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Abschied von Wien

Ich war fürs erste fertig mit Wien. So ging ich im Jahre 1898 nach Berlin. Es war im schönen Monat Mai. Das Gastspiel fand im damaligen Goethe-Theater statt, und obwohl der Frühling ins Land gezogen, war das Theater jeden Abend bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die Herren der Presse vergötterten mich, ich wurde, wie man so sagt, vom Publikum und von der Presse auf Händen getragen, und ich bedauerte es aufrichtig, als mein Gastspiel zu Ende ging.

Ich trennte mich sehr schwer von Berlin, aber ich mußte nach Wien zurück, weil ich noch dem Verband des Hofburgtheaters angehörte. In Wien wohnte ich in der Ötzeltgasse, in einem Hause, welches dem Erzherzog Franz Ferdinand d'Este gehörte, der damals noch nicht mit der Gräfin Chotek verheiratet war. Er war ein sehr vornehmer Hausherr und hielt darauf, daß alles, was nötig war, ohne viel Fragen instand gesetzt wurde. Die Aussicht aus den Fenstern meiner Wohnung war herrlich. Ich hatte den Garten des Palais Modena vor mir und noch viele andere Gärten. Im Palais Modena wohnte die Schwester des Prinzregenten Luitpold von Bayern. Wenn er aus München zu Besuch kam, sah man sie oft im Park spazierengehen. Sonst saß sie gewöhnlich am Fenster und las. Ich liebte diese Wohnung wegen dieses schönen Ausblicks ins Grüne, und wenn ich von einer Gastspielreise nach Hause kam, freute ich mich stets über die Ruhe, die mich dort erwartete. Man konnte sich beinahe einbilden, auf dem Lande zu sein. Von einem der Fenster aus war sogar der Stephansdom zu sehen. Auch diese Wohnung hatte Wilhelmine für mich gesucht und während meiner Abwesenheit eingerichtet. Es war meine vierte und letzte Wohnung in Wien. Die erste war am Getreidemarkt, die zweite in der Babenberger Straße und die dritte am Opernring. Die meisten Tränen habe ich in meinen Wohnungen am Opernring und in der Ötzeltgasse vergossen. Tränen über die Unbilden, die ich ertragen mußte, weil das Schicksal sie mir auferlegte.

In Berlin hatte man mich sehr verwöhnt, mein Auftreten war ein künstlerisches Ereignis gewesen, so daß, als ich nach Wien zurückkehrte, nur ein geringfügiger Anlaß nötig war, um eine Explosion hervorzurufen, denn der Stachel, den ich um Wilhelmines ungerechte Behandlung im Herzen trug, saß zu tief, als daß ich leicht darüber hätte hinweggehen können. Es kam eben eins zum anderen. Nun forderte ich zum zweiten Male meine Entlassung, und jetzt wurde sie mir bewilligt. Ich sollte eine Abschiedsvorstellung bekommen, aber statt daß man mir dafür einen Abend eingeräumt hätte, setzte man »Medea« als Nachmittagsvorstellung an, und so betrat ich am 18. Oktober 1898 zum letzten Male die Bühne des Hofburgtheaters. Diese Abschiedsvorstellung sagte mir alles. Ich brauchte keine Aufklärungen mehr, ich wußte nun, warum die ganze Angelegenheit mit Wilhelmine inszeniert worden war. Die sechzehn Jahre meines Wirkens in Wien hatten mir triumphale Erfolge gebracht, wie sie nur wenigen beschieden waren, und dieser Umstand hatte offenbar den Neid einiger Persönlichkeiten so sehr geschürt, daß man sich nun nach Kräften bemühte, meine Erfolge zu verkleinern oder überhaupt unmöglich zu machen. Aber das ging nun doch nicht. Ich gastierte noch oft in Wien, und jedesmal war der übliche »Sandrockrummel« im Gange, wie die Zeitungen schrieben.

Im Raimundtheater spielte ich noch eine Premiere von Hermann Bahr, »Juana«. Während einer der letzten Proben hätte mir ein Schauspieler durch einen ungeschickten Stoß bald den Arm gebrochen, und ich mußte die Rolle mit einem Verband spielen. Hätte ich abgesagt, wäre die Premiere ins Wasser gefallen. Da hieß es, sich zusammennehmen, die Zähne aufeinanderbeißen und den Schmerz unterdrücken. Es folgten weiter die Magda in »Heimat«, die Cläre im »Hüttenbesitzer«, die »Kameliendame« und »Hamlet«. Die Erfolge waren rauschend. Wieder wurden die Pferde ausgespannt und die Blumen mir förmlich aus den Händen gerissen, so freuten sich die Wiener über mein Auftreten. Jeder wollte ein Andenken haben, und ich mußte, als ich keine Blumen mehr hatte, meine Handschuhe zerreißen und jedem einen Finger geben.

Als man sich nun in Wien von der Festigkeit meines Entschlusses überzeugt hatte, fingen die Zeitungen an zu schreiben: »D'Alemberts Wort ›Malheur d'être poète‹, von Grillparzer in der Form zur künstlerischen Grundlage seiner ›Sappho‹ erweitert, kann in einiger Modifikation das Motto zur Wertung der Persönlichkeit Adele Sandrocks bilden. Denn eine Dichterin, keine Schauspielerin im landläufigen Sinne, steht vor uns, eine echte Dichterin, der alle die Schmerzen beschieden waren, die jedes schöpferische Genie tragen muß. Die tiefe Kluft zwischen Leben und Dichten, die Grillparzer in der ›Sappho‹ so erhebend veranschaulicht, der stete Geisteskampf zwischen ideal erträumter Welt und nüchterner, realer Wirklichkeit füllt das Leben unserer Sandrock aus. Sie, die größte Meisterin der realistischen Darstellungsweise, fühlt zarter, inniger, naiver als der sentimentalste Backfisch. Und der Ausspruch eines bekannten Satirikers, sie habe den Verstand eines Napoleon und das Gemüt einer Leserin der Gartenlaube, erscheint nur allzu berechtigt. Sie ist keine Komödiantin, sie hat nichts von den Cabotins an sich, die immer zufällig mit Rezensionen beschwert einherschreiten und sie unerbittlich jedem, der sie nicht kennenlernen will, vorlesen. Sie ist von sieben Uhr abends bis zehn Uhr abends Schauspielerin und sonst Weib und nichts als Weib. Ein Weib, das nur seiner Kunst lebt und nur seiner Kunst, den Reportern so gar keine Nahrung in leiblichem und geistigem Sinne verschafft, kann bei uns keinen Wirkungskreis haben ... Was verschlägt es, daß Adele Sandrock Ibsen in Wien zum Durchbruch verhalf, Hermann Bahr und vielen anderen die Wege zur Bühne ebnete und die Dichter durch ihre gewaltige Darstellungskraft auch durchsetzte? Daß sie d'Annunzio in deutscher Sprache zu popularisieren strebte? – Sie hat Herrn X., der sie impertinent aushorchen wollte, die Tür gewiesen, Herrn Y. nicht zuerst gegrüßt und von Herrn Z. sogar verlangt, in ihrer Gesellschaft keine Zoten zu reißen. Darauf steht Verfemung und Ächtung, und Wiens größtes schauspielerisches Genie muß nach Berlin ziehen und von dort aus wieder nach Wien zurückkommen, um den Wienern zu zeigen, was sie an ihr gehabt haben. Es ist das Malheur d'être poète. Es ist der Kampf zwischen Idealismus und Realismus, zwischen Wirklichkeit und erträumter Welt. Kleine Geister müssen sich entmutigen lassen und die breite Heerstraße entlang ziehen, um mit der großen Menge in Kontakt zu bleiben. Der Starke ist auch hier am mächtigsten allein. Das Genie kann ja zeitweise im Kampf unterliegen, aber seinen Prinzipien wird es nicht abtrünnig werden. So ist es auch bei Adele Sandrock. Sie studiert während der Zeit, die ihr das Anhören geisttötender Anekdoten raubt, lieber ihre Philosophen, vor allem den Stoiker par excellence Seneca, dessen ›tolerare dolores‹ (lerne leiden, ohne zu klagen) ihr Wahlspruch ist. Statt im Kreise der Kollegen Klatsch zu spinnen, ergeht sie sich in der freien Natur und preist die Schöpfung Gottes ... Mit bewundernden Augen sieht sie die Blumen, Wiesen, Bäume, die sie am liebsten hat, und murmelt leise vor sich hin: ›Ja, ja, Gott hat alles herrlich geschaffen, aber die Menschen stammen vom Teufel.‹ Das ist natürlich unmodern, vielleicht schablonenhaft, es verleitet auch so leicht zur Verkennung einer Individualität – doch auch hier muß der Einzelmensch, der sich von der Herde absondert, seine Freiheit wahren, und davon machte sie auch Gebrauch. Mit Adele Sandrocks Abschied aus Wien schließt für diese Stadt eine der größten schauspielerischen Epochen. Sechzehn Jahre des schwersten Ringens unter mißlichen Verhältnissen liegen hinter der Künstlerin! Die gewaltigsten künstlerischen Triumphe der letzten Jahre ziehen an unseren Augen vorüber. ›Fall Clémenceau‹, Sudermanns ›Heimat‹, ›Liebelei‹, ›Märchen‹, ›Lebendige Stunden‹, ›Sündige Liebe‹, ›Kameraden‹, ›Tochter des Kalifen‹, ›Feodora‹ und alle die anderen Glanzleistungen in der gesamten Dramatik der Klassiker von Laubes ›Karlsschüler‹ bis zu Shakespeares ›Hamlet‹ und ›Lady Macbeth‹ bezeichnen Marksteine in der Entwicklungsgeschichte der deutschen Schauspielkunst. Die Sandrock war allein befähigt, die beliebte Ausrede aller Schauspieldirektoren, die Klassiker seien nicht zugkräftig, Lügen zu strafen. Sie durfte den Hamlet fünfundzwanzigmal spielen, und Goethes ›Götz von Berlichingen‹ erlebte dank ihrer Darstellung der Adelheid unter der Direktion Burckhards allwöchentlich mindestens eine Reprise. Und nun erst ihre Leistungen in Ibsens Dramen. ›Rosmersholm‹, ›Wildente‹, ›Peer Gynt‹, ›Klein Eyolf‹ sind erst durch ihre geniale Nachschaffung der Absichten des Dichters, durch ihr Nachfühlen der subtilsten Gedanken Ibsens dem Publikum zugänglich geworden. Nun geht Adele Sandrock an das Deutsche Theater nach Berlin. Große Aufgaben harren ihrer Lösung durch die Künstlerin. Die Margit in Ibsens ›Fest auf Solhang‹, die Orsina, schon seit ihrer Burgtheaterzeit eine der genialsten Leistungen der Sandrock, die Isabella in der ›Braut von Messina‹ und die Brünhilde in Hebbels ›Nibelungen‹ sollen die ersten Etappen an ihrer neuen Wirkungsstätte bilden. Berlin geht damit großen künstlerischen Ereignissen entgegen, Wien aber steht trauernd da und denkt der Zeit, da wirkliches Kunstverständnis die Bühnengeschicke dieser Stadt bestimmte und nicht kleinliches Intriganten- und Banausentum. Adele Sandrocks Abschied muß einen Wendepunkt in der Verbannung der höchsten künstlerischen Individualitäten aus Wien bilden. Dieser größte Verlust, den wir erleiden, muß alles, was in dieser Stadt noch kunstliebend ist, mahnen, was auf dem Spiele steht, wenn die maßgebenden Faktoren nicht einsichtsvoll werden und unsere besten Kräfte auch fernerhin ruhig von dannen ziehen lassen. Wien muß seine Talente festhalten, dann wird das Opfer, das Adele Sandrock bringt, die mit inbrünstiger Liebe an Wien hängt, nicht vergeblich gewesen sein.«

Ja, es war ein Opfer, wohl das größte Opfer meines Lebens. Wie hatte ich gekämpft, gelitten und gerungen, um diese Stellung zu erreichen, und als ich sie endlich errungen hatte, türmten sich neue Berge vor mir auf, für deren Bewältigung mir die Kraft fehlte.

Einer der größten Theateragenten Berlins hatte mit mir einen Gastspielvertrag abgeschlossen, und es gibt wohl keine Stadt in Deutschland, in der ich in der Folge nicht gespielt habe. In Amerika war ich schon gewesen, nach Rußland kam ich nun noch einmal, und zwar nach St. Petersburg, Moskau, Kiew, Odessa und Jekaterinoslaw. In Riga lernte ich Hedwig Wangel kennen und lieben. Auch in Lodz spielte ich, ferner in Königsberg, Bromberg, Danzig, Memel, Tilsit, Lemberg, Czernowitz und Krakau. Auf diesen Gastspielreisen begleitete mich immer meine geliebte Mutter.

Der Tournee durch Rußland ging eine durch Holland und Belgien voraus. Ich reiste mit einer eigenen Truppe und einem Impresario, der alle Vorbereitungen zu treffen und für die nötige Reklame zu sorgen hatte. Und da er die Kosten aus meiner Tasche bestritt, ging er mit dem Geld ziemlich verschwenderisch um. Er sparte nicht und verursachte mir häufig unnütze Kosten, was schon gleich zu Anfang unserer Reise zu unliebsamen Szenen Anlaß gab.

Am 2. Oktober begann ich in Amsterdam mit Sudermanns »Heimat«. »Francillon«, »Feodora«, »Eva« und »Die Kameliendame« folgten. Ich hatte mich auf Holland besonders gefreut, weil ich hier auf dem gleichen Boden stand, auf dem meine geliebte und berühmte Mutter ihre Erfolge erfochten hatte, aber meine Erwartung wandelte sich in tiefe Enttäuschung. Mag sein, daß ein großes Fest am vorhergehenden Tag oder die Eröffnung der neuen Oper das Interesse des Publikums abgelenkt hatten, jedenfalls standen, als ich am 2. Oktober mein Gastspiel begann, mehr Personen auf der Bühne, als im Zuschauerraum anwesend waren. Die Presse war da und darüber hinaus noch ein paar andere Leute, das war alles.

Ich setzte schon gleich am ersten Abend zu, und so ging es weiter, bis sich die Tatsache meines Auftretens herumgesprochen und die Presse ihr Urteil abgegeben hatte. Nun wurde es von Tag zu Tag besser. Zum Schluß gab es sogar noch einige ausverkaufte Häuser, so daß mein Defizit nicht allzu groß war. In Utrecht, der Studentenstadt, und in Dordrecht wurden sogar Ansprachen gehalten, und ich bekam die schönsten Blumen, die ich je gesehen. Aber alles das konnte mich nicht über die wenig glanzvolle Eröffnungsvorstellung hinwegtrösten.

Als letzte Vorstellung in Holland spielten wir »Die Kameliendame«. Damit alles fix gehen sollte denn ich mußte ja den Zug erreichen – hatte ich meine Kammerjungfer mit meinen Kleidern schon zum Bahnhof vorausgeschickt, und ich wollte mich erst im Abteil umziehen. Mein Kostüm vom letzten Akt, ein Crêpe-de-Chine-Hemd und darüber ein weißer Schlafrock, ein Spitzentuch und mein Mantel waren alles, was ich noch in der Garderobe hatte.

Der Abschied, die Hervorrufe hatten wohl etwas zu lange gedauert, und der bestellte Wagen kam zu spät, kurz und gut, als ich endlich auf dem Bahnhof ankam, fuhr mir der Zug eben vor der Nase weg. Im Zug saß meine Zofe mit meinen Kleidern, ich aber stand sozusagen in Hemd und Schlafrock im strömenden Regen verzweifelt auf dem Bahnsteig und mußte mich vom Impresario und den Kollegen auslachen lassen.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis wieder ein Wagen besorgt werden konnte, denn die Wagen stehen ja in Holland nicht auf der Straße. Ich kehrte also wieder ins Hotel zurück, dessen Portier nicht wenig schmunzelte, als ich erzählte, was geschehen war. Aber es half nun mal nichts. Meine Mutter tröstete mich, wir schliefen uns ordentlich aus, und am anderen Morgen fuhren wir weiter, nachdem man mir noch schnell ein Paar schwarze Lederschuhe besorgt hatte, weil ich nur goldbestickte Pantoffeln besaß, mit denen ich nicht gut eine Reise antreten konnte. Selbstverständlich hatte ich unter dem Mantel alles so gut wie möglich hochgesteckt und mein Spitzentuch um den Kopf gelegt, so daß ich wenigstens einigermaßen passabel aussah.

Da ich nach dem Haag telegraphiert hatte, wurde ich von meinem Impresario erwartet, der mir noch Vorwürfe machen wollte, als ob es meine Schuld gewesen wäre, daß ich den Zug nicht mehr erreicht hatte. »Wenn Sie zur rechten Zeit einen Wagen bestellt hätten und bis zum Schluß der Vorstellung dageblieben wären, hätte das alles nicht zu geschehen brauchen«, erwiderte ich ihm. »Sie sind der Impresario und haben dafür zu sorgen, daß alles in Ordnung geht. Was wollen Sie denn machen, wenn ich nun krank werde, weil ich mich bei dem Hundewetter erkältet habe?« Er antwortete mir nicht und brummte nur leise vor sich hin: »Wenn ich die Vögel erst über der Grenze habe, pfeift der Wind aus einem anderen Loch.« Leider habe ich erst zu spät erfahren, was der Herr Impresario damit meinte.

Die erste Etappe hatte ich siegreich bestanden, nun kam die zweite: Rußland. Am 7. November sollte mein Gastspiel dort beginnen, durch verschiedene Umstände verzögerte es sich jedoch, so daß ich erst am 15. November anfangen konnte. Zunächst in St. Petersburg, dann in Moskau, Kiew, Odessa und anderen Städten. Überall, wo ein Theater stand, wurde gespielt, und zwar mit glänzendem Erfolg. Namentlich mein Hamlet erregte Aufsehen, auch der berühmte Schauspieler Stanislawsky war von meiner Leistung in dieser Rolle erschüttert. Meine Kameliendame und »Francillon« fanden ebenfalls stürmischen Beifall, und man schrieb in den Zeitungen: »Adele Sandrock ist den Französinnen Sarah Bernhardt und Réjane, die wir in denselben Rollen bewundern konnten, ebenbürtig, sogar überlegen.«

Meine Tournee durch Rußland war auch finanziell ein voller Erfolg und glich mein holländisches Defizit wieder aus. Nach meiner Berechnung mußte ich einen ganz großen Überschuß haben, denn die Theater waren überall, wo ich hinkam, brechend voll. Der Herr Impresario aber machte solche Kostenrechnungen für sich und das Personal, daß mir Hören und Sehen verging. Dazu hetzte er die Mitglieder meiner Truppe gegen mich auf, Intrigen, die ich nicht ergründen konnte, machten mir die Arbeit immer schwerer, und da ich letzten Endes für die ganze Truppe verantwortlich war, beschloß ich, der Sache ein Ende zu machen. Ich erklärte dem Herrn, daß es eine Unwahrheit sei, wenn er mir dauernd erkläre, es ginge nichts ein, und daß ich es unter solchen Umständen für aussichtslos hielte, weiter zusammenzuarbeiten. Wie ich später erfuhr, wollte sich der Herr durch mich rangieren und glaubte wohl, in Rußland freie Hand dazu zu haben. Das hatte er wohl auch mit dem Wind gemeint, der aus einem anderen Loch pfeifen sollte, sobald die Vögel über der Grenze waren. Aber er irrte sich sehr. Ich ging kurz entschlossen auf mein Konsulat, klärte den Sachverhalt auf, die Behörde griff ein, und ich konnte die Tournee ungestört beenden. So flog ihm sein Zugvögelchen davon, und er hatte das Nachsehen. Einige Zeit später gab es zwar ein gerichtliches Nachspiel, aber ich brauchte mich wenigstens bei der außerordentlichen körperlichen und geistigen Anspannung, die eine solche Tournee mit sich bringt, nicht auch noch ganz überflüssigerweise aufzuregen.


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