicht zu würdigen und zu schätzen verstanden hätten. Daß sie es verstanden, zeigt die Ehrfurcht, die sie keuschen Jungfrauen und Matronen erwiesen, wie es solche selbst in den verderbtesten Zeiten Athens und Roms gegeben hat. Nicht als ob auch die Alten gar kein Organ für das Verständnis der zarteren, der seelischen Beziehungen zwischen Mann und Weib gehabt hätten. Man denke nur daran, wie hold und schön in der Odyssee das Aufknospen eines zärtlichen Gefühls für den »göttlichen Dulder« in dem jungfräulichen Busen der Nausikaa mehr bloß angedeutet als geschildert ist, und wie in der Ilias das Verhältnis Hektors und Andromaches geradezu das Ideal einer Ehe darstellt. Sogar noch im kaiserlichen, d. h. im zuchtlosen Rom schrieb zur selbigen Zeit, als Ovid mit Aufbietung seiner ganzen zügellosen Phantasie und aller seiner Wüstlingserfahrung seine freche »Liebeskunst« lehrte, Tibull seinen anmutigen Elegienkranz »Sulpicia«, worin sich das Liebesgefühl so rein und zart äußert wie bei irgendeinem modernen Dichter.

Allerdings bezeugen solche Ausnahmen nur die Regel, und die Regel war im Altertum, daß die Venus Urania weit hinter die Aphrodite von Paphos zurücktrat, so weit und so sehr, daß jene nur mitunter zum Vorschein kam. In Wahrheit, was wir lieben nennen, war den Alten vorherrschend nur ein körperliches Bedürfnis, gerade wie essen und trinken, und darum haben sie auch so zwang- und rückhaltlos davon gesprochen, wie wir vom essen und trinken reden. Ein Monopol der Zote haben jedoch die antiken Autoren keineswegs gehabt. Die Christen Aretino, Rabelais, Fischart, Brantôme, Wycherley, Hofmannswaldau und viele andere können es in der Schamlosigkeit kecklich mit den Heiden Aristophanes, Lukian, Ovid, Petron und Juvenal aufnehmen. Ein zweibeiniges Schwein wie den Marquis de Sade hat das Altertum gar nicht aufzuweisen.

Daß überhaupt das Christentum die Liebe veredelt habe, ist eine Fabel von und für frères ignorantins. Die Evangelien sprechen bekanntlich wegwerfend vom Weibe, viele der sogenannten Kirchenväter so garstig, daß man es heutzutage nicht mehr nachschreiben kann. Das echte Christentum – denn in den Evangelien und bei den Kirchenvätern muß sich doch wohl das echte finden – betrachtet das Weib durchaus vom Standpunkt der orientalischen Barbarei. Wie sittigend, d. h. wie nichtsittigend der neue Glaube auf die römische und byzantinische Frauenwelt eingewirkt, bezeugen der heilige Hieronymus aus dem 4. und der fromme Prokopios aus dem 6. Jahrhundert. So verworfen wie die christliche Kaiserin Theodora sich aufführte, hatte sich die heidnische Kaiserin Messalina kaum aufgeführt. Aus demselben 6. Jahrhundert stammen die vom urfrommen Gregor von Tours abgelegten Zeugnisse, wie es in der christlich-germanischen Frauenwelt ausgesehen. Scheußlich! In der langen Galerie von Frauengestalten, welche uns Gregor vorführt, gibt es nur drei Gattungen: Buhlweiber, Furien und hysterische Närrinnen. Mitunter waren sie das alles zugleich. Was die letztgenannte Sorte betrifft, so veranschaulicht sie klärlich, daß und wie die neue Religion zur physischen Hysterie auch die moralische fügte. Daß nahezu zweihundert Jahre später die sogenannte »Religion der Liebe« das Verhältnis der beiden Geschlechter in der christlich-germanischen Welt immer noch nicht veredelt hatte, zeigte drastisch genug der Hofhalt Karls des Großen, dessen Prinzessinnen-Töchter Bankerte trugen. Das romantische Liebesideal des Mittelalters, wie es vorzugsweise in der provenzalischen und altitalischen Lyrik, sowie im deutschen Minnegesang hervortrat, hat man für einen Ausfluß der Christlichkeit im allgemeinen und des Marienkultus im besonderen ausgegeben. Die Kenntnis der arabisch-spanischen und arabisch-sizilischen Poesie muß jedoch diese Ansicht bedeutend modifizieren, wo nicht ganz aufheben. Bei keinem Troubadour, Sonettisten und Minnesänger ist die Liebe in zarteren, innigeren, seelischeren Tönen gefeiert, als sie schon Jahrhunderte vorher von den arabischen Dichtern in Spanien und Sizilien gefeiert worden war. Die mohammedanischen Romantiker waren die Lehrmeister der christlichen. Und im übrigen, was war denn das christlich-romantische Liebesideal des Mittelalters bei näherem Zusehen? Nur eine Schwindeltheorie oder ein Theorieschwindel. Die Ritterepik und Ritterlyrik selbst verraten uns, daß dieser romantische Schwindel für die Praxis des Lebens ohne alle Bedeutung gewesen. Man denke nur an Gottfrieds Tristan, ja sogar an Wolframs Parzival, von den französischen Fabliaux und der deutschen Novellistik in Versen aus dem 12., 13. und 14. Jahrhundert gar nicht zu sprechen. Auch der deutsche Minnegesang, sobald er den konventionellen Fistelton fahren läßt und in Brusttönen singt, spiritualisiert nicht die Liebe, sondern materialisiert sie. Und vollends die mittelalterlich-romantische Wirklichkeit mit ihren zahllosen Horden von brutalen Junkern und geilen Pfaffen, welche beide zusammen wetteiferten, die Dörflerinnen zu »Frillen« oder zu »Seelenkühen« und die Nonnenklöster zu Bordellen zu machen. Es hat niemals eine grobsinnlichere, eine zuchtlosere Zeit gegeben als jene Zeit der angeblich »frommen Ritterlichkeit und keuschen Minne« Vgl. die quellenmäßige Ausführung dieses Themas in meiner »Deutschen Kultur- und Sittengeschichte« (B. I, K. 5 u. 6) und in meiner »Geschichte der deutschen Frauenwelt« (Bd. II, K. 1, 3, 4, 5, 6).. Summa: Nicht das Christentum hat das Verhältnis von Mann und Weib veredelt, sondern die trotz des Christentums vorschreitende moderne Kultur, welche bekanntlich jeden Tritt ihres Vorschritts der kulturfeindlichen Kirche abringen und abstreiten mußte und muß Wenn man soviel Aufhebens davon macht, das Christentum habe das Weib »geheiligt«, indem es eine Menschin zur »Gottesmutter« erhob, so vergißt man, daß dies nur ein noch dazu sehr ungeschickt begangenes mythologisches Plagiat, ein dem Heidentum abgestohlener phantastischer Einfall war. Weit entfernt, das Weib zu heiligen, hat ihm das Christentum die roheste Entweihung und Schändung angetan, die es jemals erfuhr. Denn das Christentum war es ja, welches, den Hexenwahn bis zur äußersten Spitze des Blödsinns entwickelnd, auf unzählige Mädchen und Frauen die ungeheuerliche Lästerung geschleudert hat, sie hätten sich den Umarmungen eines Bockes, des Teufelsbockes, hingegeben. Man muß im Hexenhammer (» malleus maleficarum«, 1487) gelesen haben, wie die hochwürdigen Verfasser desselben dieses Thema abhandeln, um zu wissen, bis zu welcher Tiefe der Infamie die Einbildungskraft von Christenpfaffen hinabsteigen konnte. Und solcher mittelalterlich-christlicher Unflat verpestet noch die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Denn in Priesterseminaren, auch in deutschen, sind von Jesuiten verfaßte Lehrbücher der »Moraltheologie« (z. B. das vom Pater J. P. Gury zusammengebrachte » Compendium theologiae moralis«, 1868) im Gebrauche, worin die geschlechtlichen Beziehungen und ehelichen Verhältnisse in schweinischer Weise erörtert und – wohlverstanden, zum Zölibat verdammten Jünglingen – mit der Detailkenntnis raffiniertester Wüstlingschaft vordoziert werden. So ist die »Veredelung der Liebe« beschaffen, wie das Christentum noch heute, nach neunzehnhundertjährigem Bestehen, sie betreibt..

Die deutsch-mittelalterlichen Kaiser, welche in der Fiktion die Rechtsnachfolger der römischen waren, sind in der Wirklichkeit zuweilen die Nachfolger derselben in der Hahnreischaft gewesen. Der gehörnteste, ein wahrer Sechzehnender, war Sigismund, welcher, ohne Philosoph zu sein, die Galanterien seiner Kaiserin Barbara nicht minder gleichmütig ansah, als der philosophische Mark Aurel die seiner Kaiserin Faustina angesehen hatte. Der Kaiser-Philosoph war ja des weisen Dafürhaltens, daß, wie er in einer seiner Selbstbetrachtungen sagt, jeder Unwille über solche Fehler anderer, welche aus ihrem Naturell hervorgehen, unbedingt zu verwerfen sei. Was konnte die arme Faustina für ihr Naturell? Ihr Gatte mußte nachsichtig gegen sie sein, um der Stoa Ehre zu machen. Dagegen ist auffallend, daß der finstere Sever seiner Kaiserin Julia ihre Treulosigkeiten nachsah. Wahrscheinlich gaben ihm schon seine beiden Söhne Karakalla und Geta genug zu denken und zu tun, als daß er sich auch noch mit der klugen und stolzen Mutter derselben hätte in Händel verstricken wollen. Vielleicht auch mochte ihm das, was er vom Treiben seiner Söhne mitansehen mußte, den bitteren Trost geben, sie würden ihn schon an dem treulosen Weibe rächen; und endlich darf nicht unbeachtet gelassen werden, daß die antike Welt unsere moderne Vorstellung, die Schuld der Frau beschimpfe nicht nur sie selber, sondern auch den von ihr betrogenen Mann, nicht gekannt hat.

2.

Septimius Severus starb zu York am 4. Februar des Jahres 211, das Imperium romanum seinen zwei Söhnen zu gemeinsamem Besitze hinterlassend. Der sonst so scharfverständige Mann hatte sich der Illusion hingegeben, dieser gemeinsame Besitz könnte eine Möglichkeit sein. Mit entsetzlicher Wucht fielen die Folgen dieser Täuschung auf die Kaiserin-Witwe Julia. Die beiden Kaiser Karakalla und Geta führten wieder einmal das uralte Trauerspiel »Die feindlichen Brüder« auf, welches der jüdische Mythus schon unter den Mauern des Paradieses, die ägyptische Götterlegende vom Osiris und Typhon am Ufer des Nils und die hellenische Heldensage unter den Mauern der siebentorigen Thebä in Szene gesetzt hatte. In jenem Palatium der Cäsaren zu Rom, in welchem nicht weniger vielfach an der Menschheit gefrevelt worden ist, als nachmals im Vatikan der römischen Päpste an ihr gefrevelt wurde, im Gemache der Kaiserin selbst hat der wilde Karakalla seinen Bruder und Mitkaiser meuchlerisch anfallen lassen und eigenhändig angefallen. Umsonst versuchte die verzweifelnde Mutter mit Brust und Armen den jüngeren Sohn zu decken. Das Blut des tödlich getroffenen Geta überspritzte sie, und sie selbst wurde an der Hand verwundet, vielleicht durch dasselbe Schwert, womit seinen Bruder erschlagen zu haben Karakalla sich rühmte, als er es, ein grauenhaftes Weihgeschenk, im Tempel des Serapis aufhängte. Übrigens war der Gemordete nicht besser gewesen als der Mörder, aber dieser war der Stärkere. Karakalla hat einen der greulichsten Höllenwitze gerissen und vielleicht den gräßlichsten aller Reime zuwege gebracht, als er seinem Befehl, den erschlagenen Bruder unter die Zahl der Götter zu versetzen, die Worte beifügte: » Sit divus, dum non sit vivus« (Meinetwegen soll er göttlich sein, wenn er bloß nicht lebendig ist).

Julia Domna ertrug es, zu leben. Der Ehrgeiz hielt sie aufrecht. Der einzige menschliche Zug in der Bestie Karakalla scheint eine gewisse Rücksichtnahme zugunsten seiner Mutter gewesen zu sein. Sie besaß demzufolge während der Kaiserschaft des Scheusals einen bedeutenden Einfluß, konnte ihre Verwandten mit Reichtümern überschütten und machte in prunkvollem Stil die Honneurs im Palatium. Hier lebte bei ihr eine Schwester, Mäsa geheißen, welche zwei Töchter hatte, man weiß nicht von wem. Die ältere hieß Soämis und hatte einen Sohn, Bassianus genannt, die jüngere hieß Mammäa und hatte einen Sohn, Alexianus benamset. Von diesen beiden Damen sagte ihre Mutter aus, daß sie mit dem Antonius-Karakalla in Buhlschaft gelebt und ihre Söhne von ihm empfangen hätten. Die letztere Angabe konnte wahr sein, war aber doch zweifelhaft. Denn die beiden Schwestern hatten in jungen Jahren sehr vielseitig gelebt und geliebt. Insbesondere die Soämis, von welcher es hieß, sie habe bei Hofe allerlei Schandbares getrieben und geradezu wie eine Lustdirne sich aufgeführt (» quum meretricis more vivens in aula omnia turpia exerceret«). Ihr Sohn Bassianus galt allerdings für einen Bastard Karakallas, doch gaben ihm seine Mitschüler den Spottnamen Varius, um anzudeuten, daß man nicht wüßte, wer eigentlich sein Vater quod vario semines de meretrice utpote conceptus videretur«). Der Junge hat nachmals seinem Schmutzursprung alle Ehre gemacht.

Zu Anfang des Jahres 217 befand sich die kaiserliche Familie in Syrien. Die Kaiserin-Mutter Julia hielt ihren Hof zu Antiochia und hatte ihre Schwester Mäsa, ihre beiden Nichten und Großneffen bei sich. Karakalla war zu Edessa, einen Feldzug gegen die Parther rüstend. Dieser Kaiser hätte eigentlich in der gelobten Zeit des Militarismus, d. h. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu leben und zu herrschen verdient. Denn er war ein richtiger Soldatenkaiser und von den Truppen, welche unter ihm goldene Tage hatten, angebetet. Als oberste Regierungsmaxime diente ihm ein Wort, welches er von seinem Vater Sever überkommen zu haben behauptete, wahrscheinlich aber selbst erfunden hatte: »Die Liebe der Armee gewinnen und sichern und die sämtlichen übrigen Untertanen für nichts achten«. Ein moderner Cäsar, Napoleon III., hat dieses Thema in einer seiner Thronreden sinnreich dahin variiert, daß am angesehensten sei, wer die meisten Soldaten habe » L'influence d'une nation dépend du nombre des hommes qu'elle peut mettre sous les armes.«. All ihr »Ideologen« des 18. Jahrhunderts, ihr großen Denker, Forscher, Dichter, ihr armen Humanitätsnarren, was würdet ihr dazu sagen, wenn ihr hörtet, daß hundert Jahre nach euch die höchste »Staatsräson« Europas glücklich wieder bei dem Regierungsprinzip Karakallas angelangt sei! Was ihr dazu sagen würdet? Wahrscheinlich, da zu hoffen, ihr wäret derweil gescheiter geworden, nur das Lapidarwort des alten Logau:

»Die Welt ist rund und dreht sich 'rum,
Drum sind die Menschen schwindeldumm.«

An dem Bilde des kaiserlichen Brudermörders würde ein sehr wesentlicher Zug fehlen, wenn er nicht »fromm« gewesen wäre. Er war es aber. Ja, er ist sozusagen an seiner Frömmigkeit zugrunde gegangen. Denn eine von ihm zum Tempel der Mondgöttin Astarte unweit Karrhäs in Mesopotamien unternommene Wallfahrt gab eine schickliche Gelegenheit zu seiner Ermordung. In Beziehung auf ihren Ausgang hatten es die antiken Cäsaren nicht so gut wie ihre modernen Kollegen. Nur ausnahmsweise konnten jene so bequem in ihren Betten sterben wie diese. In der Regel mußten die antiken Despoten schließlich selber leiden, was sie zuvor andere hatten leiden lassen. Die Nemesis hatte damals noch nicht das Zipperlein, welches sie jetzt verhindert, ihren Geschäften nachzugehen.

Der Gardegeneral ( praefectus praetorio) Opilius Makrinus beschloß, den Kaiser zu töten, um nicht von ihm getötet zu werden, – ein Dilemma, welches in der römischen Kaiserzeit nie von der Tages- und Nachtordnung verschwand. Der General bediente sich als seines Mordwerkzeugs des Hauptmanns Martialis, welcher nebenbei auch das Blut eines Bruders an Karakalla zu rächen hatte. Am 8. April 217 wurde auf seinem Wege zu dem erwähnten Astartetempel der Kaiser im freien Felde und in einer nichts weniger als ästhetischen Stellung, welche beim Herodian des näheren beschrieben ist, von dem genannten Centurio mittels eines Dolchstoßes ins Genick umgebracht.

3.

Makrin hatte Glück. Der Bravo, dessen er sich zur Beseitigung Karakallas bedient hatte, wurde auf der Flucht von den germanischen Leibtrabanten des Ermordeten eingeholt und niedergemacht, bevor er plaudern konnte. Auf den General fiel kein Verdacht. Er führte eine gut gespielte Klageszene an der Leiche des Kaisers auf, um welchen die Soldaten aufrichtig, ja leidenschaftlich Leid trugen, weil er »mehr ihr Kamerad und Tischgenosse als ihr Herrscher gewesen war«.

Das römische Reich ist damals bekanntlich die Verwirklichung des Militärstaatsideals gewesen. Der Soldat war alles und das Volk nur dazu da, den Soldaten zu ernähren und sich von ihm brutalisieren zu lassen. Die Bewohnerschaft der Hauptstadt bestand bloß aus vornehmem und geringem Pöbel, aus Schwelgern und Schmarotzern. Der römische » populus« war nur noch eine ungeheure Proletarierbande, welche auf Kosten der Provinzen mit Brot gefüttert und mit Spielen unterhalten wurde. Der römische » senatus«, vordem in der Blütezeit der Republik die erlauchteste Versammlung der Welt, konnte von einem Elagabal mit Fug und Recht als eine Sklavenschar in Togen (» mancipia togata«) bezeichnet werden. Er hatte in der römischen Militärtyrannis etwa die Stellung des Pariser Parlaments unter Ludwig XIV., d. h. er hatte die Edikte des Despotismus zu registrieren. Über den Thron verfügten die Soldaten, vorab die Garden, und sie waren es auch, welche im Jahre 217 den erledigten neu besetzten, indem sie den Mitpräfekten Makrins, den alten Adventus, zum Imperator und Augustus ausriefen. Allein der Gekürte weigerte sich, Alter und Bresthaftigkeit vorschützend, der gefährlichen Ehre, und so triumphierte die Diplomatie des Makrinus, welcher die Mehrzahl der Generale und Obersten für sich zu gewinnen gewußt hatte. Auf Betreiben derselben wurde der Numidier, welchem seine Feinde nachsagten, daß er, von Geburt ein Sklave, früher das Gewerbe eines Gladiators getrieben hätte, durch das Heer, wiewohl nur widerwillig, mit dem kaiserlichen Purpur bekleidet und hierauf, wie selbstverständlich, vom römischen Senat und Volk jubelnd als Souverän begrüßt.

Die makrinische Herrlichkeit währte aber nicht lange. Der Mann war kein richtiger Soldatenkaiser und überhaupt mehr Zivilist als Militär. Die Soldaten zweifelten sogar an seinem physischen Mut. Bald haßten sie ihn auch als Mörder ihres geliebten Karakalla, denn es war von dem wahren Zusammenhang dieser Mordgeschichte doch allmählich mehr und mehr ruchbar geworden. Hierzu kam, daß Makrin verständig genug war, einzusehen, wie notwendig und wünschbar eine Reform des verwilderten Heerwesens sei. Es verlautete auch von seinen Reformplänen genug, um die Soldaten argwöhnisch und unwirsch zu machen, was für den Kaiser um so bedenklicher, als er nicht die Energie besaß, die in Syrien angehäufte Heeresmasse aufzulösen, in welcher die Erinnerungen an die schöne Karakallische Soldatenzeit voll Wohlleben und Ungebundenheit den Geist der Meuterei so sehr großgezogen hatten, daß es nur einer Veranlassung zu offenem Losbruche bedurfte. Die Veranlassung kam bald, und der Losbruch erfolgte ungesäumt.

Makrin hatte den toten Karakalla feierlich verbrennen lassen und die Urne mit der Asche desselben der Kaiserinmutter nach Antiochia gesandt. Überhaupt benahm er sich mit rücksichtsvoller Artigkeit gegen die greise Julia, wie ihm das seine Politik gebieten mußte. Sie jedoch vermochte es entweder nicht zu verwinden, ihre beiden Söhne in solcher Weise verloren zu haben, oder aber war es ihrem Stolze zuviel zugemutet, jetzt, am Ende ihres Lebens, vom Rang einer Augusta noch in den privatlichen hinabzusteigen, und so starb sie bald und zwar, soweit die hier etwas unklaren Quellen eine bestimmte Angabe zulassen, des freiwilligen Hungertodes. Als sie dahin, ging ihrer Schwester Mäsa der Befehl zu, mit ihrer Familie den Kaiserpalast von Antiochia zu räumen und in ihre Heimat zurückzukehren. Doch durfte sie die kolossalen Reichtümer, welche sie und ihre Töchter seit zwanzig Jahren angehamstert hatten, mitnehmen. Mäsa begab sich demzufolge nach Emesa In Syrien, arabisch Hems oder Hims, das syrische Schilda oder Krähwinkel oder Schöppenstädt. Der arabische Dichter Hariri hat es zum Schauplatz einer seiner genialsten Makamendichtungen gemacht (»Der Schulmeister von Hims«)., wo sie mit ihren Töchtern Soämis und Mammäa und ihren Enkeln, dem siebzehnjährigen Bassianus und dem dreizehnjährigen Alexianus, sich niederließ und ein großes Haus machte.

Die alte Dame war eine siebenfach filtrierte Ränklerin und hat sicherlich, als sie das kaiserliche Palatium räumen mußte, den Entschluß einer Rückkehr erwogen und gefaßt. Keineswegs gewillt, ihrer Schwester freiwillig nachzusterben, sagte sie sich, daß sie in ihren alten Tagen wohl noch die Freude erleben könnte, die Großmama des Herrn der Welt zu sein, und diese Möglichkeit einmal ins Auge gefaßt, arbeitete sie mit folgerichtiger Schlauheit darauf hin, das als möglich Erkannte wirklich zu machen. Die große Intrige wurde gegrundfestet dadurch, daß Mäsa und ihre Helfershelfer und Handlangerinnen das schon vorher umgegangene Gerüchtsgeflüster, ihre beiden Töchter seien die Mätressen Karakallas gewesen und namentlich der Sohn der Soämis unzweifelhaft eine Frucht dieser Buhlschaft, nach Kräften verstärkten und anschwellen ließen, – eine Machenschaft, welche auf die fanatische Anhänglichkeit der Soldaten an Karakalla berechnet war. Sodann handelte es sich darum, den jungen Bassianus auf ein Postament zu stellen, auf welchem er sichtbar werden und die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte.

Hierzu bot gerade Emesa eine vortreffliche Gelegenheit. Es befand sich nämlich am Orte einer der größten und besuchtesten Tempel des Bal, des großen mit der Sonne identifizierten Schöpfer- und Zeugungsgottes der semitischen Völker. In dem von goldenen und silbernen Weihgeschenken starrenden, mit prächtigen Geweben und kostbarem Juwelenschmuck verzierten Heiligtum wurde als Idol des Gottes ein großer schwarzer Stein in Phallusform verehrt, angeblich vom Himmel gefallen, wie man das auch anderwärts diesen Phallussteinen nachsagte, welche überall Hauptsymbole des Balkultus gewesen sind. Denn der große Zeuger-Gott wurde folgerichtig im Bilde des Phallus angebetet. Mäsa ersah sich den Sonnentempel ihres Wohnorts zum Ausstellungslokal, sozusagen zum Schaufenster für ihren Enkel. Ihr Ansehen und ihr Geld brachten es leicht zuwege, daß Bassianus zum Oberpriester des Bal geweiht wurde, und ihre Agenten versäumten auch nicht, die Soldaten des römischen Armeekorps, welches in der Nähe der Stadt im Standlager stand, leise darauf aufmerksam zu machen, daß es sich wohl der Mühe lohnte, mitanzusehen, wie der schöne junge Oberpriester, welcher seinem kaiserlichen Vater wie aus dem Gesichte geschnitten wäre, seine priesterlichen Pflichten verrichtete.

Die in Scharen zum Balheiligtum strömenden Soldaten fanden bald, daß es sich allerdings der Mühe lohnte. Wenn der schöne Junge – der ernste Herodian nennt ihn geradezu den »schönsten Jüngling seiner Zeit« – im langen purpurnen Untergewand und goldstoffenen Überwurf, auf den fliegenden Locken einen Kranz von aus Gold und Edelgestein geformten Blumen, beim Klange der Flöten, Zimbeln und Pauken im ekstatischen Opfertanze um den Altar sich schwang, da glaubten die römischen Kriegsleute durch die wirbelnden Weihrauchswolken hindurch den heiteren Gott Bacchus zu erblicken und öffneten nur um so begieriger ihre Ohren den Einflüsterungen der unter sie gemischten Sklaven und Eunuchen Mäsas, daß sie den Sohn ihres geliebten Karakalla vor sich hatten, und nicht minder willig öffneten sie ihre Hände den Goldstücken und Silberlingen, mittels welcher die Agenten des alten Schlauweibes die angebliche Ähnlichkeit Bassians mit Karakalla immer glaubhafter zu machen wußten.

Der Junge, welcher übrigens ein nach der Weise seines Heimatlandes frühreifer Junge war, ließ seine Großmutter gewähren. Er hatte zu dieser Zeit nur Sinn oder schien wenigstens nur Sinn zu haben für seine priesterlichen Verrichtungen. Der Dienst seines Gottes, welchen Griechen und Römer mit einer aus Griechisch und Semitisch übel zusammengekuppelten Tautologie Heliogabal benamseten, wurde von ihm so recht con amore betrieben. Er glaubte auch später an Bal, war überzeugt, daß dieser Gott ihn zum Herrn des römischen Reiches gemacht hätte, und bewies ihm in jeder Weise seine Dankbarkeit. Unter anderem auch dadurch, daß er den Namen des Gottes zu seinem eigenen erkor und sich demzufolge Elagabal oder Heliogabal nannte Ela ist identisch mit dem hebräischen El, Eljon, Elohim und dem arabischen Elah, Ausdruck des semitischen Gottesbegriffs. Gabal bedeutet formen, schaffen, zeugen. Elagabal ist demnach der formende, schaffende, zeugende Gott. Da aber Gabal oder Gebal in den semitischen Sprachen auch Berg bedeutet, so kann man Elagabal auch mit »Berggott« verdeutschen und Bal verdiente bekanntlich so zu heißen, da er vorzugsweise auf Höhen verehrt wurde..

Die Intrige der ehrsüchtigen Großmama hatte raschen und vollständigen Erfolg, wie denn das mit Schlauheit zu Faden geschlagene und mit skrupelloser Energie fertiggenähte Böse bekanntlich immer Erfolg hat. Eine alte Vettel machte einen syrischen Bankert zum Imperator und Augustus, damit die Welt das erbauliche Schauspiel erlebte, wie der Wahnwitz eines aus Allmachtbewußtsein und Genußraserei tollgewordenen Knaben auf dem Throne des römischen Imperiums sich ausnähme. Eines schönen Tages oder vielmehr einer schönen Nacht holten die bei Emesa stehenden Truppen die Mäsa samt ihrer ganzen Sippschaft ins Lager, begrüßten den Bassianus oder Elagabal als den Sohn Karakallas mit dem Namen Antoninus und warfen ihm den kaiserlichen Purpurmantel um die Schultern. Andere nah und fern stationierte römische Brigaden und Divisionen stimmten, als sie hörten, daß Domina Mäsa über ganze Haufen Goldes zu verfügen hätte, dieser Kaiserwahl bei. Makrinus ließ die Gefahr großwachsen, in Antiochia seine Zeit vertrödelnd. Rechtzeitiges und nachdrucksames Eingreifen hätte wohl den ganzen Schwindel zerblasen, denn noch hielten die Prätorianer, erbost, daß Linientruppen das Gardeprivilegium der Kaisermacherei anmaßlich ausgeübt hatten, an Makrinus fest. Allein dieser erwies sich, nachdem er endlich den ganzen Ernst der Lage erkannt hatte, nicht als der Mann, sie zu bewältigen. Kopflos und feige, gab er das begonnene Waffenspiel vorzeitig verloren, während der weichlich-üppige Junge von Balpriester in der Entscheidungsschlacht vorübergehend zum herzhaften Streiter wurde. Den Ausschlag tat, daß einer der Eunuchen Mäsas, Gannys geheißen, mit einmal den strategischen Blick und das taktische Talent eines richtigen Generals entwickelte. Unmänner von Verschnittenen haben ja überhaupt die Schicksale Roms zur Kaiserzeit gar häufig bestimmt.

Binnen zwanzig Tagen war die ganze Krisis vorüber. Makrin wurde auf der Flucht eingeholt und samt seinem Sohne Diaduminianus umgebracht. Der Sieger Elagabal zeigte in einem Schreiben, worin er sich Markus Aurelius Antoninus, den Sohn des Antonin-Karakalla und den Enkel des Sever nannte, dem römischen Senat an, daß dieser seine Kaiserschaft zu registrieren habe, was natürlich die »Sklaven in Togen« zu tun sich beeilten. In seiner vortrefflich stilisierten Zuschrift waren alle die schönen Phrasen ausgekramt, womit in alter und neuer Zeit neugebackene Herrscher Staat zu machen pflegten und pflegen. In unseren modernen Tagen haben insbesondere Kronprinzen die Verpflichtung, den »Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen zu pflastern«. Sie setzen eine liberal schmachtende Miene oder Maske auf, sprechen im konstitutionellsten Jargon und erscheinen nie im Publikum ohne ihren patriotisch dressierten und parlamentarisch frisierten Pudel von Hofdemagogen, – eine Menschenviehrasse, welche zu züchten erst die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts so glücklich gewesen ist.

4.

Großmama Mäsa hätte sich gern möglichst rasch in den altgewohnten Gemächern im Palatium auf dem Palatinus wiederum einlogiert. Sie trieb daher den neuen Imperator Urbis et Orbis an, nach der Siebenhügelstadt am gelben Tiber aufzubrechen; allein der Kaiserenkel eilte mit Weile, brach zwar aus Syrien auf, hielt aber in Nikomedia wieder an und vergottesdienstelte den ganzen Winter daselbst, indem er mit allem ersinnlichen Pomp den Kult seines heimischen Gottes betrieb. Er erschien dabei als Oberpriester in langen, wallenden, purpurseidenen Gewändern, goldene Spangen an den Armen, eine Goldkette um den Hals, auf dem Kopf eine hohe, von Edelsteinen funkelnde Goldtiare, die Wangen weiß und rot geschminkt, die Augenbrauen schwarz gefärbt. In diesem Aufzuge, welcher römischen Augen schlechterdings als verabscheuungswert barbarisch erscheinen mußte, ließ er sich in Lebensgröße malen und schickte das Bild nach Rom mit dem Befehl, es in der Senatshalle über der Statue der Siegesgöttin aufzuhängen. Jeder Senator sollte beim Eintreten dem »neuen Gott Elagabal« Weihrauchopfer darbringen. Vergeblich schüttelte die alte welterfahrene Mäsa zu alledem bedenklich den Kopf. Der Herr Enkel fragte schon keinen Pfifferling mehr nach ihr. Ein Herr der Welt, ein Cäsar, ein Augustus, ein Gott an das Schürzenband einer kopfschüttelnden Großmutter geknüpft? Lächerlich! Die gute Großmama aber mochte denken: Gut, daß ich für alle Fälle einen zweiten Enkel in petto habe, einen zweiten Kaisersproß, dieweil ja mein lieber Neffe Karakalla auch meiner »Vollbusigen«, meiner Mammäa, zu nahe gekommen sein soll.

Die Römer, d. h. die tausende vornehmer Lakaien und die hunderttausende gemeiner Schmarotzer, woraus die Bevölkerung der Reichshauptstadt zusammengesetzt war, ließen sich ihren neuen Balspfaffen-Kaiser, als er endlich in ihrer Mitte zu erscheinen geruhte, unweigerlich gefallen. Er gab ja dem »römischen Volke« die bei Regierungsantritten üblichen Spenden, sehr reichlich sogar, und erfreute den hohen und niedrigen Pöbel mit prachtvoll ausgestatteten Spektakeln aller Art. Ein vortrefflicher Princeps und Imperator demnach, welchem ein durch ihn also vergnügtes Volk hinwieder auch sein Vergnügen lassen mußte.

In erster Linie sein religiöses Vergnügen, wobei ja auch für die guten Untertanen Augen- und Ohren- und Gaumenschmäuse aller Art, Prozessionen, Wagenrennen in der Arena, Gladiatorenschlächtereien im Zirkus, Seegefechtespiele in der Naumachie mit abfielen. Der Kaiser konnte ohne seinen geliebten Bal nicht leben. Er brachte das phallische Idol desselben aus Emesa mit nach Rom und erbaute ihm zur Seite des Palatiums auf dem Palatinus einen prachtvollen Tempel, wo er seines Priesteramtes tagtäglich mit kolossaler Pompentfaltung waltete und die Großen des Reiches, angetan mit Linnenkleidern nach phönizischem Schnitt, die Leviten und Ministranten machen mußten. Hierbei kam auch die molochistische Seite des Balkultus nicht zu kurz; denn unter anderen Darbietungen brachte der Kaiserpfaffe seinem Gott auch Menschenopfer dar, die schönsten Knaben, welche man in ganz Italien auffinden konnte. Es wurde dabei darauf gesehen, daß diese zu Opfern bestimmten Knaben aus guten Familien waren und noch Väter und Mütter besaßen, damit der Schmerz ihrer Hinterlassenen die Opfer dem Gotte um so angenehmer machte. Einen zweiten Tempel erhielt dieser in einer Vorstadt, und der kaiserliche Oberpriester führte das Idol in feierlichem Aufzug dorthin über. Der schwarze Phallusstein stand auf einem goldenen, von Juwelen funkelnden und von einem milchweißen Sechsgespann gezogenen Wagen. Die ganze Straße war mit Goldstaub bestreut. Vor dem Wagen her lief, rückwärts gehend, der Kaiser, die Augen unverwandt auf den Gott geheftet, welchem der Senat, die Ritterschaft und die Garde das Geleit gaben, während nebenher das Volk wogte, Fackeln schwingend und Blumen werfend.

Allein inmitten all dieser ausgesuchten und kostbaren Huldigungen langweilte sich der arme Bal. Sein imperatorischer Oberpriester kam daher auf den sinnreichen Einfall, dem Gotte durch eine Heirat die Langeweile zu vertreiben, und ersah ihm zunächst die Pallas zur Gemahlin. Das Bild der jungfräulichen Göttin, welches der Sage nach Äneas mit aus Troja gebracht hatte, wurde demzufolge mit Gewalt aus dem Heiligtum der Vesta geholt und in den Balstempel gebracht. Aber der üppige syrische Gott fand keinen Geschmack an der ernsten hellenischen Göttin, worauf Elagabal die übel zusammengefügte Ehe wieder trennte und als eine passendere Lebensgefährtin für seinen Sonnengott die phönizische Mondgöttin Astarte samt ihren Tempelschätzen aus Karthago – die Karthager mußten ihre entführte Göttin auch noch mit einer »Mitgift« ausstatten – herüberholen ließ. Nach ihrer Ankunft geruhte der Kaiser zu befehlen, daß ganz Rom und Italien fröhlich sein sollten, »sintemalen Götter Hochzeit machten«.

War der Gott verheiratet, so mußte es auch der Vizegott und Oberpriester sein. Elagabal vermählte sich demzufolge zuerst mit einer Jungfrau aus dem erlauchten Geschlechts der Kornelier. Er gab dieser seiner Gemahlin den Titel Sebaste (Majestät), verstieß sie aber bald wieder wegen eines Muttermals an ihrem Leibe, wie es hieß. Wie in der christlichen Gesellschaft für die blasierte Wüstlingsschaft Nonnen Anziehungskraft haben, so richtete sich in der römischen das krankhafte Gelüst auf die Vestalinnen. Die Vestapriesterin Aquileja Severa wurde dem Heiligtum der Göttin gewaltsam entrissen und ins kaiserliche Brautbett gezwungen. Diese Tempelschändung und Blasphemie scheint doch in Rom etwelches Murren erregt zu haben; denn der Kaiser fand für gut, seine Freveltat in einem Schreiben an den Senat zu entschuldigen, worin er sagte: »Mir ist eben auch etwas Menschliches begegnet, und ich kann nichts dafür, daß ich mich in das Mädchen leidenschaftlich verliebte, übrigens ist ja die Ehe eines Priesters und einer Priesterin ganz in der Ordnung.« Das leidenschaftliche Verliebtsein währte aber nicht lange. Elagabal schickte die Ex-Vestalin wieder weg und heiratete eine vornehme Dame, Annia Faustina geheißen. Weitere Namen von Gemahlinnen des Kaisers werden nicht genannt, wohl aber der Name von Gemahlen.

Elagabals Ehen nämlich waren zumeist nicht im Himmel, sondern in Sodom geschlossen. Aber die Römer konnten auch hierzu sagen: »Alles schon dagewesen«. Hatte ja der »göttliche« Nero zweimal in aller Öffentlichkeit sodomitisch sich verheiratet. Einem »Exoletus« namens Pythagoras hatte er sich als Weib antrauen lassen »Dem Kaiser wurde das Haupt mit dem feuerfarbenen Brautschleier ( flammeum) verhüllt, man sah Priester, Mitgift, Brautbett und Hochzeitfackeln; kurz, alles wurde so recht zur Schau gestellt, was selbst bei der Vermählung mit einem Weibe die Nacht verhüllt.« Taritus, Annal. XV, 37.. Später hatte er dann den armen, schönen und grausam verstümmelten Knaben Sporus, dessen Züge ihn an die der geliebten, aber doch gemordeten Poppäa erinnerten, zur Frau genommen » Puerum Sporum exsectis testibus etiam in muliebrem naturam configurare conatus.« Sueton, Nero 28.. Elagabal eiferte diesem erlauchten Vorbild und Vorgänger nach, indem er für sich zuerst einen gewissen Hierokles, dann mit noch größerer Feierlichkeit einen Kerl namens Zotikus zum Gemahl erwählte. Der letztere hielt den wahnwitzigen Jungen ordentlich unter dem Pantoffel und wurde von den höchsten Reichswürdenträgern so behandelt, als »wäre er wirklich der Mann seines Gebieters«. Auch Neros komödiantische Neigungen fanden sich bei dem kaiserlichen Balspriester wieder. Es genügte ihm nicht, als solcher zu komödieren, er agierte auch als Mime. Im kaiserlichen Palast wurde ein Ballett, »Paris und Venus« betitelt, aufgeführt, in welchem der Kaiser die Venus agierte, und zwar dergestalt, daß er aus seiner Rolle den schauderhaftesten Unzuchtgreuel machte, welcher jemals in diesen mit allem Schandbaren und Ruchlosen besudelten Mauern geschehen ist.

5.

Die erste Herrschertat, welche Elagabal nach seiner Ankunft in Rom vollbrachte, war der Befehl an den Senat, Unerhörtes zu beschließen, nämlich einem Weibe, der Kaiserinmutter Soämis, Sitz und Stimme in den Senatsversammlungen zu verleihen. So erschien denn neben den »Klarissimi«, wie die Senatoren betitelt waren, jetzt zum erstenmal eine Klarissima in der Kurie: ein knäbisch mutwilliger Hohn und Spott auf alle Traditionen des Römertums. In demselben Stile regierte der Kaiser dann weiter. Der Weg zu den höchsten Staatsämtern führte über Sodom. Denselben einschlagend wurden Tänzer, Maultiertreiber, Kutscher und Barbiere Gardegenerale und Minister.

Das widernatürliche Laster, überhaupt die Pestbeule der antiken Gesellschaft, war unter Elagabal sozusagen zur höchsten Staatsräson erhoben. Diese Pestbeule hat übrigens auch in der modernen Welt allzeit und überall sich gezeigt, wo und wann der Despotismus seinen Höhengrad erreichte. Am Hofe Ludwigs XIV. z. B. grassierte, wie uns die Briefe der ehrlichen und mit der Sprache gerade herausgehenden Elisabeth Charlotte d'Orleans bezeugen, die Mode, daß Herren »die Damen agierten«. So drückt es die gute Pfälzerin aus, und sie versichert, daß auch die Jugend des nachmals so berühmt gewordenen Prinzen Eugen von Savoyen durch diesen Greuel befleckt gewesen sei. Übrigens sorgt ja schon der kirchliche Zölibat auskömmlich dafür, daß diese Pest nicht aufhöre, und wer etwas gegen das heilige Institut einwenden wollte, »der sei verflucht!«

Man könnte glauben, Elagabal wäre von einer dämonischen Begierde und Absicht getrieben worden, zu versuchen, wie weit wohl die menschliche Geduld reichte, was alles die Niedertracht der Menschen sich bieten und antun ließe. Allein dies annehmen, hieße dem afterwitzigen Jungen zuviel Ehre erweisen. Es war keine Methode, kein pessimistisches System in dieser Narrheit, wie die Welt sie zum zweitenmal nicht gesehen hat. Alles, was die Verirrung der menschlichen Phantasie jemals ausgetiftelt hat, kindisch-rasende Vergeudung, schweinisch im Kote sich wälzende Liederlichkeit, Kolossales und Albernes zu einem scheuseligen Mischmasch zusammenmantschende Launenhaftigkeit, das alles war in diesem tollgewordenen syrischen Buben verkörpert. Elagabal war geradezu ein Unikum. Er hätte von Rechts wegen in Spiritus aufbewahrt und der Nachwelt als das seltenste Naturspiel moralischer Mißgestaltung überliefert werden sollen, als die ungeheuerlichste geistige Mißgeburt.

Elagabals Tage und Nächte waren eine ununterbrochene Aneinanderreihung von Narreteien, Schamlosigkeiten und Grausamkeiten. Er zuerst trug in Rom ganze Anzüge von reiner Seide, welcher Stoff damals noch so kostbar war, daß er buchstäblich mit Gold aufgewogen wurde. Ein Pfund Seide kostete ein Pfund Gold. Die kaiserliche Tafel durfte nie weniger als 100 000 Sesterzen kosten. Wie vordem Kaligula, so machte auch Elagabal aus dem kaiserlichen Palatium ein Bordell. Er badete in Rosenessenz und in den kostbarsten Weinen. Die Erfindung einer neuen Brühe war eine wichtige Staatsangelegenheit. Selbst zu den niedrigsten animalischen Verrichtungen bediente sich der tolle Prasser nur goldener und murrhinischer Gefäße. Für Monstrositäten der Unzucht setzte er Prämien aus. Heute wandelte ihn die Laune an, zehntausend Ratten oder zehntausend Marder oder zehntausend Katzen auf einem Haufen sehen zu wollen, morgen befahl er, ihm tausend Pfund Spinnengewebe zu bringen. Inmitten raffiniertester Schwelgereien und Genüsse vor Begierde verschmachtend und nach Zerstreuung lechzend, ließ er lebenden Hähnen die Kämme ausreißen, lebenden Nachtigallen die Zungen ausschneiden, lebenden Pfauen und Krammetsvögeln das Gehirn auspressen, lebenden Papageien und Fasanen die Köpfe abdrehen. Vor seine goldenen Wagen spannte er Hunde, Hirsche, Kamele, Tiger, Löwen, Elefanten, oder zur Abwechslung vier schöne nackte Mädchen, während er selber nackt kutschierte. Seinen Parasiten machte er kostbare Vasen zum Geschenk, angefüllt mit Kröten, Skorpionen oder Schlangen. In seinen bübischen Späßen regte sich überall der Kitzel der Grausamkeit. Seine zu Tische geladenen Schmarotzer und Speichellecker hielt er so lange hin, bis sie recht hungrig geworden, und dann ließ er ihnen köstliche Gerichte vorsetzen, welche aus Wachs oder Alabaster täuschend nachgebildet waren. Betrunken gemachte Gäste ließ er nach ausgeschlafenem Rausche in einem versperrten Gemache zu ihrem Todesschrecken mitten unter Bären, Löwen und Tigern erwachen, welchen die Zähne ausgebrochen waren. Mitunter, wenn seine Tischgenossen recht munter waren, schlich sich der Wirt davon. Dann schob sich plötzlich die Decke des Speisesaals auseinander, ein nicht endenwollender Wolkenbruch von Rosen, Violen und Lilien fiel aus der Öffnung herab und erstickte die eingeschlossenen Schmausenden unter seiner duftenden Wucht.

Und während dieses Narrenspiel des Cäsarismus im oberirdischen Rom tobte und tollte und der orientalische Sensualismus die ganze Wut seiner Willkür in der Elagabalischen Orgie ausließ, bereitete und rüstete im unterirdischen Rom, in den Katakomben, wo die »Christianer« ihrem gekreuzigten Schmerzensgott düstere Hymnen sangen, der orientalische Spiritualismus sich zu seinem Vernichtungsstoß auf die von innen heraus verfaulte antike Welt.

6.

In diesem Tollrausch balspfäffisch-kaiserlicher Lebensführung, welche die ganze Ordnung der Natur umzukehren, zu verkehren, zu verhunzen und zu verschänden trachtete, zuckte zuweilen wie ein stechender Schmerz der Gedanke auf: Was wird das Ende sein?

Ein syrischer Bettelprophet soll dem verrückten Jungen von Kaiser prophezeit haben, sein Tod würde ein gewaltsamer sein. Eine wohlfeile Prophezeihung; denn wo und wie hätte der Heliogabalismus anders enden können und sollen als in einer Blutlache? Der wahnwitzige Kaiserbube fühlte in lichten Momenten das selber sehr wohl, und er hat sich sogar in seiner Weise darauf vorbereitet. Er ließ sich Stricke von Seide, Purpur und Scharlach drehen, um sich damit, so der bittere Augenblick gekommen wäre, zu erwürgen. Er hielt auch goldene Degen und Dolche bereit. In Dosen von Perlen, Smaragden und Amethysten verwahrte er schnellwirkende Gifte. Zuletzt ließ er einen hohen Turm erbauen und den Boden am Fuße desselben mit Gold und Edelsteinen pflastern. Da wollte er sich im Notfälle herabstürzen: auch sein Tod sollte kostbar und prächtig sein. Es kam aber anders: Elagabals Tod war nichts weniger als prächtig, obzwar seines Lebens durchaus würdig.

Die alte Mäsa hatte schon lange erkannt, daß ihres älteren Enkels sinnloses Rasen mit einer Katastrophe endigen müßte. Sie suchte sich daher beizeiten so einzurichten, daß sie nicht mitbetroffen würde. Ihre jüngere Tochter ging auf die Absichten und Veranstaltungen der Mutter ein, während die schandbare Soämis (» probrosissima mulier«) die Tollheiten ihres Sohnes gedankenlos gewähren ließ und mitmachte. Mäsa fädelte die Sache recht schlau ein. Sie wiederholte ihrem kaiserlichen Enkel fortwährend, wie es schade sei, daß die Regierungssorgen und weltlichen Geschäfte seine Zeit so sehr, zu sehr in Anspruch nähmen und er demnach für seine geistlichen Obliegenheiten, seine priesterlichen Verrichtungen, Opferungen, Feste und bacchischen Pompe nicht Stunden und Tage genug übrig hätte. Er sollte sich daher für seine profanen Geschäfte einen Gehilfen zulegen, und wer anders könnte das sein als sein Vetter Alexianus? Elagabal ging auf die großmütterliche Leimrute, adoptierte seinen Vetter, erklärte ihn zum Cäsar und Mitkonsul und ließ das betreffende Dekret vom Senat registrieren. Als Gegengefälligkeit verlangte er, daß Alexianus seine Tollheiten, Bübereien und Ausschweifungen mitmachte; allein Mammäa verhinderte das und sorgte sehr umsichtig dafür, daß ihr Sohn geistig und körperlich für seinen künftigen Herrscherberuf tüchtig vorgeschult wurde. Nebenbei mußte der junge Cäsar seinen Namen Alexianus mit dem Namen Alexander vertauschen, weil, wie man die Gardesoldaten wissen zu lassen Sorge trug, der Vater des Prinzen, der unvergeßliche Karakalla, diesen Namen als den des mazedonischen Heros vor allen hochgehalten habe. Endlich wurde zugunsten des Prätendenten auch das Mittel in Anwendung gebracht, worauf, wie Herodian sich ausdrückt, »die Soldaten am meisten sehen«, oder welches »auf sie am kräftigsten wirkt«, d. h. Geld. Mammäa spendete es unter der Hand reichlich zur Verteilung an die Truppen.

Die Bevorzugung, welche Alexander von seiten der Prätorianer erfuhr, wurde bald so auffallend, daß sich Elagabal in nüchternen Augenblicken sagen mußte, sein Vetter-Mitregent oder die hinter demselben Stehenden paßten nur eine günstige Gelegenheit ab, ihn selber beiseite zu stellen, was im Sprachgebrauch der römischen Kaiserzeit mit umbringen gleichbedeutend war. Er versuchte daher das Prävenirespiel zu spielen, war aber ein allzu jämmerlicher Spieler, um gewinnen zu können. Der Elagabalische Wahnwitz hatte sich zu dieser Zeit schon zu völligem Blödsinn verwässert. Aus dem Narren war ein Trottel geworden. Sonst hätte Elagabal nicht ganz offen und öffentlich von den Anschlägen gesprochen, welche er gegen seine Tante Mammäa und ihren Sohn in Ausführung bringen wollte. Es war leicht, diese Anschläge zu vereiteln, und nun ermannte sich der Kaiser – wie es scheint, auf Antreiben von seiten seines Buhlers Hierokles – zu einem gewaltsamen Versuch. Er entsetzte seinen Vetter der cäsarischen Würde. Die Garden murrten, ließen sich aber für den Augenblick noch beschwichtigen und begnügten sich, ihren General zu beauftragen, für die Sicherheit des jungen Alexander zu sorgen.

Das Gesindel, welches den Palast erfüllte, Verschnittene und Pfaffen, Lustknaben und Freudenmädchen, Tänzer, Zirkuskutscher und Barbiere, fand sich aber mißbehaglich und traute dem Frieden nicht. Alexander sollte daher beseitigt werden. Man drängte den Kaiser, den Wurf zu wagen und zunächst die Stimmung der Truppen einer gefährlichen Probe zu unterstellen, indem man das Gerücht ausgehen ließe, der Prinz läge im Sterben. Nähmen die Soldaten das geduldig hin, so könnte man ja das Gerücht zur Wahrheit machen.

Aber die ungeschickte Probe schlug fehl. Die Prätorianer barsten draußen in ihrem Barackenlager in Wut aus, sowie das erwähnte Gerücht zu ihnen gedrungen war. Sie weigerten sich, die zur Ablösung der Palastwache bestimmte Kohorte in die Stadt zu schicken, was soviel bedeutete, wie wenn die türkischen Janitscharen ihre Fleischkessel auf dem Et Meidan umstürzten. Beides war eine Erklärung des Aufruhrzustandes. Hierauf schlossen die Garden die Lagertore und erklärten, auf keine Verhandlung sich einlassen zu wollen, bevor sie den Cäsar Alexander in ihrer Mitte sähen.

Darob fiel der balspfäffische Jämmerling in Angstschweiß. Er ließ eilends seinen Vetter holen, nahm ihn in seinen kaiserlichen Palankin, welchem die Sänfte der Kaiserinmutter Soämis folgte, und begab sich mit Pomp und Pracht in das prätorianische Lager. Die Tore desselben öffneten sich dem kaiserlichen Zuge, aber nicht der Kaiser, sondern nur der Cäsar wurde von den Soldaten mit jubelndem Vivat begrüßt. Einer sehr unzeitigen Zornwallung nachgebend, befahl Elagabal, die Hauptschreier zu greifen und als Meuterer zu bestrafen. Das hieß den Leitstrick einer geladenen Mine anzünden. Die ganze Garde erhob sich für die verhafteten Kameraden, und die Meuterei brach mörderisch los. Der Kretin von Kaiserbube wurde in den Lagerlatrinen, wo er ein Versteck gesucht, aufgefunden und umgebracht, ebenso die Kaiserinmutter, ebenso das ganze Gesindel von Gefolge. Die Leichname Elagabals und seiner Mutter wurden von den wütenden Soldaten unter greulich-wüsten Späßen durch die Straßen der Stadt geschleift und dann in eine Kloake geworfen. So geschehen am 11. März des Jahres 222.

Alexander, nach seinem angeblichen oder wirklichen Großvater Severus genannt, wurde Kaiser, einer der besten, welche Rom gehabt hat. Nur war er allzu nachgiebig gegen seine herrsch- und habsüchtige Mutter Mammäa. Aber alle seine Tüchtigkeit konnte ihn doch nicht davor bewahren, sterben zu müssen, wie sein verrückter Vetter oder Bruder gestorben war. Alexander Severus wurde am 19. März 235 durch meuterische Soldaten in einem Dorf am Rhein erschlagen.

Der Tor und der Weise, der Feigling und der Tapfere, der Bösewicht und der Tugendmann hatten also ganz das gleiche Schicksal. Das ist der Witz der Weltgeschichte!


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